Tag Archiv für Kirche

„Wer sich engagiert, findet Heimat“

Eberhard Pausch mit seiner Oma Elise im Jahr 1964.

Elise Raschig war in den 1970er und 1980er Jahren in Rödelheim vielfältig engagiert, auch in der Kirchengemeinde. Ihr Enkel, Pfarrer Eberhard Pausch, hat jetzt ihre Biografie geschrieben.

Herr Pausch, Sie haben ein Buch über Ihre Großmutter Elise Raschig geschrieben. Wie kam es dazu?

Als meine Großmutter im Jahr 2000 starb, hinterließ sie mir Briefe, Gedichte und ein Tagebuch der Jahre 1944 bis 1947, das sie selbst ein „Zeitdokument“ nannte. Ich war neugierig auf die Verbindung zwischen ihrem persönlichen Schicksal und der großen Zeitgeschichte, denn ich merkte: Das ist nicht nur Vergangenheit, das ist eine Botschaft für unsere Zeit. Sie lautet: Setze dich ein für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie! Und: Wer sich engagiert, findet Heimat!

Der Zeitraum umfasst das Ende der NS-Diktatur und die ersten Jahre der Bundesrepublik. Auch Ihre Großmutter musste „entnazifiziert“ werden.

Ja, meine Großmutter war Mitglied in der NSDAP gewesen. Sie war früh zum BdM, dem „Bund deutscher Mädchen“ gekommen und dann zur Partei. Ämter hatte sie keine, aber sie glaubte lange den Lügen der Nazis. Die Wahrheit zu erfahren, etwa über die Konzentrationslager, hat sie sehr erschüttert. Da sie persönlich nie jemandem geschadet hatte, wurde sie 1948 amnestiert.

Welchen Bezug zur Kirche hatte Ihre Großmutter?

In der NS-Zeit war sie gegen den Willen ihrer Eltern ausgetreten, wohl im Zuge der Kirchenaustrittskampagne der Nazis. 1946 trat sie dann aus Anlass der Taufe meiner Mutter wieder in die Kirche ein. Zunächst engagierte sie sich aber in anderen Bereichen wie im Sozialverband VdK, in der Gewerkschaft und im Betriebsrat. Erst in den 1970er, 1980er Jahren wurde sie ein aktives Gemeindemitglied. Dafür war vor allem die Freundschaft mit der damaligen Rödelheimer Pfarrerin Elke Klee ausschlaggebend. Später empfand sie die Kirche als ein Stück Heimat.

Elise Raschig – Portrait einer engagierten Rödelheimer Bürgerin
Elise Raschig – Portrait einer engagierten Rödelheimer Bürgerin

Wie kommt man als Pfarrer und Studienleiter an der Evangelischen Akademie dazu, Stadtteilhistoriker zu sein?

Für Geschichte habe ich mich schon als Schüler sehr interessiert. Mit diesem Projekt konnte ich gleichzeitig mein Hobby pflegen, meine Omi ehren und unserem Gemeinwesen nützen.


Eberhard Pausch: Elise Raschig – Portrait einer engagierten Rödelheimer Bürgerin, 10 Euro.

Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über den Papierwaren- und Buchladen Pappmarché, Alexanderstraße 27, 60489 Frankfurt, Telefon 069 78 36 25.

Kurt-Helmuth Eimuth

Ein halbes Jahrhundert Gethsemanekirche im Nordend

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. Juni 2020

Vor fünfzig Jahren wurde die Gethsemanekirche im Frankfurter Nordend eingeweiht. Das Konzept mit einem Kirchenraum im ersten Stock und Gemeinderäumen und Büros im Erdgeschoss bewährt sich bis heute. Auch den Glockenturm gibt es noch, aber das war haarscharf: Mitte der 1990er Jahre wäre er beinahe abgerissen worden.

Außergewöhnlich: Der acht Meter hohe Kirchraum im ersten Stock hat fast keine Fenster. | Foto: Rui Camilo
Außergewöhnlich: Der acht Meter hohe Kirchraum im ersten Stock hat fast keine Fenster. | Foto: Rui Camilo

Angesichts aktueller Zahlen zum Mitgliederrückgang der Kirchen mag manchem die Zeit von vor fünfzig Jahren geradezu rosig erscheinen. Doch schon 1970, als die Gethsemanekirche an der Eckenheimer Landstraße im Frankfurter Nordend eingeweiht wurde, mischten sich skeptische Töne in die Feierlichkeiten: „Wie könnte es uns gleichgültig sein, wenn die Öffentlichkeit die Bautätigkeit unserer Gemeinde (und der ganzen Kirche!) zunehmend kritisch beurteilt?“ fragte der damalige Pfarrer Hermann Strohmeier. Und der Hochschullehrer Dieter Stoodt spitzte die Frage in seinem Grußwort zur Einweihung noch einmal zu: „Der Gottesdienst hat zweifellos im Ganzen gesehen an Bedeutung verloren. Viele zweifeln nicht daran, dass er weiterhin an Bedeutung verlieren wird.“

Trotzdem freute sich die junge Gemeinde natürlich über ihre Kirche. Die Gemeinde war 1964 als Ausgründung aus der Petersgemeinde entstanden und hatte damals 6000 Mitglieder. Heute sind es noch 1400. Trotzdem beantwortet auch der heutige Pfarrer Thorsten Peters die Frage nach der Notwendigkeit eines Kirchenbaus ähnlich wie die Vorgängergeneration: „Es braucht einen liturgischen Raum. Ich bejahe, dass es diese Kirche gibt“. Auch wenn heute nur noch drei Prozent der Kirchenmitglieder Gottesdienste besuchen – für Peters sind drei Prozent eine Größe, mit der man gut singen, beten und Abendmahl feiern kann.

