Pflegekrise: Das eine Patentrezept zu ihrer Lösung gibt es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 16. April 2019

„Von einer Gesellschaft in Sorge zu einer sorgenden Gemeinschaft“ war der Titel eines Studientags zum Thema Pflege in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Dabei wollte man vor allem Perspektiven für die Pflege aufzeigen, sagte Martin Niederauer von der Diakonie Hessen. Der derzeitige Diskurs, der sich vor allem auf Personal und Geld konzentriere, zeige die qualitativen und ethischen Folgen der Krise in der Pflege auf.

Die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf (links) beim "Pflegetag" in der Evangelischen Akademie neben der Fernsehjournalistin Constanze Angermann, die die Diakonie als Pflegebotschafterin unterstützt. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf (links) beim „Pflegetag“ in der Evangelischen Akademie neben der Fernsehjournalistin Constanze Angermann, die die Diakonie als Pflegebotschafterin unterstützt. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Von einer Gesellschaft in Sorge zu einer sorgenden Gemeinschaft“ war der Titel eines Studientags zum Thema Pflege in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Dabei wollte man vor allem Perspektiven für die Pflege aufzeigen, sagte Martin Niederauer von der Diakonie Hessen. Der derzeitige Diskurs, der sich vor allem auf Personal und Geld konzentriere, zeige die qualitativen und ethischen Folgen der Krise in der Pflege auf.

Gudrun Born pflegte ihren Mann 17 Jahre lang. „Die Situation ist plötzlich da, man übernimmt die Pflege ohne zu wissen, was auf einen zukommt.“ Pflegende Angehörige hätten keine Zeit zur Trauer, denn sie müssen funktionieren und der Erkrankte soll ja schließlich ermuntert werden. „Sie dürfen als Angehöriger nicht weinen“, berichtet Born. Die Pflegenden würden „gnadenlos ausgenutzt“.

Die stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Ulrike Scherf betonte, dass die Gewinnung von Fachkräften das Problem nicht lösen würde. Die Sorge-Arbeit hätte eine eher geringe Anerkennung. Doch leisteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Kirche und Diakonie sowie pflegende Angehörige hier Großartiges. Scherf plädierte für eine Ethik der Achtsamkeit. Dabei gelte es auch achtsam gegenüber sich selbst zu sein. Das biblische Gebot der Nächstenliebe beinhalte auch diese beiden Aspekte: achtsam gegenüber dem Nächsten und gegenüber sich selbst.

Doch um Perspektiven entwickeln zu können, muss es eine Bestandsaufnahme geben. Für Jens-Peter Kruse, Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit in der Evangelischen Kirche Deutschlands, steht fest: „Ein Weiter-So wird nicht möglich sein.“ In Zukunft werde jeder und jede vom Thema Pflege berührt werden, denn es wachse nicht nur der Anteil der Pflegebedürftigen aufgrund der demographischen Entwicklung. Gleichzeitig steige die Zahl der Berufstätigen. 76 Prozent würden in der Familie versorgt, davon fünfzig Prozent ohne professionelle Unterstützung durch einen Pflegedienst. „Damit ist die Familie der größte Pflegedienst in Deutschland“, so die Soziologin Tine Haubner von der Universität Jena.

Kruse plädierte für eine Stärkung lokaler Strukturen und nachbarschaftlichen Engagements, weil einheitliche, zentrale Lösungen den jeweiligen Verhältnissen vor Ort nicht gerecht würden. „Soziale Netzwerke in den Kommunen sind gefragt.“ Diese Hilfesysteme müssten gut auf einander abgestimmt sein. „Wir brauchen einen Wohlfahrtsmix“, forderte Kruse. Allerdings sah auch Kruse, dass weder Staat noch Politik Mitmenschlichkeit verordnen können. Der Staat lebe von der moralischen Instanz der Zivilgesellschaft.

Die Entwicklung der Pflege seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 beleuchtete Tine Haubner wesentlich kritischer. Schon in ihrer Konzeption reflektiere sie auf den Beitrag pflegender Angehöriger, hier vor allem der Partner und Töchter. Solche familienbasierte Systeme müssten als rückständig bezeichnet werden. Sie basierten auf einer prekär bezahlten Sorge-Arbeit, so die Soziologin.

