von Kurt-Helmuth Eimuth 8. Mai 2019
Gewusst hat man es schon länger, jetzt gibt es auch die Zahlen dazu: Auf mittlere Sicht wird nur noch eine Minderheit der Menschen in Deutschland Mitglied in einer christlichen Kirche sein. Sich nun in eine fromme Innerlichkeit zurückzuziehen, wäre allerdings der falsche Schritt, warnt Kirchenpräsident Volker Jung ganz zu recht.
Zahlen können brutal sein, zumindest schonungslos. Die jetzt veröffentlichte Studie zur Mitgliederentwicklung der beiden großen christlichen Kirchen sind es. Bis 2060 werden die Kirchen nur noch die Hälfte des heutigen Mitgliederstandes haben. Ursache ist nach einer Studie des Forschungszentrums Generationenverträge (FZG) der Freiburger Universität zum einen der demografische Wandel – um 21 Prozent wird die Zahl der Evangelischen sich deshalb reduzieren. Weitere 30 Prozent sind auf die sinkende Zahl der Taufen und eine Zunahme der Austritte zurückzuführen.
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, setzt daher auf Kommunikation. Die unersetzbare direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch müsse mit der medialen und digitalen Kommunikation verbunden werden, äußerte Jung gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. „Der Rückzug in eine fromme Innerlichkeit oder ein gemeindliches Vereinsleben ist für mich keine Option“, sagte Jung.
Kommunikation, auch mediale Kommunikation, ist sicher eine Basis und eine Grundvoraussetzung in einer modernen Gesellschaft. Doch braucht der Glauben Menschen. Menschen, die Vorbild sind. Menschen, die Fragen haben und Fragen beantworten. Menschen, die aus ihrem Glauben heraus eine Haltung entwickeln. Es ist eben etwas anderes, ob ich die Natur schützen will, oder ob ich Gottes Schöpfung bewahren will. Es ist ein Unterschied, ob ich jeden Menschen respektiere, oder ob ich jeden Menschen als Geschöpf Gottes sehe.
Haltung und Werte vermitteln Menschen von Generation zu Generation. Oder besser eigentlich: Von einer Generation zur übernächsten Generation. Ganz wesentlich sind dabei nämlich die Großeltern. Oft sind sie es, die den Kindern Fragen nach Leben und Tod beantworten. Die Familie ist traditionell der Ort, an dem religiöse Sozialisation stattfindet. Doch viele Traditionen sind schon lange abgebrochen. Entweder weil die Großeltern in einer Patchworkfamilie nicht mehr vorkommen oder weil zunehmende Mobilität den familiären Kontakt einschränkt.
Machen wir uns nichts vor: Die Kirche als Institution wird diesen Traditionsabbruch nicht kompensieren können. Sie kann aber dort, wo sie Kontakt zu Menschen hat, glaubhaft agieren. Kindertagesstätten und Religionsunterricht sind wichtige Orte, an denen die Kirche präsent sein und ihre Werte vermitteln kann, auch wenn das keine Orte für die Mission sind.
Die Kommunikation mit dem Evangelium braucht aber nicht nur Orte, sie braucht auch Emotionen. Der Musik kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Das Angebot zum Mitsingen von Weihnachtsliedern füllt inzwischen Fußballstadien.
Auch wenn die Mitgliederzahlen einbrechen, wird die Kirche als Minderheitenkirche weiter bestehen und hoffentlich auch Kirche für andere bleiben. Ein Wachsen gegen den Trend wird es nicht geben. Doch es wird auch 2060 Menschen geben, die glaubhaft ihren Glauben leben.
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