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Friedrich Karl Barth zum 85. Geburtstag

Der Beitrag basiert auf Reportagen von Georg Magirius

https://www.magirius-aktuell.de/tag/friedrich-karl-barth/

Am 23. Januar 2012 erinnerte ich in einer Andacht in der Frankfurter Heiliggeistkirche an Friedrich Karl Barth, der am 7. Februar 2023 seinen 85. Geburtstag feierte. Seinen 85. kommentierte er im im Hessischen Pfarrblatt „Das Magazin“ in seiner ganz eigenen Weise: „Im Kopfe wach & kritisch, in Füßen polyneuropatisch.“

Heute Morgen will ich an den Texter Friedrich Karl Barth erinnern. Einige von Ihnen kennen ihn noch, da er lange Zeit die Beratungsstelle für Gottesdienste im Haus am weißen Stein geleitet hat. Zahlreiche seiner Lieder haben Eingang in das Kirchengesangbuch gefunden, „Komm bau ein Haus“, „Brich mit den Hungrigen das Brot“, „Wir strecken uns nach Dir“, „Selig seid ihr“ und das wohl meist gesungene Tauflied „Kind, du bist uns anvertraut“.

Komm, bau ein Haus, das uns beschützt,
pflanz einen Baum, der Schatten wirft,
und beschreibe den Himmel, der uns blüht,
und beschreibe den Himmel, der uns blüht.

Ein Kehrvers, Typisch für Friedrich Karl Barth. Heiter, spielerisch und kindlich visionär – so klingt die Glaubenssprache Friedrich Karl Barths. Welch wunderbares Bild entstand  bei Ihnen als wir die zweite Stophe sangen:

Lad viele Kinder ein ins Haus
versammle sie bei unsrem Baum,
lass sie dort fröhlich tanzen,
wo keiner ihre Kreise stört,
lass sie dort lange tanzen,
wo der Himmel blüht.

Ich sehe da vielleicht den Spielplatz einer unserer Krabbelstuben. Ja, dass könnte so ein Ort sein. Ein Ort der Geborgenheit, ein Ort an dem die Kreise der Kinder keiner stört, ein Ort an dem Kinder um einen Baum tanzen, ein Ort wo der Himmel blüht. Ja und hat Friedrich Karl Barth nicht visionär schon 1977, als das Lied entstand, visionär die Konzeption des Mehrgenerationanhauses vorweggenommen: Die Zeilen

Lad viele Alte ein ins Haus
bewirte sie bei unsrem Baum,
lass sie dort frei erzählen,
von Kreisen, die ihr Leben zog,
lass sie dort lang erzählen,
wo der Himmel blüht.

Diese Zeilen sind ja eine Aufforderung zum Miteinander der Generationen. Auch zur Weitergabe des eigenen Glaubens der eigenen Glaubenserfahrung.

Heiter, spielerisch und kindlich visionär – 

Die Lieder sind in Gesangbücher und das Gedächtnis unzähliger Menschen eingegangen. Oft sind sie zuerst auf Kirchentagen gesungen worden, sie sind auf frische Weise klassisch geworden und wirken wie die Kirchentagsbewegung insgesamt: Unbeschwert und festlich. Barths Worte wirken federleicht, können beflügeln und übergehen dennoch nicht die Schattenseiten des Lebens. Ebenfalls 1977 textete er:


„Ich bin verloren
im Augenblick,
einsamer kleiner Vogel
auf einem großen Dach.“

Im Radiointerview erzählt er freimütig:

„Das war kurz vor meinem Schlaganfall, da fühlte ich mich ganz beschissen. Und ich habe dieses beschissene Gefühl in dieses Lied gebracht: Ich bin ein kleiner Vogel, einsam auf dem Dach – der saß so auf einem Dach wie hier eins ist, drüben – so ein kleiner Vogel in einem gewittrigen Nachmittag. Und da habe ich gesagt: Ich will entkommen, wünsch‘ mir große Flügel und einen weiten Tag.“
Und so lauten denn auch die Zeilen weiter:


„Ich wünsch‘ mir große Flügel,
im Augenblick
will ich entkommen,
wie eine schwarze Nacht
fühl‘ ich das ganze Elend,
im Augenblick
bin ich verloren.“