Die nach Entwürfen des Architekten Hans-Georg Heimel gebaute Kirche hat so manche Besonderheit. Der Kirchraum liegt im ersten Stock und ist barrierefrei mit einem Aufzug erreichbar. Im Erdgeschoss ist ein Gemeinderaum mit Küche sowie Gemeinde- und Pfarrbüro eingerichtet. Bei einem Umbau im Jahr 2013 wurden diese Räumlichkeiten modernisiert und erweitert. Dort, im Erdgeschoss, findet – wenn nicht gerade Coronakrise ist – auch jeden Sonntag ein Kirchencafé statt. Nach der Abgabe des alten Gemeindehauses wird heute auch die Kirche nicht mehr nur für Gottesdienste, sondern immer stärker auch für Gemeindeveranstaltungen aller Art genutzt.

Der innere Grundriss des Kirchenraums ist fast quadratisch und verfügt über eine Empore. Der Kirchenraum wird von nahezu geschlossenen Wandflächen bestimmt. Tageslicht tritt im Altarbereich indirekt aus der Dachzone ein. Auch Altar, Altarkreuz, Altarleuchter und die Deckenlampen als moderne Kronleuchter wurden nach den Entwürfen von Hans-Georg Heimel gestaltet. Lediglich drei kleine Fenster unter der Empore, seitlich der Kanzel und im Turmbereich mit farbigen Glascollagen setzen noch einen Akzent. Dominiert wird der acht Meter hohe Kirchenraum von den Klinkerwänden und einer stilisierten Dornenkrone über dem Altar. Die Eisenplastik hat Hermann Tomada geschaffen.

Der Turm der Gethsemanekirche ist im Nordend weithin sichtbar. | Foto: Rui Camilo
Der Turm der Gethsemanekirche ist im Nordend weithin sichtbar. | Foto: Rui Camilo

Der gut sichtbare Glockenturm an der Eckenheimer Landstraße verkörpert das, was sich Pfarrer Peters wünscht: Ein Kirchengebäude als „öffentliches Zeichen“. Mitte der 1990er Jahre gab es Überlegungen, den sanierungsbedürftigen Kirchturm abzureißen, doch die Gethsemanegemeinde kämpfte mit dem damaligen Pfarrer Martin Zentgraf erfolgreich für dessen Erhalt und hat dann auch die Sanierung mitfinanziert.

Heute steht die Gemeinde wieder vor einem großen Bauprojekt: Das benachbarte alte Gemeindehaus wird abgerissen, an der Stelle wird ein Investor Wohngebäude errichten sowie neue Räume für den Kindergarten schaffen, der erweitert wird.

Trotz aller vor einem halben Jahrhundert schon bestehenden Skepsis kann Pfarrer Peters garantieren: „Die Kirche ist bis heute in Gebrauch.“ Künftig will man durch eine verstärkte pfarramtliche Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden den zurückgehenden Mitgliederzahlen entgegenwirken. An Gemeindefusionen ist allerdings nicht gedacht. Denn die Identität der Gemeinde soll erhalten bleiben, sagt Peters.

Kirchlicher Mitgliederschwund: Es gibt kein Patentrezept dagegen

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. Juni 2020

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Allein 540.000 Mitglieder haben die beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland im vorigen Jahr verloren. So richtig viel können die Kirchen nicht gegen diesen Trend tun. Denn Glaube wird in allererster Linie in den Familien weitergegeben. Oder eben auch nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Bekanntgabe ihrer Mitgliederzahlen ist für die evangelische und katholische Kirche alljährlich ein unangenehmer Termin: Seit Jahren ist der Trend nach unten ungebrochen. Der Mitgliederschwund durch Austritte schmerzt. Mehr als 540.000 Menschen haben die beiden großen Konfessionen im vergangenen Jahr verlassen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Nürnberg oder Dresden. Manch Kommentator spricht von einem „Massenexodus“.

Was tun? Die Evangelische Kirche Hessen und Nassau (EKHN) betont zunächst einmal die positiven Seiten der Statistik: Die Konfirmationen blieben der Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen, denn immerhin ließen sich 87 Prozent eines evangelischen Jahrgangs in der Landeskirche konfirmieren. Auch die Zahl der Taufen bliebe stabil. Die Zahl derjenigen, die in die Kirche eingetreten sind, hat leicht zugenommen, es waren voriges Jahr 2812 Personen. Demgegenüber sind allerdings 21.071 ausgetreten. Dazu kommen noch Sterbefälle und Zu- und Wegzüge. Im Saldo ist die Zahl der Mitglieder im Kirchengebiet um 2,2 Prozent gesunken. Damit wird der langfristige bundesweite Trend bestätigt. Bis 2060, so die Prognose, wird sich die Zahl der Mitglieder aller Wahrscheinlichkeit nach halbiert haben.

Nicht alles von dieser Entwicklung liegt speziell an den christlichen Kirchen. Manches ist einfach ein gesellschaftlicher Trend. Auch andere große Institutionen wie die Parteien und die Gewerkschaften haben ihre Bindungsfähigkeit verloren. Anderes sind hausgemachte Fehler, wie zum Beispiel Versäumnisse bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen.

Was aber wirklich an den Kern geht, ist etwas anderes: Schaut man sich die Ergebnisse der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) aus dem Jahr 2018 an, so wird klar, dass der Glaube an Gott bei vielen Menschen schwindet. Nur noch 44 Prozent der Befragten gaben an, im weitesten Sinne an Gott zu glauben. Zwar kommen noch einmal 20,8 Prozent hinzu, die die Antwort gaben: „Ich glaube nicht an einen leibhaftigen Gott, aber ich glaube, dass es irgendeine höhere geistige Macht gibt.“ Es sind also noch fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland, die eine überirdische Macht für möglich halten. Allerdings ist auch hier ist die Tendenz seit Jahren fallend.

ALLBUS bestätigt in Zahlen, was schon vielfach erhoben wurde und sich auch im Alltag leicht beobachten lässt: Der Glaube – und auch das Wissen vom Glauben – schwindet stetig. Aber warum?

Nicht, wie man vielleicht meinen könnte, weil die Pfarrerinnen und Religionslehrer schlechte Arbeit machen. Denn wesentlich für die Glaubensvermittlung sind nicht die Kirchen und ihr Personal. Die Grundlage für Gottvertrauen wird in jungen Jahren in den Familien gelegt. Hier werden religiöse Traditionen weitergegeben, gebetet und aus der Kinderbibel vorgelesen – oder eben auch nicht. Und es sind ganz konkret meist die Großmütter, die kleinen Kindern im Herzen etwas vom Glauben weitergeben.

