„Wenn von Chakren die Rede ist, sollte man genauer hinschauen“

von Kurt-Helmuth Eimuth 14. Januar 2019

Pfarrerin Irene Derwein hat sich in einer dreimonatigen Studienzeit mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Wir fragten sie, inwiefern Yoga und Christentum miteinander vereinbar sind und worauf man achten sollte, wenn man nicht religiöse Botschaften untergeschoben haben will.

Foto: Colourbox.
Foto: Colourbox.

EFO-Magazin: Frau Derwein, Sie sind Pfarrerin und betreiben Yoga. Passt das zusammen? Yoga ist ja nicht nur Gymnastik, sondern dahinter steht auch eine Philosophie, eine Weltanschauung.

Irene Derwein: Ja, auf jeden Fall, das passt zusammen. Ich habe mir aber explizit eine Yoga-Lehrerin ausgesucht, die nicht noch etwas anderes mittransportiert. Ich mache das jetzt sieben Jahre bei ihr, und habe am Anfang auch etwas kritisch beäugt, ob da unterschwellig etwas vermittelt wird. Aber dem ist nicht so. Weder ideologisch, noch religiös, noch spirituell.

Also betreiben Sie Yoga einfach als Sport?

Es ist mehr als Sport. Zum einen bleibt man beweglicher, und es hilft mir in der Konzentration und in der Entspannung. Es gibt Übungen, da versucht man in die Körperanspannung zu entspannen. Das finde ich, lässt sich auf alles andere übertragen.

Ist Yoga für Sie dann Sport, Entspannungsübung und Meditation?

Also Meditation weniger. Meditation ist ein anderes Thema. Aber Yoga hilft, um zur Meditation zu kommen.

Sie haben sich mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Was kann denn in Yoga-Kursen weltanschaulich vermittelt werden?

Wenn zum Beispiel im Yoga-Unterricht ein Buddha aufgestellt wird, wenn auf die Silbe „Om“ meditiert wird – das ist ein Gebetsanruf – dann sind das zwar subtile Sachen, die aber doch eine religiöse Überzeugung vermitteln. Oder wenn gesagt wird, dass Shakren aktiviert werden. Dann denke ich, man sollte genauer hinschauen.

Was kann da vermittelt werden?

Yoga kommt ja aus dem Hinduismus und Buddhismus. Es wird gesagt, wenn man die Shakren aktiviert, aktiviert man eine bestimmte Gottheit. Ob das jetzt so ist, mag ich nicht zu beurteilen, aber es wird unterschwellig mit vermittelt. Wenn man Yoga nur macht, um sich fit zu halten, dann wird einen das vermutlich nicht beeindrucken. Aber wenn man auf Sinnsuche ist, dann ist man vielleicht empfänglich für so etwas. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, wenn Weltanschauung vermittelt wird. Nur wenn es so subtil, unterschwellig, unter einem anderen Titel läuft, finde ich es problematisch.

Ist es für Sie also in Ordnung, wenn offen gesagt wird: Hier machen wir buddhistisches Yoga?

Ja, klar. Dann kann man sich entscheiden, ob man sich darauf einlassen will oder nicht. Mich stört nur das Subtile.

Yoga wird inzwischen auch in Kirchengemeinden angeboten, oft werden dafür die Räume von außen angemietet. Wie können denn Kirchengemeinden die Angebote unterscheiden?

Ich kann nur raten, sich die Yoga-Lehrerin, den Yoga-Lehrer genau anzugucken. Gut ist es, wenn jemand vom Kirchenvorstand mit in die Übungsstunden geht. Man sollte sich auch vorher mit der Anbieterin unterhalten und sie nach ihren weltanschaulichen Hintergründen befragen. Das findet aber häufig gar nicht statt. Vielleicht wird in manchen Gemeinden auch Yoga angeboten, um für Gemeindemitglieder attraktiv zu sein. Das ist auch in Ordnung, aber man muss eben schauen, wen man sich ins Haus holt.

Wie erklären Sie sich, dass Yoga so attraktiv ist, während die eigene spirituelle Tradition eher am Rande noch vorkommt?

Entsprechungen im christlichen Rahmen haben wir nicht sonderlich viel. Wir haben die Meditation und das Gebärdengebet, aber das ist nicht dasselbe. Ich denke, es ist ein Wunsch der Menschen da, Religion nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen zu erleben. Dieses Bedürfnis sollte auch ernst genommen werden. Aber es bleibt die Frage, wie man das bedient.

