Erziehunghspartnerschaft und Nestwärme

19.11.2008

Kurt-Helmuth Eimuth

Besonders an den bevorstehenden Tagen steht Familie wieder hoch im Kurs.

In den evangelischen Krabbelstuben und Kindertagesstätten steht das ganze Jahr mit dem Kind die Familie im Mittelpunkt.

Familie ist ein Gefühl.

Nicht nur die Personen der Ursprungsfamilie sind „Familie“, sondern die Menschen, denen das Kind vertraut. Dahinter verbirgt sich das Gefühl der Nestwärme, des Ankommens, des Geborgenseins und Dazugehörens.

In der Eingewöhnungsphase in den Krabbelstuben und den Kindertagessstätten legen wir einen ganz besonders hohen Stellenwert auf eine gute Entwicklung der Bindung. Die Kinder sollen bei uns „sicher gebunden“ sein – das Gefühl von „hier bin ich sicher und angenommen“ steht im Fokus.

Ohne dieses Familiengefühl ist Bildung nicht möglich. Wenn die Kinder sich unsicher fühlen, haben sie keine Kapazitäten, sich anderen Dingen als dem Angstgefühl zu widmen.

Die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern ist auch deshalb so wichtig, weil sich das Gefühl „Familie“ in den Einrichtungen fortsetzen muss.

Gerade die Ganztagskinder verbringen den größten Teil ihrer Woche in unseren Einrichtungen. D.h. ohne die Nestwärme, die mit dem Gefühl Familie verbunden ist, ist eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung mit den bestmöglichen Bildungsangeboten nicht möglich.

Es kommt also auf die Bindung an. Auf das Vertrauen zur Mutter, zum Vater, zu den Großeltern, zu den Geschwistern. Zur Familie gehören oftmals auch Stiefbruder und Stiefschwester, der Lebenspartner der Mutter oder eben die neue Lebenspartnerin des Vaters sowie Kinder aus anderen Beziehungen der Eltern. Das Erscheinungsbild der modernen Patchworkfamilie ist bunt geworden.

Tobi erlebt in diesem Jahr sein erstes Weihnachtsfest. Gemeinsam mit seinem Bruder Emil wird er ganz klassisch den Heiligen Abend mit Gang zur Kirche und anschließender Bescherung erleben. Und wie es seine Eltern gewohnt sind, so werden sie diesen besonderen Abend im Jahr bei den Großeltern verbringen. Und sicher werden diese die beiden Kleinen mit Geschenken überhäufen. – Ein Privileg von Großeltern.

Anna kann es gar nicht mehr erwarten in die Schule zu kommen. Sie wünscht sich so sehr einen Schulranzen. Ob diesen das Christkind bringt? Anna wird mit ihrer Mutter den Heiligen Abend verbringen und freut sich natürlich auf die Geschenke. Sie mag aber auch das Feierliche. Und natürlich freut sie sich auf die Besuche. Am ersten Feiertag wird sie bei ihrem Vater und dessen neuer Familie sein. Und sicher wird es wieder sehr lustig mit Silke. Silke ist so alt wie sie selbst. Und sie verstehen sich inzwischen wirklich gut.

Leonie spürt mit ihren fünf Jahren schon längst, dass da womöglich etwas nicht stimmt. Oma und Opa tun immer so geheimnisvoll. Die Oma wird wieder aufgeregt den ganzen Tag hin und her laufen, Opa saust den ganzen Morgen zwischen Keller und Wohnzimmer hin und her und dann wenn die ganze Familie, die gemeinsam in einem Haus am Frankfurter Stadtrand lebt, schließlich nach dem Gottesdienst in der Etage der Großeltern versammelt ist, wird das Christkind klingeln. Und dann gibt es endlich Geschenke.

Munter geht es bei Max und Emma zu. Hier wird es wirklich eng. Nicht nur weil sowieso in der Familie schon vier Kinder gibt. Die Mutter von Max und Emma hat wieder geheiratet. Und so gibt es eben nicht nur Max und Emma sondern eben auch Niklas und Lara. Und für Max und Emma ist es nichts Besonderes, dass an Festtagen eben auch der Papa mit seiner neuen Partnerin da ist. Und während die Erwachsenen tafeln werden die vier sicher mit den Geschenken spielen können. – Hoffentlich gibt es nicht wieder so viele Anziehsachen.

Faritah beneidet die christlichen Kinder ein wenig. Sie kennt natürlich die Geschichte von Jesu Geburt. Sie hat sie im Kindergarten gehört. Und natürlich hat sie bei der Weihnachtsfeier mitgemacht, hat gesungen und geklatscht und von den köstlichen Plätzchen genascht. Und weil es so schön ist, hat ihr Vater in ihrem Zimmer eine Lichterkette ans Fenster gehängt. Eigentlich ist Weihnachten ja im Islam kein Familienfest. Aber da es nun zwei Feiertage gibt wird man sich mit der ganzen Familie treffen. Mit den Omas und Opas, mit den Onkels und Tanten und mit den Nichten und Neffen. Das wird sicher ein richtiges Fest.