Fehlende religiöse Sozialisation im Kindesalter, in den Familien, können Kirchengemeinden nicht kompensieren. Pfarrer, Gemeindepädagoginnen, Bibelkurse und gute kirchliche Angebote können Eltern und Großeltern darin unterstützen. Auch christliche Kindertagesstätten können in Familien hineinwirken. Aber das alles kann die Familie in der religiösen Erziehung nicht ersetzen.

Die moderne Gesellschaft mit ihren Leistungsanforderungen, ihrer Individualisierung und auch der Institutionalisierung von Erziehung verstärkt den Trend von Generation zu Generation. Für die Kirchen bedeutet das, dass ein „Weiter so“ keine Option ist. Schon allein die knapper werdenden Finanzen fordern zum Handeln auf. Und Corona verstärkt den Druck: Allein die EKHN erwartet in diesem Jahr Mindereinnahmen von 50 Millionen Euro.

Zwei Strategien stehen im Raum und werden derzeit diskutiert: Entweder kann sich die Kirche auf ihr „Kerngeschäft“ zurückziehen, sich darauf beschränken, gute Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen abzuhalten. Doch damit würde sie ihren Anspruch, in die Gesellschaft hineinwirken zu wollen, aufgeben. Sie verzwergt. Das andere Extrem wäre ein weiter gesteigertes Engagement für die Schwächsten, für Verfolgte und Abgehängte, ohne dabei allzu sehr von Bibel und Co. zu sprechen. Dann würde aus der Kirche so etwas wie ein Wohlfahrtsverband mit angeschlossener spiritueller Abteilung. Auch keine Lösung.

Ein Patentrezept gibt es wahrscheinlich nicht. Irgendwo zwischen diesen beiden Optionen wird sich der künftige Weg finden. Immerhin wurde in der Zeit der Corona-Krise deutlich, dass die Organisation Kirche durchaus kreatives Potenzial hat und sich auf Veränderungen einstellen kann.

Der „Nicht ganz Ruheständler“

von Bettina Behler 25. Juni 2020

Der Pädagoge und Publizist Kurt-Helmuth Eimuth verabschiedet sich aus dem hauptamtlichen Dienst, vielfältig engagiert wird er bleiben.

Kurth-Helmuth Eimuth verabschiedet sich fürs Erste digital I Foto: privat
Kurth-Helmuth Eimuth verabschiedet sich fürs Erste digital I Foto: privat

„Sich einzumischen“, ob im Abschiedsvideo, aufgenommen anlässlich des Beginns seines Ruhestandes am 1. Juli, oder im Gespräch: Kurt-Helmuth Eimuth gebraucht diesen Begriff wiederholt, wenn es darum geht zu beschreiben, was ihm in seinen 40 Jahren als Hauptamtlicher des Evangelischen Regionalverbandes wichtig war. Zuletzt leitete der 66-Jährige den Arbeitsbereich Kindertagesstätten des Diakonischen Werks für Frankfurt und Offenbach, die Leitung der Erzieherinnenschule der Diakonissen im Holzhausenviertel war eine Station davor, auch der hiesigen Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit stand der waschechte Frankfurter, aufgewachsen im Stadtteil Bockenheim, schon vor. Pädagoge und Publizist – beides prägt sein Schaffen.

Viele kennen Kurt-Helmuth Eimuth auch als „Sekten-Eimuth“, wie er selbstironisch sagt. Der Evangelische Regionalverband beauftragte ihn mit der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen, zusammen mit seinem katholischen Kollegen Lutz Lemhöfer sorgte er in den 1980er und 1990er Jahren in Frankfurt für Aufklärung, wenn es um spirituelle Splittergruppen unterschiedlicher Couleur ging. Und nicht nur in der Region, bundesweit wurde Eimuth als Experte gefragt, wenn Informationen zu sektiererischen Seelenfängern gefragt waren. Eimuths Wissen – auch zu dem Thema – ist enorm. Besorgte Eltern, Institutionen, Medien ließ er an seinen Kenntnissen teilhaben.

In seinem Abschiedsvideo, anzuschauen auf www.eimuth.de, tauchen Beispiele seiner TV-Auftritte auf. Er war bei allen Talk-Sendungen jener Zeit Gast. Ob im Sat.1 Talk oder mit hr-Urgestein Holger Weinert: Eimuth zeigt wechselnde Brillen, mal rundgefasst, mal dick gerahmt, mal Glas und Draht pur, „immer vom selben Optiker“. Sein Ansatz blieb über die Jahre Haltung zeigen – und Engagement für die Menschen. Aufgrund der Corona-Krise fällt der Abschiedsempfang für Eimuth aus, ansonsten wäre von beidem sicher in mancherlei Ansprache die Rede gewesen. So berichtet er per Handyaufnahme von seiner Berufsvita. Zu Hause hat er sie aufgenommen. Das Bücherregal quillt über, CDs reihen sich ein, dazwischen sitzt aus Plüsch die Maus, bekannt aus der nach ihr benannten Sendung. Passt alles.

Eine wilde Lockenpracht trug Kurt-Helmuth Eimuth zu den Zeiten, als er nach dem Zivildienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Cantate Domino vom Frankfurter Stadtjugendpfarrer Martin Jürges gewonnen wurde. 1976, schon vor dem Pädagogik-Diplom, das er 1982 ablegte, begann Kurt-Helmuth Eimuth sich vom Nordend aus einzumischen „für Kinderrechte, für Jugendliche“. Eher im Alternativmilieu sei er angesiedelt gewesen, die Rockergangs, auf die er im Umfeld von Cantate Domino stieß, seien nicht so seins gewesen, bekennt er offen.

Kurz bevor er 2001 zur Erzieherinnenschule wechselte, betreute Eimuth noch seitens der Evangelischen Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt einen Auftritt beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, der damals ebenfalls am Main stattfand. Gerne erinnert er sich an das Bühnenprogramm an der Hauptwache „und als Highlight eine Oldtimer Straßenbahn, die wir extra haben umspritzen lassen und mit der wir moderierte Stadtrundfahrten zwischen Messegelände und Zoo machten“. Neu zu denken, das hilft ihm bis heute.

