Kita als Bildungsinstitution

Merkel besuchte evangelische Kita

Andacht, Kita Bildung

Kurt-Helmuth Eimuth

8-9-2008 Heiliggeistkirche, Frankfurt

Orgel

Lied: EG 447, 1-3, 7+8

Votum:

Im Namen Gottes kommen wir zusammen

Gott nimmt uns an, wie wir sind.

Jesus gibt unserem Leben Richtung und Sinn.

Gottes Geist ruft uns auf den richtigen Weg. Amen.

Psalm: 145, Nr. 756

Lied: EG 621, 1-3

Ansprache:

Vor gut zwei Wochen besuchte Bundekanzlerin Angela Merkel eine Bildungsinstitution. Sie besuchte in Begleitung des Ministerpräsidenten, der Sozialministerin und der Oberbürgermeisterin den Kindergarten der Friedensgemeinde. Beim anschließenden Gespräch mit den Erzieherinnen, den Eltern und dem Träger zeigte sie sich tief beeindruckt von der Arbeit. Sie habe verstanden, was Sprachförderung schon mit eineinhalb Jahren bedeutete. Und sie zeigte sich als „evangelische Christin“ wie sie hervorhob beeindruckt von der interreligiösen Bildung im Kindergarten.

Die christliche Kirche, insbesondere in ihrer evangelischen Gestalt, ist ihrem Wesen nach eine Bildungsinstitution. Dabei meint Bildung nicht einen auf das Kognitive begrenzten Prozess des Wissenserwerbs, sondern ein ganzheitliches Geschehen der Persönlichkeitsbildung, das sich an der Einsicht ausrichtet, dass der Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen ist. Bildung heißt, um eine von der Mystik Meister Eckarts über die Theologie Martin Luthers bis hin zu zeitgenössischen Autoren reichende Tradition aufzunehmen, die Ausrichtung des inneren Menschen an der Entsprechung zu Gott. Bildung in diesem Sinne ist zuerst und zuletzt „Herzensbildung“. Es ist spannend wahrzunehmen, dass ein solcher Hinweis heutzutage schon nicht mehr als so altväterlich und überholt angesehen wird wie noch vor wenigen Jahren. Der ganzheitliche Zugang zum Verständnis von Bildung gewinnt vielmehr wieder an Resonanz. Ganzheitliche Bildung aber schließt neben den kognitiven auch affektive Aspekte ein.

Um welche Bildung geht es? Was ist mit Bildung gemeint, wenn im christlichen Verständnis von ihr die Rede ist? Das christliche Verständnis von Bildung ist nicht primär ein kognitives oder kumulatives, das auf die Anhäufung und Addition von Bildungsgütern setzen würde. Vielmehr geht es um ein lebendiges Geschehen der Persönlichkeitsentwicklung, genauer gesagt, um die Orientierung des Menschen an seiner Entsprechung zu Gott im Kernbereich seiner Existenz. Bildung heißt, dieser Entsprechung zu Gott zu folgen, also bestimmungsgemäß zu Gottes Ebenbild zu werden. Martin Luther schreibt in seiner für diesen Zusammenhang in der zentralen Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ im Jahr 1520:

„Darum soll das billig aller Christen einziges Werk und einzige Übung sein, dass sie das Wort und Christus wohl in sich bilden, um solchen Glauben stetig zu üben und zu stärken. Und kein anderes Werk kann einen Christen machen.“

Im nahezu zeitgleich entstandenen „Sermon von den Guten Werken“ heißt es bei Luther:

„Sieh, so musst Du Christus in Dich hineinbilden und sehen, wie in ihm Gott dir seine Barmherzigkeit vorhält und anbietet, ohne alle deine zuvor kommenden Verdienste. Und aus solchem Bild seiner Gnade musst du den Glauben schöpfen und die Zuversicht der Vergebung all deiner Sünden.“

Im Christsein als einer durch Freiheit gekennzeichneten Existenzform kommen nach Martin Luther drei Faktoren zusammen: Die christliche Freiheit lebt aus Christus, bildet sich im Glauben und befähigt zur Liebe.