Dem Dunklen und Schweren entkommen – das ist der Impuls, weshalb Friedrich Karl Barth 1958 Theologie zu studieren beginnt. „Die aus dem Krieg kommende Vätergeneration war theologisch sprachlos“, sagt er. Allenfalls Phrasendrusch habe in den Kirchen geherrscht. Nach seinem Studium in Bethel, Tübingen und Marburg wird Barth Vikar in Kassel, dann Pfarrer im hessischen Bad Hersfeld. 1971 schließlich – mit 32 Jahren – wird er Leiter der neu gegründeten Beratungsstelle für Gottesdienste hier in Frankfurt. Eine gute Schule für seine Suche nach einer Glaubenssprache, die Menschen heute erreicht, war vor allem der erste Studienort Bethel. Der Theologiestudent hört nämlich nicht nur Vorlesungen, sondern arbeitet auch in den von Bodelschwinghschen Anstalten, wo geistig Behinderte leben.

„Dann hatten wir die harte Wirklichkeit der Kranken in Bethel. Und am Wochenende musste gepflegt werden. Und später musste ich meinen Freund pflegen beziehungsweise damit fertig werden, dass der eben schwer krank war. Damit bin ich nicht fertig geworden – bis heute nicht. Aber die Fragestellung ist immer geblieben: Wie macht man das mit dem Glauben? Und irgendwann bin ich auf die Sprache gekommen.“

Der Tod des besten Freundes Roderich kurz nach dem Studium hinterlässt in der Seele des angehenden Pfarrers eine tiefe Spur. Sie scheint aber auch zur Brücke zu werden, über die seine Worte anderen nahe kommen. Sie berühren, bewegen – und bringen Menschen in Bewegung, im konkreten Sinn des Wortes. Als Leiter der Beratungsstelle für Gottesdienste war Barth 1973 mit verantwortlich an einem großen Aufbruch des Kirchentags, der damals einen Vortrags-, Papier- und Resolutionencharakter hatte.

Der Düsseldorfer Kirchentag war ein ziemlich kleiner Kirchentag. Es waren noch ganze 7000 Menschen angemeldet. Der Kirchentag  war in der Krise, er stand auf der Kippe. 

Barth konzipiert mit anderen zusammen die Liturgische Nacht, jenen Meilenstein, dessen festlicher Charakter den Kirchentag bis heute prägt. 4000, also mehr als die Hälfte der Dauerteilnehmer, kamen in Düsseldorf zu dem fünfstündigen nächtlichen Fest. Neue Lieder wurden gesungen, es wurde gemalt und getanzt – und es gab ein feierliches Mahl. Die Liturgische Nacht in Düsseldorf war auch der Anfang einer langen Zusammenarbeit des katholischen Musikers Peter Janssens mit dem evangelischen Liederdichter Barth. Sie traten nicht – wie man das heute vielleicht sagen würde – in einen interkonfessionellen Diskurs, nein, es war viel einfacher: Beide verband die Musikalität des Glaubens.

Und diese strahlte auch nach Frankfurt aus. Es war Friedrich Karl Barth der Peter Janssens öfter nach Frankfurt lotste. Nicht nur zum Kirchentag. Nein auch zu einigen Sacro-Pop-Veranstaltungen des Stadtjugendpfarramts in die Peterskirche. Damals in den 70er Jahren keine selbstverständlichen Veranstaltungen in der Kirche. Und noch eines gehört zu Friedrich Karl Barth und dem Kirchentag: Der Papphocker. Er hat ihn erfunden. 1975 kam ihm bei den Vorbereitungen zum Kirchentag und der Suche nach Sitzgelegenheiten die zündende Idee: Bei Bierkästen war die Verletzungsgefahr zu hoch, gefragt war eine leichtere und günstigere Alternative – zum Beispiel aus Pappe. „Meine Sekretärin gab, am eigenen Hintern abgemessen, Maße für Länge, Breite, Höhe an, und ich beschrieb die gewünschte Belastbarkeit“, erinnert sich Barth. Laut Wikipedia sind die Papphocker heute Kultobjekt.

Zurück zum Texter und Theologen Friedrich Karl Barth. Seine Verse klingen manchmal wie eine Litanei, wie Kinderverse oder Abzählreime. Sie sind einfach, ohne banal zu sein – denn immer ist da auch ein Widerhaken, der zum Denken reizt. Sie sind merkwürdig und prägen sich rasch ein. So auch in dem Lied, das wir eingangs sangen:

„Brich mit den Hungrigen dein Brot
Sprich mit den Sprachlosen ein Wort
Sing mit den Traurigen ein Lied,
teil mit dein Einsamen dein Haus.