Seine Frau Marion, eine Theologin, mit der Eimuth seit 39 Jahren verheiratet ist, erlitt vor fünf Jahren einen Schlaganfall. Beider Bereitschaft die Welt neu zu gestalten, andere Wege einzuschlagen, sich nicht zurückzuziehen, kam ihnen in den vergangenen Jahren zugute. Ihr gemeinsames Ziel: Die „Kommunikation mit dem Evangelium ermöglichen, Glauben erfahrbar zu machen“.

Gemeinsam haben die zwei einige Pläne, wenn der offizielle Dienst jetzt endet. Aber auch die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach muss nicht ganz auf Kurt-Helmuth Eimuth verzichten: neben Lehraufträgen in der Erzieherinnenausbildung sowie an der Hochschule und Ehrenämtern, zum Beispiel im Vorstand des Institutes für Medienpädagogik und Kommunikation Hessen e.V., wird er der Mitgliederzeitung der hiesigen Kirche, dem Evangelischen Frankfurt und Offenbach, kurz EFO-Magazin, als Redakteur erhalten bleiben. Und sich gewiss weiter mit Geschichten und Kommentaren einmischen.

Wie rechte Christen Kirche und Gesellschaft unterwandern

Deutsches Pfarrblatt, Januar 2020

Zwei von drei Jugendlichen finden Glauben unwichtig

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. November 2019

Dass Jugendliche sich vom Glauben entfernen, liegt vor allem daran, dass in den Familien keine religiösen Traditionen mehr gepflegt werden. Die Kirche kann das nicht kompensieren.

Laut aktueller Shell-Studie sinkt die religiöse Bindung von  Jugendlichen in Deutschland rapide. | Foto: Alexis Brown / unsplash.com
Laut aktueller Shell-Studie sinkt die religiöse Bindung von Jugendlichen in Deutschland rapide. | Foto: Alexis Brown / unsplash.com

Laut der jüngsten Shell-Studie hat der Glaube sowohl für katholische wie auch für evangelische Jugendliche erheblich an Bedeutung verloren. Nur noch 39 Prozent der katholischen und 24 Prozent der evangelischen Jugendlichen sagen, dass ihnen der Glaube wichtig sei. Das lässt befürchten, dass sich der Trend zu immer mehr Kirchenaustritten von Menschen in der Familiengründungsphase weiter verstärken wird. Bereits jetzt tritt etwa ein Viertel aller Getauften im Alter zwischen 25 und 35 Jahren aus der Kirche aus.

Muslimische Jugendliche hingegen sagen zu 73 Prozent, dass ihnen der Gottesglaube wichtig sei. Allerdings ist in ihrem Fall die Religion häufig eingebunden in die Kultur des Herkunftlandes ihrer Eltern und Großeltern und wird nicht mit einer ihnen fremd gewordenen Institution wie der Kirche in Verbindung gebracht. Eine Studie der Tübinger Universität kommt tatsächlich zu einem differenzierteren Bild. Danach beten auch drei von vier christlichen Jugendlichen, sie verstehen das aber als eine lediglich individuelle Praxis.

Frankfurts Stadtjugendpfarrer Christian Schulte sieht als zentrale Ursache für die Distanziertheit der Jugendlichen zum Glauben den Traditionsabbruch, vor allem bei jungen Familien. „Wenn es nicht mehr selbstverständlich ist, zu Hause zu beten, wird dieser Wunsch auch in den Kindern und Jugendlichen nicht Raum greifen können.“ Es fehle häufig an Sprachfähigkeit in Glaubensdingen. Deshalb will Schulte den Glauben für Jugendliche wieder erlebbar machen, zum Beispiel mit Projekten wie dem Konficamp, wo alle Konfirmandinnen und Konfirmanden aus Frankfurt für einige Tage gemeinsam wegfahren.

Das Evangelische Jugendwerk Hessen (EJW) bemängelt, dass die Angebote der Kirche für Jugendliche oft nicht relevant seien. „Jugendliche gehen nicht freiwillig in normale Gottesdienste.“ Es brauche mehr anschauliche, humorvolle und alltagstaugliche Formate sowie Personen, die Glaubensinhalte mit Inhalten vermitteln, die eine direkte Relevanz für das Leben junger Menschen haben – „sozusagen Glaubens-Influenzer“.

Das Ansehen der Kirche wird laut Shell-Studie von der Mehrheit der Jugendlichen immer noch positiv bewertet. Aber Glaube verbreitet sich nicht durch „die Kirche“, sondern vor allem durch persönliche Begegnungen. Es ist fast unmöglich, abgebrochene Familientraditionen zu ersetzen. Vor allem Großeltern spielen eine wichtige Rolle, wenn sie mit Kindern beten oder ihnen Geschichten aus der Bibel erzählen. Genau diese Tradition ist aber bereits seit zwei Generationen abgerissen. Die Kirche kann diesen Ausfall der Familie als religiöse Sozialisationsinstanz nicht kompensieren. Sie erreicht ja ohnehin nur die, die über Kindergärten oder Jugendgruppen überhaupt mit ihr in Kontakt kommen.

Christliche Angstprediger spalten die Kirche

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. Juli 2019

Auch in Deutschland hat sich inzwischen ein vernetztes, rechts-christliches Milieu herausgebildet, das den Kirchen zu denken geben muss. Liane Bednarz hat die inhaltlichen und organisatorischen Verflechtungen der rechten Christen und Christinnen detailliert herausgearbeitet.

Liane Bednarz: Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern, 256 Seiten. Droemer. Erhältlich jetzt auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung , 4,50 Euro.
Liane Bednarz: Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern, 256 Seiten. Droemer. Erhältlich jetzt auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung , 4,50 Euro.