Es gibt auch Pfarrerinnen und Pfarrer, die schütten sozusagen Taufwasser über das Yoga und vereinnahmen es in die christliche Praxis, als Weg zu Christus. Wie finden Sie das?

Ich finde es schwierig, Yoga mit Inhalten zu verbinden. Wenn ich Yoga betreibe, dann bin ich jedenfalls damit beschäftigt meine Übung anständig zu machen. Meine Fußhaltung, meine Beinhaltung, das Atmen, all das erfordert ja Aufmerksamkeit. Wenn ich da jetzt noch theologische Inhalte mitreflektieren sollte, hätte ich zumindest große Schwierigkeiten. Vielleicht geht das, wenn es jemand täglich macht.

„Wir haben einen breiten Konsens, dem Rechtspopulismus entgegenzutreten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Januar 2019

In vielen Ländern sind konservative christliche Gruppen einer der Pfeiler rechtspopulistischer Bewegungen. Wie sieht das in Hessen aus? Ganz anders, sagt Volker Rahn, Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Gespräch mit dem EFO-Magazin. Eine solche Stimmungslage sei hier „absolut nicht spürbar “ .

Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart
Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart

EFO-Magazin: Herr Rahn, nimmt die Akzeptanz von rechtspopulistischen Gedankengut in christlichen Freikirchen, konservativen evangelischen Kreisen oder Gemeinden zu?

Volker Rahn: Die evangelische Kirche liegt ja nicht auf dem Mars und ist mit ihren Mitgliedern ein Spiegelbild der Gesellschaft. Insofern sind in Kirchengemeinden eben auch alle politischen Spielarten vertreten. Zu spüren waren kritische Stimmen etwa zur Flüchtlingshilfe der hessen-nassauischen Kirche eher 2016 auf dem Höhepunkt der Zuwanderung und im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs 2017 mit seinen starken populistischen Tendenzen. Inzwischen ist es hier wieder sehr ruhig. Im Gegenteil: Es ist derzeit ein breiter Konsens zu spüren, rechtspopulistischen Tendenzen oder fremdenfeindlichen Äußerungen entschieden entgegenzutreten. Was die Freikirchen angeht, denen eine besondere, teilweise auch personelle Nähe zu rechtspopulistischen Parteiungen nachgesagt wird: Da müsste man die betreffenden Kirchen direkt fragen.

Es gingen aber auch schon Fälle von EKHN-Verantwortlichen mit einer Nähe zur AfD durch die Presse.

Sicher: Es mag vereinzelt Fälle geben. Schlagzeilen machte zum Beispiel eine Kirchenvorsteherin, die unter großem öffentlichem Getöse in die verantwortliche Position einer populistischen Partei wechselte. Das bleibt aber ein absoluter Ausnahmefall. Ein Kippen der Stimmungslage ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) absolut nicht spürbar, wie gesagt, ganz im Gegenteil.

Wie äußert sich das?

Wir haben zum Beispiel in den Gemeinden und Dekanaten ein anhaltend starkes Interesse nach Hilfen im Umgang mit Rechtspopulismus vor Ort. Oft stehen Dekanate im Verbund mit anderen Gruppierungen an der Spitze von Bewegungen, die die Demokratie stärken wollen und dagegen kämpfen, dass Dörfer oder Regionen braun werden.

Welche Unterstützung bekommen sie dabei von der Landeskirche?

Die EKHN hat eine eigene Stelle zur Stärkung der Demokratie im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung eingerichtet. Unser Experte Matthias Blöser berät Gemeinden, die besonders betroffen sind, zum Beispiel, weil sie unter parteipolitischen Schmähungen leiden oder von rechten Kampagnen wegen ihres Eintretens für Flüchtlinge mit Hass überzogen werden. Mitte Januar will die Kirchenleitung zudem eine brandneue Handreichung für Kirchengemeinden herausgeben, wie man vor Ort mit rechtspopulistischen Positionen umgeht.

Die Kirche will aber auch Forum für den Dialog sein. Gelingt das? Oder haben diejenigen Recht, die sagen, dass Menschen mit einem eher traditionelleren Verständnis von Gesellschaft inzwischen an den Rand der Volkskirche gedrängt werden?

