Die evangelische Blindenarbeit in Frankfurt wird umstrukturiert, aber eine hauptamtliche Stelle wird nach Protesten wohl doch erhalten bleiben. Ein Kommentar zum Thema Inklusion.
Ein Wort macht seit Jahren die Runde, und doch verunsichert es oft mehr, als es klärt: Inklusion. Eingeführt wurde der Begriff von der UN-Behindertenrechtskonvention. Damit gemeint ist, dass alle Menschen, gleich welche speziellen Fähigkeiten sie haben, beachtet und beteiligt werden müssen.
Es geht also nicht mehr darum, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu „integrieren“, sondern darum, gar nicht mehr per se zwischen „behindert“ und „nicht-behindert“ zu unterscheiden, sondern die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Menschen bei Planungen selbstverständlich mit zu berücksichtigen. Auch der Jugendhilfeausschuss der Stadt Frankfurt hat vor wenigen Monaten Leitlinien zur Inklusion beschlossen, in denen steht: „Die Inklusion unterscheidet nicht zwischen Kindern, sie geht von der Individualität eines jeden Kindes aus.“ Das bedeutet zum Beispiel, dass alle Angebote und Einrichtungen für alle Kinder erreichbar sein müssen.
Inklusion bedeutet also gerade nicht, dass spezielle Fördermaßnahmen eingespart werden können, sondern eher das Gegenteil. Doch leider verkümmert der Gedanke der Inklusion in der Praxis meist doch zum Sparpaket, zum Beispiel in den hessischen Schulen. Wenn aber Inklusion meint, dass alle Einrichtungen möglichst allen Menschen offen stehen sollen, dann fängt das bei Alternativen zur Treppe an und hört bei der benötigten Therapiestunde noch lange nicht auf. Da müssen alle umdenken.
Kindertagesstätten etwa müssten völlig neu konzipiert werden: Was benötigen blinde Kinder, was hörgeschädigte Kinder, was Kinder im Rollstuhl? Soll ein Treppenhaus durch Rampen wie im Museum für Angewandte Kunst ersetzt werden? In Bezug auf Kirchengebäude wäre zu fragen: Was geschieht mit den vielen denkmalgeschützten Kirchen? Können diese umgebaut werden? Viele Ältere würden sich über eine zumindest rollatorgerechte Kirche sonntags freuen.
Aber Inklusion bedeutet nicht nur den Umbau von Gebäuden, sondern auch konzeptionelles Umdenken: Braucht es eine spezielle kirchliche Arbeit für Blinde, oder sollte nicht jede Kirchengemeinde offen sein für ihre erblindeten Mitglieder? Um den Gedanken der Inklusion in der alltäglichen Praxis umzusetzen, braucht es Fachleute, die zum Beispiel Gemeinden auf solche Aufgaben vorbereiten. Deshalb ist es gut, dass die Kirchenleitung die hauptamtliche Stelle in der Frankfurter Blindenarbeit nun doch nicht streicht. Inklusion eignet sich nicht zum Sparen. Ganz im Gegenteil.
Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 14. Juli 2013 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2013/4 – Juli.