Die neugierigen Augen der Kinder begleiten die Advents- und Weihnachtszeit. Im Podcast Conny&Kurt erinnern sich die beiden, an ihre Weihnachtskindheit. An Selbstgebasteltes, an das Erstrahlen des Weihnachtsbaum an Heilig Abend und an das verbotene Entleeren der Plätzchendosen. Und natürlich an den Weihnachtsbraten. Da wird so manche Erinnerung wach.
Tag Archiv für Familie
Sechs Monate Elterngeld plus Arbeitplatzgarantie!
von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Mai 2020
Alle möglichen Branchen bekommen wegen der Corona-Epidemie Hilfen, aber Familien gehen leer aus. Das Hin und Her rund um Schul- und Kita-Öffnungen und die selbstverständliche Erwartung vor allem an Mütter, Kinderbetreuung, Home-Schooling und eigene Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, zerrt an den Nerven. Für radikale Krisen braucht es radikale Lösungen! Ein Kommentar.
Die Sache ist vertrackt. Schulen und Kitas wurden geschlossen, von heute auf morgen mussten Eltern ihre Kinder selbst betreuen, ohne die üblichen Netzwerke aus Babysittern oder Großeltern. Gleichzeitig sollten sie aber weiter in ihrem Beruf arbeiten. Ein Tanz auf vielen Hochzeiten in wenigen Zimmern.
Es wird jetzt klar, dass die institutionelle Betreuung von Kindern längst eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ist, sowohl der Einzelnen als auch der Gesellschaft. Mit Corona ist dieses System aber zusammengebrochen.
In den kommenden Monaten wird es kein Zurück zur Normalität geben. Hier und da werden Klassen im Schichtbetrieb unterrichtet, werden Prüfungen abgehalten und Schulflure als Einbahnstraße markiert. Aber ist das die Lösung? Hilft es Eltern im Homeoffice, wenn eine Woche Schule ist und dann eine Woche wieder nicht?
Eine radikale Krise braucht radikale Lösungen. Warum nicht die Schulen bis nach den Sommerferien schließen und die Zeit nutzen, um ganz neue, angemessene Unterrichtskonzepte zu entwickeln! Corona böte die Möglichkeit, Lehrpläne zu entrümpeln und andere Unterrichtsmethoden einzuführen. Gleichzeitig sollte man nicht die Eltern, meist sind es ja die Mütter, zwangsweise als Hilfslehrerinnen rekrutieren. Es gab doch schon mal eine Zeit, in der zwei Unterrichtsjahre auf eineinhalb zusammengestaucht wurden: als mit zwei Kurzschuljahren 1966 und 1967 der Schuljahresbeginn in Deutschland synchronisiert wurde.
Lasst also Kindern und Eltern diese Zeit, um fürs Leben zu lernen statt für die Schule. Gemeinsames Spielen, Lesen, Kochen und Reden können ein Gewinn sein. Aber dafür müssen die Eltern natürlich Zeit haben. Alle Lobbygruppen schreien zurzeit: Wir auch! Nur die Eltern hört man kaum. Sie klagen manchmal, aber immer noch viel zu leise.
Es wäre an der Zeit, hier ein Zeichen zu setzen. Wie wäre es mit einem Corona-Elterngeld für sechs Monate bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie? Auf diese Weise könnten auch Familien mit Kindern der Corona-Zeit etwas abgewinnen.
Kinder fragen wegen Corona: Muss Oma sterben?
von Kurt-Helmuth Eimuth 23. März 2020
Kinder jeden Alters erfahren die Krise. Sie erfahren die Bedrohung, sehen die Bilder aus Italien und spüren die Angst der Erwachsenen. Wie damit umgehen?
Wie kaum eine andere Krise betrifft die Corona-Krise auch Kinder. Sie bekommen nicht nur über Fernsehen und andere Medien mit, dass hier etwas Schlimmes im Gang ist, nein, sie sind Teil einer Gemeinschaft, die sich ängstigt und entsprechend handelt. Keine Schule, die Eltern sind zuhause und Oma und Opa sollen auch nicht mehr besucht werden. Da kommt doch schnell die Frage auf, die wir Erwachsenen nicht aussprechen: Müssen wir alle sterben? Müssen Oma und Opa sterben?
Wie tief das Virus die Seele der Kinder erreicht hat, zeigt die Reaktion der Kinder einer Grundschulklasse am letzten Schultag. Immer wenn ein Kind nieste oder hustete riefen alle Kinder „Corona“ und rissen die Arme hoch. Das Virus ist auch für Kinder das beherrschende Thema.
Natürlich wird man Kindern erklären, warum es gut ist, wenig Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Da gibt es gute Videos, die mit Dominosteinen oder Streichhölzern zeigen, welche Wirkung es hat, wenn man eine Kette unterbricht.
Schwieriger wird es bei philosophischen und theologischen Fragen. Es sind die Fragen, die auch uns Erwachsene umtreiben. Warum gibt es ein solches Virus? Warum lässt Gott das zu? Müssen wir sterben?
Hier braucht es keine schnellen Antworten. Der Religionspädagoge Frieder Harz schreibt: Kinder „sind keine Gefäße, die es mit klugen Gedanken anderer zu füllen gilt. Sondern sie sind kompetent im Sich-Aneignen und auch gedanklichen Durchdringen ihrer Erfahrungswirklichkeit. Weil Glaube mitten in diese Wirklichkeit hineingehört, gilt das auch für ihr eigenständiges Nachdenken über Gott und den Glauben.“ Kinder eignen sich ihre Welt, auch ihre gedankliche Welt, mit ihren Warum-Fragen an. Sie haben durchaus die Fähigkeit über die großen Fragen des Lebens nachzudenken. Dies geschieht oft in ihrer eigenen bildhaften Sprache. Dabei gibt es keinen Gedanken der falsch ist. Sondern es gibt nur Gedanken, die man gemeinsam entwickeln kann. Man nennt dies Theologisieren mit Kindern. Wichtiger als zu antworten ist das Zuhören. Es geht darum, gemeinsam nachzudenken. Dabei darf man auch seine eigene Unsicherheit zugeben. Wir wissen nicht ob Oma und Opa sterben. Wir können nur alle etwas dafür tun, dass möglichst wenige Menschen vom Virus infiziert wird.