Es ist ein Vorgang, der alle Christinnen und Christen, aber besonders die Kirche als Institution in Alarm versetzen müsste: „Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“ beschreibt Liane Bednarz in ihrem Buch über „Die Angstprediger“. Die inhaltlichen und organisatorischen Verflechtungen dieser Netzwerke können der Kirche nicht gleichgültig sein. Es ist zu wünschen, dass innerhalb und außerhalb der Kirche die Sensibilität für das Erstarken der rechten Christen wächst. Auch der Bundeszentrale für politische Bildung war die Thematik so wichtig, dass sie das Buch jetzt in ihr Programm aufgenommen hat und für nur 4,50 Euro vertreibt.

Im Vorwort schreibt die Autorin, dass es in beiden christlichen Konfessionen zu einer regelrechten Spaltung gekommen sei. Auf der einen Seite die Konservativen, die katholischerseits den Zölibat befürworten und die Frauenordination ebenso wie Kritik an der Kirchenhierarchie ablehnen, sowie die so genannten „bibeltreuen“ Protestanten, die sich regional im im „Bibelgürtel“ rund um Dresden, in schwäbischen Gebieten Bayerns, in Wuppertal sowie im Siegerland und Nordhessen konzentrieren. Auch das hessische Hinterland rund um Biedenkopf ist weltanschaulich vom Siegerland geprägt, auch dort sind die geschilderten gesellschaftlichen Veränderungen in den Dörfern offensichtlich.

Wie unter einem Brennglas lasse sich hier etwas verfolgen, das auch gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist: Aus ehemals harmlosen Konservativen werden Menschen, die schrittweise rechte Positionen übernehmen und sich nicht selten nach und nach immer weiter radikalisieren. Als Feindbilder halten die Themenkomplexe „Genderwahn“ und Homosexualität, „Islamisierung des Abendlandes“ und „GEZ-Medien“ herhalten. Überstrahlt wird alles von dem „typisch neurechten“ Zerrbild der „Überfremdung“.

Detailliert zeichnet die Autorin die Argumentationslinien der rechten Christen und Christinnen sowie ihre Verbindung zur AfD auf. So wird etwa in der evangelikalen Publikation „idea Spektrum“ in der Kontroverse um die Ehe für alle der EKD vorgeworfen, dort herrsche „die Diktatur des Zeitgeistes und nicht die Leitung durch den Heiligen Geist“.

Die Integration konservativer Christen und Christinnen sieht die Autorin als vielleicht größte Herausforderung für die evangelische Kirche. „Je mehr man konservative Stimmen in den evangelischen Gliedkirchen marginalisiert, umso mehr treibt man sie de facto in die Radikalisierung hinein und macht sie anfällig für rechtschristliche Kreise“, schreibt sie. Die Unterscheidung der Geister, die klare Trennung zwischen konservativ und rechts, wird, so Bednarz „eine ebenso große Aufgabe für die Kirchen sein wie die Integration Konservativer“. Die Kirchen seien gefordert, streng fromme konservative Positionen auszuhalten und gleichzeitig dort eine Grenze zu ziehen, wo ein Menschenbild vermittelt wird, das mit dem Evangelium nicht mehr kompatibel sei.

Zur Vorbereitung zum Diskurs mit Menschen, die konservative Positionen vertreten ist dieses Buch eine große Hilfe. Und für alle, die Verantwortung in der Kirche tragen, hilft die Analyse, zu sehen, dass sich im Nebel eines konservativen Christentums längst auch in Deutschland ein gefährliches, vernetztes, rechts-christliches Milieu gebildet hat.

Mitgliederrückgang der Kirchen: Rückzug ist keine Lösung

von Kurt-Helmuth Eimuth 8. Mai 2019

Gewusst hat man es schon länger, jetzt gibt es auch die Zahlen dazu: Auf mittlere Sicht wird nur noch eine Minderheit der Menschen in Deutschland Mitglied in einer christlichen Kirche sein. Sich nun in eine fromme Innerlichkeit zurückzuziehen, wäre allerdings der falsche Schritt, warnt Kirchenpräsident Volker Jung ganz zu recht.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Zahlen können brutal sein, zumindest schonungslos. Die jetzt veröffentlichte Studie zur Mitgliederentwicklung der beiden großen christlichen Kirchen sind es. Bis 2060 werden die Kirchen nur noch die Hälfte des heutigen Mitgliederstandes haben. Ursache ist nach einer Studie des Forschungszentrums Generationenverträge (FZG) der Freiburger Universität zum einen der demografische Wandel – um 21 Prozent wird die Zahl der Evangelischen sich deshalb reduzieren. Weitere 30 Prozent sind auf die sinkende Zahl der Taufen und eine Zunahme der Austritte zurückzuführen.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, setzt daher auf Kommunikation. Die unersetzbare direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch müsse mit der medialen und digitalen Kommunikation verbunden werden, äußerte Jung gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. „Der Rückzug in eine fromme Innerlichkeit oder ein gemeindliches Vereinsleben ist für mich keine Option“, sagte Jung.

Kommunikation, auch mediale Kommunikation, ist sicher eine Basis und eine Grundvoraussetzung in einer modernen Gesellschaft. Doch braucht der Glauben Menschen. Menschen, die Vorbild sind. Menschen, die Fragen haben und Fragen beantworten. Menschen, die aus ihrem Glauben heraus eine Haltung entwickeln. Es ist eben etwas anderes, ob ich die Natur schützen will, oder ob ich Gottes Schöpfung bewahren will. Es ist ein Unterschied, ob ich jeden Menschen respektiere, oder ob ich jeden Menschen als Geschöpf Gottes sehe.

Haltung und Werte vermitteln Menschen von Generation zu Generation. Oder besser eigentlich: Von einer Generation zur übernächsten Generation. Ganz wesentlich sind dabei nämlich die Großeltern. Oft sind sie es, die den Kindern Fragen nach Leben und Tod beantworten. Die Familie ist traditionell der Ort, an dem religiöse Sozialisation stattfindet. Doch viele Traditionen sind schon lange abgebrochen. Entweder weil die Großeltern in einer Patchworkfamilie nicht mehr vorkommen oder weil zunehmende Mobilität den familiären Kontakt einschränkt.