Einer der Kernpunkte der neuen Handreichung ist genau diese Frage: Wie gelingt es, klar Position für eine offene, menschliche Gesellschaft zu beziehen, ohne andere Meinungen an den Rand zu drängen oder Menschen auszugrenzen? Ein Schlüssel dazu ist eine doppelte Grundhaltung. Es geht darum, antidemokratische Positionen oder menschenverachtende Äußerungen klar zu benennen und aufzudecken. Gleichzeitig ist es eine christliche Herausforderung, die betreffende Person trotz ihrer Aussagen zu achten. Und schließlich ist es nicht so, dass in der liberalen EKHN alles geht. Unsere Grundordnung etwa beschreibt ganz klar die Leitplanken. Darin heißt es zum Beispiel, frei formuliert, dass die Kirche aus den niederschmetternden Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus heute für eine offene Gesellschaft eintritt, die sich an Vielfalt, Verschiedenheit und Toleranz orientiert. Was das konkret heißt, darüber ist zu diskutieren. Das ist eine Herausforderung für alle Seiten, der man sich stellen muss.

Eine Moschee-Steuer braucht es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Januar 2019

Um die Abhängigkeit deutscher Moscheegemeinden von ausländischen Geldgebern zu verringern, steht der Vorschlag einer „Moschee-Steuer“ im Raum. Keine gute Idee. Die Rahmenbedingungen in Deutschland geben schon alles her, was nötig ist. Jede Gemeinde, die finanziell unabhängig sein will, kann das.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Da brandete eine Diskussion über die Finanzierung islamischer Gemeinden mit einem löblichen Ziel auf. Die Finanzierung deutscher Moscheen durch das Ausland müsse aufhören, damit sich ein deutscher Islam entfalten könne. Zum Beispiel müsse die Abhängigkeit vieler Gemeinden von der Türkei aufhören – so würden von dort entsendete und bezahlte Imame in den Gemeinden des Verbandes Ditib arbeiten, dem etwa 900 Moscheen angehören.

Um solche Abhängigkeiten zu durchbrechen braucht es aber keine Sonderregelung für eine Moschee-Steuer. Auch jetzt stehen den islamischen Gemeinden die rechtlichen Wege für eine selbstständige Finanzierung offen, so wie allen Religionsgemeinschaften. Es sind ja nicht nur die evangelischen und katholischen Kirchen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, was Voraussetzung ist für eine Erhebung von „Kirchensteuer“ ist. Nach jahrelangem Rechtsstreit sind etwa auch die Zeugen Jehovas als eine solche Körperschaft anerkannt worden. Viele Glaubensgemeinschaften, etwa die Jüdische Gemeinde, die Freireligiöse Gemeinde, einige Pfingstkirchen, die Unitarier, die Heilsarmee, die Bahai, die Mormonen oder auch die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde (um nur einige zu nennen) haben diesen Status in Hessen. Drei Bedingungen muss eine Religionsgemeinschaft dafür erfüllen: eine große Anzahl von Mitgliedern, die Dauerhaftigkeit der Organisation und die Treue zum Grundgesetz.

Nun wird dem entgegengehalten, dass der Islam sich nun mal anders organisiere. Er kenne keine Mitgliedschaft und keine Organisationsformen wie sie hier in Deutschland üblich sind. Aber die klassische „Kirchensteuer“ ist ja auch nicht der einzige Weg, der Moscheegemeinden offen steht. Tatsächlich finanzieren sich auch die meisten Religionsgemeinschaften, die als Körpersschaften anerkannt sind (bis auf die Jüdische Gemeinde), nicht über vom Staat eingesammelte Mitgliedsbeiträge. Eine andere Finanzierungsmöglichkeit sind freiwillige Spenden, so finanziert sich etwa die von Seyran Ates gegründete Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Auch dafür gibt es in Detuschland rechtliche Formate, etwa die einer gemeinnützige GmbH, sodass Spenden steuerlich absetzbar sind.

Wenn die deutschen Moscheegemeinden von ausländischen Finanzgebern unabhängig sein wollen, braucht es daher weniger eine Moschee-Steuer als vielmehr den Willen, unabhängig zu werden.

Übrigens ist die Kirchensteuer mit neun Prozent der zu zahlenden Lohn- und Einkommenssteuer ein gerechtes Mitgliedsbeitragssystem. Wer viel hat, zahlt viel, wer nichts hat, zahlt nichts. Und zudem ist es der Verwaltungsaufwand gering. Die Religionsgemeinschaft braucht dafür keine eigene Abteilung, der Staat bucht sich für seine Dienste drei Prozent des Beitragsaufkommens ab. Das ist für beide Seiten vorteilhaft.