Und natürlich steht hinter allem auch die Frage: Warum lässt Gott das zu? Warum lässt Gott Kriege und Seuchen zu? Es ist die Theodizee-Frage, die Menschen seit Jahrhunderten umtreibt. Dahinter steht die Vorstellung, dass Gott die Welt lenkt und uns Menschen wie eine Marionette führt. Demgegenüber steht eine Vorstellung, dass der freie Christenmensch selbst über sein Schicksal entscheidet. Doch Gott steht uns in der Krise bei. Er gibt uns Zuversicht und Kraft. Auch davon kann im Gespräch mit dem Kind die Rede sein.
Doch Kinder haben ihre eigene Form des Verarbeitens. Wenn es ihnen zu viel wird, brechen sie den Dialog ab. Und das ist gut so. Kann sein, dass sie in ein oder zwei Tagen das Gespräch wieder fortsetzen wollen. Theologisieren braucht eben seine Zeit.
Nicht Rechtsform, sondern Qualität entscheidet
Andacht
- 4.2016 Familie
Lied:
EG 610
Votum:
Im Namen Gottes kommen wir zusammen.
Gott nimmt uns an, wie wir sind.
Jesus gibt unserem Leben Richtung und Sinn.
Gottes Geist ruft uns auf den richtigen Weg.
Psalm: 98, Nr. 739
Lied: EG 171 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Ansprache:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Unter dem Motto „Jede Familie ist anders“ macht die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in diesem Frühjahr auf die vielfältigen Möglichkeiten des Zusammenlebens aufmerksam. Mit einem Info-Brief und großen Bannern an den Kirchen weist sie auf die besondere Bedeutung der Familie hin.
„Jeder Mensch hat eine Familie. Und jede Familie fühlt sich anders an – sie ist groß, klein, traditionell, modern, zerstritten, harmonisch, kaputt oder heil – vielleicht sogar vieles davon gleichzeitig“, so schreibt Kirchenpräsident Volker Jung. Er betont in seinem Schreiben, dass für die evangelische Kirche nicht die Form des Zusammenlebens wichtig sei, sondern, „dass sich Menschen, aufmerksam über Generationen und Verwandtschaftsgrade hinweg, in ihrer Familie umeinander kümmern“.
Der Begriff „Familie“ wurde erst im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in die deutsche Sprache aufgenommen und es gibt bis heute keine einheitliche Auffassung darüber, was man als „Familie“ bezeichnet.
Die EKHN hält nun dem klassischen Familienbild von Vater, Mutter, Kind, das Bild der verlässlichen Beziehung entgegen. Zahlreiche Beziehungen sind heute Lebensabschnittbeziehungen. Die Art der Verwandtschaft, das Alter der Personen ist eher nebensächlich. Familie ist vor allem durch die starke Bindung der Personen und die gegenseitige Verantwortung geprägt.
Nicht die äußere Form, die familiäre Bande ist also wichtig, sondern es kommt auf die Qualität der Beziehungen an.
Familie ist also überall dort, wo Menschen verlässlich in Liebe zusammenleben.
Diese Richtung des Denkens ist durchaus historisch angemessen.
In vorindustrieller Zeit hatten Ehe und Familie vor allem einen instrumentellen Charakter. Die Ehe wurde nicht aus Liebe geschlossen, sondern im Hinblick auf die Kinder und zwar um – je nach Schicht – Vermögen oder zumindest den Namen zu vererben und um im Falle von Krankheit und Alter die Versorgung der Familienmitglieder zu garantieren.
In der vorindustriellen Zeit waren die Familien geprägt durch ihre sozial-ökonomische Lage. Im Mittelpunkt stand der „Haushalt“, es waren Haushaltsfamilien. Bei den Besitzenden umschloss dies den Produktionsbetrieb. Der „Hausvater“ und die „Hausmutter“ hatten eine genau definierte Rolle auch im Handwerk, Bauernhof oder Gewerbe. Zum Haus gehörten auch etwa Knechte und andere Bedienstete.
Bei den ärmeren Schichten stand auch die ökonomische Funktion des Hauses im Mittelpunkt, auch wenn weit weniger Mitglieder das Haus hatte. Erwerbstätigkeit beider Eltern und der Kinder waren selbstverständlich.
Auch damals gab es sehr verschiedene Lebensformen. Vor allem Verwitwung – wegen der geringen Lebenserwartung – und ledige Mutterschaft waren oft die Ursache hierfür.
Über all die Jahrhunderte war die Erwerbstätigkeit der Mütter eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Lediglich das Bürgertum konnte sich die nicht-erwerbstätige Mutter leisten. Die Nicht-erwerbstätige Mutter wurde im sogennten Dritten Reich dann ideologisch überhöht und durch Ehestandsdarlehen vom Arbeitsmarkt abgeworben und bei vier Kindern mit dem Mutterkreuz geschmückt. Etwas später brauchte man dann wieder die Frauen zur Kriegsproduktion, was die Nazi-Ideologen in Argumentationsnöte brachte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg behielt die Bundesrepublik das Familienmodell bei, auch wenn die Realität der Trümmerfrauen anders aussah.
In den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts sah es dann anders aus. In jener Zeit war die mütterliche Erwerbstätigkeit in Westdeutschland am niedrigsten.
Eine breite Vielfalt von Familienformen ist, historisch betrachtet, der Normalfall. Die bürgerliche Familie als Ideal entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert durch die Trennung von männlicher Erwerbswelt und weiblicher Familiensphäre mit Haushalt und Kindererziehung.
Wie stellt doch die EKHN in ihrer Kampagne fest: „Auch heute entsprechen nicht alle Lebensformen der klassischen Vorstellung von Familie. Denn es werden weniger Ehen geschlossen, Familien später gegründet. Patchworkfamilien sind längst keine Ausnahme mehr und Migranten bringen unterschiedliche Familienkulturen mit.“
Das Leben war schon immer komplizierter oder einfach vielfältiger als man denkt.
In der Bibel wird eine große Vielfalt beschrieben, wie Familien zusammenleben. Der Klassiker „Vater, Mutter, Kind“ kommt weniger vor. Vor allem geht es um Nachkommen: Familie soll erhalten werden und wachsen. Dabei greifen manche auch zu unlauteren Mitteln.