Such mit den Fertigen ein Ziel,
brich mit den Hungrigen dein Brot,
sprich mit den Sprachlosen ein Wort,
sing mit den Traurigen ein Lied.“

Heute verfolgt der 73-Jährige die Kirchentagsbewegung eher aus der Distanz. Barth geht es nicht darum, dass von ihm einst geprägte Formen bestehen bleiben. Wichtig ist ihm aber das, weshalb er sich damals selber an die Arbeit machte: Eine Sprache, die Menschen heute tröstet und berührt. „Ich galt als bunter Hund, war frech, habe mich vor nichts und niemandem gefürchtet. Das Macht-Gen aber habe ich nie gehabt, bin im Leben nie etwas geworden.“ sagt er rückblickend.

Die Kunst mit wenigen Worten das Wesentliche zu sagen, die Kunst die christliche Botschaft auf den Punkt zu bringen zeigt sich in den Versen Barths. So auch in dem Lied, das wir jetzt anstimmen wollen. Es drückt wie kaum ein anderes das Gefühl der Geborgenheit in Gottes Liebe aus:

1. Wir strecken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit.

Wir trauen uns zur dir, in dir wohnt die Barmherzigkeit.

Wir öffnen uns vor dir, in dir wohnt die Wahrhaftigkeit.

Wir freuen uns an dir, in dir wohnt die Gerechtigkeit.

Wir halten uns bei dir, in dir wohnt die Beständigkeit.

Wir sehnen uns nach dir, in dir wohnt die Vollkommenheit.

Du bist, wie du bist: Schön sind deine Namen.

Ein Beispiel für die Kirchen: Der Weltgebetstag

Da könnten sich die Kirchen ein Beispiel nehmen. Seit über 100 Jahren treffen sich rund um den Globus Frauen unterschiedlicher Konfessionen am ersten Freitag im März zum Weltgebetstag. „Die Frauen sind der Motor der Ökumene. Während in den Gremien, die von Männern besetzt sind, viel von Ökumene geredet wird, leben wir sie“, sagt die Vorsitzende des Deutschen Weltgebetstagskomitees Ulrike Göken-Huismann im Podcast Conny&Kurt. Der Weltgebetstag sei in über 130 Ländern selbstverständlich gelebte Ökumene. In diesem Jahr haben Frauen aus Taiwan die Liturgie ausgearbeitet. Trotz der Bedrohung strahlten die Texte Zuversicht aus. Und natürlich wird in Deutschland schnell eine Analogie zum Krieg in der Ukraine hergestellt. Deshalb ist Taiwan gar nicht so fern.

Politisch, aber mit Zuversicht: die neue CD der Band Habakuk

von Kurt-Helmuth Eimuth

16. Februar 2023

Wie alle Kulturschaffenden wurde auch die Band Habakuk von der Corona-Pandemie hart getroffen, besonders von Absagen für Auftritte beim Ökumenischen Kirchentag in ihrer Heimatstadt Frankfurt. Doch Bandleader Eugen Eckert hält mit Hoffnung dagegen: Jetzt gibt es eine neue CD – „Überall“.

D ie Erfahrungen in der Pandemie waren beängstigend: „Schwere Krankheitsverläufe, überfüllte Intensivstationen und ein herzzerreißendes Sterben ohne Chance zum persönlichen Abschied“. So düster die Erinnerungen desto heller die Hoffnung, die Texter, Musiker und Pfarrer Eugen Eckert auf der neuesten CD der Band Habakuk dagegenhält.

