Tag Archiv für Ukraine

Hoffnungsschimmer nach Washington, Skepsis gegenüber Putins Friedenswillen

Nach den beiden Treffen in Alaska und Washington bleibt die Frage nach einer echten Friedenslösung für die Ukraine offen. Während ein Treffen in Alaska zunächst eine „Schockstarre“ in Europa und der Ukraine auslöste und Befürchtungen eines Rückfalls ins 19. Jahrhundert aufkommen ließ, da Großmächte über das Schicksal kleinerer Länder entscheiden würden, brachte das anschließende Treffen in Washington eine deutliche Korrektur, so die Einschätzung von Andreas von Schumann, stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums im Podcast Conny&Kurt.

Putins Strategie: Zeit gewinnen und Unterwerfung fordern

Andreas von Schumann betont, dass Putin nur unter massivem Druck der USA nach Alaska kam, die mit verschärften Sanktionen drohten. Russland sei gut vorbereitet gewesen und habe direkt „unannehmbare Forderungen“ formuliert, die eine Lähmung des Prozesses zur Folge hatten. Putins Ziel gehe weit über die Ukraine hinaus, und er habe explizit erklärt, keinen Waffenstillstand machen zu wollen, solange er militärische Erfolge verzeichne. Sein Bestreben sei die Vergrößerung Russlands und die Wiederherstellung seiner „alten Blüte“. Russland sei nicht an einer Störung interessiert, sondern möchte in Ruhe weitermachen und setze weiterhin auf Propaganda, um die Einheit Europas zu untergraben.

Ein Waffenstillstand ist die absolute Grundlage für jegliche Verhandlungen. Ohne ihn seien Friedensverhandlungen „völlig absurd“. Die Ukraine könne Forderungen, wie die freiwillige Rückgabe des gesamten Donbas, nicht akzeptieren, da dies den Westen des Landes schutzlos ließe. Russland stelle Forderungen, von denen es selbst wisse, dass sie unannehmbar seien, um den Anschein von Flexibilität zu erwecken, während das eigentliche Ziel die „Unterwerfung“ der Ukraine sei.

Verbindlichkeit und Konsequenzen: Lehren aus der Geschichte

Ein zentrales Thema ist die Verbindlichkeit eines Friedensvertrages und der Schutz der Ukraine vor weiteren Angriffen. Historisch gesehen hat Russland, insbesondere Putin, Verträge immer wieder gebrochen, darunter das Minsker Abkommen und sogar die 2003 und 2004 persönlich von Putin ratifizierten Grenzverläufe zur Ukraine. Die Ukraine war nach dem Zerfall der Sowjetunion die drittgrößte Atommacht der Welt und gab 1994 im Budapester Memorandum ihre Atomwaffen im Tausch gegen Sicherheitsgarantien von Großbritannien, den USA und Russland ab. Während Großbritannien sich weiterhin auf diesen Vertrag beruft, tun dies die USA nicht in gleicher Weise, und Russland hat ihn eklatant gebrochen.

Um einen künftigen Vertragsbruch zu verhindern, müssen die Konsequenzen für Russland „so hoch sein, dass es ineffizient ist, den zu brechen“. In der Vergangenheit war die Schwäche des Westens, der Vertragsbrüche wie die Annexion der Krim nur milde verurteilte, ein Problem. Erst der Abschuss des malaysischen Flugzeugs führte zu ernsthaften Sanktionen.

Die Rolle der USA und Europas

Die USA an Bord zu halten, ist ein „ganz wichtiges Ziel der europäischen Staaten“, da Europa ohne die USA, insbesondere deren Geheimdienstinformationen, nicht verteidigungsfähig ist und die Ukraine nicht unterstützen kann. Während die USA sich auf den pazifischen Raum konzentrieren wollen und militärische Interventionen in Europa vermeiden möchten, fordern die europäischen Staaten ein schnelles Ende des Krieges und die Einhaltung des internationalen Rechts, um weitere weltweite Konflikte zu verhindern.

Diskutiert werden derzeit auch eine „Paragraph 5-ähnliche“ Vereinbarung für Sicherheitsgarantien und eine „Finnland-Lösung“, bei der Finnland Land abtrat, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. Diese Diskussionen zielen auf eine Vereinbarung mit sehr hoher Verbindlichkeit ab, auch wenn der NATO-Paragraph 5 selbst nicht so verbindlich ist, wie viele meinen.

Abschließend betont Andreas von Schumann, dass ein „langer Atem“ und „entschlossener Atem“ gefordert sind, da eine schnelle Lösung des Konflikts unwahrscheinlich ist.

Zur Person:

Andreas von Schumann, Stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Ukrainischen Forums.