Bildung bestimmt und prägt die menschliche Existenz von Anfang an. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass es auch schon vorgeburtliche Bildungsprozesse gibt. Wenn ein ungeborenes Kind im Bauch seiner Mutter daran teilnimmt, wie sie Musik hört, darf man vermuten, dass hier ein pränatales Bildungserlebnis im Spiel ist.

In jedem Fall steht deshalb fest, dass ein Mensch spätestens mit seiner Geburt in den Raum der Bildung eintritt. Von daher hat die Taufe von Neugeborenen ihre anthropologische Begründung. Weil die christliche Kirche die Praxis der Kindertaufe kontinuierlich seit zwei Jahrtausenden praktiziert, versteht sie Kinder als bildungsfähige, aber auch bildungsbedürftige Menschen. Sie plädiert von daher für eine Bildung von Anfang an, für Bildung im Elementarbereich, für Elementarbildung.

Vor dem Hintergrund antiker Philosophien und Weltanschauungen stellte das christliche Verständnis vom Wert jedes Kindes als Geschenk Gottes eine geistige und kulturelle Revolution dar. Jesus, so erzählt die Bibel, segnete die Kinder, legte ihnen die Hände auf und küsste sie. Er empfahl den Erwachsenen, zu werden wie die Kinder, denn nur so, mit dem Eingeständnis ihrer Bedürftigkeit und ohne den Aufweis eigener Verdienste, könnten sie das Reich Gottes erlangen. In diesem Zusammenhang ist auch der Taufauftrag wichtig, der am Ende des Matthäus-Evangeliums überliefert ist (Matthäus 28,19f). Dieser Auftrag verknüpft das sakramentale Zeichen der Taufe eng mit Erziehung und Bildung; das Lehren und das Taufen gehören zusammen.

Die Reformatoren, allen voran Martin Luther und Philipp Melanchthon, haben den engen, unauflöslichen Zusammenhang von Glaube und Bildung betont, der vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende besteht. Was damals noch nicht in einer gesonderten Weise in den Blick kam, war der Bereich der Elementarbildung; denn sie gehörte in den Bereich des Hauses und war an den Zusammenhang der Familie gebunden. Dass Familien auch in dieser Phase auf Unterstützung angewiesen sind, ist eine vergleichsweise neue Einsicht. Christliche Kindertagesstätten, in denen 3 bis 6 Jahre alte Kinder erzogen, betreut und gebildet werden, gibt es der Idee nach erst seit knapp zwei Jahrhunderten und in größerer, nennenswerter Anzahl erst seit dem 19. Jahrhundert.

Christliche Kindertagesstätten als Orte der Bildung von Anfang an

Erste Anfänge der Kindergartenidee findet man bei den so genannten „Mährischen Brüdern“, bei Johann Friedrich Oberlin (1740-1826) im Elsass, bei Theodor Fliedner (1800-1864) in Kaiserswerth sowie bei Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) und Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852). Fröbel formulierte als erster eine ausführliche pädagogische Grundlegung für die Arbeit in Kindergärten, die diese nicht als bloße Bewahr- oder Betreuungsanstalten definierte, sondern sie als Orte der individuellen altersgemäßen Bildung für Kinder verstand. In Verbindung mit dem missionarischen Diakoniekonzept von Johann Hinrich Wichern (1808-1881) breiteten die Kindergärten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen evangelischen Landeskirchen aus. Schon der damals häufig verwandte Begriff „Kleinkinderschule“ deutet an, dass der Bildungsgedanke mindestens von ebenso großer Wichtigkeit war wie der soziale Aspekt der Betreuung.

Gerade aus der Sicht des christlichen Glaubens geht es darum, durch die Arbeit der christlichen Kindertagesstätten einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit zu leisten. Ausgehend von dem Gedanken, dass jedem Menschenleben der gleiche Wert und die gleiche Würde vor Gott zukommen, engagiert sich die Kirche in ihrem Bildungshandeln dafür, dass Menschen im Alltag ihres Lebens auch tatsächlich gleiche Chancen erhalten.