Da gibt es etwa die Patchworkfamilie
Jakob, einer der Stammväter Israels, wollte eigentlich nur seine große Liebe Rahel heiraten. Doch der Verliebte hat nicht mit der Hinterlist seines künftigen Schwiegervaters Laban gerechnet: Der jubelt ihm nach sieben harten Arbeitsjahren Rahels ältere Schwester Lea unter. Jakob muss weitere sieben Jahre für Laban schuften, bis er endlich auch Rahel als seine Frau in die Arme schließen kann. Mit den beiden Schwestern und ihren zwei Mägden bekommt er schließlich zwölf Söhne und eine Tochter. Das birgt reichlich Konfliktstoff über zwei Generationen hinweg. Jakob verteilt seine Zuneigung ganz unterschiedlich auf seine Frauen und ihre Kinder. Jakobs Liebe gilt weiterhin der jüngeren Rahel. Ihre ungeliebte, aber kinderreiche Schwester Lea kämpft ein Leben lang um Jakobs Zuneigung. Nach langem Warten bekommt auch Rahel einen Sohn: Josef – Papas Liebling. Der bekommt die Eifersucht seiner Brüder zu spüren: Sie verkaufen Josef an Kaufleute, die ihn nach Ägypten bringen. Jahre später sehen sich dort die Brüder wieder. Es gelingt ihnen, Misstrauen und Feindschaft auszuräumen. Vor seinem Tod segnet ihr Vater Jakob seine Söhne. Immer noch ist deutlich spürbar, wen er besonders liebt und wen weniger: „Isaschar wird ein knochiger Esel sein … Josef wird wachsen wie ein Baum an der Quelle“ (1. Mose 49). Erst Josef gelingt es, seine Familienmitglieder endgültig zu versöhnen. Er macht ihnen klar: Gott will zum Guten wenden, was Menschen im Bösen begonnen haben. Es geht darum, das Leben zu erhalten. (1. Mose 50,18 ff)
Daran glauben sie. Danach leben sie – und vermehren sich. Die zwölf Söhne stehen für die zwölf Stämme Israels. (1. Mose 35, 22 ff)
Es gibt auch Leihmutterschaft
Sara ist hochbetagt und kinderlos. Sie stiftet ihren Mann Abraham an: Er soll mit ihrer Magd Hagar ein Kind zeugen. Gesagt, getan. Hagars Sohn Ismael soll als das Kind von Abraham und Sara gelten. Doch das Dreiecksverhältnis funktioniert nicht: Hagar wird gegenüber der kinderlosen Sara aufmüpfig. Daraufhin drängt Sara ihren Mann, Hagar in die Wüste zu schicken. Der hört auf seine Frau. Später bekommt Sara doch noch einen Sohn: Isaak. (1. Mose 16 und 1. Mose 21) Die Nachkommen Isaaks werden zum Volk Israel. Auf Ismael, den Sohn Abrahams und Hagars, beziehen sich Muslime. Darum gilt Abraham sowohl Juden wie Muslimen als Stammvater des Glaubens.
Selbst Scheidung kommt in der Bibel vor.
Laut 5. Mose 24, 1 ff kann ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief geben, wenn sie „keine Gnade vor seinen Augen findet“ oder wenn er „ihrer überdrüssig“ geworden ist. Rein patriarchal für den Mann formuliert. Jesus ist da radikal: Dieses Gebot hat Gott nur wegen „eures Herzens Härte“ geschrieben. (Markus 10, 5) Jesu Ideal heißt: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ (Markus 10, 9) Gleichzeitig weiß Jesus um die Realität, am Ideal zu scheitern. Eine aufgebrachte Menge will eine Ehebrecherin steinigen. Jesus sagt zu ihnen: „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie.“ (Johannes 8, 7) Die Leute lassen ihre Steine fallen. Einer nach dem anderen.
Die Bibel kann also nicht für eine Lebensform vereinnahmt werden. Es kommt eben nicht auf die formale Rechtsform der Gemeinschaft an, sondern auf die Qualität des Zusammenlebens. Viel bedeutsamer ist es, dass wir uns liebevoll, und verlässlich umeinander kümmern.
Amen.
Lied: EG 623
Mitteilungen:
Gebet:
Unser Gott,
du hast unsere Welt geschaffen.
Tag für Tag sehen wir so vieles,
was du uns schenkst.
Dafür danken wir dir.
Wir denken jetzt an das,
was wir anderen Menschen wünschen.
Lieber Gott, sei du bei den Menschen,
die auf deine Hilfe warten,
dort, wo wir leben,
zuhause, bei unseren Freunden
und bei denen, die wir Tag für Tag sehen.
Lass uns selbst für die da sein,
die uns brauchen:
In unseren Familien,
in unseren Häusern und Straßen,
in unserer Welt.
In der Stille nennen wir dir die Namen von Menschen,
die wir lieb haben.
Stille
Sei und bleibe du bei ihnen,
sei und bleibe du bei uns,
guter Gott.
Und was uns noch bewegt, bringen wir vor Dich
mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen:
Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Segen unseres Gottes:
Gott segne und behüte uns,
Gottes Licht wärme uns,
Jesus Christus leuchte unseren Weg aus,
Heiliger Geist, lichte unser Leben
Gehet hin in Frieden. Amen.
Lied: EG 421, Verleih uns Frieden gnädiglich
„Familien brauchen Rückhalt – unabhängig von ihrer Form“
Von Kurt-Helmuth Eimuth – 28. Juli 2015
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung ist einer der Vorkämpfer für die kirchliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Das ist nicht einfach nur dem Zeitgeist geschuldet, sondern dahinter stehen theologische Überlegungen über die Grundlagen des christlichen Familienbildes und die Auslegung der Bibel. Kurt-Helmuth Eimuth befragte ihn zu den Details.
Kirchenpräsident Volker Jung. Foto: EKHN
Herr Kirchenpräsident, Sie gehören zu den Verfassern der Orientierungshilfe Familie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dieses Papier hat Furore gemacht, da hier nicht nur Vater, Mutter, Kind als Familie gesehen werden?
Die Orientierungshilfe nimmt zunächst die Wirklichkeit von Familien in Deutschland in den Blick. Und die zeigt: Es gibt inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher Formen des familiären Zusammenlebens. Dazu gehören die sogenannte „klassische“ Familie ebenso wie das kinderlose Ehepaar, das Verwandte pflegt, und das gleichgeschlechtliche Paar, das in einer eingetragenen Partnerschaft mit Kindern lebt, und manches mehr. Es ist ein Grundanliegen der Orientierungshilfe zu sagen, dass Familien gesellschaftlichen Rückhalt brauchen – unabhängig davon, in welcher Form Familie gelebt wird.