Interreligiöses Lernen in Kita beeindruckt Merkel

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Interreligiöses Lernen in Kita beeindruckt Merkel

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Großer Andrang herrschte beim Besuch der Bundeskanzlerin im Gallusviertel. Zum Auftakt ihrer „Bildungsreise“ durch Deutschland kam Angela Merkel in die Kindertagesstätte der Friedensgemeinde, um selbst zu lernen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Roland Koch, Sozialministerin Silke Lautenschläger und Oberbürgermeisterin Petra Roth informierte sie sich insbesondere über das hier praktizierte Sprachförderungsprogramm. Besonders beeindruckt war sie von der Möglichkeit der interreligiösen Begeleitung in einer Kindertagesstätte.

Kitas vermitteln Wissen kreativ

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Kitas vermitteln Wissen kreativ
Fortbildung für Erzieherinnen zu projektbezogenem Lernen

„Unsere Aufgabe als Erzieherinnen war es, den Kindern, die auf ein Forschungsgebiet gestoßen waren, immer wieder Material zur Verfügung zu stellen und sie dann machen zu lassen“, erzählt Petra Lauer, Leiterin der Kindertagesstätte Sternenreich in der Martinusgemeinde in Schwanheim. Soviel Vertrauen in kindliche Entdeckerfreude und Forschergeist löste eine Welle der Begeisterung und Schaffensfreude aus, die auch 19 andere evangelische Kindertagesstätten erreichte: Zwei Jahre lang hatten sie an der Fortbildungsreihe „Der Zeit auf der Spur – Bildung von Anfang an – Lernwerkstätten zum Bildungsplan“ teilgenommen, die von ihrer Fachberatung initiiert worden war. Angeregt und begleitet wurden die Erzieherinnen dabei von zwei Referenten der Fortbildungsstätten für pädagogische Praxis in Hessen, die„intelligent, kreativ und einrichtungsspezifisch“ arbeiteten, wie Fachberaterin Magdalena Lagemann in der abschließenden Präsentation hervorhob.

„Die Fortbildung war glücklicherweise zunächst ganz praktisch und auf Materialien bezogen“, lobte Christine Funk-Geissler, die die Villa Kunterbunt in der Regenbogengemeinde in Sossenheim leitet. „Das hat bei uns eine Lawine ausgelöst. Wir haben vier Räume in unserer Kita neu gestaltet, in denen wir den Kindern jetzt verschiedene Materialen zur Verfügung stellen.“ In der eigentlichen Projektarbeit beschäftigten die Kinder sich dann zunächst mit Steinen, bevor sie auf das Thema Dinosaurier stießen. Die Erzieherinnen stellten Materialien zum Basteln, Begreifen und Formen, Sachbücher und Internetseiten zur Verfügung, die Kinder fragten immer weiter und bastelten ganze Dinosaurierlandschaften.

Die Kita der Wicherngemeinde in Praunheim präsentierte große Höhlen, in die die Kinder Bären und Fledermäuse aus Pappmaschee gesetzt hatten. Die Thomas-Kita aus Heddernheim dokumentierte, wie die Kinder zunächst an einem Haus in der Nachbarschaft mitbauten und sich mit Architektur beschäftigten, bevor sie auf die Römerstadt aufmerksam wurden: Das führte zu archäologischen Grabungen, Geschichtsfragen, Töpferwerkstatt, Besuchen im Denkmalsamt und auf der Saalburg sowie einer ersten Berührung mit Latein.

„Wie man an diesem Projekt sieht, kann Bildung Spaß machen“, unterstrich Kurt-Helmuth Eimuth, der Leiter des Arbeitsbereiches Kindertagesstätten im Diakonischen Werk für Frankfurt.
Bildung nach evangelischem Verständnis meine dabei ein ganzheitliches Geschehen der Persönlichkeitsbildung, die sich an der Einsicht ausrichtet, dass der Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen ist, und das Seele, Verstand und Körper gleichermaßen umfasst.

Stephanie von Selchow

Wohlfühlen und Einmischen

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Wohlfühlen und Einmischen

Niederrad ist einer jener Stadtteile, die zwar weltoffen, aber dennoch als Sozialsystem abgeschlossen sind. Begrenzt von Main, Universitätsklinik und Autobahn bietet es eine hohe Lebensqualität in City-Nähe.