Die Situation der pflegenden Angehörigen ist gekennzeichnet von Überlastung und gleichzeitig finanziellen Einbußen. Jede zweite Pflegeperson ist zwischen 40 und 64 Jahren und 68 Prozent versuchen Beruf und Pflege zu vereinbaren. Die Mehrheit ist bis zu 40 Stunden in der Woche in die Pflege eingebunden. Die durchschnittliche Pflegedauer beträgt zwischen fünf und acht Jahren. Die Folge sind oftmals Depression, Beziehungsprobleme aber auch körperliche Auswirkungen wie Bluthochdruck oder die Schwächung des Immunsystems sind nachgewiesen.

Ein Patentrezept aus der Pflegekrise wurde auch bei diesem Studientag nicht gefunden. Es zeichnete sich nur klar ab, so Stefan Heuser in seinem Tagungsresümee, dass „Nachbarschaft keine Alternative zur professionellen Hilfe ist.“ Sie ist allenfalls eine Ergänzung. Angehörige plädierten vor allem für eine Vereinfachung der Bürokratie und der Zuständigkeiten. Durch größere Transparenz der Förderungen könnten auch mehr Menschen diese in Anspruch nehmen. Aber das kostet Geld.

Musik verbindet, weckt Gefühle, bestimmt den Takt des Lebens

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. April 2019

Kirchenmusik lockt oft mehr Publikum an als Gottesdienste. 67 000 Konzerte finden pro Jahr in deutschen evangelischen Kirchen statt, insgesamt 7,6 Millionen Menschen besuchen sie.

Musik lockt viele Menschen in die Kirchen - hier beim Abendgottesdienst in der Friedenskirche in Offenbach. | Foto: Ilona Surrey
Musik lockt viele Menschen in die Kirchen – hier beim Abendgottesdienst in der Friedenskirche in Offenbach. | Foto: Ilona Surrey

Welche Macht Musik hat, das kann man vor jedem Fußballspiel im Waldstation erleben: „Im Herzen von Europa liegt mein Frankfurt am Main. Die Bundesliga gibt sich hier gar oft ein Stell-Dich-ein.“ So erklingt es aus Tausenden Kehlen. Musik verbindet, Musik stellt Gemeinschaft her.

Musik gehört einfach zu uns. Zu unserem Jahrgang, zu unserer Beziehung, zu unserem Milieu. Eigentlich läuft doch immer Musik. Im Auto, unterwegs mit Kopfhörer oder als Begleitmedium in der Wohnung.

In den 1970er Jahren war die Aufteilung noch einfach: Stones oder Beatles? Heute läuft deren Musik im Altenheim – es ist eben die Musik dieser Generation. Musik steht für ein prägendes Lebensgefühl, das bleibt. Es ist wahr, dass Musik „mehr als Worte“ sagt. Musik drückt Gefühle aus. Trauer. Liebe. Kaum ein Paar, das nicht „sein Lied“ hat. Das Lied zum ersten Tanz, das Lied, das man beim ersten Kuss gehört hat. Musik kann aber auch für politische Ziele eingesetzt werden. In allen Armeen der Welt wird gesungen und musiziert. Marschmusik.

Dass Musik „wirkt“, lässt sich sogar wissenschaftlich nachweisen: Beim Musizieren oder Musikhören werden Endorphine ausgeschüttet, also körpereigene Glückshormone. Erwiesen ist auch, dass Musik das logische Denken fördert. Deshalb ist Musizieren schon im Kindergarten wichtig.

Für die Theologin Margot Käßmann ist die Musik auch „eine der tragenden Säulen evangelischer Spiritualität“. Schon Martin Luther war nicht nur Bibelübersetzer, sondern schrieb auch Lieder, die heute noch gesungen werden. Jedes Jahr finden in Deutschland 67 000 kirchenmusikalische Veranstaltungen in evangelischen Kirchen statt. Sie werden von 7,6 Millionen Menschen besucht – sonntagsmorgens beim Gottesdienst sind die Kirchen oft nicht so voll.