Nächstes Jahr wollen wir auch in einem Frankfurter Stadion Weihnachtslieder singen!

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. Dezember 2018

War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.
War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.

Das größte Weihnachtssingen Hessens findet dieses Jahr nicht in einer Kirche statt, sondern in einer Fußballarena. Dort wo normalerweise die Fußballprofis des Drittligisten SV Wehen Wiesbaden spielen, stehen am 23. Dezember Tobi Kämmerer, das Elektropop-Duo Glasperlenspiel, die Sängerin FEE. und die Frankfurter Urban Club Band auf einer großen Bühne und singen gemeinsam mit dem Publikum die schönsten Weihnachtslieder. Besinnlichkeit und Wärme sollen auf ein friedvolles Weihnachtsfest einstimmen, so die Ankündigung von hr3.

Tatsächlich ist es ein mutiges Unterfangen, doch es gibt Vorbilder. In Dresden und Leipzig haben solche weihnachtlichen Stadionevents bereits Tradition – ausgerechnet im säkularen Osten! Federführend in Dresden ist der berühmte evangelische Kreuzchor. Und die Stadien sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Selbst in der Fernsehübertragung ist etwas von der ganz besonderen Stimmung zu spüren.

Der Hessische Rundfunk war überrascht über die Resonanz. Nur eine gute Woche hat es gedauert, da waren sämtliche Tickets für das hr3-Weihnachtssingen vergriffen. Der Erfolg gibt dem Projekt also recht.

Da bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr ein solches Event mit Unterstützung der Kirchen auch in der größten hessischen Stadt, nämlich in Frankfurt, geplant wird. Man kann ja mit dem Bornheimer Hang klein anfangen. Und im übernächsten Jahr geht es dann ins Waldstation, wie wir die Arena immer noch nennen. Träumen darf man ja, gerade an Weihnachten

Rechtsextremismus in der Kita

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Dezember 2018

Kurt-Helmuth Eimuth, Publizist und Erziehungswissenschaftler, kommentiert die aktuelle Debatte über eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Umgang mit rechtsextremen Einflüssen, die sich im Kita-Bereich bemerkbar machen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du. Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik“ der Amadeu-Antonio-Stiftung sorgt für Aufregung. Die Stiftung will mit der 60-seitigen Druckschrift für Kindertagesstätten „sensibilisieren für einen kritischen Umgang mit Diskriminierung im frühkindlichen Bildungsbereich“. Anhand konkreter Fallbesprechungen werden Fachkräfte und Erzieherinnen auf Strategien rechter Akteure aufmerksam gemacht und unterstützt, eine Normalisierung rechtsextremer und menschenfeindlicher Einstellungen im frühkindlichen Bildungsbereich entgegen zu wirken. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ein Grußwort beigesteuert und unterstreicht die Notwendigkeit: „Die Kinder von heute werden morgen unsere demokratische Gesellschaft tragen. Deshalb ist es wichtig, die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten und an Kinderrechten zu orientieren“. Dagegen kann man nichts sagen. Und sicher ist auch richtig, dass die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und der Anstieg rechtspopulistischer Bewegungen nicht vor der Kita-Tür Halt macht. „Kinder schnappen rassistische Bemerkungen oder antisemitische Einstellungen auf und geben sie weiter“, so die Familienministerin.

Wie diese Empfehlungen im Einzelnen ausgestaltet sind, sorgt jetzt allerdings für gewaltigen Unmut. So enthält die Broschüre angeblich konkrete Hinweise, wie Erzieher Kinder aus angeblich rechtslastigen Familien identifizieren können. Unter der Überschrift „Kinder aus völkischen Familien“ wird das Fallbeispiel eines Geschwisterpaars geschildert, das besonders zurückhaltend ist und wenig von zu Hause oder vom Wochenende erzählt.