Die Ehe als “göttliche Stiftung” und traditionelle Geschlechterrollen lassen sich nicht biblisch begründen?
Es gibt eine lange theologische Tradition, in der aus der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau und der Rollenzuschreibung aus neutestamentlichen Texten die Ehe mit traditionellen Geschlechterrollen gleichsam als „göttliche Ordnung“ begründet wurde. Das lässt außer Acht, dass die biblischen Vorstellungen selbst zeitbedingt sind, und andere Texte über diese Rollenmuster hinausweisen. Außerdem hat sich unsere Wahrnehmung – insbesondere der homosexuellen Prägung von Menschen – verändert. Biblisch begründen lässt sich aber sehr wohl, dass es in Ehe und Familie darum geht, dass Menschen dauerhaft, verbindlich, verlässlich, partnerschaftlich und gerecht Verantwortung füreinander übernehmen.
Welche Formen von verlässlicher Beziehung kennt die Bibel?
In der Bibel finden wir ganz unterschiedliche Familienkonstellationen. Da wird von den Urvätern erzählt, dass sie mehrere Frauen hatten. Und es reicht hin bis zum Hausstand, in dessen Zentrum Mann und Frau stehen, zu dem aber auch Sklaven gehören. Auch die Ehelosigkeit wird gewürdigt und gewissermaßen eingefügt in den Zusammenhalt von Gemeinden. Das alles zeigt: Es kann nicht darum gehen, zeitbedingte Formen in den Rang einer überzeitlichen Norm zu erheben.
Und Homosexualität? Ist die in der Bibel nicht verpönt?
Homosexualität wird sowohl im Alten als auch im Neuen Testament in den wenigen Stellen, in denen davon die Rede ist, klar abgelehnt. Das ist sicher ein Grund dafür, warum Homosexualität lange als Krankheit oder Sünde betrachtet wurde. Es war ein langer Weg zu erkennen, dass Homosexualität eine Prägung von Menschen ist, die nicht veränderbar ist, und dass es sehr wohl möglich ist, diese sexuelle Veranlagung – wie auch die heterosexuelle – zwischen gleichberechtigten Partnern verantwortlich zu leben. Auch hier geht es darum zu erkennen, dass die Bibel in zeitbedingten Sichtweisen nicht normativ sein kann. Sie ist aber normativ darin, dass Menschen in allem, was sie tun, Verantwortung haben und einander nicht schaden dürfen.
Welche Funktion hat Familie in einer erweiterten Form heute noch für die Gesellschaft?
Es bleibt der wichtige Grundgedanke, dass verlässliche Partnerschaften und mit ihnen Familien nach wie vor für eine Gesellschaft außerordentlich wichtig sind. Eine Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass Menschen verbindlich und dauerhaft füreinander da sind und füreinander sorgen. Heute geht es darum, dass der zu Recht gewährte besondere Schutz für Ehe und Familie über die traditionelle Form der Familie, die natürlich nach wie vor von vielen gern und gut gelebt wird, hinaus ausgeweitet wird.
Was brauchen Familien in ihrer vielfältigen Erscheinungsform heute?
Sie brauchen zunächst gesellschaftliche Akzeptanz und politische Anerkennung in all ihren Formen. Für mich ist gegenwärtig besonders der der Blick auf die Situation von Alleinerziehenden wichtig. Sie muss dringend verbessert werden – finanziell aber auch mit konsequent weiter ausgebauten Unterstützungs- und Betreuungsangeboten.
Die evangelische Kirche will Familien gerade im Bereich der Erziehung und Bildung stützen. Wie kann sie das?
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau bietet selbst eine ganze Menge an: Von 600 Kindertagesstätten mit fast 40.000 Plätzen über vier Schulen in kirchlicher Trägerschaft und Familienbildungsstätten bis hin zur Unterstützung für Familienzentren.
Die Orientierungshilfe fordert familienfreundliche Arbeitszeiten. Die Kirche ist selbst ein großer Arbeitgeber. Gibt es in der Kirche besondere Anstrengungen um diesen Anspruch umzusetzen?
Im Sommer 2015 ist die Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beispielsweise für ihr Engagement zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Berlin ausgezeichnet worden. Mit dem Stabsbereich Chancengleichheit versuchen wir dafür zu sorgen, dass wir uns hier weiterentwickeln. Aber wir müssen auch zugeben: da gibt es noch viel zu tun – in unseren Gemeinden und Einrichtungen in Kirche und Diakonie. Manches lässt sich aber auch nur verwirklichen, wenn die gesamte Gesellschaft sich hier verändert.
Nirgends wird die Solidarität der Generationen so sichtbar wie in der Familie. Wie können Kirchengemeinden dieses wahrnehmen und unterstützen.
Kirchengemeinden spielen mit ihren vielen Angeboten von der Krabbelgruppe bis zum Seniorenkreis schon jetzt eine ganz wichtige Rolle. Derzeit läuft mit der Diakonie zusammen eine spannende Initiative zur stärkeren Vernetzung von Hilfsmöglichkeiten vor Ort. Ziel des Projektes „Drin“, das wir mit drei Millionen Euro fördern, ist es, die Gemeinwesenarbeit zu stärken. Dazu gehört eben auch, Lebensbedingungen für Familien zu verbessern. Etliche Kirchengemeinden sind auch beim Aufbau von Familienzentren engagiert. Auch das unterstützen wir. Insgesamt geht es auch darum, noch mehr als bisher die unterschiedlichen Familienkonstellationen wahrzunehmen und ihnen vorurteilsfrei zu begegnen.
Die häusliche Pflege ist nicht nur gesellschaftlich notwendig, sondern intensiver Ausdruck der Verlässlichkeit von Beziehung. Doch gelegentlich überfordern sich die Pflegenden. Kann die Kirchengemeinde hier helfend tätig werden?
Eine menschenwürdige Pflege von älteren Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier braucht es gute unterstützende Angebote. Es kommt auf ein gutes Zusammenspiel von Pflegediensten, ärztlicher Unterstützung und seelsorgerlicher Begleitung von Pflegebedürftigen und Pflegenden an. Kirchengemeinden können hier mithelfen, sie können aber bei weitem nicht alles leisten, was nötig wäre. Ganz wichtig ist auch hier, Möglichkeiten zu eröffnen, durch die Pflege und Beruf miteinander vereinbart werden können.