Die Vielfalt christlicher Musik will die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau mit ihrer aktuellen „Impulspost“ nahebringen, die allen Kirchenmitgliedern in diesen Wochen in die Briefkästen geschickt wird.

Zeilsheim: Zwei neue Kitas bieten Platz für 140 Kinder

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. März 2019

Die evangelische Kirche hat in Zeisheim gebaut. Zwei neue, nahezu baugleiche Kindertagesstätten in Friedenau und Taunusblick wurden jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt. Die modulare Bauweise macht sie effizient und ökologisch zugleich. Zusammen haben sie vier Kita- und zwei Krabbelgruppen.

Effizient und ökologisch zugleich: Die neue evangelische Kita in Zeilsheim Friedenau. Die Schwester-Kita in Taunusblick sieht fast genauso aus. | Foto: Ilona Surrey
Effizient und ökologisch zugleich: Die neue evangelische Kita in Zeilsheim Friedenau. Die Schwester-Kita in Taunusblick sieht fast genauso aus. | Foto: Ilona Surrey

Die beiden Einrichtungen sind fast baugleich: Auf jeweils fast 1000 Quadratmetern können gut siebzig Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren im den beiden neuen Kitas der Kirchengemeinde Zeilsheim spielen, toben, experimentieren, kochen, forschen oder auch einfach schlafen. In der Lenzenbergstraße in Friedenau sind derzeit 74 Kinder untergebracht, in drei Kita- und einer Krabbelgruppe. In der Kita Taunusblick in der Rombergstraße werden 64 Kinder betreut, hier gibt es zwei Kita- und zwei Krabbelgruppen.

Aufgrund der Modulbauweise, die in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Regionalverband entwickelt wurde, konnten die Kitas schnell und wirtschaftlich gebaut werden, ohne an der Qualität zu sparen, wie Architekt Ferdinand Heide ausführte. Diese Bauweise sei effizient und ökologisch zugleich. Auch die Stadt Frankfurt ist von dem Konzept überzeugt, sie hat es inzwischen auch für sechs ihrer eigenen Kitas übernommen.

Pfarrer Ullrich Matthei hob die Bedeutung von Kitas auch für die Kirchengemeinde hervor. „Wir wollen Kindern mit Respekt begegnen und sie lebendig Gemeinschaft erleben lassen.“ Prodekan Holger Kamlah freute sich, dass zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas auch privat im Stadtteil verankert sind. „Wir betreuen Kinder unabhängig von ihrer Herkunft“, so Kamlah, „das Besondere an uns ist, dass wir religiös und zugleich offen sind. Wir bringen unseren Glauben mit in die Arbeit ein, aber in religionssensibler Weise.“

Jede der beiden Kitas kostete 2,6 Millionen Euro, wovon die Evangelische Kirche 500.000 Euro an Eigenmittel aufgebracht hat.

„Kinder werden im Trauerprozess oft übersehen“

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. März 2019

Auch Kinder erleben Verlust und Trauer. Aber sie werden im Trauerprozess oft übersehen. Gerade wenn zuhause nach einem Todesfall Ausnahmezustand herrscht, sind auch die Kitas gefragt. Hilfreich sind zudem gewohnte Abläufe und Rituale.

Die Fachautorin Margit Franz sprach beim Fachtag für Erzieherinnen und Erzieher in Frankfurt über Trauerbegleitung in Kitas. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Die Fachautorin Margit Franz sprach beim Fachtag für Erzieherinnen und Erzieher in Frankfurt über Trauerbegleitung in Kitas. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Auch Kinder trauern. Sie sind zum Beispiel mit dem Tod konfrontiert, wenn ein Haustier stirbt oder wenn Großeltern versterben. Kinder müssen Verlust bewältigen, wenn die Eltern sich scheiden lassen oder ein guter Freund wegzieht.