Das Deutsch-Ukrainische Forum, 1999 gegründet, um Akteure aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft zu vernetzen, hat sich seit 2014 und insbesondere seit 2022 stark auf humanitäre Hilfe und Soforthilfe konzentriert. Ihr Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Vorbereitung des Wiederaufbaus der Ukraine und der Stärkung der Kooperation zwischen deutschen, europäischen und ukrainischen Unternehmen. Dies beinhaltet die Unterstützung bei der provisorischen Reparatur zerstörter Infrastruktur, aber auch die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und der Schaffung von Einkommen. Das Forum organisiert Reisen für deutsche Unternehmen in die Ukraine und arbeitet eng mit lokalen Institutionen zusammen, um Kontakte zu knüpfen und das große Potenzial der Ukraine, beispielsweise im Bereich Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit, zu nutzen.

Es ist unerträglich – Zur Situation der Ukrainer:innen in Deutschland

„Ich bewundere viele Frauen“ sagt Tanja Sacher über geflüchtete Urkrainerinnen „und frage mich gleichzeitig, woher nehmen sie die Kraft. Und dann plötzlich kommen die Tränen. Eigentlich ist es unerträglich aber es gibt keine Ende.“ So schildert die Pfarrerin die Situation der hier lebenden Ukrainer:innen. Tanja Sacher hat einen Spezialauftrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zur Betreuung dieser Geflüchteten. Sie selbst spricht russisch. Die Geflüchteten seien dauerhaft mit ihren Angehörigen verbunden. Das mache es schwer hier anzukommen, da man sich um die Menschen in der Heimat Sorge. Eine solche Situation zermürbe. Schlaflosigkeit, Panikattacken und Depression seien häufig die Folge. Sacher wünscht sich die Möglichkeit einer schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt. Dazu sei es notwendig Sprache nicht nur im Unterricht zu erlernen, sondern sie auch im Arbeitsprozess anzuwenden.

Zur Person:
Tanja Sacher kam mit neun Jahren aus Russland nach Deutschland. Aufgewachsen ist sie im Badischen. Nach mehreren Stationen als Gemeindepfarrerin unter anderem in Oberursel und in Steinbach arbeitet sie seit 2021 im Kirchlichen Flüchtlingsdienst am Frankfurter Flughafen. Seit September 2023 ist sie zudem Seelsorgerin für Menschen aus der Ukraine.

Mehr Geld und Waffen für die Ukraine

Der Sprecher für Europapolitik der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, Tobias Utter, befürwortet angesichts der Blockade im amerikanischen Kongress ein stärkeres finanzielles Engagement der Europäischen Union. Im Podcast Conny&Kurt sagt er: „Wenn sich in Amerika nichts bewegt, dann muss das Europa machen. Und das kann auch Europa machen.“ Auch die Bereitstellung weiterer deutscher Finanzhilfen schließt der Hessische Landtagsabgeordnete nicht aus, selbst wenn man dafür die Schuldenbremse aussetzen müsste.

Utter weist auf die Bedeutung der EU auch für die Länder hin. So werde in Brüssel etwa vieles für den Flugverkehr und die Chemieindustrie geregelt. Zwei Bereiche, die für Hessen herausragende Bedeutung haben. Doch sei die EU vor allem ein Friedensprojekt. Sie stärke den Zusammenhalt.

Keine Stunde Null

Andreas von Schumann vom Deutsch-Ukrainische-Forum erwartet in der Ukraine keine Stunde Null. Es werde vielmehr ein schleichender Prozess werden bei dem die kriegerischen Handlungen abnehmen werden. Für ihn ist der Wille zur Verteidigung in der ukrainischen Bevölkerung ungebrochen. Im Podcast Conny&Kurt berichtet er auch davon, dass die Menschen durch den Krieg traumatisiert seien. Vor allem bei den Menschen, die vor Ort an der Front leben und nicht geflüchtet sind. Zum anderen bei den 5,6 Millionen Binnenflüchtlingen, die nicht wissen wie es weitergeht. Aber auch bei allen anderen Ukrainer:innen, die im Land leben, hinterlässt der Krieg dauerhaft spuren. „Es wird eine Generation dauern bis das verarbeitet ist“, sagt von Schumann. Die Unterstützung durch die westlichen Staaten sieht er trotz des Krieges im Nahen Osten nicht gefährdet.

Das Deutsch-Ukrainische Forum wurde auf Betreiben des damaligen Außenministers Joschka Fischer gegründet und soll Plattform sein, um verschiedene Initiativen zu bündeln. Heute ist vor allem der Wiederaufbau im Blick.

Sehnsucht nach heiler Welt

Im letzten Jahr flüchteten die Kinder vor dem Krieg aus der Ukraine. In der letzten Woche malten sie Bilder, die im Foyer des BTH ausgestellt wurden. Die in Zusammenarbeit des Jugendbereiches der Evangelischen Thomasgemeinde und dem Verein „jmd Migration“ erstellten Bilder zeugen nicht von Kriegserlebnisssen, sondern von der Sehnsucht nach einer heilen Welt, einer intakten Natur. Anleitung erhielten die jungen Künstler und Künstlerinnen im Rahmen des Malprojektes „Projekt mit Zukunft“ von Dagmar Bode.