In der Orientierungshilfe wird auch die Schattenseite von Familie angesprochen: familiäre Gewalt.
Ja, das war eine wichtige Sichtweise, die vor allem Praktikerinnen immer wieder eingebracht haben. Dazu kam, dass die Arbeit an der Orientierungshilfe mit den großen Skandalen um sexuellen Missbrauch zusammenfielen. Die Vorsitzende der Ad-Hoc-Kommission Ehe und Familie, die ehemalige Bundesministerin Christine Bergmann, war in dieser Zeit Beauftragte der Bundesregierung für Opfer sexuellen Missbrauchs. Das hat uns noch einmal besonders sensibel auf die Gewaltproblematik schauen lassen. Dazu gehört, sich einzugestehen, dass Familie nicht immer ein idyllischer Hort des Friedens ist, sondern eben auch ein sehr konfliktreicher Ort und manchmal auch ein Ort entsetzlichen Leidens sein kann. Das nicht zu verheimlichen und mit den Schattenseiten offen umzugehen, war uns wichtig.
Familie stärkt die Gesellschaft, doch gleichzeitig sind Alleinerziehende von Armut bedroht. Wie kann hier umgesteuert werden?
Das ist ein besonders trauriges Kapitel. Die Armutsgefährdung in diesem Bereich ist seit Jahren erschreckend hoch, zumal alleinerziehende Frauen auch weit über dem Durchschnitt in Niedriglohnbereichen arbeiten. Hier hilft nur der konsequente weitere Ausbau von guten Betreuungsmöglichkeiten. In der Orientierungshilfe haben wir zudem die Hoffnung geäußert, dass der Mindestlohn vielleicht dazu beiträgt, die sogenannten Ein-Eltern-Haushalte künftiger weniger oft in die Armut abrutschen zu lassen.
Im Zusammenleben mit anderen Religionen und Kulturen begegnen uns auch andere Familientraditionen. Gerade der Umgang mit Homosexualität dürfte eher trennend wirken. Eine Herausforderung für die einheimische Gesellschaft?
Homosexualität ist ja schon innerhalb der christlichen Glaubensrichtungen und Traditionen ein heikles Thema. Natürlich spielt das auch beim Dialog mit anderen Religionen eine Rolle. Das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedvoll zu gestalten ist eine große Zukunftsaufgabe. Dazu gehört auch, gute Wege zu finden, schwierige religiöse und kulturelle Fragen zu bearbeiten.
Familienpolitik ist längst nicht mehr “Gedöns”. Sie sei, so die Orientierungshilfe, ein wesentlicher Faktor für die allgemeine Wohlfahrt und den gesellschaftlichen Reichtum.
Es hat sich einiges getan. Aber meistens ist es in der politischen Praxis doch immer noch so, dass das Finanzministerium oder auch das Verteidigungsministerium anders beachtet wird als das Familienministerium. Eine gute Politik für die Menschen muss aber noch viel stärker von der Sozial- und Familienpolitik aus bestimmt sein als bisher. Die skandinavischen Länder haben hier eine führende Rolle. Und das hat ganz praktische Folgen – etwa in der größeren Bereitschaft, Kinder zu bekommen.
Diakonie und Kirche sollen Familie stark machen. Wie können sie das?
Wir können Familien stark machen, indem wir sie mit vielfältigen Angeboten unterstützen. Und auch dadurch, dass wir uns für eine andere politische Gewichtung der Familienpolitik einsetzen. Die Orientierungshilfe Familie versucht dies und hat gerade auch im politischen Raum eine bemerkenswerte Beachtung gefunden.
Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 28. Juli 2015 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe Web.
Verlässlichkeit, Vertrauen und der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen
Andacht am 8. Juli 2013 zur EKD-Orientierungshilfe Familie
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Evangelische Kirche in Deutschland hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Selten wurde eine Stellungnahme so kritisiert aber auch wohlwollend zur Kenntnis genommen wie die Orientierungshilfe Familie, die kürzlich vorgestellt wurde.
Die Sozialwissenschaftlerin Ute Gerhard stellt das neue Bild von Familie in den Vordergrund: „Das neue Leitbild einer partnerschaftlichen, an Gerechtigkeit orientierten Familie, das eine Vielfalt unterschiedlicher Formen des privaten Lebens zulässt, ist nicht lediglich als Anpassung an den sozialen und kulturellen Wandel oder an gesellschaftlich problematische Entwicklungen zu verstehen. Im Gegenteil, maßgeblich sind die Werte und Normen, die unsere Verfassung und eine christliche Gemeinschaft tragen: Verlässlichkeit, Solidarität, Fürsorglichkeit sowie Fairness und Gerechtigkeit gerade auch in den privaten Beziehungen.“
Das idealisierte Familienbild mit Mutter, Vater und Kindern entspricht schon lange nicht mehr der Wirklichkeit. Vielfältige Lebensformen sind präsent und akzeptiert. Zum Glück ist die alleinerziehende Mutter nicht mehr stigmatisiert und auch sogenannte Patchworkfamilien sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Zugegeben einige tun sich noch schwer mit homosexuellen Partnerschaften und Kindern, die in diesen Partnerschaften aufwachsen.
So ist denn auch der stärkste Vorwurf gegen die neue Orientierungshilfe der der Beliebigkeit. Die evangelische Kirche sage nicht mehr, wo es lang gehe, sondern alles sei möglich. Unser Kirchenpräsident Volker Jung hat den Vorwurf zurückgewiesen, die EKD entferne sich von den biblischen Grundlagen. Auch in der Bibel gebe es vielfältige Familienformen, sagte er. Dort komme etwa die Mehrfrauenehe vor, die Ehelosigkeit Jesu und dessen Kritik der leiblichen Familie oder die Frauengemeinschaft von Maria und Martha. Es wäre eine Engführung, die biblische Setzung der Ehe zwischen Mann und Frau ausschließlich „biologistisch“ zu verstehen. Es komme darauf an, dass Menschen grundlegend aufeinander angewiesen seien und dass sie ihre Beziehung dauerhaft und werteorientiert lebten.
Menschen haben verschiedene sexuelle Veranlagungen und sollen sich für ihre Lebensform frei entscheiden können. Dies ist die Aussage der Orientierungshilfe.