Insofern war es für die ehemals zwei evangelischen Gemeinden naheliegend, sich zu vereinen. Die Paul-Gerhardt-Gemeinde ist heute mit 4500 Mitgliedern eine der großen Gemeinden Frankfurts. „Wir können stolz sein. Unsere Fusion war erfolgreich“, bilanziert denn auch Pfarrerin Ulrike Hofmann. Als größtes Problem für den Gottesdienstbesuch stellte sich nicht der Weg zur Kirche heraus, vielmehr sind es die zahlreichen Stufen, die zur Paul-Gerhardt-Kirche hinaufführen. „Als weise hat sich die Entscheidung des Kirchenvorstandes erwiesen, immer nur in einer Kirche Gottesdienst zu feiern. Wir wollten keine Parallelstrukturen,“ erläutert die Pfarrerin.

Noch ist die neue Kindertagesstätte der Paul-Gerhardt-Gemeide im Rohbau. Für Pfarrerin Ulrike Hofmann, die im Eingang des neuen Gebäudes steht, ist das durchaus typisch für die Gemeindearbeit. Obgleich die Tradition in der Gemeinde bewahrt wird, ist man in Niederrad offen für neue Konzepte, auch für neue Gebäudekonzepte. Hort und Kindertagesstätte werden künftig unter einem Dach und unter einer Leitung sein. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Noch ist die neue Kindertagesstätte der Paul-Gerhardt-Gemeide im Rohbau. Für Pfarrerin Ulrike Hofmann, die im Eingang des neuen Gebäudes steht, ist das durchaus typisch für die Gemeindearbeit. Obgleich die Tradition in der Gemeinde bewahrt wird, ist man in Niederrad offen für neue Konzepte, auch für neue Gebäudekonzepte. Hort und Kindertagesstätte werden künftig unter einem Dach und unter einer Leitung sein.
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Natürlich habe es auch in Niederrad im Vorfeld der Fusion skeptische Stimmen gegeben. So sei etwa das Schlagwort herumgegangen, die eine sei eher eine „Wohlfühl-“, die andere eine „Einmisch-Gemeinde“. Tatsächlich hat das Einmischen in Niederrad Tradition: Ob Flughafenausbau oder Dritte Welt, das gesellschaftliche Engagement war vielen engagierten Christinnen und Christen hier schon immer wichtig. Doch für Ulrike Hofmann bildet das Sich-Einmischen keinen Gegensatz zu einer Gemeinde, in der man sich wohlfühlt und spirituelle Gemeinschaft findet: „Ich stehe dafür, dass das eine gute Ergänzung ist.“

Die Gemeinde hat drei hervorgehobene Arbeitsfelder. Da ist die Diakonie mit der Seniorenarbeit und dem Besuchsdienst. Das ökumenische „Wohnprojekt Hoffnung“ erhielt in diesem Jahr den Frankfurter „Senfkornpreis“ für ihr beispielhaftes soziales Engagement. Mit kleinen Geldbeträgen unterstützt die Gemeinde ehemalige Obdachlose, die eine Wohnung gefunden haben. Auch gibt es für diesen Personenkreis alle zwei Wochen in einer Teestube Kaffee, Kuchen und ein kostenloses Abendessen.

Als weiteren Schwerpunkt benennt Ulrike Hofmann die Kinder- und Jugendarbeit, ein offenes Angebot für den Stadtteil. Außerdem gibt es noch eine Teilstelle für eine Gemeindepädagogin, die allerdings künftig auch für die Gemeinden in Schwanheim und Goldstein zuständig sein wird.

Zu erwähnen ist noch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. Sei es in der Friedensdekade oder durch den Verkauf fair gehandelter Produkte. Und da sind noch all die anderen Aktivitäten, wie etwa der „aufblühende Kirchenchor“, der in seiner Zusammensetzung noch recht jung ist. Oder die Arbeit der über einhundert Ehrenamtlichen, die auch die Gemeindezeitung in jeden Haushalt Niederrads tragen. Natürlich setzt sich die Gemeinde auch mit dem Neubau der Kindertagesstätte auseinander, der in den nächsten Monaten für zwei Millionen Euro fertig gestellt sein wird. Eine neue Konzeption ist geschrieben und wartet jetzt auf die Umsetzung.

Ein Teil der jetzigen Gemeindefläche soll neu mit Wohnungen bebaut werden. Pfarrerin Hofmann wird selbst davon betroffen sein. Derzeit sucht sie einen neue Bleibe, denn das Pfarrhaus muss weichen. Aber so ist das eben in Niederrad: Kontinuität und Erneuerung, Tradition und Wandel bilden hier ebenso wie die „Wohlfühl-“ und „Einmisch-Gemeinde“ eine Einheit.