„Gleichzeitig gibt es keine sogenannten Disziplinprobleme, diese Kinder scheinen besonders ‚gut zu spuren‘. Außerdem sind traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen erkennbar: Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-km-Lauf absolviert haben.“

Nun, man kann sicher darüber diskutieren, ob in dem einen oder anderen Fall nicht zu sehr Stereotypen verwandt werden. Doch insgesamt sind die Ratschläge praxisnah, stellen das Kind in den Mittelpunkt und beziehen schnell die Eltern mit ein. Auch fordert man die Erzieherinnen auf, bei Fällen von Diskriminierung selbst Position zu beziehen. Von einer „staatlichen Handlungsanweisung zur Elternspionage“, so die CDU-Bundestagsfraktion, kann keine Rede sein. Vielmehr geht es den Autoren um eine Form der Erziehungspartnerschaft. Die Kinder dürfen nicht zwischen zwei Erziehungsstilen hin und her gerissen werden. „Aufgabe demokratischer pädagogischer Institutionen sollte es sein, Kinder zu stärken und ihnen in diesem Fall einen alternativen Erfahrungsraum zu ihrem Elternhaus zu eröffnen. Eine Ausgrenzung der betroffenen Kinder ist keine Lösung und ist keinesfalls anzustreben. Vielmehr sollte versucht werden, den Zugang zu den Kindern zu erhalten.“ Und man mag ergänzen: Auch der Zugang zu den Eltern ist deshalb zu erhalten.

Die Kontroverse um die Broschüre zeigt nur eines: Die Vielfältigkeit der Lebensstile, aber auch die gesellschaftliche Polarisierung hat das Arbeiten in einer Kindertagesstätte nicht einfacher gemacht. Und doch ist die Kita der Ort, in dem tagtäglich das Miteinander unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen vermittelt und eingeübt wird. Eine großartige Leistung des Personals und eine gute Basis für unsere Demokratie.

Neulich auf dem Schulhof: Wer darf da eigentlich parken?

von Kurt-Helmuth Eimuth 21. November 2018

So mancher Schulhof wird als Parkplatz für Lehrerinnen und Lehrer zweckentfremdet. Wofür haben die eigentlich das Hessenticket bekommen?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Schulhöfe, na klar, sind für die Kinder da. Das sollte man jedenfalls denken. Auf dem Schulhof sollen die Kleinen in den Pausen, vor und nach dem Unterricht toben und spielen. Schließlich tut ihnen Bewegung und frische Luft gut.

Nun ist allerdings in Großstädten wie Frankfurt kaum ein Gut so rar wie Boden. Da liegt es nahe, dass die Schulhöfe bei akuter Raumnot zumindest zeitweise mit Containern zugestellt werden. Aber das ist noch nicht alles. Weil der Platz so knapp ist, findet man in der Stadt häufig auch keinen Parkplatz. Das ist ärgerlich für alle Autofahrerinnen und Autofahrer.

Auch vom Lehrpersonal scheinen so manche dieses individuelle Verkehrsmittel zu bevorzugen. Was also liegt näher, als einen Teil der Fläche des Schulhofs als Parkplatz für die Lehrerinnen und Lehrer freizugeben? Und so steht dort, wo eigentlich Kinder Fangen spielen sollten, so mancher SUV.

Ist diese Prioritätensetzung schon fragwürdig so wird sie völlig unverständlich, wenn man bedenkt, dass der beamtete Teil des Personals mit dem Hessenticket, das die Landesregierung spendiert hat, kostenlos zur Schule fahren könnte. Wäre es spätestens jetzt nicht an der Zeit, Kindern Vorrang einzuräumen? Auf den Schulhof gehören Kinder und keine Autos.

Enkeltauglich und planetenschonend: Tipps für eine ethische Geldanlage

von Kurt-Helmuth Eimuth 21. November 2018

17 Millionen Deutsche spenden jedes Jahr und bewirken mit der gewaltigen Summe von über drei Milliarden Euro viel Gutes: Kinderkrebsstationen werden unterstützt, Obdachlosenarbeit oder die Katastrophenhilfe. Was macht man aber mit dem Geld, das man als Notgroschen oder zur Altersvorsorge behalten will? Tipps von Heinz-Thomas Striegler, Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Heinz Thomas Striegler ist Finanzexperte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: Bongard
Heinz Thomas Striegler ist Finanzexperte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: Bongard

Bei den meisten Fonds hat man als Anleger keine Kontrolle darüber, was mit dem Geld finanziert wird. Viele Menschen möchten mit ihrem Ersparten aber weder Atomkraftwerke noch Kinderarbeit finanzieren. Kann ich als Kleinanleger mit fünf- oder zehntausend Euro eine Entwicklung nach ethischen Vorstellungen fördern?

Heinz Thomas Striegler: Zunächst bitte ich um Verständnis, dass ich keine konkreten Anlageempfehlungen geben kann. Aber ein paar grundsätzliche Tipps gebe ich gerne. Das Kapitalmarktangebot hält ein großes Spektrum an Anlageformen bereit. Die Maxime der EKHN ist es, zu mischen und zu streuen, um in turbulenten Zeiten gewappnet zu sein.