Machen wir uns nichts vor: Die Kirche als Institution wird diesen Traditionsabbruch nicht kompensieren können. Sie kann aber dort, wo sie Kontakt zu Menschen hat, glaubhaft agieren. Kindertagesstätten und Religionsunterricht sind wichtige Orte, an denen die Kirche präsent sein und ihre Werte vermitteln kann, auch wenn das keine Orte für die Mission sind.

Die Kommunikation mit dem Evangelium braucht aber nicht nur Orte, sie braucht auch Emotionen. Der Musik kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Das Angebot zum Mitsingen von Weihnachtsliedern füllt inzwischen Fußballstadien.

Auch wenn die Mitgliederzahlen einbrechen, wird die Kirche als Minderheitenkirche weiter bestehen und hoffentlich auch Kirche für andere bleiben. Ein Wachsen gegen den Trend wird es nicht geben. Doch es wird auch 2060 Menschen geben, die glaubhaft ihren Glauben leben.

„Die harte Trennung von Staat und Kirche gefällt mir nicht“

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 28. Mai 2015

Oberbürgermeister Peter Feldmann will die Stadt sozialer gestalten. Dabei baut er auch auf die Kirchen. Ein Gespräch mit Kurt-Helmuth Eimuth.

Frankfurt: Interview Eimuth mit Peter Feldmann, dem Frankfurter Oberbürgermeister, in seinem Amtszimmer im Römer Foto aufgenommen am: 22.04.2015 Foto: Rolf Oeser

Oberbürgermeister Peter Feldmann im Gespräch mit Evangelisches Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Herr Oberbürgermeister, Sie haben bei mancher Gelegenheit betont, dass Sie selbst einmal Mitarbeiter des Evangelischen Regionalverbandes waren.

Das ist wahr. Und das war eine sehr gute Zeit, in der ich viel gelernt habe, gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Es ging nicht um Sozialstatistiken oder Organigramme, sondern es ging um Menschen. Ich habe gelernt, dass Sozialarbeit immer ein Wertefundament braucht. Das trägt meine Arbeit bis heute.

Was erwarten Sie als Oberbürgermeister von der evangelischen Kirche?

Dass das Heimatgefühl, das ich damals als Mitarbeiter erlebt habe, nicht nur nach innen, sondern auch gesamtgesellschaftlich trägt. Das heißt, dass die Kirchen insgesamt zu ihrem Wertefundament stehen und es keinem allzu modernen Zeitgeist opfern sollten. Die Botschaft, die wir aus dem Weihnachtsfest mit der Nähe von Mensch zu Mensch mitnehmen, ist eine Aufgabe für das ganze Jahr.

Viele nehmen heute Religion als etwas wahr, das Unfrieden stiftet.

Die Religionen stehen ja erst einmal für Frieden. Schwierig sind nur die, die glauben, sie wissen alleine, wie der Weg zum Frieden auszusehen hat, die keine anderen Ansichten neben der eigenen gelten lassen Das bringt die Konflikte. Sobald zumindest im Umfeld der drei Buch-Religionen, Judentum, Christentum und Islam die Ur-Botschaft der zehn Gebote ernst genommen wird, sind harte, aggressive, gewalttätige Konflikte undenkbar.

Hier in Frankfurt haben wir ja den Rat der Religionen. Wie nehmen Sie ihn wahr?

Das ist eine wunderbare Plattform für den gemeinsamen Diskurs. Ich wünsche mir allerdings mehr gemeinsame Auftritte der Konfessionen in den Kindergärten und Schulen. Damit die nächste Generation weiß, der Jude, der Muslim ist nicht der Feind, sondern auch einer der Guten. Das geht nur, wenn sich die zentralen Vertreter der Religionsgemeinschaften nicht scheuen, auch gemeinsam in Schulen zu gehen und sich gegenseitig unterstützen. Das hat große Symbolkraft. Da bin ich als Oberbürgermeister immer dabei.

Viele rufen aber nach einer stärkeren Trennung von Staat und Kirche.

Diese absolute Säkularität, diese harte Trennung, gefällt mir nicht. Ich finde es sehr schön, wenn beispielsweise der RMV gemeinsam mit den Kirchen für ein Weihnachtsticket wirbt. Das ist eine Zeit der Besinnung, da sollte man seine Familien und Freunde besuchen, das sollte nicht am Geld scheitern. Ich wünsche mir mehr Projekte dieser Art.

Soll der Sonntag als arbeitsfreier Tag weiter geschützt werden?

Absolut. Nicht nur als Sozialdemokrat und Gewerkschafter bin ich dafür. Das Gebot des siebten Tages soll nicht an die Seite gelegt werden.

Sie sind angetreten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Das Thema ist endlich in unserer Stadt zum zentralen Thema geworden. Das hängt natürlich nicht alleine von mir ab. Aber ich bin schon sehr stolz, dass wir die Budgets der Stadt um hundert Prozent gesteigert haben. Geld baut noch keine Wohnungen, ist aber eine Grundlage dafür. Jetzt müssen wir alles tun, um die leidige Diskussion über leer stehenden Büroraum in konkrete Projekte einfließen zu lassen. In der Adickesallee im Februar dieses Jahres oder in der Hahnstraße in der Bürostadt Niederrad im März durfte ich jeweils einen „Baggerbiss“ machen. Baggerbiss bedeutet: Wir reißen Gewerberaum ab, um daraus Wohnraum zu machen!

Es gibt die ersten Projekte im Umland, wo wir auch gemarkungsübergreifend bauen und beispielsweise Studenten Wohnraum außerhalb Frankfurts anbieten. Aber auch mit unserer Nachbarstadt Offenbach sind wir einen Schritt nach vorne gekommen: Die Hafeninsel ist ein tolles Projekt unserer beider Städte.

Welche Pläne verfolgen Sie außerdem noch?

Ein Weg ist eine vorsichtige, sensible Verdichtung. Aber ich möchte auch nicht, dass jeder Hinterhof zugebaut wird. Deshalb trete ich für ein Wohngebiet im Frankfurter Norden ein. Unsere Grünflächen wollen wir nicht aufgeben, doch bei fünfundzwanzig Prozent agrarischen Flächen in der Stadt bestehen Möglichkeiten.