Kurt-Helmuth Eimuth

Religion in der Kita

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Religion in der Kita
Defizite bei frühkindlicher Bildung

Jedes vierte Kindergartenkind gehört der islamischen Religion an. Diese Tatsache werde nicht zur Kenntnis genommen, kritisiert der Tübinger Hochschullehrer Friedrich Schweitzer. Gemeinsam mit seinem Kollegen Albert Biesinger hat er eine bundesweite Pilotstudie zur religiösen Begleitung von Kleinkindern erstellt. Beim Kita-Kongress zum Thema „Mein Gott, dein Gott, kein Gott?“ im Frankfurter Dominikanerkloster führte Schweitzer vor über 400 Pädagoginnen und Pädagogen aus, dass eine religiöse Begleitung nur in christlichen Kindertagesstätten gewährleistet sei.

Dabei ist die religiöse Bildung für Kindergartenkinder in zahlreichen Bildungsplänen der Bundesländer, auch in Hessen, verankert. Sie ist somit eigentlich nicht nur Aufgabe der konfessionellen Kindertagesstätten, sondern auch etwa der städtischen. Die Studie zeigt jedoch, dass in den nicht-konfessionellen Kitas kaum religiöse oder gar interreligiöse Bildung stattfindet. Nur in etwa zehn Prozent der Einrichtungen sei diese auch für die ­ mu­ slimischen Kinder gegeben. Schweitzer: „Wie soll man ohne interreligilöse Bildung Toleranz einüben können?“

Kinder fragen Dinge wie: „Kommt Alexander in die Hölle, wenn er Wurst aus Schweinefleisch ist?“ oder „Warum faltet Ayse beim Gebet die Hände nicht?“ Um solche Fragen kompetent aufgreifen zu können, brauchen Erzieherinnen ein Basiswissen über die Religionen. Während des Kongresses wurde festgestellt, dass auch Kinder ohne Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft – immerhin bald jedes fünfte Kind – ein Recht auf religiöse und interreligiöse Begleitung haben.

Das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Forschungsprojekt wurde mit dem Innovationspreis „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Kurt-Helmuth Eimuth

Gemeindenähe gab den Ausschlag

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Kommentar:
Gemeindenähe gab den Ausschlag

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Eine Sensation war die Wahl des Lauterbachers Pfarrers und Dekans Volker Jung zum neuen Kirchenpräsidenten nicht. Eine Überraschung schon. Er war eher als Außenseiter gestartet und, anders als seine Mitbewerber, für viele ein unbeschriebenes Blatt.

Inhaltlich waren bei den drei Kandidaten kaum Unterschiede auszumachen. Alle betonten, dass sie die Gemeindearbeit stärken, dialogisch arbeiten und das „Leitende Geistliche Amt“ als kollegiales Führungsorgan erhalten wollten. Die Entscheidung für Jung war so betrachtet keine Richtungsentscheidung. Und doch drückt sich in ihr die Sehnsucht nach mehr Anerkennung gemeindlicher Arbeit und nach höherer Wertschätzung des Gemeindepfarramtes aus.

Dem Pfarrer und Dekan aus dem Vogelsberg traut man dies offenbar eher zu als seinen Mitbewerbern, die schon lange in hohen kirchlichen Leitungsämtern sind. Und Jung, der Sohn eines Metzgers und Gastwirtes, kennt die Stimmung an der Basis. Die ständigen Reformen, die immer mit Einsparungen einher gehen, haben mürbe gemacht. Die Stimmung ist auch geprägt von der Reduzierung der Gemeindepfarrstellen bei gleichzeitigem Ausbau gemeindeübergreifender Ämter. Beim Stichwort „Profilstellen“, wie die zusätzlichen Stellen bei den Dekanaten genannt werden, fragt sich mancher, ob nicht der alltägliche Einsatz der Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer das eigentliche „Profil“ einer Kirche sein sollte.

Der zukünftige Kirchenpräsident hat diese Stimmung in seinem Bild vom Hausbau aufgegriffen: „An unserem Haus wird sicher immer gebaut. Ich werde aber darauf achten, dass nicht an zu vielen Stellen gleichzeitig gebaut wird. Es lebt sich nicht gut in einem Haus, das eine einzige Baustelle ist.“

Volker Jung muss nun ein Bauleiter werden, der behutsam die Sanierung weiter betreibt und den radikalen Kahlschlag vermeidet. Die Aufgaben, vor der er und die Kirche stehen, sind gewaltig. Die Mitgliederzahlen gehen aufgrund des demografischen Wandels massiv zurück, vor allem in den ländlichen Gegenden. Hier gilt es, die gemeindliche Versorgung aufrecht zu erhalten, die Gebäude zu unterhalten und sich dem zu spürenden Traditionsabbruch entgegenzustellen.

Dem neuen Mann an der Spitze der EKHN ist zu wünschen, dass er den Erwartungen der Basis gerecht wird. So gesehen war die Wahl doch eine Richtungsentscheidung. Eine Entscheidung für die Kirchengemeinden, für eine Kirche, die vor Ort präsent und nahe bei den Menschen ist.