Doch die Trauer von Kindern wird oft übersehen, sagte die Autorin und Pädagogin Margit Franz bei einem Fachtag für Erzieherinnen und Erzieher in Frankfurt. Gerade wenn die Eltern selbst trauern, könnten sie oft nicht die notwendige emotionale Stabilität bieten. Deshalb sei Hilfe bei der Trauerbewältigung auch eine Aufgabe für Kitas.

Aus dem Rhein-Main-Gebiet und ganz Hessen waren 250 Erziehrinnen und Erzieher aus evangelischen und katholischen Kitas ins Frankfurter Dominkanerkloster gekommen, um neue Perspektiven für ihre Arbeit zu bekommen. Franz forderte sie auf, die Trauer der Kinder zuzulassen. Dabei würden Gefühle wie Angst, und Trauer ohne Worte ausgelebt. Kinder trauerten auch spontan und seien dabei aufrichtig ehrlich. „Sie lassen ihren Gefühlen freien Lauf“, so die Referentin. Dabei könne man ihrer Selbstregulation vertrauen: Kinder lassen nur die Gefühle zu, die sie auch verarbeiten können.

In Situationen der Trauer sei es für die Kinder besonders wichtig, dass sie ihren Alltag weiter erleben – das gemeinsame Essen, der gewohnte Besuch der Kita, das abendliche Vorlesen. „Alltägliche Rituale geben den Kindern gerade in Krisen Halt“, sagte Franz. Gerade wenn zuhause Ausnahmezustand herrscht, könne der Kita-Besuch Sicherheit vermitteln.

Wichtig sei auch, dass Erwachsene ihre eigene Trauer nicht verbergen. Es sei gut, die eigenen Gefühle, aber auch die des Kindes in Worte zu fassen. „Kinder erwarten nicht perfekte Antworten, aber ehrliche.“

Auch evangelische Besonderheiten begünstigen sexualisierte Gewalt

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. März 2019

Die Fälle von sexualisierter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen betreffen beide Kirchen. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat. Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Aber es gibt auch evangelische Besonderheiten, die problematisch sind.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Keineswegs segelt die evangelische Kirche bei den Debatten über sexualisierte Gewalt in kirchlichen Einrichtungen im Windschatten der katholischen Kirche. Vielmehr wird ihr vorgeworfen, dass sie selbst im Glashaus sitze, nur eben ihre Verstrickung deutlich leiser bearbeite. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat.

Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Deutlich stellten Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz in einem offenen Brief einen Zusammenhang her zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten.“

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will in zwei wissenschaftlichen Studien das Ausmaß des Skandals in ihren eigenen Strukturen ergründen. Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche, wo es bereits eine 500 Seiten starke Studie dazu gibt, machte in ihrem Bericht vor der EKD-Synode evangelische Spezifika aus. Problematisch seien zum Beispiel „die unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem, dezentrale Strukturen, die unklar machen, wer für was zuständig ist, fehlende Beschwerdemöglichkeiten.“

Im der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind von 1947 bis heute 50 Fälle bekannt geworden, die denen der Verdacht auf sexualisierte Gewalt bestand. Dabei wurden 16 Mal Pfarrer verdächtigt. In 12 Fällen konnten keine Ermittlungen mehr geführt werden, weil die Beschuldigten bereits verstorben waren. Ein Verdacht hat sich als unbegründet erwiesen. Dreimal wurde ein kirchliches Dienstrechts-Verfahren eingeleitet. In den anderen Fällen richteten sich die Anschuldigungen gegen Erzieher, Ehrenamtliche oder Kirchenmusiker. In der Gesamtzahl sind laut EKHN auch alle bekannten Fälle aus Heimen in evangelischer Trägerschaft enthalten.

Bei der Bearbeitung von sexualisierter Gewalt kann sich die evangelische Kirche also strukturell nicht auf den Klerus fokussieren. Sie muss die Mitarbeiterschaft in ihrer ganzen Breite – ob haupt- oder ehrenamtlich – in den Blick nehmen. Mit Hilfe eines neuen Gesetzes gegen Kindeswohlgefährdung und der Vorschrift von erweiterten Führungszeugnissen für Haupt- und Ehrenamtliche sind erste Schritte unternommen worden. Schulungen ergänzen die formalen Anforderungen. Zudem hat die EKHN Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Beschwerden ausgewiesen.