Chancengerechtigkeit muss sich weiterhin konkretisieren an der Qualität der Begegnung zwischen unterschiedlichen Nationen, Religionen und Kulturen, die sich in der alltäglichen Praxis vieler Kindertagesstätten auf vielfältige Weise vollzieht. Ein evangelisches Bildungsverständnis schließt den Respekt vor anderen Religionen ein. Für evangelische Kindertagesstätten können Kinder, die in ihrem Leben prägende Erfahrungen mit Migration gemacht haben, eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung sein. Oft ist die Sicht leider durch Defizitzuschreibungen bestimmt. Dem sollte der Blick auf die von diesen Kindern erworbenen Fähigkeiten im Umgang mit kulturellen Herausforderungen gegenüber gestellt werden.

Die alltägliche Praxis des Umgangs mit solchen Herausforderungen im Frankfurter Gallus beeindruckte. Sie ist christliche Bildung im besten Sinne.

Amen.

Lied: EG: 577, 1-3

Mitteilungen:

Gebet:

Gott, du bist die Quelle unseres Lebens.

Du hast uns unsere Würde gegeben,

du liebst und wie ein Vater,

du kümmerst dich um uns wie eine Mutter.

Manchmal spüren wir, dass wir dein Ebenbild sind.

Du willst, dass wir Leben in Fülle haben.

Wir bitten dich um deineKraft,

die uns ermutigt zum Leben,

die uns verbindet in Gemeinschaft untereinander

und uns freimacht für eigene Wege.

Du Gott ohne Grenzen,

vor dir wollen wir unsere Gedanken und Träume ernst nehmen.

Mit dir sehnen wir uns nach Gerechtigkeit und Frieden für unsere Welt und für unser Zusammenleben.

Damit aus Anklagen neues Leben wachsen kann.

Wenn du, Gott, uns hilfst,

dann werden wir uns nicht zerstreiten,

dann können wir als deine Töchter und Söhne auf dieser Erde den Himmel säen.

Dann wird aus unserer Wüste ein Garten des Lebens.

Gott, lass in unserem Tun und Reden,

in unseren Träumen und in unserem alltäglichen Leben

deine Kraft wirksam sein,

darum bitten wir dich.

Und gemeinsam beten wir

mit den Worten die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 590

Giganten, Kentauren und Amazonen

Evangelisches Frankfurt September 2008

Giganten, Kentauren und Amazonen

Wer kennt nicht die Sagen des klassischen Altertums: Giganten, Kentauren und Amazonen, Ödipus und Antigone, Paris und Helena – den Griechen waren sie mehr als mythische Gestalten, sie waren Vorfahren, die kultisch verehrt wurden. Häufig wurden Mythen auch im Bild dargestellt. Ein unerschöpfliches Reservoir solcher Darstellungen bieten Keramikgefäße aus dem 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert. Eine Auswahl zeigt das Archäologische Museum, Karmelitergasse 1, noch bis zum 19. Oktober. Zugleich werden illustrierte Kinderbücher aus vier Jahrhunderten aus der Staatsbibliothek zu Berlin ausgestellt. Denn ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich eine eigens für Kinder geschriebene Literatur, die ihnen nicht nur Begriffe von Gut und Böse vermittelte, sondern auch den Grund legte für ein Verständnis von Kunst und Literatur. Zudem entwickelte sich seit dem 18. Jahrhundert eine spezielle „Mädchenliteratur“, die die antiken Mythen in ‚schonender’, das heißt inzensierter Form erzählte.

Die sorgfältige Illustrierung der Bücher zeigt, wie groß das Bemühen um eine kindgerechte Vermittlung war. Dabei lässt sich der Wandel der bildlichen Gestaltung nachvollziehen, von Holzschnitten über kolorierte Kupferschnitte und Chromolithographien hin zu modernen Kinderbuchillustrationen. Die Ausstellung will zu einer erneuten Beschäftigung mit den antiken Mythen anregen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Spaß an Finanzen und Musik

Evangelisches Frankfurt September 2008

Spaß an Finanzen und Musik

Seit Jahrzehnten prägt Burkhard Sulimma die Frankfurter Kirche mit. Nun geht der Schwanheimer Pfarrer in Ruhestand. Als Finanzexperte bleibt er dem Evangelischen Regionalverband jedoch erhalten.