Als institutioneller Anleger investieren wir überwiegend in Spezialfonds mit aktivem Managementansatz. Für den Privatanleger, der ebenfalls an der Marktentwicklung eines breiten Anlageuniversums partizipieren will, bieten sich Publikumsfonds an. Die werden von Finanzdienstleistern vielfach mit vergünstigtem Ausgabeaufschlag angeboten. Auch Indexfonds, die sogenannten Exchange Traded Funds (ETFs) eignen sich. Sie bilden möglichst genau die Wertentwicklung einer Gruppe von Wertpapieren ab.

Rückzahlungstermine planen

Für Aktien oder Rentenfonds erfolgt über Angebot und Nachfrage täglich eine Preisbildung an der Börse. Gleiches gilt im Normalfall auch für ETFs. Wenn dann unvorhergesehen Liquidität benötigt wird, kann die Anlage rasch aufgelöst werden. Schwieriger wird das kurzfristige Kassemachen bei Immobilienfonds-Anteilen.

Generell gilt: Für einen kontinuierlichen Aufbau von Vermögen braucht es den langen Atem, denn auch Kursrückschläge und die Kosten des Einstiegs und der laufenden Verwaltung müssen durch Renditezugewinne refinanziert werden. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, auch an positiven Phasen eines Marktzyklus teil zu haben, sollte der Einsatz in risikoreicheren Assetklassen (zum Beispiel weltweite Aktien ETFs) für mindestens fünf Jahre erfolgen, besser wäre ein noch längerer Zeithorizont

Nicht zu viel erwarten

„Die schwarze Null“ für 2018 – Dieses Anlageziel einiger Fondsmanager von risikoarmen, globalen Rentenanlagen erscheint vor der Negativzins-Kulisse für Kurzfristanlagen als ambitioniertes Ziel. Auf der Suche nach Alternativen zum volatilen Aktienmarkt schweift der konzertierte Blick der Marktteilnehmer zu Immobilienanlagen; ablesbar ist das in deren Preisanstieg. Aber am Ende gilt: Ganz gleich, welcher Anlageform Sie sich zuwenden: Schützen Sie sich vor unrealistischen Renditeversprechen; erwarten Sie nicht mehr als den Substanzerhalt. Zum richtigen Einstiegszeitpunkt sei angemerkt, dass sich der stets erst im Rückspiegel zeigt – und bei einer monatlichen Sparrate relativieren sich die Fehler im Timing.

Nachhaltig kritisch sein

Verantwortliches Investieren gehört inzwischen zum Mainstream, zumal wissenschaftliche Studien die Vermutung eines aus ökonomischer Sicht besseren Rendite-Risikoprofils belegen. Inzwischen finden sich die vom Arbeitskreis kirchlicher Investoren entwickelten ethisch-nachhaltigen Anlagekriterien in unterschiedlichster Ausprägung in Anlageprodukten der Finanzdienstleister. Vielleicht auch deshalb, weil sie seit Jahren die siebzehn Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2030 in einen Praxiskontext stellen. Wichtig ist es jetzt, das Angebotsdickicht zu lichten, um tatsächlich nachhaltigen Mehrwert zu generieren.

Der kritische Anleger hinterfragt die Anlagestrategie des Fonds, die Kriterien für die Titelauswahl und die Inhalte der Vermögensaufstellung. Als Indikation kann auch gelten, dass der Anbieter selbst glaubwürdig und in der Vergangenheit als nachhaltiges Unternehmen in Erscheinung getreten ist.

Stöbern Sie doch einmal auf den Internetseiten der Kirchenbanken!

https://www.eb.de/privatkunden.html

Leitfaden für nachhaltig ethische Geldanlage in der evangelischen Kirche: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ekd_texte_113.pdf

Gangster mit weißem Kragen: Wir müssen uns mehr über den Cum-Ex-Betrug empören

von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Oktober 2018

Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen in ganz Europa ausgeplündert. Wo bleiben eigentlich all die Talkshows und Sondersendungen dazu?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Sicher haben Sie sich auch schon einmal überlegt, was Sie mit einem Lotto-Gewinn von einer Million Euro machen würden: Ein Haus kaufen, den Kindern was geben, Reisen, vielleicht auch einen Teil einem karitativem Zweck spenden. Bliebe vermutlich immer noch was über. Eine Million ist viel Geld. Wenn Sie gut, sehr sehr gut verdienen, dauert es zehn Jahre, bis Sie soviel Geld zusammen haben. Ausgeben dürfen Sie in dieser Zeit leider nichts.