Die Stadt wird immer reicher, aber die Spaltung zwischen arm und reich wird immer größer. Sie haben die Kinderarmut als Skandal bezeichnet.

Ja, da bin ich sehr geprägt von meiner Jugendhauszeit beim Evangelischen Regionalverband. Wenn man erlebt, wie Kinder es empfinden, wenn Gleichaltrige mit besseren Berufs- oder Bildungschancen an ihnen vorbeiziehen, welches Erniedrigungsgefühl, manchmal auch Wut oder Hass daraus entsteht, weiß man, wovon ich spreche.

Bei fünfundzwanzig Prozent armen Kindern bleibt es eine zentrale Aufgabe der Stadt, daran etwas zu ändern. Kinderarmut ist aber auch Elternarmut. Eltern müssen Arbeit bekommen. Hier müsste die Arbeitsmarktpolitik eindeutigere Prioritäten setzen.

Es kommen 1600 Flüchtlinge im Jahr nach Frankfurt. Wie wollen Sie ihnen helfen?

Erst einmal ein großes Kompliment an die Kirchen, die uns beispielsweise mit der Unterbringung in der Gutleutkirche geholfen haben. Das beweist, welch wichtige Rolle die Kirchen in solchen konfliktreichen Situationen haben. Die Menschen, die herkommen, wollen auch Arbeit haben. Hier müssen wir bürokratische Hürden abbauen.

Dann müsste das Arbeitsverbot für Flüchtlinge doch aufgehoben werden.

Absolut. Da bin ich radikal. Wer arbeiten will, soll die Möglichkeit dazu bekommen.

Ihr Thema in diesem Jahr ist die älter werdende Gesellschaft. Warum?

Alles, was die Älteren heute erkämpfen, wird auch in jüngeren Generationen wirksam. Ich habe ein schönes Beispiel. Unsere Wohnungsbaugesellschaften wollen Haltegriffe oder automatisches Licht bei Neu- und Umbauten mit einplanen. Die erste Reaktion kam von Studenten, die das auch für sich ganz praktisch fanden.

Wir werden mit dem Deutschen Seniorentag Anfang Juli ein klares Zeichen setzen: Diese Stadt ist für Senioren nicht nur offen, sondern gehört ihnen auch.

Herr Oberbürgermeister, herzlichen Dank für das Gespräch.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 28. Mai 2015 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe 2015/3 – Mai, Web.

Dank

Andacht,

29.9.2014

Orgel

Lied: EG 334, 1-3, 6 Danke

Votum:

In Gottes Namen wollen wir beginnen

Gott ist allen Zweifelnden, Verzagten und Suchenden besonders nah.

In Jesu Namen wollen wir beginnen,

denn Jesus ließ diese Nähe Ausgestoßene, Verachtete, Verzweifelte spüren.

In der Hoffnung auf das Geschenk des Heiligen Geistes wollen wir beginnen,

um Mut und Ideen bitten, heute diese Nähe weiterzugeben.

Amen.

Psalm 118, Nr. 747

Lied: EG 508 Wir pflügen

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor einigen tagen rief mich ein Kirchenvorsteher an und fragte: Kann ich an den Zaun Ihrer Krabbelstube ein Plakat der EKHN hängen? Die Danksekunde. Bei Ihnen ist es der ideale Standort für das Plakat.“

Natürlich kann er. Keine Frage, auch wir unterstützen die Impulskampagne der EKHN. Und doch fragte ich. Sagen Sie mal ist das denn wirkungsvoll. Die Antwort: Doch, doch wir sind schon mehrfach angesprochen worden.

Selbst der Kirchenpräsident hat zur Eröffnung der Dank-Aktion am Frankfurter Hauptbahnhof Äpfel verteilt.

Die Impulspost zum Thema Danken hat da vielleicht doch etwas aufgegriffen, was im Alltag oft verschwindet. Innehalten, dankbar zurückschauen, um Kraft für die neuen Aufgaben zu finden.

Bei Twitter finden sich zu der Aktion Einträge wie:

Danke Gott, dass Du uns gleichermaßen liebst – Hautfarbe und sozialer Hintergrund spielen bei Dir keine Rolle.

Lasst uns Fremde willkommen heißen, auf dass sie keine Fremden bleiben

Schenke Menschen mit Deinen Worten Kraft und Trost. Glaube an sie, so wie Gott an Dich glaubt!

„Es gibt so viele Dinge im Leben, für die wir dankbar sein können“, sagt Kirchenpräsident Volker Jung und zählt auf: „Die Natur, unsere Nahrung, ein Leben in Freiheit, Familie, Freunde, Beruf, Zeit, in der es uns gutgeht, und vieles mehr. Das alles feiern wir mit dem Erntedankfest. Selbst wenn die meisten Menschen heute nicht mehr selbst säen und ernten, gibt es viele Gründe zu sagen: Gott sei Dank!“

Viele Menschen kennen noch das traditionelle Tischgebet: „Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Wir danken dir dafür.“ Solche Dankgebete gehören für viele zum Essen wie Löffel oder Gabel. Die Menschen, die sie sprechen, sagen damit: Wir verdanken unser Leben letztlich nicht uns selbst, sondern Gott.

Oft fehlt uns die Zeit, manchmal fehlen uns auch die richtigen Worte, um uns zu bedanken. Dabei braucht es eigentlich nur eine Sekunde, um „Danke“ zu sagen. Jeder Tag hat 86.400 Sekunden und bietet ebenso viele Augenblicke und Anlässe, sich zu bedanken. Deshalb heißt die neue Aktion der EKHN „Danksekunde“.

Den meisten von uns geht es gut, Hunger ist – Gott sei Dank! – kein Thema. Für die Ernte zu danken liegt nahe, weil Nahrung, Früchte und Lebensmittel für alle vorhanden sind. Wir sind reich, wir können dankbar sein und sagen Dank.