Burkhard Sulimma war fast drei Jahrzehnte Pfarrer in Schwanheim. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Burkhard Sulimma war fast drei Jahrzehnte Pfarrer in Schwanheim.
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Musik und Mathematik haben mehr gemeinsam als man gemeinhin denkt: Beide basieren auf den Gesetzen der Logik. Vielleicht ist dies das Geheimnis des Schwanheimer Pfarrers Burkhard Sulimma. Der Theologe verstand es immer, vermeintliche Gegensätze zu vereinbaren. Wenn er zurückblickt, wird sofort der Musikliebhaber und Sänger, aber auch der Finanzexperte sichtbar.

Seit bald drei Jahrzehnten bestimmt Sulimma die Geschicke der Frankfurter Kirche mit. Er gehörte von 1980 bis 1991 dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes an, ist seit 1991 im Finanzausschuss der Regionalversammlung und seit vielen Jahren dessen Vorsitzender. Diese Kompetenz nutzte auch die Landeskirche. Zwölf Jahre lang war Sulimma Delegierter in der Synode – und natürlich auch dort im Finanzausschuss.

Zu verdanken hat Sulimma diese Kompetenz einem anderen Gegensatz. Vor seiner Zeit als Pfarrer war er Politiker. Als Fraktionsassistent der SPD war er im Römer zuständig für Kultur, Schule und Freizeit. „Da musste ich mich intensiv auf die Haushaltsdebatten vorbereiten, also war es fast zwangsläufig, dass ich mich auch in der Kirche mit den Finanzen auseinandersetzte.“ Und schmunzelnd fügt er hinzu: „Es macht auch Spaß zu schauen, wo wird was versteckt.“

Viele Funktionen hatte Sulimma inne. Eine besondere Herausforderung war sicher die zweijährige Leitung des Stadtjugendpfarramtes Anfang der 80er Jahre. Sulimma war viele Jahre Vorsitzender des Vereins für Jugendsozialarbeit, der zahlreiche Jugendhäuser betreibt. Die Entwicklung der Kirche, die ständigen Reformen, kommentiert er mit Humor und Altersweisheit: „Seit dreißig Jahren läuft der Prozess des Stellenabbaus. Wir können machen, was wir wollen. Wir kriegen die Kirche nicht kaputt.“ Und fügt ernster hinzu: „Das Evangelium ist nicht abhängig von Strukturdebatten.“

Kritisch geht Sulimma mit dem eigenen Berufsstand um. So habe er in der Synode vorgeschlagen, Pfarrer nur noch als Angestellte einzustellen und nicht wie bisher als Kirchenbeamte. Auch könnten die Bezüge abgesenkt werden. „Lieber den Pfarrern weniger zahlen und dafür eine größere Anzahl einstellen“, meint Sulimma. Schließlich werde man ja nicht Pfarrer des Gehalts wegen. Aber solche Vorschläge kamen nicht gut an. Da würde keiner mehr Theologie studieren, habe man ihm entgegengehalten.

Die nahe Zukunft kirchlicher Strukturen in der Großstadt sieht Sulimma in größeren Gemeinden: Um die 10000 Mitglieder hält er für sinnvoll, derzeit sind es im Durchschnitt etwas mehr als
2000. Wie die städtische Entwicklung weitergehen wird, lasse sich aber nicht genau vorhersagen. Stadtteile wie Schwanheim mit hoher Lebensqualität würden für Familien wohl immer attraktiver. „Schließlich kann man von hier aus mit dem Fahrrad 100000 Arbeitsplätze erreichen.“

Burkhard Sulimma wird auch im Ruhestand die Geschicke seiner Kirche mitgestalten. So gehört er den Verwaltungsräten der Diakoniestiftung, der Kirchenstiftung und der Versorgungsstiftung, die das Vermögen für die Pensionäre verwaltet, an. Auch der Evangelische Regionalverband sicherte sich weiterhin die Kompetenz des Finanzexperten: Sulimma wurde in die Regionalversammlung berufen, damit er auch im Ruhestand dem Finanzausschuss vorstehen kann.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Konsum hat religiöse Züge“

Evangelisches Frankfurt September  2008

„Konsum hat religiöse Züge“
Stadtkirchenpfarrer: Shopping-Kultur fordert die Kirche heraus