Dabei kommt es vor allem darauf an, wie wir miteinander umgehen: verlässlich, fürsorglich, solidarisch. Und tatsächlich ist es doch ein wunderbares Gefühl der Sicherheit zu wissen, egal was passiert, meine Familie ist für mich da. Sie ist ein sicher Hafen. Da bin ich geborgen, ganz gleich wie stürmisch die Welt da draußen sein mag.
Die Psychologen nennen eine solche Haltung Urvertrauen. Wir wissen, dass dieses Urvertrauen ein ganzes Leben trägt. Es ist jenes Vertrauen, das kleine Kinder ihren Eltern entgegegnbringen. Die Eltern können alles und könnnen deshalb auch alle Ungemach vom Kinde fernhalten. Hier liegt die Wurzel für die Ich-Stärke, die den Erwachsenen durchs Leben trägt. Hier liegt aber auch die Wurzel für einen späteren Glauben. Denn nur wer ein solches unabdingbares Vertrauen kennen gelernt hat, hat erfahren, dass Gott einen tragen kann. Auch in Krisen.
»Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde
Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau.«
Mit diesen Worten aus dem zweiten Schöpfungsbericht
beginnt die Textzusammenstellung, die hierzulande aus der Trauliturgie vertraut ist. Am Ende steht dann das bekannte Jesuswort aus Matth 19,6: »Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden«:
Mit der Agende erinnert die Kirche in jedem Traugottesdienst an das große Glück, einen Partner oder eine Partnerin fürs Leben zu finden. Füreinander geschaffen zu sein und »auf ewig« zueinander zu gehören, das entsprecht dem Lebensgefühl der Paare bei ihrer Hochzeit, so die Orientierungshilfe. Doch sie seien kein Schutzwall gegen alle Erfahrung zerbrechender Beziehungen. Der »kirchliche Segen«, den die Paare und ihre Familien erbitten, soll die Liebe stark machen. Dabei wird ernst genommen, dass es in der Ehe keine Garantie für menschliches Glück gibt, vielmehr gilt das Trauversprechen gerade »in guten wie in bösen Tagen«. Denn »es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei«. Über der inneren Zustimmung zu dieser Erfahrung kann in den Hintergrund treten, was uns heute in diesen Texten fremd ist, etwa dass das Schöpfungsgeschehen vom Mann her gedacht ist, die Frau als »Gefährtin« des Mannes verstanden wird, als »Hilfe, die ihm gleich sei« – oder dass das Paar einander, vor allem aber die Frauen ihren Ehemännern »untertan sein sollen«, weil »der Mann des Weibes Haupt« sei (Eph 5).
Lange Zeit hat diese Vorstellung unser Bild von Ehe und Familie geprägt. Und doch sah und sieht die Wirklichkeit ganz anders aus:
In vorindustrieller Zeit hatten Ehe und Familie vor allem einen instrumentellen Charakter. Die Ehe wurde nicht aus Liebe geschlossen, sondern im Hinblick auf die Kinder und zwar um – je nach Schicht – Vermögen oder zumindest den Namen zu vererben und um im Falle von Krankheit und Alter die Versorgung der Familienmitglieder zu garantieren.
In der vorindustriellen Zeit waren die Familien geprägt durch ihre sozial-ökonomische Lage. Im Mittelpunkt stand der „Haushalt“, es waren Haushaltsfamilien. Bei den Besitzenden umschloss dies den Produktionsbetrieb mit ein. Der „Hausvater“ und die „Hausmutter“ hatten eine genau definierte Rolle auch im Handwerk, Bauernhof oder Gewerbe. Zum Haus gehörten auch etwa Knechte und andere Bedienstete.
Bei den ärmeren Schichten stand auch die ökonomische Funktion des Hauses im Mittelpunkt, auch wenn weit weniger Mitglieder das Haus hatte. Erwerbstätigkeit beider Eltern und der Kinder waren selbstverständlich.
Auch damals gab es sehr verschiedene Lebensformen. Vor allem Verwitwung – wegen der geringen Lebenserwartung – und ledige Mutterschaft waren oft die Ursache hierfür.
Vor etwa 200 Jahren entwickelte sich – zunächst im städtischen Bürgertum – die Form der Liebesheirat. Von vielen Autoren wird dieser Übergang als Funktionsverlust der Familie beschrieben. Institutionen übernehmen jetzt Funktionen, die früher die Familie hatte, z.B. Krankenhäuser. Schulen, aber auch Polizei und Justiz.
Der Familie bleibt die Funktion der Nachwuchssicherung und die der physischen und psychischen Regeneration ihrer Mitglieder, gleich ob jung oder alt.
Über all die Jahrhunderte war die Erwerbstätigkeit der Mütter eine ökonomische Notwendigkeit. Lediglich das Bürgertum konnte sich die nicht-erwerbstätige Mutter leisten. Die Nicht-erwerbstätige Mutter wurde im sog. Dritten Reich dann ideologisch überhöht und durch Ehestandsdarlehen vom Arbeitsmarkt abgeworben und bei vier Kindern mit dem Mutterkreuz geschmückt. Zur Kriegsproduktion brauchte man dann wieder die Frauen, was die Nazi-Ideologen in Argumentationsnöte brachte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg behielt die Bundesrepublik das Familienmodell bei, auch wenn die Realität der Trümmerfrauen anders aussah. Auch in den 50er Jahren war die Erwerbstätigkeit der Mütter aus ökonomischen Gründen notwendig.
In den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts sah es dann anders aus. In jener Zeit war die mütterliche Erwerbstätigkeit am niedrigsten.
Zusammenfassend muss also betont werden, dass das bürgerliche Familienmodell zwar über 200 Jahre als Ideal galt und noch heute für manche Kreise der Bevölkerung gilt, als Lebensform aber für die breite Bevölkerung in allen seinen Dimensionen nur für zwei Jahrzehnte realisiert wurde, sich also – historisch gesehen – als kurzes Zwischenspiel entpuppt.