Kurt-Helmuth Eimuth

Überraschende Wahlentscheidung

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Überraschende Wahlentscheidung
Landessynode wählt Volker Jung zum Kirchenpräsidenten

Zum neuen Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wählte die Synode im Frankfurter Dominikanerkloster den Lauterbacher Pfarrer und Dekan Volker Jung. Der promovierte Theologe übernimmt zum Jahreswechsel das Amt von Peter Steinacker, der aus Altersgründen ausscheidet. Der 48-Jährige setzte sich überraschend gegen seine Mitbewerber, den Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, Wolfgang Gern, und den Propst für Süd-Nassau, Sigurd Rink, durch.

Volker Jung - links - wird der neue Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Zum Jahreswechsel löst er Peter Steinacker - rechts - ab. | Foto: Rolf Oeser

Volker Jung – links – wird der neue Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Zum Jahreswechsel löst er Peter Steinacker – rechts – ab.
Foto: Rolf Oeser

Vor dem hessen-nassauischen Kirchenparlament hatte Jung ausgeführt, dass Kirchengemeinden künftig intensiver zusammenarbeiten sollten. Das „normale Gemeindeleben“ bezeichnete er als „großen Schatz“. In der Ausbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer solle künftig mehr die Teamarbeit gefördert werden. Jung betonte, dass man sich besonders um Kinder und Jugendliche kümmern müsse. „Sie sind nicht erst unsere Zukunft, sie sind unsere Gegenwart.“

Jung hob hervor, dass seine Vision von einer Kirche im Jahr 2025 nicht an Finanzen scheitern müsse. „Wir werden auch im Jahr 2025 eine der reichsten Kirchen der Welt sein“, betonte der künftige Kirchenpräsident.

Im Vorfeld der Wahlsynode war es zu einer Kontroverse über Pläne gekommen, den Kirchenpräsidenten künftig Bischof zu nennen und das „Leitende Geistliche Amt“ (LGA), dem neben dem Kirchenpräsidenten auch die sechs Pröpstinnen und Pröpste angehören, als kollegiales Bischofsamt abzuschaffen. Höhepunkt der Kontroverse war die Absage der ehemaligen Pröpstin für Rhein-Main, Helga Trösken, gewesen, an einer Diskussionsveranstaltung im hessichen Fernsehen teilzunehmen. Sie habe sich von Seiten der Kirche „unter Druck“ gesetzt gesehen. Zehn ehemalige Pröpstinnen und Pröpste hatten öffentlich die Pläne zur Umstrukturierung der Führungsstruktur kritisiert. Jung hob hervor, dass er auch künftig mit dem LGA zusammenarbeiten will.

Kurt-Helmuth Eimuth

Kita als Bildungsinstitution

Merkel besuchte evangelische Kita

Andacht, Kita Bildung

Kurt-Helmuth Eimuth

8-9-2008 Heiliggeistkirche, Frankfurt

Orgel

Lied: EG 447, 1-3, 7+8

Votum:

Im Namen Gottes kommen wir zusammen

Gott nimmt uns an, wie wir sind.

Jesus gibt unserem Leben Richtung und Sinn.

Gottes Geist ruft uns auf den richtigen Weg. Amen.

Psalm: 145, Nr. 756

Lied: EG 621, 1-3

Ansprache:

Vor gut zwei Wochen besuchte Bundekanzlerin Angela Merkel eine Bildungsinstitution. Sie besuchte in Begleitung des Ministerpräsidenten, der Sozialministerin und der Oberbürgermeisterin den Kindergarten der Friedensgemeinde. Beim anschließenden Gespräch mit den Erzieherinnen, den Eltern und dem Träger zeigte sie sich tief beeindruckt von der Arbeit. Sie habe verstanden, was Sprachförderung schon mit eineinhalb Jahren bedeutete. Und sie zeigte sich als „evangelische Christin“ wie sie hervorhob beeindruckt von der interreligiösen Bildung im Kindergarten.

Die christliche Kirche, insbesondere in ihrer evangelischen Gestalt, ist ihrem Wesen nach eine Bildungsinstitution. Dabei meint Bildung nicht einen auf das Kognitive begrenzten Prozess des Wissenserwerbs, sondern ein ganzheitliches Geschehen der Persönlichkeitsbildung, das sich an der Einsicht ausrichtet, dass der Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen ist. Bildung heißt, um eine von der Mystik Meister Eckarts über die Theologie Martin Luthers bis hin zu zeitgenössischen Autoren reichende Tradition aufzunehmen, die Ausrichtung des inneren Menschen an der Entsprechung zu Gott. Bildung in diesem Sinne ist zuerst und zuletzt „Herzensbildung“. Es ist spannend wahrzunehmen, dass ein solcher Hinweis heutzutage schon nicht mehr als so altväterlich und überholt angesehen wird wie noch vor wenigen Jahren. Der ganzheitliche Zugang zum Verständnis von Bildung gewinnt vielmehr wieder an Resonanz. Ganzheitliche Bildung aber schließt neben den kognitiven auch affektive Aspekte ein.

