"Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

„Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Mit Politikerbesuchen hat man inzwischen schon Erfahrung im Gallusviertel. Nachdem Bundeskanzlerin und Ministerpräsident schon da waren, kündigte sich im Januar der Hessische Innenminister Volker Bouffier an und besuchte die evangelische Versöhnungs-Kindertagesstätte.

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor. | Foto: Rolf Oeser

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor.
Foto: Rolf Oeser

„Man hat mir im Ministerium gesagt, da musst du unbedingt hin.“ Regelmäßig besuche er Kindertagesstätten, denn als Innenminister sei er ja auch für Integration zuständig, so Bouffier. Und so informierte er sich über das Projekt „Frühstart“, eine besondere Form der frühkindlichen Sprachförderung. Kita-Leiterin Birgit Liebow hob hervor, dass insbesondere die „Elternbegleiter“ eine besondere Qualität darstellen. Sie sind selbst mehrsprachig und ebnen Kindern den Weg in das deutsche Bildungssystem.

Kurt-Helmuth Eimuth

Attraktives Fastfood – Esoterik spricht vor allem Frauen an

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Attraktives Fastfood
Esoterik spricht vor allem Frauen an

„Du musst vertrauen. Du bist ein wunderbares Kind Gottes.“ Es sind Sätze wie diese, die nach Meinung der evangelischen Weltanschauungsbeauftragten Annette Kick vor allem Frauen ansprechen. „Sie haben das Bedürfnis nach Anerkennung, danach, gesehen zu werden als einzigartige Person, die interessant, wertvoll, wichtig ist, ohne dass sie für jemanden Funktionen erfüllt.“

Gerade Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren hätten häufig Sehnsucht nach Anerkennung und einem erfüllten Leben, stellte die württembergische Pfarrerin bei einer Veranstaltung im Haus am Dom heraus. „Familienfrauen erleben sich macht- und einflusslos. Sie haben zu reagieren auf Anforderungen anderer und sehen wenig eigene Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten.“

Nach der Abnabelung der Kinder stoßen dann esoterische Angebote in das Vakuum und versprechen, dass man mit dem richtigen Bewusstsein alles erreichen könne, so Kick. Selbst der Weltfriede sei durch das Meditieren derer, die ihr Bewusstsein weiterentwickelten, erreichbar. Frauen stoßen sich häufiger als Männer an der „Entzauberung der Welt“ durch Wissenschaft und Technik. Viele suchen nach einem Zugang, der ihre eigenen Intuitionen ernst nehme.

Die Esoterik mache ihnen vor allem im Bereich der Medizin und der Spiritualität Angebote. So erlebten viele Frauen die Schulmedizin als ignorant. Ihr Gefühl und ihr Wissen von ihrem Körper werde nicht ernst genommen. Demgegenüber gingen esoterische Heilerinnen und Heiler auf die Lebenssituation von Frauen ein. Dass dabei oft völlig unrealistische Heilsversprechen gemacht würden und die Ursachen für einen möglichen Misserfolg im mangelnden Bewusstsein der Frau selbst gesucht würden, was wiederum weitere Schulungsprogramme erfordere, sei den Patientinnen zunächst nicht deutlich.

Auch die Kirche mache diesen Frauen kein überzeugendes Angebot. „Mit Recht klagen spirituell hungrige Frauen über die Verkopftheit der Gottesdienste, über Dogmen und Rituale, die mit ihrem Leben nichts zu tun haben“, urteilte Kick. In Kirchengemeinden würden diesen Frauen statt spiritueller Nahrung oft nur helfende Dienste, etwa beim Gemeindefest oder Basar, angeboten. Da komme das „esoterische Fastfood“ anders daher. Kick über einen solchen Erfahrungsweg: „Die spirituelle Meisterin hat der Frau von den Engeln ausgerichtet, welch besondere Seele in ihr wohne, und dass es höchste Zeit sei, diese verkümmerte Seele zu retten, zu nähren, zu entwickeln. Und nach kurzer Zeit konnte auch sie schon kosmische Energien bewegen.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Stiftungen helfen schon seit 1531

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Stiftungen helfen schon seit 1531

Die erste Frankfurter Stiftung, der heute noch existierende „Almosenkasten“, wurde bereits 1531 gegründet. Wie vielen mittelalterlichen Stiftungen lag ihm der Gedanke des Almosens zugrunde. Der Name deutet auch auf die Form des Spendens hin: Vermutlich stand tatsächlich eine Truhe in einer Kirche, in die man seine Gabe hineinwarf.