„Wir haben uns vorgenommen, nicht im Klagen stecken zu bleiben“, schreibt Eckert im Klappentext, „denn wunderbare Dinge sind geblieben.“ So lobt der titelgebende Song „Überall“ die Schönheit der Schöpfung Gottes. „Frisches Wasser, frische Luft, Vogelstimmen, erstes Lachen, fester Boden, Apfelduft.“

Doch vor der Wirklichkeit schließt man nicht die Augen. Im Lied „Es hat sich angekündigt“ setzt sich die Band mit dem Virus und der Zerbrechlichkeit der Welt auseinander. Besonders empathisch „Atemzug um Atemzug“, das die Situation von Menschen mit Atemnot aufgreift und dabei auch den Pflegenden dankt. „Er (der Virus) hat das auch bei mir probiert. Ich kam davon, ich blieb am Leben, weil du nie aufgabst, du mich pflegst.“ Und an die weltweiten Verflechtungen erinnert ein anderer Song mit der Textzeile: „Was wir Global anpflanzen, das ernten wir global.“

Deutlich bezieht Eckert im Lied zum Motto des Ökumenischen Kirchentages Stellung. „Schau hin“ ist das politischste Lied. Ausländerhass, die Bedrohung der Schöpfung und die Gier des Kapitals („Ein Bankhaus lügt, Cum-Ex betrügt!“) werden benannt, und es wird zum Widerstand aufgefordert. Die Musik ist bei so kraftvollen Zeilen sogar etwas zu harmonisch geraten.

Die neue CD, erschienen im 48. Jahr des Bestehens der Band, ist musikalisch reif aber keineswegs abgehangen. Sie bietet flotte, abwechslungsreiche Musik mit Texten zum Nachdenken, die trotz aller benannten Widrigkeiten Zuversicht verbreiten. So etwa im Osterlied, aber auch in den an den Psalmen angelehnten Texten.

Mein persönlicher Hit ist der einzige auf Englisch gesungene Song „Be an angel“. Bei zunächst einfacher Klavierbegleitung singt Laura Doernbach hinreißend: „Be an angel. Just be an angel. It’s the best thing you can do.“ Wäre er auf einem großen Label erschienen, hätte der Song die Chance, in die Charts zu kommen.

Die CD „Überall“ kann für 15 Euro plus 3,40 Euro Versand überwww.habakuk-musik.de bestellt werden.

Die Letzte Generation will die Katastrophe verhindern


Tempo 100: Wolfgang Weinrich hat 2500 Aufkleber auf eigene Kosten drucken lassen, die bei ihm (gegen Porto) kostenfrei zu beziehen sind.Bestellungen unter: info@wolfgangweinrich.de

Es ist die letzte Generation, so der programmatische Name, die die Möglichkeit hat, die die Klimakatastrophe verhindern kann. „Sehenden Auges rasen wir auf eine Katasstrophe zu“, sagt Eika Jacob von der Letzten Generation im Podcast bei Conny&Kurt. Ihre Forderungen sind Tempo 100 mit einer Einsparung von 11 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr, 9-Euro-Ticket und als neue Forderung die Einberufung eines Gesellschaftsrat zum Thema Klima. Das Zeitfenster bis zur Schließung durch das Erreichen der Kipppunkte sei eng. Dies rechtfertige auch die Widerstandsformen wie das Kleben auf der Straße, denn leider berichteten die Medien nicht über die Inhalte, die die Letzte Generation in Vorträgen darlegt.

Energiewende und Klimanotstand

Das Magazin, Hessisches Pfarrblatt 1/23

Helau kommt von Halleluja

Fabian Vogt mit Martin Schultheiß als Duo Camillo

Die Theorie, dass Helau von Halleluja kommt, ist ihm, dem Pfarrer und Kabarettisten Fabian Vogt, die beliebteste Ableitung des alten Faschingrufes. Die großen Themen des Lebens bedürfen nach seiner Ansicht auch der Leichtigkeit. Dabei beruft er sich auf Martin Luther, der gesagt hat: „Wo Glauben ist, da ist auch Lachen.“ Gerade hat er seinen ganz eigenen Katechismus herausgegeben „Stories of Faith – die Basics des Christentums in 153 chilligen Posts. Der Kabarettist wechselt die Perspektiven. Schon beim Nutzen des Wortes Abendmahl werde man belogen, denn es sei weder ein Mahl, noch finde es in der Regel Abends statt. Vogt geht es darum, die Leichtigkeit des Glaubens zu entdecken. Zum Schluss wird im Podcast Conny&Kurt noch der Song „Gott liebt Tango“ angespielt. Vogt stellt hier unter Beweis, dass er auch ein vorzüglicher Sänger ist.

Zur Person: Fabian Vogt arbeitet ab Januar 2022 bei „mi-di“, der Zukunbftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, als Referent für „Evangelisation und missionale Bildung“ in Berlin. Vogt tritt gemeinsam mit Martin Schultheiß als Duo Camillo auf. Zahlreiche CD- und Buchveröffentlichungen.