Um welche Bildung geht es? Was ist mit Bildung gemeint, wenn im christlichen Verständnis von ihr die Rede ist? Das christliche Verständnis von Bildung ist nicht primär ein kognitives oder kumulatives, das auf die Anhäufung und Addition von Bildungsgütern setzen würde. Vielmehr geht es um ein lebendiges Geschehen der Persönlichkeitsentwicklung, genauer gesagt, um die Orientierung des Menschen an seiner Entsprechung zu Gott im Kernbereich seiner Existenz. Bildung heißt, dieser Entsprechung zu Gott zu folgen, also bestimmungsgemäß zu Gottes Ebenbild zu werden. Martin Luther schreibt in seiner für diesen Zusammenhang in der zentralen Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ im Jahr 1520:

„Darum soll das billig aller Christen einziges Werk und einzige Übung sein, dass sie das Wort und Christus wohl in sich bilden, um solchen Glauben stetig zu üben und zu stärken. Und kein anderes Werk kann einen Christen machen.“

Im nahezu zeitgleich entstandenen „Sermon von den Guten Werken“ heißt es bei Luther:

„Sieh, so musst Du Christus in Dich hineinbilden und sehen, wie in ihm Gott dir seine Barmherzigkeit vorhält und anbietet, ohne alle deine zuvor kommenden Verdienste. Und aus solchem Bild seiner Gnade musst du den Glauben schöpfen und die Zuversicht der Vergebung all deiner Sünden.“

Im Christsein als einer durch Freiheit gekennzeichneten Existenzform kommen nach Martin Luther drei Faktoren zusammen: Die christliche Freiheit lebt aus Christus, bildet sich im Glauben und befähigt zur Liebe.

Bildung bestimmt und prägt die menschliche Existenz von Anfang an. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass es auch schon vorgeburtliche Bildungsprozesse gibt. Wenn ein ungeborenes Kind im Bauch seiner Mutter daran teilnimmt, wie sie Musik hört, darf man vermuten, dass hier ein pränatales Bildungserlebnis im Spiel ist.

In jedem Fall steht deshalb fest, dass ein Mensch spätestens mit seiner Geburt in den Raum der Bildung eintritt. Von daher hat die Taufe von Neugeborenen ihre anthropologische Begründung. Weil die christliche Kirche die Praxis der Kindertaufe kontinuierlich seit zwei Jahrtausenden praktiziert, versteht sie Kinder als bildungsfähige, aber auch bildungsbedürftige Menschen. Sie plädiert von daher für eine Bildung von Anfang an, für Bildung im Elementarbereich, für Elementarbildung.

Vor dem Hintergrund antiker Philosophien und Weltanschauungen stellte das christliche Verständnis vom Wert jedes Kindes als Geschenk Gottes eine geistige und kulturelle Revolution dar. Jesus, so erzählt die Bibel, segnete die Kinder, legte ihnen die Hände auf und küsste sie. Er empfahl den Erwachsenen, zu werden wie die Kinder, denn nur so, mit dem Eingeständnis ihrer Bedürftigkeit und ohne den Aufweis eigener Verdienste, könnten sie das Reich Gottes erlangen. In diesem Zusammenhang ist auch der Taufauftrag wichtig, der am Ende des Matthäus-Evangeliums überliefert ist (Matthäus 28,19f). Dieser Auftrag verknüpft das sakramentale Zeichen der Taufe eng mit Erziehung und Bildung; das Lehren und das Taufen gehören zusammen.

Die Reformatoren, allen voran Martin Luther und Philipp Melanchthon, haben den engen, unauflöslichen Zusammenhang von Glaube und Bildung betont, der vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende besteht. Was damals noch nicht in einer gesonderten Weise in den Blick kam, war der Bereich der Elementarbildung; denn sie gehörte in den Bereich des Hauses und war an den Zusammenhang der Familie gebunden. Dass Familien auch in dieser Phase auf Unterstützung angewiesen sind, ist eine vergleichsweise neue Einsicht. Christliche Kindertagesstätten, in denen 3 bis 6 Jahre alte Kinder erzogen, betreut und gebildet werden, gibt es der Idee nach erst seit knapp zwei Jahrhunderten und in größerer, nennenswerter Anzahl erst seit dem 19. Jahrhundert.