Überall, wo Macht ausgeübt wird, ob in der Psychotherapie, in der Seelsorge, in der Schule oder im Kindergarten, kann diese missbraucht werden. Deshalb gilt es weiterhin wachsam für Anzeichen eines Missbrauchs zu sein. Die Analyse der Vergangenheit kann da wertvolle Hinweise geben.

Klimaschutz braucht Bildung

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. März 2019

Es ist gut, dass junge Leute sich für den Klimaschutz engagieren. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Nicht nur die Kanzlerin zollt der Jugend ihren Respekt. Die Initiative „Fridays for Future“ löst allseits Anerkennung für eine Genaration aus, der es nicht egal ist, wie sie in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren leben wird. In ihrem Videopodcast sagte Angela Merkel: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Endlich beteiligt sich die Jugend an Politik, formuliert klar ihre Interessen und hält der Generation der Herrschenden und Mächtigen den Spiegel vor.

In das Gefühl der Freude mischt sich doch beim genaueren Nachdenken Skepsis. Muss denn während der Unterrichtszeit demonstriert werden? Klar, was ist denn eine versäumte Mathe-Stunde gegen die Erderwärmung, was ist eine verpasste Bio-Stunde gegen das Artensterben? Aber es geht ja nicht um die einmalige Teilnahme an Demos, sondern um den regelmäßigen Protest am Freitagvormittag.

Vor 100 Jahren wurde die Schulpflicht in der heutigen Form mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung eingeführt. Zuvor konnte man sich dem Schulbesuch durch angeblichen oder tatsächlichen Unterricht in privaten Schulen oder gar Zuhause entziehen, denn es gab nur eine „Bildungspflicht“. Das Bundesverfassungsgericht hat die Schulpflicht in zwei Beschlüssen 2003 und 2006 inhaltlich unterstrichen: „Die Pflicht zum Besuch der staatlichen Grundschule dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich“ Es gehe dabei, so das Gericht, nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um „die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können.“

Die Bedeutung der Schulpflicht auch in der Abwägung zu ehrenwerten übergeordneten Zielen gesamtgesellschaftlicher Art betont ausdrücklich das Hessische Schulgesetz. Es sei ein nicht ausreichender Entschuldigungsgrund, wenn Schülerinnen und Schüler an einer Demonstration teilnähmen. Dies sei auch keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wird in dem Gesetz betont.

Ganz unabhängig von Gesetzen und Gefühlen muss doch bilanziert werden, dass die Schulpflicht der Garant für die Bildung der Bevölkerung ist. Und Bildung ist die entscheidende Ressource Deutschlands. Bildung ist aber auch die Grundlage zur Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.

Vatikankonferenz zu sexualisierter Gewalt: Chance leider vertan

von Kurt-Helmuth Eimuth 25. Februar 2019

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution, sondern auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe. Leider wurde die Chance, an die Wurzeln des Übels zu gehen, wieder vertan.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche fand jetzt auf allerhöchster Ebene statt. Papst Franziskus hatte zur Anti-Missbrauchskonferenz nach Rom geladen. Herausgekommen ist eine Sensibilisierung für die Leiden der Betroffenen. In der etwas blumigen Sprache der Kirche klingt das so: „Das Echo des stillen Schreis der Kleinen, die in ihnen statt Vätern und geistlichen Führern Menschenschinder gefunden haben, wird die durch Scheinheiligkeit und Macht betäubten Herzen erzittern lassen. Wir haben die Pflicht, diesem erstickten stillen Schrei aufmerksam zuzuhören.“

Priester und Bischöfe seien zu „Menschenschindern“ geworden. Scharfe Worte des Papstes. Doch was folgt daraus? Die Kirche werde alle Delikte des sexuellen Missbrauchs an die Justiz weitergeben. Alle Bischofskonferenzen weltweit würden künftig sexuellen Missbrauch unnachsichtig verfolgen. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit.