Auch heute noch: Rassismus in den Kirchen

Der weiße Jesus in der Krippe (Foto: Ulrike La Gro)

Zum Glück sind solche Beispiele in der Kirche selten. Wer sich dem blonden Kind in der Krippe in der Frankfurter Deutschordenkirche nähert, steht direkt vor einer Spendendose im Missionsstil, auch heute noch oft „Nick-N****“ genannt. Wer eine Münze einwirft, dem nickt die Figur eines schwarzen, barfüßigen Kindes brav zu. Solch offener, aber in diesem Fall alljährlich wiederholter krasser Rassismus ist selten.

Doch es gibt den Alltagsrassismus in in den Kirchen. Dieser Befund verwundert zunächst, aber die Kirche ist eben auch nur ein Teil der Gesellschaft. James Karanja, promovierter Theologe, der nicht als Pfarrer arbeiten kann und die Theologiestudentin Ulrike La Gro berichten im Podcast Conny&Kurt vom Alltagsrassismus in der Kirche und welche Wege sie anstoßen, um Christinnen und Christen sensibel zu machen. Dabei geht es vor allem um scheinbare Kleinigkeiten, die aber für die Betroffenen nur schwer zu ertragen sind. Auch theologiegeschichtlich merken die beiden an, „dass es noch mehr gibt außer Luther und Schleiermacher“. Und mit der Kirchengeschichte zu Zeiten des Kolonialismus hat man sich kaum auseinandergesetzt.

Fastenaktion: Ohne Verzagtheit

Die Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ ist längst zu einer guten Tradition geworden. Es war der im letzten Jahr verstorbene Hamburger Pfarrer Hinrich C.G. Westphal dessen Idee, entstanden in einer Kneipe, zu einer Tradition wurde. Im Podcast Conny&Kurt erläutert Frank Muchlinsky den Wandel der Aktion, die inzwischen nicht nur zum Verzicht von Alkohol oder Gummibärchen aufruft, sondern zu immateriellen Dingen. So steht die diesjährige Fastenaktion unter dem Motto „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit“ und will damit in einer unsicheren Zeiten Mut machen. Los geht’s am Aschermittoch. Fastenkalender, Fastenbriefe und Kontakt zu Fastengruppen gibt es unter 7wochenohne.evangelisch.de.

Für eine Ethik der Digitalisierung

Ethik & Werte

von Kurt-Helmuth Eimuth

9. Januar 2023

Wie intelligent ist sie wirklich, die „künstliche Intelligenz“? Um das herauszufinden, experimentierte unser Autor mit dem künstlichen Intelligenz-Modell ChatGPT, das seit kurzem frei im Internet zugänglich ist, und sprach mit dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, der gerade ein Buch über digitale Ethik geschrieben hat.

Wolfgang Huber: Menschen, Götter und Maschinen, C.H.Beck 2022, 207 Seiten, 18 Euro.
Wolfgang Huber: Menschen, Götter und Maschinen, C.H.Beck 2022, 207 Seiten, 18 Euro.

Von künstlicher Intelligenz (KI) haben wir alle schon mal gehört. Wir wissen, sie findet Anwendung in der Medizin, beim Analysieren von Röntgenbildern etwa – und das ist gut so, denn die KI ermüdet nicht, anders als die Augen des Arztes. Eine KI schätzt auch unsere Zahlungsfähigkeit bei der Kreditvergabe ein – hoffentlich hat noch ein Bankmitarbeiter oder -mitarbeiterin das letzte Wort. KI-Programme, genauer gesagt: speziell trainierte Algorithmen, haben längst zum Sprung in unser aller Alltag angesetzt. Dabei geht es nicht bloß um autonom gesteuerte Einparkhilfen.

Eine neue KI, das Dialogprogramm ChatGPT, steht neuerdings frei zugänglich für alle im Internet. Der Chatbot erstellt Texte, Nachrichten, Kommentare oder zeichnet Bilder, die kaum von anderen Kunstwerken zu unterscheiden sind. Er hilft auch bei der Planung von Seminaren, das habe ich selbst ausprobiert: Zur Vorbereitung eines Hochschulkurses über Partizipation im Kindergarten fertigte die KI mir eine Literaturliste an, spuckte eine Liste mit Filmen aus und gab didaktische Tipps. Und vergaß auch nicht den freundlichen Hinweis, dass man bei einem Seminar über Partizipation diese auch selbst praktizieren müsse.