Auch im Alten und Neuen Testament ist das familiale Zusammenleben in einer großen Vielfalt beschrieben: Nach heutigen Begriffen gibt es Patchwork-Konstellationen wie bei Abraham, Sarah und Hagar mit ihren Kindern, zusammenlebende Geschwister wie bei Maria und Martha und tragende Beziehungen zwischen Familienmitgliedern verschiedener Generationen wie bei Rut, Orpa und Noomi. Von den vielfältig beschriebenen Formen des Zusammenlebens sind aus heutiger Sicht einige leichter, andere schwerer nachvollziehbar: Die gleichzeitige Sorge eines Mannes für zwei Frauen und ihre Kinder wie bei Jakob mit Lea und Rahel erscheint heute vielleicht weniger befremdlich als noch für unserer Eltern- oder Großeltern-Generation, dagegen können wir den Druck auf Frauen, Mutter eines »Stammhalters« zu werden, immer weniger nachvollziehen. Dass im alten Israel mit der Heirat ein patriarchales Eigentumsverhältnis konstitutiert wurde, wobei mehrere Frauen Eigentum eines Mannes sein konnten, gehört zu den vergessenen Teilen der jüdisch-christlichen Geschichte; manches davon kehrt wieder in den Auseinandersetzungen mit anderen Kulturen und Religionen. Klar ist jedenfalls: Im Mittelpunkt der biblischen Familiengeschichten steht weniger die persönliche Liebesbeziehung oder das individuelle Glück als der Erhalt und das Wachstum der Familie und ihres Besitzes und das Miteinander der Generationen.
Natürlich beschreibt die Bibel auch die Liebe, die Konflikte zwischen Alt und Jung, das Ringen um einen geliebten Menschen. In den Erzählungen finden wir die ganze Vielfalt der Gefühle des partnerschaftlichen und familiären Beziehungslebens: Erfahrungen von Verlust, Eifersucht und Scheitern stehen neben Versöhnung, überschäumendem Glück und tief gewachsenem Vertrauen. Die Bibel erzählt von der Freude über die gefundene Liebe wie bei Isaak und Rebekka und von der großen Liebe zwischen Jakob und Rahel, für die Jakob sieben Jahre bei seinem Verwandten Laban arbeitete – »und es kam ihm vor, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie«. Das »Hohelied« feiert in poetischen Worten die Schönheit und das Glück der sexuellen Begegnung, während die Geschichte
von David und Bathseba auch Ehebruch und Intrige beim Namen nennt. Die Bibel erzählt von der Kindersegnung Jesu und der Sorge von Eltern, die sich bei Jesus um eine Zukunft für ihre kranken Kinder einsetzen, aber auch von der Macht der Väter und dem Gehorsam, den Familien den Frauen wie den Söhnen und Töchtern abverlangten. Wer sie liest, entdeckt große Familien- und Liebesgeschichten, die nicht nur die Weltliteratur, sondern auch unser Verständnis vom Miteinander in Familien prägten. Sie zeugen aber auch von kulturellen Traditionen, gesellschaftlichen Zwängen und einem überholten Rollenverständnis.
Die EKD ist überrascht von der heftigen Reaktion auf das Papier. Nein, eine Schwächung der Familie kann man in dem Papier nicht entdecken. „Wie man aus einem solchen Text herauslesen kann, dass es um eine Schwächung der Familien geht oder um eine Vergleichgültigung, dass eheliche Formen der evangelischen Kirche nicht mehr wichtig sind, ist mir unverständlich“, erklärte Bischof Ulrich Fischer, der auch Mitglied des EKD-Rates ist. Das Dokument sei eine „riesige Werbung dafür, Mut zu haben zur Familie, Kinder zu bekommen, Familie zu gründen und Verantwortung zu übernehmen“. Der Typus von Familie habe sich in seiner sozialen Gestalt unglaublich geändert, betonte der Landesbischof. Dem trage diese Orientierungshilfe Rechnung. Und auf den Punkt brachte es Margot Käßmann: „Die evangelische Ethik hat sich nicht dem Zeitgeist angepasst, sondern geguckt, was sind ihre Grundkategorien.“ Wichtig seien vor allem Verlässlichkeit, Vertrauen und der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen.
Amen
Neues Eltern-Kind-Café in Höchst
Neues Eltern-Kind-Café in Höchst
Im Evangelischen Familienzentrum in Höchst, Bolongarostraße 186, ist ein neues Eltern-Kind-Café eröffnet worden. Für die Kleinen gibt es Spielangebote, für die Erwachsenen Kaffee und Kuchen und mehr.
Hierher können Eltern und Kinder kommen, ohne sich vorher anzumelden oder Kursgebühren zahlen zu müssen: Ende Januar wurde im Evangelischen Familienzentrum in Höchst, Bolongarostraße 186, ein Eltern-Kind-Café eröffnet. Für die Kleinen gibt es Spielangebote, für die Erwachsenen neben Kaffee und Kuchen auch die Gelegenheit, sich über die Programmangebote der Familienbildung zu informieren.
Das Café wird zu festen Zeiten geöffnet sein. Während die Kinder betreut werden, können sich Mütter beim Wellness-Programm im Nebenraum entspannen – zum Beispiel jeden Montag von 10 bis 12 Uhr bei einem gemeinsamen Frühstück mit Lockerungs- und Entspannungsübungen. Wer will, kann auch die eigenen Sprachkenntnisse verbessern: Für Kinder von drei bis sechs Jahren gibt es differenzierte Spielkreise in Russisch, Spanisch und Englisch, und beim Sprach-Café immer mittwochs von 10 bis 12 Uhr kann die deutsche Sprache anhand von Alltagsthemen geübt werden. Donnerstags von 15 bis 17 Uhr gibt es ein Familien-Café zum Treffen und Kontakteknüpfen, dabei steht eine pädagogische Mitarbeiterin für alle Fragen rund um das Kind zu Verfügung.
Beeindruckt zeigte sich die Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Pfarrerin Esther Gebhardt, bei der Einweihung von dem großen Zuspruch, den das Café gleich bei der Eröffnung fand. „Die evangelische Kirche“, so Gebhardt, „drückt damit auch ihre Wertschätzung für Familien aus“. Für Dekan Achim Knecht bieten die neuen Räume im Dalberghaus für das Familienzentrum neue Chancen der Vernetzung.
Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 11. Februar 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe 2013/1 – Februar, Web.
Erziehunghspartnerschaft und Nestwärme
19.11.2008
Kurt-Helmuth Eimuth
Besonders an den bevorstehenden Tagen steht Familie wieder hoch im Kurs.