An die strukturellen und theologischen Wurzeln des Übels wollte man nicht gehen. Dabei liegen sie auf der Hand. Es ist ein Amtsverständnis, das den Priester erhöht, ja überhöht. Und auch wenn es theologisch nicht so gemeint ist, verführt es doch zur Herrschaft über Menschen. Deutlich sprachen Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz von einem Zusammenhang zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden. „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an“, war in dem offenen Brief zu lesen.

Heribert Prantl nennt die Krise der katholischen Kirche in der Süddeutschen Zeitung eine Jahrtausendkrise, die nur durch Jahrtausendreformen bewältigt werden kann. Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche kann nur wiedergewonnen werden, wenn sie ihre „vormoderne Ordnung“, so der offene Brief aus Frankfurt, überwindet. Dazu bedarf es vor allem eines anderen Amtsverständnisses der Priester. Die freie Wahl der Lebensform sowie die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gehört da ebenso dazu wie eine andere Bewertung der Homosexualität.

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution. Zum einen ist es eine schwere Hypothek für den Annährungsprozess der beiden großen Kirchen. Zum anderen geht es aber auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe, gleich welcher Prägung. Mit einer zunehmend den christlichen Kirchen gegenüber kritisch eingestellten Gesellschaft erleichtern die Vorgänge in Rom nicht die Diskussion.

Im Fußball würde man sagen: Der Papst hat eine Torchance kreiert aber dann doch nicht konsequent abgeschlossen. Die Chance wurde vertan.

Zwischen Glauben und Gymnastik: Wie viel Religion steckt im Yoga?

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Yoga gehört zum Programm jeder Volkshochschule und wird inzwischen sogar auch von Kirchengemeinden angeboten. Der Markt boomt also. Dabei ist Yoga nicht einfach nur Gymnastik. Ursprünglich ist es eine religiöse Praxis.

Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox
Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox

Die Werbung verspricht viel: „Finden Sie Harmonie und Ausgeglichenheit! Körperliche und emotionale Anspannungen lösen sich, der Geist kann zur Ruhe kommen!“ So oder so ähnlich werben viele Veranstalter, darunter auch christliche, für ihre Yoga-Angebote. Mal sind es ein paar Tage im Erholungsheim, mal der wöchentliche Kurs im Gemeindehaus, die „Vertrauen, Ruhe und Zuversicht“ in Aussicht stellen.

In Deutschland praktizieren mehrere Millionen Menschen regelmäßig Yoga. Am beliebtesten sind die Übungen bei Frauen mit höherer Bildung. Yogakurse werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar von den Krankenkassen bezahlt. Doch es geht beim Yoga nicht nur um Entspannung und Fitness. Seine Ursprünge liegen im Hinduismus und Buddhismus.

Der indische Begriff „Yoga“ (Sanskrit: yuj) und das deutsche Wort „Joch“ (Lateinisch: iugum) sind sprachlich verwandt. „Das Bild des Anschirrens von Zugtieren vermittelt anschaulich Aspekte des Yoga: Kräfte werden vereinigt, gebündelt und zugleich beherrscht“, schreibt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Es geht darum, die Fähigkeiten des Menschen zu fördern, wobei eine Reihe verschiedener Methoden und Techniken helfen soll.

Yoga wird bereits in jahrtausendealten philosophisch-religiösen Texten Indiens, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, erwähnt. Die Grundlage der meisten Yoga-Systeme findet sich jedoch in den Yoga-Sutren des Gelehrten Patañjali. Diese 195 aphoristischen Merkverse begründen den hierzulande besonders beliebten achtgliedrigen Yogaweg zur Beherrschung der inneren Welt. Dies bedeutet, dass man einen Zustand erreichen kann, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen. Die acht „Stufen“ werden dabei nicht nacheinander abgearbeitet, sondern etwa als „Blütenblätter“ einer sich entfaltenden Knospe betrachtet – daher auch das oft verwendete Bild der Lotusblüte.