Und was hält die KI von diesem Text, den Sie gerade lesen? Antwort: „Der Text gibt einen Überblick über die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI). Er erwähnt Beispiele aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Finanzen und Alltag. Der Autor scheint positiv über die Verwendung von KI zu denken und betont ihre Fähigkeit, menschenähnlich zu arbeiten und handeln.“

Keine Frage: Computerprogramme sind heutzutage fähig, in gutem Deutsch (oder vielen anderen Sprachen) Artikel zu schreiben, Analysen zu erstellen oder Überschriften zu finden. Sie können sogar Kritik. Jedenfalls empfiehlt mir die KI in ihrer Artikelanalyse: „Insgesamt ist der Text etwas allgemein gehalten und könnte durch die Hinzufügung von mehr Details und der Berücksichtigung von Ethikaspekten vertieft werden.“

Das nehme ich mir zu Herzen und vereinbare ein Interview mit Wolfgang Huber, Autor des Buches „Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung“. In der Ethik, so der Theologe und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, müssten die großen menschlichen Handlungsfelder thematisiert werden. Dies sei bei der Digitalisierung aber kaum geschehen, sagt Huber: „Man hat sie stiefmütterlich behandelt.“ Sich selbst will er da gar nicht ausnehmen.

Doch die Gesellschaft müsse Verantwortung dafür tragen, allen Menschen einen fairen Zugang zur Digitalisierung zu ermöglichen. Er sei nicht etwa ein Gegner dieser Technik, die er gerne auch selbst nutzt. Doch es komme auf die Art ihres Einsatzes an. Ob sie etwa gegen die Würde des Menschen verstößt.

Huber sieht Anzeichen dafür, dass sich die Menschheit selbst vergöttlicht. „Menschen vergessen den Unterschied zwischen Gott und den Menschen.“ Manche hätten die Idee, mit Hilfe der Digitalisierung unsterblich werden zu können, was aber, falls es funktionieren sollte, den kommenden Generation das Lebensrecht absprechen würde. Huber setzt sich mit dem israelitischen Historiker Yuval Noah Harari auseinander, der davon spricht, dass sich der Homo sapiens zu einem Homo deus, zu einem Gott gewordenen Menschen, wandele. Die Folge sei eine Spaltung der Gesellschaft zwischen einer zu Übermenschen mutierten Elite und der breiten Masse.

Huber ist überzeugt: „Um der Humanität willen ist es wichtig, dass die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch nicht nur vorausgesetzt, sondern auch lebensweltlich dargestellt und erfahren wird. Das ist die Aufgabe der Religion, in besonderer Weise die Aufgabe christlicher Kirchen.“

Und was sagt die KI jetzt zu diesem Text? Antwort: „Wolfgang Huber, ein deutscher Theologe und Professor für Systematische Theologie, argumentiert in seinem Buch, dass die Menschheit den Unterschied zwischen Gott und Mensch wahren und lebensweltlich darstellen muss, um eine Spaltung der Gesellschaft in eine Übermenschen-Elite und die breite Masse zu verhindern.“ Wohl wahr.


Zu ChatGPT: https://chat.openai.com/chat

„Kirche muss chinasensibel werden“

Annette Mehlhorn war neun Jahre lang Pfarrerin in Shanghai. | Foto: Monja Tang

Annette Mehlhorn war in den vergangenen neun Jahren in der deutschen Gemeinde in Shanghai tätig. Im Podcast Conny&Kurt spricht sie über Religionspolitik in China und ihre Erfahrungen mit der dortigen Gesellschaft und Kultur. Auch in China gäbe es eine Kultur des Diskurses – nur eben anders. Die Kirche sieht sie – trotz aller notwendigen Kritik am System – durchaus als Brückenbauerin. Das Gespräch wurde vor Weihnachten aufgezeichnet. Eine gekürzte Printversion ist im Evangelischen Frankfurt Offenbach erschienen.

Evangelisches Frankfurt Offenbach

https://www.efo-magazin.de/magazin/politik-welt/die-kirche-muss-chinasensibel-werden/