Anders als die Mehrheit der christlichen Kirchen, die bundesweit für das Verbot der Sonntagsöffnung streiten, sieht der Pfarrer für Stadtkirchenarbeit an der Frankfurter Katharinenkirche, Werner Schneider-Quindeau, eine zunehmende Öffnung der Geschäfte am Sonntag gelassen. „Natürlich soll der Mensch sonntags nicht arbeiten“, so Schneider-Quindeau im Gespräch mit „Evangelisches Frankfurt“, „aber viele Menschen verstehen Shopping als Freizeitgestaltung.“ Darauf müsse die Kirche eine zeitgemäße Antwort geben. Shoppen sei immerhin oft ein Gemeinschaftserlebnis, so ähnlich wie Essengehen oder Theaterbesuche.

Dank für die Früchte des Feldes: In vielen Gemeinden spielen am Erntedankfest Lebensmittel eine wichtige Rolle im Gottesdienst, wie hier in der Emmauskirche in Eschersheim. | Foto: Rolf Oeser

Dank für die Früchte des Feldes: In vielen Gemeinden spielen am Erntedankfest Lebensmittel eine wichtige Rolle im Gottesdienst, wie hier in der Emmauskirche in Eschersheim.
Foto: Rolf Oeser

Im Vorfeld des Erntedankfestes, das die christlichen Kirchen jedes Jahr Anfang Oktober feiern, plädiert Schneider-Quindeau dafür, das Fest aus seiner Betulichkeit herauszureißen. Häufig werde Erntedank gefeiert, „ohne dabei daran zu denken, wie unsere Waren produziert werden, das ist eine Riesenindustrie“, so Schneider-Quindeau. Man dürfe auch nicht bei der Kritik an der industriellen Produktion der Lebensmittel stehen bleiben. „Mich interessiert als Nachbar der Zeil, was Konsum heute bedeutet.“ Der Konsum habe geradezu „religiöse Züge“, denn es gehe beim Shoppen um eine „eigene Art der Selbstinszenierung“, so Schneider-Quindeau. Die Konsumgesellschaft verfolge ein Identitätskonzept, das den Einzelnen durch Konsum in den Mittelpunkt stelle. Und schließlich würden ja nicht Waren, sondern Lebensgefühle verkauft.

Wer „ein anderes Erntedankfest“ erleben möchte, ist am Mittwoch, dem 1. Oktober, um 18 Uhr in die Katharinenkirche an der Hauptwache eingeladen. Das Motto der Veranstaltung mit Pfarrer Werner Schneider-Quindeau lautet: „Der Konsum und seine Grenzen“.

Kurt-Helmuth Eimuth

Es kommt nicht nur aufs Geld an

Evangelisches Frankfurt Juni 2008

Es kommt nicht nur aufs Geld an
Zwischen Armut und Benachteiligung unterscheiden

Mit dem Thema Kinderarmut hat sich kürzlich auch der Jugendwohlfahrtsausschuss der Stadt Frankfurt beschäftigt. In ihrer Analyse bilanzierte Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit, dass Armut in erster Linie ein strukturelles Problem und erst in zweiter Linie eine Folge individuellen Verhaltens sei. Als zentrale Ursachen benannte die Sozialwissenschaftlerin Erwerbslosigkeit und Nie-drigeinkommen. Besondere Risiken bestehen für Alleinerziehende und kinderreiche Familien.

Gleichwohl zeigte Holz auf, dass auch arme Eltern das Wohl ihrer Kinder im Auge haben. Bei der Verteilung des knappen Familienbudgets sparten sie zunächst an ihren eigenen Ausgaben und eben nicht bei den Kindern. Holz wörtlich: „Das Bild, arme Eltern kümmern sich nicht um ihre Kinder, ist zu streichen.“

Herbert Jacobs vom Jugendamt plädierte dafür, zwischen Armut und Benachteiligung zu unterscheiden. „Es kann benachteiligte Kinder geben, die nicht arm sind, und arme Kinder, die nicht notwendigerweise auch benachteiligt sind.“ Rein zahlenmäßig gebe es vermutlich sogar mehr Kinder, die zwar nicht arm, aber benachteiligt sind, als Kinder, die gleichzeitig beides sind.