Die Stufen beginnen bei der äußeren Disziplin, dann kommen die innere Disziplin, die Körperhaltung, die Atemlenkung, das Ausschalten der äußeren Wahrnehmung, die Konzentration auf einen Punkt, die Meditation als vertiefte Konzentration und schließlich das Einswerden des menschlichen mit dem göttlichen Bewusstsein. Neben diesem klassischen Yogaweg haben sich später weitere herausgebildet, und es kommt auch zu zahlreichen Mischformen.

Nach klassischer Lehre benötigt man für diesen spirituellen Weg einen Wissenden, einen Meister, einen Guru. Ähnlich wie in der Psychotherapie ist dieses Verhältnis zwischen Schüler und Meister ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt einen Initiationsritus, bei dem der Schüler vom Guru ein individuelles „Mantra“ zur Meditation bekommt, es ist oftmals der Name einer hinduistischen Gottheit. Unter den Yogalehrenden findet schon seit längerem eine Diskussion zum Verhältnis von Yoga und Guru statt. Die Frage ist: Kann Yoga auch ohne das Guru-Jünger-Verhältnis in säkularisierter Form authentisch vermittelt werden?

Weltanschaulich betrachtet passen Yoga und Christentum nicht gut zusammen. So muss im Hinduismus und Buddhismus der Mensch daran arbeiten, den Kreislauf von Geburt und Tod zu durchbrechen, um selbst göttlich zu werden. Im Christentum hingegen sind die Menschen von Gott ohne jede Vorbedingung angenommen. Das Heil ist nach christlicher Überzeugung eine Sache des Glaubens, man muss dafür keine spirituelle Technik erlernen.

Die meisten Menschen, die hierzulande Yoga machen, tun das allerdings auch nicht, um die Einheit mit dem Göttlichen zu finden, sondern um ihre Rückenschmerzen loszuwerden. Sie wollen fit bleiben, aber nicht die Religion wechseln. Der Yoga-Markt folgt diesem Bedarf und hält vielfältige Yoga-light-Angebote vor, bei denen die spirituellen Aspekte gar nicht oder kaum erkennbar sind.

Es entstehen eigene spirituelle Profile, die Yoga mit einem mehr oder weniger kommerzialisiertem Esoterikmarkt verbinden. „Yoga“ ist zum Sammelbegriff für alle möglichen patchworkreligiösen Inhalte geworden. Es gibt Kundalini-Yoga, Kriya-Yoga, Sahaja-Yoga, Tanz-Yoga oder Lach-Yoga. Auf den ersten Blick lässt sich kaum entscheiden, was dahintersteckt.

Die dogmatischen und religiösen Hintergründe des Yoga sind bei diesen Angeboten in aller Regel nicht oder kaum erkennbar. In der westlichen Praxis geht es einfach um Gesundheitsübungen und Entspannung, weshalb es auch für viele Christinnen und Christen kein Problem ist, Yoga zu praktizieren.

Auch in den Light-Varianten versteht sich Yoga jedoch als ganzheitliche Praxis und sieht Körper und Seele als Einheit. Dagegen ist auch aus christlicher Perspektive nichts einzuwenden. Und die gesundheitsfördernde Wirkung der Übungen, auch als Prophylaxe, ist unstrittig. Wenn Yoga lediglich als Körperübung zur Steigerung des Wohlbefindens praktiziert wird, ist damit sicher keine Grenzüberschreitung zum Hinduismus oder zum Buddhismus verbunden. Genau genommen ist es dann aber auch kein Yoga mehr, sondern eher eine Art „Gesundheitsübungen im Stil des Yoga“.

Manche versuchen, diese Übungen auch mit christlichem Inhalt aufzuladen. Aber Yoga ist mehr als ein bloßes Behältnis, das mit jedem x-beliebigen Inhalt gefüllt werden kann. Es hat zum Beispiel auch in den Übungen den Anspruch, auf Energiezentren zu wirken. Diese Energiezentren, Chakren genannt, sind wissenschaftlich nicht zu belegen – sondern schlicht Glaubenssache.