Christliche Kindertagesstätten als Orte der Bildung von Anfang an

Erste Anfänge der Kindergartenidee findet man bei den so genannten „Mährischen Brüdern“, bei Johann Friedrich Oberlin (1740-1826) im Elsass, bei Theodor Fliedner (1800-1864) in Kaiserswerth sowie bei Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) und Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852). Fröbel formulierte als erster eine ausführliche pädagogische Grundlegung für die Arbeit in Kindergärten, die diese nicht als bloße Bewahr- oder Betreuungsanstalten definierte, sondern sie als Orte der individuellen altersgemäßen Bildung für Kinder verstand. In Verbindung mit dem missionarischen Diakoniekonzept von Johann Hinrich Wichern (1808-1881) breiteten die Kindergärten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen evangelischen Landeskirchen aus. Schon der damals häufig verwandte Begriff „Kleinkinderschule“ deutet an, dass der Bildungsgedanke mindestens von ebenso großer Wichtigkeit war wie der soziale Aspekt der Betreuung.

Gerade aus der Sicht des christlichen Glaubens geht es darum, durch die Arbeit der christlichen Kindertagesstätten einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit zu leisten. Ausgehend von dem Gedanken, dass jedem Menschenleben der gleiche Wert und die gleiche Würde vor Gott zukommen, engagiert sich die Kirche in ihrem Bildungshandeln dafür, dass Menschen im Alltag ihres Lebens auch tatsächlich gleiche Chancen erhalten.

Chancengerechtigkeit muss sich weiterhin konkretisieren an der Qualität der Begegnung zwischen unterschiedlichen Nationen, Religionen und Kulturen, die sich in der alltäglichen Praxis vieler Kindertagesstätten auf vielfältige Weise vollzieht. Ein evangelisches Bildungsverständnis schließt den Respekt vor anderen Religionen ein. Für evangelische Kindertagesstätten können Kinder, die in ihrem Leben prägende Erfahrungen mit Migration gemacht haben, eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung sein. Oft ist die Sicht leider durch Defizitzuschreibungen bestimmt. Dem sollte der Blick auf die von diesen Kindern erworbenen Fähigkeiten im Umgang mit kulturellen Herausforderungen gegenüber gestellt werden.

Die alltägliche Praxis des Umgangs mit solchen Herausforderungen im Frankfurter Gallus beeindruckte. Sie ist christliche Bildung im besten Sinne.

Amen.

Lied: EG: 577, 1-3

Mitteilungen:

Gebet:

Gott, du bist die Quelle unseres Lebens.

Du hast uns unsere Würde gegeben,

du liebst und wie ein Vater,

du kümmerst dich um uns wie eine Mutter.

Manchmal spüren wir, dass wir dein Ebenbild sind.

Du willst, dass wir Leben in Fülle haben.

Wir bitten dich um deineKraft,

die uns ermutigt zum Leben,

die uns verbindet in Gemeinschaft untereinander

und uns freimacht für eigene Wege.

Du Gott ohne Grenzen,

vor dir wollen wir unsere Gedanken und Träume ernst nehmen.

Mit dir sehnen wir uns nach Gerechtigkeit und Frieden für unsere Welt und für unser Zusammenleben.

Damit aus Anklagen neues Leben wachsen kann.

Wenn du, Gott, uns hilfst,

dann werden wir uns nicht zerstreiten,

dann können wir als deine Töchter und Söhne auf dieser Erde den Himmel säen.

Dann wird aus unserer Wüste ein Garten des Lebens.

Gott, lass in unserem Tun und Reden,

in unseren Träumen und in unserem alltäglichen Leben

deine Kraft wirksam sein,

darum bitten wir dich.

Und gemeinsam beten wir

mit den Worten die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 590

Giganten, Kentauren und Amazonen

Evangelisches Frankfurt September 2008

Giganten, Kentauren und Amazonen

Wer kennt nicht die Sagen des klassischen Altertums: Giganten, Kentauren und Amazonen, Ödipus und Antigone, Paris und Helena – den Griechen waren sie mehr als mythische Gestalten, sie waren Vorfahren, die kultisch verehrt wurden. Häufig wurden Mythen auch im Bild dargestellt. Ein unerschöpfliches Reservoir solcher Darstellungen bieten Keramikgefäße aus dem 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert. Eine Auswahl zeigt das Archäologische Museum, Karmelitergasse 1, noch bis zum 19. Oktober. Zugleich werden illustrierte Kinderbücher aus vier Jahrhunderten aus der Staatsbibliothek zu Berlin ausgestellt. Denn ab dem 17. Jahrhundert entwickelte sich eine eigens für Kinder geschriebene Literatur, die ihnen nicht nur Begriffe von Gut und Böse vermittelte, sondern auch den Grund legte für ein Verständnis von Kunst und Literatur. Zudem entwickelte sich seit dem 18. Jahrhundert eine spezielle „Mädchenliteratur“, die die antiken Mythen in ‚schonender’, das heißt inzensierter Form erzählte.