Und nun stellen Sie sich vor, was Sie mit 1.000 Millionen machen würden. Sicher nicht einfach, so viel Geld auszugeben. Da wird man schon lange überlegen müssen, was man damit machen kann. Den europäischen Staaten sind sagenhafte 55.000 Millionen Euro geklaut worden, davon allein Deutschland 31.800 Millionen Euro. Mit dieser unvorstellbaren Summe hätte man jeder Schule hierzulande eine Million Euro zur Verfügung stellen können. Oder etwa alle Dieselautos nachrüsten. Oder man könnte den Hunger in der Welt bekämpfen – denn immerhin leiden auf dieser so reichen Welt 705 Millionen Menschen Hunger.

Aber das Geld ist futsch: Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen auf dem ganzen Kontinent ausgeplündert. Und die Gangster mit weißem Kragen wussten, was sie tun: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch“ – ein Zitat, das so bei einem Meeting von Cum-Ex-Investoren in Frankfurt gefallen sein soll.

Die Vorstellung dieses Diebstahls sprengt offenbar unsere Phantasie. Denn alle Warnzeichen wurden übersehen und überhört. Schon vor 25 Jahren wurden die Finanzpolitiker von einem Staatskommissar gewarnt. Und noch 2017 wurde das wahre Ausmaß des Betruges klein geredet oder nicht gesehen. Rund eine Milliarde sei der Schaden groß wurde in einem Bundestagsausschuss behauptet.

Über den Steuersünder Uli Hoeneß wurde wochenlang öffentlich diskutiert. Dabei sind die von ihm hinterzogenen Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro Peanuts im Vergleich zu diesem Betrug. Immerhin hat Hoeneß sich auch sozial engagiert und schien Reue zu zeigen. Dies ist bei den Herren (vermutlich kaum Damen) der Cum-Ex-Verbrechen kaum zu vermuten. Und doch bleibt die öffentliche Aufregung mau. Im ersten Halbjahr 2018 konnten wir schon neun Talkshows zum Thema „Flüchtlinge“ sehen, aber keine zum größten Betrugsfall der Geschichte.

Auch wenn das Ausmaß kaum fassbar ist, so müssen sich alle, die ein Interesse an einer solidarischen Gesellschaft haben, empören. Ja, etwas Wut gehört auch zur Empörung. Über die, die betrügen, und über die, die es nicht mit aller Macht bekämpfen.

Die katholische Kirche und die Sexualität

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Oktober 2018

In der katholischen Kirche brodelt es. In Sachen Sexualität muss dort nun eine Diskussion nachgeholt werden, die in der evangelischen Kirche schon vor fünfzig Jahren begonnen hat.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Es brodelt in der katholischen Kirche. Auf der einen Seite die Vorschläge des katholischen Stadtdekans Johannes zu Eltz, der sich verheiratete Priester und Frauen im Priesteramt vorstellen kann, auf der anderen die Weigerung Roms, P. Angar Wucherpfennig als Rektor der Hochschule St. Georgen zu bestätigen. Offenbar waren die Aussagen Wucherpfennigs zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare dem Vatikan ein Dorn im Auge.

Dabei hat die katholische Kirche in Deutschland gerade erst begonnen ein neues Verhältnis zur Sexualität des Menschen zu finden. Auch Sexualität ist eine gute Gabe Gottes. Sie ist weder zwangsweise zu unterdrücken, noch darf sie zur Gewalt über andere genutzt werden.

Richtigerweise stellen Pfarrer der Frankfurter katholischen Gemeinden fest, dass „dass auch der pathologische Umgang der Kirche mit dem Thema (Homo-)Sexualität sexualisierte Gewalt begünstigt.“

Johannes zu Eltz fordert im Interview mit Evangelisches Frankfurt einen offenen Diskussionsprozess zu Zölibat und Priesteramt für Frauen. Ein Diskussionsverbot sei „total unsinnig und unbiblisch.“

Die katholische Kirche wird jetzt eine Diskussion nachholen müssen, die die evangelische Kirche vor fünfzig Jahren geführt hat und heute immer noch führt. Denn auch hier wurden verheiratete Frauen erst spät im 20. Jahrhundert zum Pfarramt zu gelassen, und die Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs, beispielsweise in evangelischen Kinderheimen, hat erst vor wenigen Jahren so richtig begonnen.