Die Probleme der Stadtgesellschaft lassen sich auch im Anteil der Kinder und Jugendlichen (bis 14 Jahre), die Sozialhilfe bekommen, deutlich ablesen. Denn dieser ist in den einzelnen Stadtteilen höchst unterschiedlich: Während ihr Anteil im Gallus, in Höchst, in Sossenheim, im Riederwald, in Fechenheim und dem Gutleutviertel um die 40 Prozent pendelt, liegt er in Harheim, Nieder-Erlenbach und dem südlichen Westend unter fünf Prozent.

Bis zum Herbst will der Jugendhilfeausschuss Vorschläge erarbeiten, wie der Kinderarmut in Frankfurt besser begegnet werden kann. „Wir müssen uns noch gezielter um die betroffenen Familien kümmern, damit sich die Bildungs- und Entwicklungschancen der Kinder und Jugendlichen verbessern“, sagte Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU). Der Jugendhilfeausschuss ist gemäß Sozialgesetzbuch Teil des Jugend- und Sozialamtes. Das Gremium setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der freien Träger und der Verwaltung zusammen, Vorsitzende ist die Sozialstadträtin. Der Ausschuss bestimmt insbesondere darüber, wie die von der Stadtverordnetenversammlung bewilligten Mittel für die Jugendhilfe verteilt werden.

Kurt-Helmuth Eimuth

Debatte über Kirchen-Ranking

Evangelisches Frankfurt Juni 2008

Debatte über Kirchen-Ranking
Eine Punkteliste soll Kriterien für die Aufgabe von Kirchen liefern

Die Post war angekündigt, und doch sorgt ihr Inhalt zurzeit für Aufregung: Der Evangelische Regionalverband hat alle evangelischen Kirchen in Frankfurt nach den Kriterien Bauzustand, Symbolwert, Umgebung und Zukunftspotenziale bewertet. Jetzt wurden die Gemeinden zur Stellungnahme aufgefordert.

Ziel ist es, etwa 15 bis 20 der derzeit 56 Kirchen aufzugeben, da das Geld für den Gebäudeunterhalt fehlt. Rund 43 Millionen Euro wären in den nächsten zehn Jahren nötig, aus Kirchensteuereinnahmen stehen aber nur 22,5 Millionen für den Unterhalt der Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäuser zur Verfügung.

Schritt für Schritt, so hat das Parlament der Frankfurter Kirchengemeinden im April beschlossen, soll die vorgelegte Analyse nun in den Gemeinden und Gremien diskutiert werden. Die Datensammlung bildet dafür die Grundlage. Bis 2010 sollen konkrete Gebäudekonzepte auf Gemeindeebene entwickelt werden – auch dahingehend, welche Kirchen und Gemeindezentren dann tatsächlich aufgegeben werden. Besonders diskutiert wird die aus der differenzierten Analyse gebildete Rangfolge. Angeführt wird die Liste von der Eschersheimer Emmauskirche (9,8 Punkte) und der Epiphaniaskirche im Nordend (9,3). Die rote Laterne hat die Versöhnungskirche im Gallus (5,8), gefolgt von der Festeburgkirche in Preungesheim (6,2) und der Philippuskirche im Riederwald (6,3).

Vier Kriterien wurden zur Bewertung herangezogen: Der Bauzustand spiegelt die zu erwartenden Sanierungs- und Modernisierungskosten wider. Das mit „Symbolwert“ betitelte Kriterium möchte die architektonische Bedeutung und die städtebauliche Präsenz in die Bewertung einbeziehen. „Flächenabdeckung“ steht für die Versorgung der evangelischen Gemeindemitglieder in einem Quartier sowie die Erreichbarkeit. Der Gottesdienstbesuch und die demografische Entwicklung schließlich fließen als „Zukunftspotenzial“ ein.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass vor allem die weichen Kriterien wie etwa „Symbolwert“ umstritten sein werden. Die Bewertungen und das „Ranking“ sollen als Diskussionsgrundlage dienen. Der Vorsitzende des Gebäudeausschusses der Regionalversammlung, Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn, wies darauf hin, dass diese Liste keine „definitive Entscheidung“ darüber sei, welche Kirche aus Kirchenmitteln erhalten bleibe und welche nicht. Andere Gesichtspunkte, etwa ob es im Stadtteil noch eine zweite Kirche gibt, müssten zusätzlich beachtet werden.