Organspende: Man kann aus guten ethischen Gründen dafür sein – aber auch dagegen

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Gibt es eine moralische Verpflichtung, in die Verwendung der eigenen Organe nach dem Tod einzuwilligen, um anderen zu helfen? Nein, meint Kurt-Helmuth Eimuth. Obwohl er selbst einen Organspendeausweis hat. Über eventuelle Fragen zum Thema informiert eine Expertin in einem Seminar, das die evangelische Kirche Frankfurt in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Meinen Organspende-Ausweis trage ich schon seit Jahrzehnten im Portemonnaie bei mir. Wenn schon der Tod anklopft, sollen doch wenigstens andere profitieren, das ist doch auch Christenpflicht. Meine Frau als Theologin sieht es anders. Nach langer Beschäftigung mit dem Thema hat sie für sich entschieden, keine Organspende zu leisten.

Unsere beiden Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind beide ethisch begründbar. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Arbeitskreis Medizinethik in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Christen können grundsätzlich einer Organspende zustimmen oder diese ablehnen“, schreibt er in einer Stellungnahme, „eine christliche Verpflichtung zur Organspende besteht nicht“.

Wenn Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm nicht mehr arbeiten, gilt der Mensch laut Transplantationsgesetz als gestorben, auch wenn der Körper mit Hilfe von Apparaten noch funktioniert: Das Herz schlägt, die Organe werden versorgt. Von außen sieht es aus, als ob man schläft. Ob man einen Menschen in diesem Fall als lebend ohne Hirnfunktion betrachtet oder als tot, ist Ansichtssache. Auch der Deutsche Ethikrat hat darüber kontrovers abgestimmt: 7 von 25 Mitgliedern sprachen sich dagegen aus, den Hirntod als sicheres Zeichen für den Tod des Menschen zu verstehen.

Unstrittig ist, dass Sterben ein Prozess ist, der erst dann ganz beendet ist, wenn sowohl Hirn als auch Organe nicht mehr arbeiten. Eine Widerspruchslösung, wie sie die Regierung derzeit plant, ist deshalb fragwürdig. Denn dann könnten Organe von allen entnommen werden, bei denen der Hirntod festgestellt wurde, außer sie hätten ausdrücklich widersprochen. Pragmatisch ist das zwar nachvollziehbar, ethisch aber bedenklich.

Denn es kommt eben auf das Menschenbild an. Beim Sterben gibt es nicht die eine Wahrheit. Sowohl die Bereitschaft, Organe zu spenden, als auch die Ablehnung von Organspenden müssen als ethisch vertretbar anerkannt werden. Wir werden das in der Familie jedenfalls so halten und die jeweilige Position im Fall des Falles respektieren.

Noch Fragen?

Wird man schneller für tot erklärt, wenn man einen Organspendeausweis hat? Kann man sich wünschen, dass bestimmte Personen die Organe bekommen, zum Beispiel die eigenen Kinder? Solche und andere Fragen rund um das Thema Organspende werden in einem Intensivseminar geklärt, das die evangelische Kirche in Frankfurt in den kommenden Monaten in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Das katholische Frankfurt setzt ein notwendiges Zeichen

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Februar 2019

In einem offenen Brief haben sich der Frankfurter katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Deutliche Worte ist man vom katholischen Stadtdekan gewöhnt. Nicht zuletzt im Interview mit dem efo-Magazin wies er auf den Zusammenhang von Zölibat und sexuellem Missbrauch hin.

In einem offenen Brief haben sich jetzt Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. In Rom solle Kardinal Reinhard Marx die Zusammenhänge von vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden freimütig zur Sprache bringen: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifungsprozesse.“

Viele aktive Katholiken könnten die „vormoderne Ordnung“ nicht mehr mittragen, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser, unter Ihnen Ansgar Wucherpfennig, Direktor der Hochschule Sankt Georgen, und die Direktorin des Frankfurter Caritas, Gaby Hagmans. Es wird die freie Wahl der Lebensform für Priester und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gefordert, inklusive einer „verständigen und gerechten Bewertung von Homosexualität“.

Der Frankfurter Brandbrief zeigt auf der einen Seite die Nöte der katholischen Kirche, auf der anderen Seite den Mut der lokalen Spitze Neuerungen voranzutreiben. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.