Die sorgfältige Illustrierung der Bücher zeigt, wie groß das Bemühen um eine kindgerechte Vermittlung war. Dabei lässt sich der Wandel der bildlichen Gestaltung nachvollziehen, von Holzschnitten über kolorierte Kupferschnitte und Chromolithographien hin zu modernen Kinderbuchillustrationen. Die Ausstellung will zu einer erneuten Beschäftigung mit den antiken Mythen anregen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Spaß an Finanzen und Musik

Evangelisches Frankfurt September 2008

Spaß an Finanzen und Musik

Seit Jahrzehnten prägt Burkhard Sulimma die Frankfurter Kirche mit. Nun geht der Schwanheimer Pfarrer in Ruhestand. Als Finanzexperte bleibt er dem Evangelischen Regionalverband jedoch erhalten.

Burkhard Sulimma war fast drei Jahrzehnte Pfarrer in Schwanheim. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Burkhard Sulimma war fast drei Jahrzehnte Pfarrer in Schwanheim.
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Musik und Mathematik haben mehr gemeinsam als man gemeinhin denkt: Beide basieren auf den Gesetzen der Logik. Vielleicht ist dies das Geheimnis des Schwanheimer Pfarrers Burkhard Sulimma. Der Theologe verstand es immer, vermeintliche Gegensätze zu vereinbaren. Wenn er zurückblickt, wird sofort der Musikliebhaber und Sänger, aber auch der Finanzexperte sichtbar.

Seit bald drei Jahrzehnten bestimmt Sulimma die Geschicke der Frankfurter Kirche mit. Er gehörte von 1980 bis 1991 dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes an, ist seit 1991 im Finanzausschuss der Regionalversammlung und seit vielen Jahren dessen Vorsitzender. Diese Kompetenz nutzte auch die Landeskirche. Zwölf Jahre lang war Sulimma Delegierter in der Synode – und natürlich auch dort im Finanzausschuss.

Zu verdanken hat Sulimma diese Kompetenz einem anderen Gegensatz. Vor seiner Zeit als Pfarrer war er Politiker. Als Fraktionsassistent der SPD war er im Römer zuständig für Kultur, Schule und Freizeit. „Da musste ich mich intensiv auf die Haushaltsdebatten vorbereiten, also war es fast zwangsläufig, dass ich mich auch in der Kirche mit den Finanzen auseinandersetzte.“ Und schmunzelnd fügt er hinzu: „Es macht auch Spaß zu schauen, wo wird was versteckt.“

Viele Funktionen hatte Sulimma inne. Eine besondere Herausforderung war sicher die zweijährige Leitung des Stadtjugendpfarramtes Anfang der 80er Jahre. Sulimma war viele Jahre Vorsitzender des Vereins für Jugendsozialarbeit, der zahlreiche Jugendhäuser betreibt. Die Entwicklung der Kirche, die ständigen Reformen, kommentiert er mit Humor und Altersweisheit: „Seit dreißig Jahren läuft der Prozess des Stellenabbaus. Wir können machen, was wir wollen. Wir kriegen die Kirche nicht kaputt.“ Und fügt ernster hinzu: „Das Evangelium ist nicht abhängig von Strukturdebatten.“

Kritisch geht Sulimma mit dem eigenen Berufsstand um. So habe er in der Synode vorgeschlagen, Pfarrer nur noch als Angestellte einzustellen und nicht wie bisher als Kirchenbeamte. Auch könnten die Bezüge abgesenkt werden. „Lieber den Pfarrern weniger zahlen und dafür eine größere Anzahl einstellen“, meint Sulimma. Schließlich werde man ja nicht Pfarrer des Gehalts wegen. Aber solche Vorschläge kamen nicht gut an. Da würde keiner mehr Theologie studieren, habe man ihm entgegengehalten.

Die nahe Zukunft kirchlicher Strukturen in der Großstadt sieht Sulimma in größeren Gemeinden: Um die 10000 Mitglieder hält er für sinnvoll, derzeit sind es im Durchschnitt etwas mehr als
2000. Wie die städtische Entwicklung weitergehen wird, lasse sich aber nicht genau vorhersagen. Stadtteile wie Schwanheim mit hoher Lebensqualität würden für Familien wohl immer attraktiver. „Schließlich kann man von hier aus mit dem Fahrrad 100000 Arbeitsplätze erreichen.“

Burkhard Sulimma wird auch im Ruhestand die Geschicke seiner Kirche mitgestalten. So gehört er den Verwaltungsräten der Diakoniestiftung, der Kirchenstiftung und der Versorgungsstiftung, die das Vermögen für die Pensionäre verwaltet, an. Auch der Evangelische Regionalverband sicherte sich weiterhin die Kompetenz des Finanzexperten: Sulimma wurde in die Regionalversammlung berufen, damit er auch im Ruhestand dem Finanzausschuss vorstehen kann.

Kurt-Helmuth Eimuth