Das lässt sich zum Beispiel an der Oberräder Erlöserkirche gut zeigen: Zwar steht diese Kirche mit lediglich 6,3 Punkten am Ende des Rankings, doch es ist der einzige Ort im ganzen Stadtteil, wo Gottesdienst gehalten wird. Ganz anders sieht es hingegen im Nordend aus: Sowohl die Epiphaniaskirche als auch die Gethsemanekirche, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen, stehen auf der Liste im vorderen Drittel. Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes wird diese Situation sicher auf den Prüfstand kommen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Den Stummen eine Stimme (Jürges)

Den Stummen eine Stimme
Veranstaltungen zum 25. Todestag von Familie Jürges

[30.04.2008] Vor 25 Jahren starb die Pfarrersfamilie Jürges. Martin Jürges, Pfarrer der evangelischen Gutleutgemeinde, seine Frau Irmtraud, Sohn Jan (11), Tochter Katharina (1), Mutter Erna (77) und Nichte Gesine Wagner (19) sind auf dem Weg zu einem Familienausflug ins Grüne, als am 22. Mai 1983 ihr Auto auf der Autobahn von brennenden Wrackteilen eines Militärjets getroffen wird.
Zur Erinnerung an das engagierte Pfarrerehepaar und seine Familie lädt die Evangelische Hoffnungsgemeinde zu mehreren Veranstaltungen ein.
Am Pfingstsonntag, 11. Mai, um 12 Uhr findet ein Gedenken an der Unfallstelle am Kreuz an der Einmündung Otto-Fleck-Schneise statt.
Am Dienstag, 20. Mai, um 19 Uhr wird im Martin-Jürges-Haus, Gutleutstraße 131, eine Ausstellung zu Leben und Wirken eröffnet. Zu Gast ist Ulrike Bremer, Autorin des HR-Films „Die tödliche Flugschau von Frankfurt“. Zu sehen ist die Ausstellung bis 1. Juni täglich von 13 bis 18 Uhr.
Einen Gottesdienst zum Gedenken an Familie Jürges gestalten Diakon Kurt Kirmes sowie der Posaunen- und der Kirchenchor der Hoffnungsgemeinde am Sonntag, 25. Mai, um 10 Uhr in der evangelischen Gutleutkirche, Gutleutstraße 121.
Texte von Irmtraud Jürges-Kießling, Martin Jürges und Gesine Wagner sind am Dienstag, 27. Mai, um 19 Uhr im Martin-Jürges-Haus, Gutleutstraße 131, zu hören. Unter dem Titel „Im Feuer ist mein Leben verbrannt“ lesen Kurt-Helmuth und Marion Eimuth. Musik kommt von Marion Eimuth und Lutz Lemhöfer.

Umtriebiger Politiker- Armin Clauss

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Umtriebiger Politiker

Festschrift zum 70. Geburtstag von Armin Clauss

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Offizielle Feierlichkeiten und Lobreden wollte Armin Clauss, der am 16. März seinen 70. Geburtstag feierte, nicht. Der frühere hessische Sozialminister (1976-1987) und Fraktionsvorsitzende der Landtags-SPD ist auch nach seinem Abschied von der politischen Bühne im Jahr 2003 aktiv, vor allem als Funktionär in der Diakonie. Clauss leitet die Hauptversammlung des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, führt die Gesellschafterversammlung der Frankfurter Diakoniekliniken und sitzt im Aufsichtsrat des kirchlichen Krankenhaus-Konzerns Agaplesion. Das Bockenheimer Markuskrankenhaus führte er 1993 aus der wirtschaftlichen Krise und war Mitbegründer der Frankfurter Diakoniekliniken.

Eben dieser Krankenhaus-Verbund widmet seinem ehrenamtlichen Funktionär nun eine Festschrift. Auf gut hundert Seiten wird das Leben des umtriebigen Mannes vor allem in Gewerkschaft und Politik geschildert. Da wird die hessische Politik lebendig. Schließlich gehörte Clauss dem ersten rot-grünen Kabinett an, und Joschka Fischer fühlte sich in jener Zeit von seinem Minister-Kollegen schlicht „überrumpelt“.