Text und Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Der Ukrainekrieg ist auch ein Angriff auf uns

Andreas von Schumann kennt die Ukraine gut. Vier Jahre hat der ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit in Kiew gelebt und im Auftrag der Bundesregierung das Land bei Reformprozessen beraten. Im Podcast Conny&Kurt schildert er seine Erfahrungen, positioniert sich als Kriegsdienstverweigerer klar für die militärische Verteidigung und hofft, dass die Unterstützung nicht nachlässt. Er selbst, der immer noch viele Kontakte in die Ukraine hat, unterstützt Geflüchtete an seinem Heimatort. Sein Fazit: Der Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf uns. Deshalb muss man auch aus ganz rationalen Gründen helfen, wo man kann.

Die Russisch-orthodoxe Kirche ist mehr als ihr Patriarch Kyrill

Pfarrerin Dagmar Heller, Konfessionskundliches Institut, Bensheim

Benzin 2,50 €. Na und!

Zugegen: Auch ich fahre gerne Auto. Der Blick auf die Preistafeln der Tankstellen schockiert. Über 2 Euro. Selbst Diesel. Vor einigen Wochen noch unvorstellbar. Scheinbar alles aufgrund der Verteuerung der russischen Öllieferungen.

Nur: das Benzin, das heute an den Tankstellen verlauft wird, wurde vor zwei2 oder drei Monaten gekauft. Zum damaligen Preis. Und auch heute gibt es keine Verknappung. Noch liefern alle Länder vertragsgemäß, auch Russland. Die Verteuerung ist also reine Spekulation und sichert allen Ölkonzernen, ob russisch oder amerikanisch, satte Extragewinne.

Doch was tun? Keine Frage. Die Situation belastet Privathaushalte genauso wie die Wirtschaft. Die Idee des Finanzministers Christian Lindner, der einen Tankrabatt fordert, ist populistisch, ungerecht und klimaschädlich. Vor allem sichert er die Extragewinne der Ölmultis. Unterstützung hingegen bedürfen die, deren Budget zu klein ist, die Teuerung abzufedern. Dies ist bestimmt nicht der SUV-Fahrer, der jetzt für sein Viertonnen-Fahrzeug für eine Tankfüllung 130 Euro statt 90 Euro zahlt.

Gefördert müssen die werden, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Hartz Vier, Wohngeld, Bafög oder auch Kindergeld müssen angehoben werden. Hier bedarf es eines Ausgleichs. Auch die Anhebung des Mindestlohns sollte in den Blick genommen werden.

Und die Wirtschaft? Sie bekommt die Mehrwertsteuer über die Steuerverrechnung wieder zurück. Ein kleiner Ausgleich. Und klar. Der Handwerksbetrieb wird die steigenden Spritpreise an die Kunden weitergeben. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die Ampelkoalition spricht zwar von dem größten wirtschaftlichen Transformationsprozess der Geschichte, doch sie tat immer so, als sei dieser zum Nulltarif zu erhalten. Der Ausstieg aus einer Wirtschaft, die auf fossilen Brennstoffen basiert, kostet Geld. Ja, es wird teuer. Auch für Privathaushalte. Im Jahr geben deutsche Haushalte rund 15,4 Prozent der gesamten Konsumausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren aus. Um das Jahr 1900 lagen die Ausgaben der deutschen Haushalte für die wichtigsten Konsumgüter noch über der Hälfte aller Konsumausgaben. Selbst 1970 lag der Anteil noch bei einem Viertel. In den vergangenen zehn Jahren blieb der Ausgabenanteil jedoch auf einem relativ konstanten, niedrigem Niveau.

Fazit: Der heutige Anstieg der Spritpreise ist erst der Anfang einer notwendigen Wende. Einer Wende hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Dies wird Einschnitte in unseren Lebensstandard bedeuten. Das größte Versäumnis der Politik ist es, die Notwendigkeit des Umsteuerns zu sehen, aber so zu tun, als könnten wir alle so weiterleben wie bisher. Wir werden an einigen Stellen Neues mit Freude entdecken, aber auch an anderer Stelle Verzicht ertragen müssen. Genau wie bei der Corona-Krise versagt die Politik in ihrer Kommunikation. Es wird nicht ohne Opfer gehen. Aber um der Schöpfung Willen muss der Umstieg vollzogen werden. Gottes Schöpfung zu bewahren, ist unser Auftrag. Ganz zu schweigen von der Verpflichtung der zukünftigen Generation gegenüber.

Populistische Vorschläge á la Lindner sind rückwärtsgewandt.

Kurt-Helmuth Eimuth