Gleichzeitig wirft dieser Dank aber auch Fragen auf: Wo und unter welchen Bedingungen werden die Güter produziert, die wir verbrauchen? Wie nachhaltig leben wir eigentlich? Welche Folgen hat unser Lebensstil? Die großen Herausforderungen für die Zukunft rücken in unser Blickfeld. Jeder einzelne Mensch ist ein Teil des Ganzen und kann ein Teil der Lösung werden. Es hat Folgen, wenn wir bewusst leben, an die Mitmenschen und die Natur denken. Wir können „Danke“ sagen, um damit Chancen und Freude mit anderen zu teilen.

Aber noch etwas vergessen wir oft. Wir als Nachkriegsgeneration sind im Frieden aufgewachsen. Wir haben keinen Krieg erleben müssen.

Hilflos, sprachlos und atemlos verfolgt man derzeit die Nachrichten. Kann es denn wirklich sein, dass die Welt einhundert Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, 75 Jahre nach dem Überfall auf Polen, so aus den Fugen gerät? Hat denn niemand etwas gelernt?

Überall scheint es „bewaffnete Konflikte“, wie Krieg verniedlichend oft genannt wird, zu geben: Gaza, der ewige Kampf zweier Völker, seit Generationen ineinander verhakt; Syrien, die schreckliche Invasion von Terroristen, die einen Gottesstaat errichten wollen; und dann die gar nicht mehr heimliche Annexion der Ukraine. Gewalt, Tod und Vertreibung sind die Folge. Alleine in Syrien sollen 6 Millionen Menschen auf der Flucht sein. Vierzig gewaltsame Auseinandersetzungen, also Kriege soll es derzeit auf der Welt geben.

Angesichts solcher Gewalt können wir Deutschen dankbar auf die letzten Jahrzehnte zurückschauen. Dankbar als Nachkriegsgeneration, dass wir in Frieden aufwachsen und leben können. Nicht zuletzt hat dieses dem Land einen noch nie dagewesenen Wohlstand beschert.

Dankbar auch für ein geeintes Europa. Wer in diesem Sommer im Urlaub war, wird dieses grenzenlose Europa womöglich genossen haben. Ob nach Schweden, Österreich oder Ungarn. Man muss schon genau aufpassen, um festzustellen, wann man die Staatsgrenze überschreitet. Europa ist zusammengewachsen. Und das ist gut so.

Mit dem Erntedankfest kommt die Zeit, dass wir daran erinnert werden, uns auch einmal dankbar umzuschauen. Danke für die Jahrzehnte des Friedens. Er ist die Grundlage für ein Leben in Freiheit, in Wohlstand und in seelischer Unverletztheit.

Friedenspolitik muss immer die höchste Priorität haben. Wir spüren, dass Deutschland sich immer weniger heraushalten kann. Die Diskussionen über den Weg, bedrohten Menschen zu helfen ist im Gange und muss auch geführt werden. Die Terroristen der ISIS muss die Völkergemeinschaft stoppen. Die Mittel, die hierzu nötig sind, werden unterschiedlich eingeschätzt. Das moralische Dilemma für Christinnen und Christen ist unlösbar: Wenn man militärisch eingreift wird man schuldig, schaut man dem Massenmord tatenlos zu, wird man es auch. Dietrich Bonhoeffer lebte und erlebte dieses Dilemma. Er fasste es in diesem Satz zusammen: „Die Sünde zu vermeiden, kann die größte Schuld sein.“ und an andere Stelle formulierte er: „Nachfolge Jesu kann auch heißen: aus Nächstenliebe schuldig werden.“

Doch bei allen aktuellen Entscheidungen darf man es sich nicht einfach machen. Intensiv und ohne Häme muss die Debatte geführt werden. Aber es darf keine isolierte Diskussion über militärische Maßnahmen sein. Sie muss immer einher gehen mit der Frage, wie können wir humanitär helfen? Auch die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine solche humanitäre Maßnahme. Und die können wir sofort umsetzen.

Es ist eine Bereitschaft in Bevölkerung zu spüren hier zu helfen. Diese Stimmung müssen alle verantwortlichen Kräfte stützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dankbar in diese Woche gehen. Bei aller Anstrengung und Mühe – ja sicher auch gelegentlich auch Ärger – dankbar für das, was wir gemeinsam als evangelische Kirche in dieser Stadt darstellen.

Lied 560

Mitteilungen:

Geburtstage

Gebet:

Christus, wir danken für das Angebot,

mit dir deinen Weg zu gehen.

Schenke uns Kraft und Ausdauer für ein mutiges Leben,

das deinen Spuren nachgeht.

Ermutige uns, wenn wir den Weg nach unten scheuen

und den leidvollen Erfahrungen ausweichen wollen.

Wir brauchen Kraft an jedem Tag.

Wir brauchen festen Grund,

wenn unser Vertrauen missbraucht wird und der Glaube wankt.

Gib uns Gelassenheit, vor dem Unabänderlichen nicht zu fliehen,

sondern es tapfer anzunehmen.

Gib uns Klarheit, das Machbare zu erkennen

und ihm eine menschenfreundliche Gestalt zu geben.

Gib uns Vertrauen,

dann wird jede Lebensstufe, im Glück wie im Leid,

zum fruchtbaren Land,

auf dem Glaube, Liebe und Hoffnung wachsen.

Wir bitten nicht nur für uns.

Wir bitten auch für die Menschen,

die in der Nähe und in der Ferne in Mühen und Sorgen leben,

ungesehen und unbeachtet:

für die Traurigen und Enttäuschten,

für Menschen, die alleinstehen.

Wir bitten für die Opfer von Krieg und Gewalt in aller Welt.

Lass die Politikerinnen und die Machthaber

Wege zum Frieden suchen und finden.

Lass immer mehr Menschen zum Werkzeug deines Friedens werden.

Und was uns noch bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Segen unseres Gottes:

Gott, segne uns und behüte uns

Gott schütze unser Leben und bewahre unsere Hoffnung.

Gott, lass dein Angesicht leuchten über uns,

dass wir leuchten für andere.

Gott, erhebe dein Angesicht auf uns und halte uns fest

im Glauben, dass das Leben stärker ist als der Tod. Amen.

Lied: EG 425, 1-3 Gib uns Frieden