Dies und vieles andere ist nachzulesen in: Sabine Hock, 70 Mosaiksteine zur Biographie des hessischen Sozialpolitikers Armin Clauss, Frankfurt 2008. Die Festschrift ist kostenlos zu beziehen bei Agaplesion, Telefon 95332172, E-Mail info@agaplesion.de.

Kurt-Helmuth Eimuth

Hirtenkapelle im urbanen Niemandsland

Evangelisches Frankfurt Mai 2008

Hirtenkapelle im urbanen Niemandsland

Man findet sie auf keinem Stadtplan, und auch die Suche auf der offiziellen Homepage der Stadt Frankfurt bleibt erfolglos. Die so genannte „Wurzelsiedlung“ bildet das äußerste westliche Ende des Gutleutviertels. Eingeklemmt zwischen einer breiten Ausfallstraße, Industrie- und Gleisanlagen leben dort in sieben Siedlungsstraßen 400 Menschen.

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Gebaut hat die Wohnungen in den 1920er Jahren die Deutsche Reichsbahn für ihre Mitarbeiter. Niedrige Mieten gibt es hier bis heute. In der Siedlung mit den engen Straßen gibt es keinen Laden, nicht einmal einen Kiosk. Aber es gibt eine Kapelle: Das zunächst für industrielle Zwecke genutzte Holzhäuschen an der Hirtenstraße wurde bereits Anfang der 1950er Jahre von der evangelischen Kirche genutzt. 1953 kam dann ein Holzturm mit Läutewerk hinzu. Die Gemeinde versammelte sich jeden Sonntag in ihrer „Hirtenkapelle“, wie sie nach der Straße genannt wurde, zum Gottesdienst. Bilder aus dieser Zeit belegen die qualvolle Enge, die dabei in dem winzigen Gottesdienstraum herrschte.

Heute sind die Zeiten anders. Gottesdienst wird in der Hirtenkapelle nur noch in den Sommermonaten gehalten, ein Mal im Monat. Auch in der Wurzelsiedlung selbst sind gesellschaftliche Veränderungen zu spüren. Trotzdem hat sich die Hoffnungsgemeinde vor zwei Jahren entschieden, den alten, marode gewordenen Holzturm durch einen neuen zu ersetzen. Aus eigenen Mitteln hat man hierfür 22000 Euro aufgebracht. Die Hirtenkapelle bleibt somit markantes Wahrzeichen im urbanen Niemandsland.

Text und Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Mit dem Taxi zur Kita

Evamgelisches Frankfurt Mai 2008

Mit dem Taxi zur Kita
Wochenendbetreuung für Schausteller-Kinder

Etwas Besonderes war es schon, mit dem Taxi zur Kindertagesstätte gefahren zu werden. Dieses Privileg genossen ein Dutzend Kinder aus Schausteller-Familien während der diesjährigen Frankfurter Frühjahrs-Dippemess.

Schaustellerpfarrerin Christine Beutler-Lotz weiß, dass diese Familien spezielle Probleme und Bedürfnisse haben. Gerade an den Wochenend-Nachmittagen, wenn das Geschäft so richtig brummt und alle im Familienbetrieb mit anfassen müssen, sind die Kinder meist auf sich alleine gestellt. Deshalb organisierte die Seelsorgerin ehrenamtliche Helferinnen und Helfer und nahm mit Unterstützung des Diakonischen Werks für Frankfurt Kontakt mit der Kindertagesstätte der Nicolaigemeinde im Ostend auf.

Deren Leiterin Ruth Woody war sofort bereit zu helfen. Die Kita wurde an den Dippemess-Wochenenden für die Kinder und die Betreuerinnen der Schaustellerseelsorge geöffnet. Die zwei Kilometer zwischen Kita und Dippemess mussten sie allerdings mit einem „Kindergarten-Taxi“ überwinden. Für die Kinder eine Attraktion. Doch soll dies – wie das Diakonische Werk augenzwinkernd mitteilt – nicht zum Standard in evangelischen Einrichtungen erhoben werden.

Kurt-Helmuth Eimuth