In den evangelischen Krabbelstuben und Kindertagesstätten steht das ganze Jahr mit dem Kind die Familie im Mittelpunkt.
Familie ist ein Gefühl.
Nicht nur die Personen der Ursprungsfamilie sind „Familie“, sondern die Menschen, denen das Kind vertraut. Dahinter verbirgt sich das Gefühl der Nestwärme, des Ankommens, des Geborgenseins und Dazugehörens.
In der Eingewöhnungsphase in den Krabbelstuben und den Kindertagessstätten legen wir einen ganz besonders hohen Stellenwert auf eine gute Entwicklung der Bindung. Die Kinder sollen bei uns „sicher gebunden“ sein – das Gefühl von „hier bin ich sicher und angenommen“ steht im Fokus.
Ohne dieses Familiengefühl ist Bildung nicht möglich. Wenn die Kinder sich unsicher fühlen, haben sie keine Kapazitäten, sich anderen Dingen als dem Angstgefühl zu widmen.
Die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern ist auch deshalb so wichtig, weil sich das Gefühl „Familie“ in den Einrichtungen fortsetzen muss.
Gerade die Ganztagskinder verbringen den größten Teil ihrer Woche in unseren Einrichtungen. D.h. ohne die Nestwärme, die mit dem Gefühl Familie verbunden ist, ist eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung mit den bestmöglichen Bildungsangeboten nicht möglich.
Es kommt also auf die Bindung an. Auf das Vertrauen zur Mutter, zum Vater, zu den Großeltern, zu den Geschwistern. Zur Familie gehören oftmals auch Stiefbruder und Stiefschwester, der Lebenspartner der Mutter oder eben die neue Lebenspartnerin des Vaters sowie Kinder aus anderen Beziehungen der Eltern. Das Erscheinungsbild der modernen Patchworkfamilie ist bunt geworden.
Tobi erlebt in diesem Jahr sein erstes Weihnachtsfest. Gemeinsam mit seinem Bruder Emil wird er ganz klassisch den Heiligen Abend mit Gang zur Kirche und anschließender Bescherung erleben. Und wie es seine Eltern gewohnt sind, so werden sie diesen besonderen Abend im Jahr bei den Großeltern verbringen. Und sicher werden diese die beiden Kleinen mit Geschenken überhäufen. – Ein Privileg von Großeltern.
Anna kann es gar nicht mehr erwarten in die Schule zu kommen. Sie wünscht sich so sehr einen Schulranzen. Ob diesen das Christkind bringt? Anna wird mit ihrer Mutter den Heiligen Abend verbringen und freut sich natürlich auf die Geschenke. Sie mag aber auch das Feierliche. Und natürlich freut sie sich auf die Besuche. Am ersten Feiertag wird sie bei ihrem Vater und dessen neuer Familie sein. Und sicher wird es wieder sehr lustig mit Silke. Silke ist so alt wie sie selbst. Und sie verstehen sich inzwischen wirklich gut.
Leonie spürt mit ihren fünf Jahren schon längst, dass da womöglich etwas nicht stimmt. Oma und Opa tun immer so geheimnisvoll. Die Oma wird wieder aufgeregt den ganzen Tag hin und her laufen, Opa saust den ganzen Morgen zwischen Keller und Wohnzimmer hin und her und dann wenn die ganze Familie, die gemeinsam in einem Haus am Frankfurter Stadtrand lebt, schließlich nach dem Gottesdienst in der Etage der Großeltern versammelt ist, wird das Christkind klingeln. Und dann gibt es endlich Geschenke.
Munter geht es bei Max und Emma zu. Hier wird es wirklich eng. Nicht nur weil sowieso in der Familie schon vier Kinder gibt. Die Mutter von Max und Emma hat wieder geheiratet. Und so gibt es eben nicht nur Max und Emma sondern eben auch Niklas und Lara. Und für Max und Emma ist es nichts Besonderes, dass an Festtagen eben auch der Papa mit seiner neuen Partnerin da ist. Und während die Erwachsenen tafeln werden die vier sicher mit den Geschenken spielen können. – Hoffentlich gibt es nicht wieder so viele Anziehsachen.
Faritah beneidet die christlichen Kinder ein wenig. Sie kennt natürlich die Geschichte von Jesu Geburt. Sie hat sie im Kindergarten gehört. Und natürlich hat sie bei der Weihnachtsfeier mitgemacht, hat gesungen und geklatscht und von den köstlichen Plätzchen genascht. Und weil es so schön ist, hat ihr Vater in ihrem Zimmer eine Lichterkette ans Fenster gehängt. Eigentlich ist Weihnachten ja im Islam kein Familienfest. Aber da es nun zwei Feiertage gibt wird man sich mit der ganzen Familie treffen. Mit den Omas und Opas, mit den Onkels und Tanten und mit den Nichten und Neffen. Das wird sicher ein richtiges Fest.
Der Generationenkrieg
Möglicherweise ist nicht mehr viel von der Bibel bekannt, aber der Satz „Du sollst Vater und Mutter ehren“, also das 4. Gebot, hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Es steht als moralischer Imperativ, der auch für Nicht-Christen Bedeutung hat. Mit gutem Grund.
Seit die Großfamilie nicht mehr für den würdevollen Lebensabend der Alten sorgt, tritt die staatliche Rente als solidarischer Ersatz ein. Unumstritten schien, dass diejenigen, die lange gearbeitet haben, in Würde und ohne Armut alt werden können. Dass es heute weitgehend keine Altersarmut gibt und die medizinische Versorgung die Lebenserwartung ständig steigen lässt, ist ein hohes Gut.
Doch jetzt, bei steigenden Sozialausgaben und sinkenden Steuereinnahmen, wird dieser Konsens aufgekündigt. Es wird nach der Generationengerechtigkeit gefragt, manche Beobachter sprechen sogar schon vom Generationenkrieg. In der Tat tobt ein Verteilungskampf zwischen Alten und Jungen. Falsche Alternativen werden aufgemacht: Mehr Bildung oder mehr Rente? Mehr Kinderbetreuung oder Hüftgelenke auch für 85-Jährige? Eine unsägliche Debatte.
Das 4. Gebot mahnt nicht nur, sondern es hat auch eine ganz praktische Konsequenz: Wer heute Vater und Mutter auf das finanzielle Abstellgleis schiebt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kinder in einigen Jahren mit ihm ebenso verfahren.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt Oktober 2003