Es ist für die katholische Kirche zu hoffen, dass der begonnene Diskussionsprozess auch in Rom nachvollzogen wird, und dass der Frankfurter Stadtdekan Recht behält, wenn er im Interview sagt: „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

„Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind“

von Kurt-Helmuth Eimuth 9. Oktober 2018

Ginge es nach dem katholischen Stadtdekan Johannes zu Eltz, würden katholische Gemeindepriester bald heiraten dürfen und Frauen zur Priesterweihe zugelassen, zumindest in jenen Weltregionen, wo die Frauenemanzipation gesellschaftlicher Mainstream ist. Wir haben ihn gefragt, wie realistisch das ist.

Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz.  |  Foto: epd-Bild/Heike Lyding
Der katholische Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. | Foto: epd-Bild/Heike Lyding

Herr zu Eltz, Sie fordern die teilweise Aufhebung des Zölibats. Damit würden Sie den Unterschied zwischen katholisch und evangelisch einebnen, oder?

Ich bestreite mal die Prämisse höflich. Das trifft nicht den wesentlichen Unterschied zwischen evangelisch und katholisch. Sowohl bei Ihnen als auch bei uns ist die Frage der Lebensordnung der Geistlichen eine Frage kirchlicher Disziplin und steht nicht im Mittelpunkt des Glaubens. Ich bin total für den Zölibat und dafür, dass er gepflegt und gefördert wird in der katholischen Kirche, aber so, dass er für Seelsorgsgeistliche, für die „Leutpriester“, nicht obligatorisch ist.

Sie sind für die Freiwilligkeit?

Genau, für Freiheit und Freiwilligkeit bei den Seelsorgsgeistlichen, die allein in Gemeinden leben. Im Unterschied zu den Ordensgeistlichen, die in Gemeinschaften leben. Damit würde unsere klerikale Lebensart der evangelischen Kirche ähnlicher, aber auch den Kirchen des Ostens. Dort gibt es seit jeher die verheirateten Leutpriester. Das darf man nicht geringschätzen.

Würden Sie auch so weit gehen, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden könnten?

Ich habe gefordert, dass Frauen jetzt sofort zum Diakonat zugelassen werden, also auf die erste Weihestufe. Und zugleich eine ergebnisoffene Diskussion zu führen ist – kein Diskussionsverbot mehr, das ich für total unsinnig und unbiblisch halte – über Frauen auf den weiteren Weihestufen des Priester-und Bischofsamtes.

Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Ich glaube, anders als beim Zölibat, der nur eine ehrwürdige disziplinarische Tradition der lateinischen Kirche ist, ist es bei den Weiheämtern für Frauen nicht mit einem Federstrich getan. Genderfragen schneiden viel tiefer ins Gewebe ein. Das wäre zum Beispiel eine Zerreißprobe im Verhältnis zu den Ostkirchen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es Teile der katholischen Weltkirche gibt, wo das zu einer Kirchenspaltung führen würde. Deshalb plädiere ich dafür, dass diese Frage kultursensibel entschieden wird, also unterschiedlich in den verschiedenen Gegenden der Welt. Subsidiär nach dem klugen Rat der Bischofskonferenzen.

Wäre der andere Umgang mit der Sexualität nicht eine Präventionsmaßnahme gegen sexuellen Missbrauch?

Generell ja. Bei Zölibat und Frauenweihe würde ich sagen: keine direkte, aber eine sehr nachhaltig wirksame indirekte Prävention.

Welche Chancen geben Sie Ihren Vorschlägen?

Na ja, nach menschlichem Ermessen keine großen. Denn das fällt nach unserem Verständnis alles in die Zuständigkeit der Bischöfe, und die würden damit ihre Machtfülle drastisch beschränken. Ob die das wagen? Wir fragen ja nicht die, die negativ betroffen sind von den verschiedenen Restriktionen. Man legt bei uns nicht Frauen die Frage vor, ob Frauen geweiht werden können, und nicht offen Homosexuellen, ob die Lehre über Homosexualität verändert werden müsste. Da ist überall das Lehr- und Leitungsamt der Bischöfe vor. Das ist ein geschlossenes System. Auf der anderen Seite ist nichts so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Dies gilt auch in der Katholischen Kirche und deswegen denke ich, ja, es kann jetzt etwas passieren.