Nach der Trennung von Staat und Kirche blieb dieser „allgemeine Almosenkasten“ bei der Stadt. Noch heute werden aus diesem Vermögen Mittel für soziale Zwecke aufgewandt. Die evangelisch-lutherische Kirche gründete dann 1828 ihren eigenen, den Evangelischen Almosenkasten. Im Beschluss des Gemeindevorstands heißt es: „Dieser neu errichtete Almosenkasten bildet eine Sektion des Evangelisch-Lutherischen Gemeindevorstands und hat die von letzterem im Betreff der Einrichtung und Verbesserung des lutherischen Armenwesens gefassten Beschlüsse zum Vollzug zu bringen.“ Man wollte also die Unterstützung bedürftiger Personen für die evangelisch-lutherischen Gemeindemitglieder weiterführen. Die Katholiken und die Reformierten gründeten in der Stadt ähnliche Stiftungen.

Dieser evangelische „Almosenkasten“ existiert ebenfalls noch heute als eine Stiftung und wendet Mittel auf, um bedürftigen Menschen, die die Gemeinden benennen, eine einmalige oder regelmäßige Unterstützung zukommen zu lassen. Das Kapital beträgt etwa 500000 Euro, sodass etwa fünfzig Personen durch die ausgeschütteten Zinsen Unterstützung erfahren können. Der Gemeindebezug ist für Michael Frase, den Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, besonders wichtig, da der Pfarrer oder die Pfarrerin die tatsächliche Notlage bestätigen können.

Im Lauf der Jahrhunderte haben sich die Motive für die christliche Unterstützung der Bedürftigen verändert, betont Frase: „Mitleid und Barmherzigkeit gab es selbstverständlich zu allen Zeiten, aber viele Stiftungen sind aus dem Verständnis einer Werkgerechtigkeit entstanden – man wollte sich mit guten Werken den Himmel verdienen.“ Es sei eine Errungenschaft von Humanismus und Reformation, diesen Verdienstgedanken überwunden zu haben. „Soziales Handeln wurde auf die Ursprünge gelebter Nächstenliebe und auf die sozialen Normen und Werte einer humanistischen Idealen verpflichteten Gesellschaft hingeführt.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Wie soziale Arbeit organisiert ist

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Wie soziale Arbeit organisiert ist

Soziale Arbeit will organisiert sein. Da sie für das Gemeinwohl besondere Bedeutung hat, hat der Gesetzgeber verschiedene Organisationsformen vorgesehen und sie von der Zahlung von Steuern weitgehend befreit.

Beim Eingetragenen Verein (e.V.) beantragen mindestens sieben Personen mit einer Satzung die Eintragung in das Vereinsregister. Die Gemeinnützigkeit und damit das Privileg, steuerabzugsfähige Spenden anzunehmen, bescheinigt das Finanzamt. Ein Verein darf kein Geld anhäufen, denn sein Zweck ist es, das gesammelte Geld gezielt dem Vereinszweck zuzuführen.

Die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) ist dagegen eine Organisationsform, die kontinuierliches professionelles Handeln ermöglicht. Allerdings darf auch sie keine Gewinnabsicht verfolgen. Auch in diesem Fall bescheinigt das Finanzamt die Ge­meinnützigkeit.

Eine Stiftung wiederum ist auf Dauer angelegt. Das Kapital darf nicht ausgegeben werden, sondern bildet einen Grundstock, um aus Zinsen und anderen Kapitalerträgen den Stiftungszweck erfüllen zu können. Über die Verwendung der Gelder wacht die staatliche Stiftungsaufsicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Soziale Arbeit für Zukunft sichern

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Soziale Arbeit für Zukunft sichern
Evangelische Diakoniestiftung ins Goldene Buch eingetragen

„In einer Zeit, da selbst Banken als Bettler auftreten, wagt es der Evangelische Regionalverband, Geld auf Dauer für bestimmte wohltätige Zwecke festzulegen“, freute sich Stadtrat Christof Warnke aus Anlass der Eintragung einer neuen Frankfurter Diakoniestiftung ins Goldene Buch der Stiftungen im Frankfurter Römer. Die Stiftung soll dazu beitragen, die soziale Arbeit der evangelischen Kirche in Frankfurt langfristig zu sichern und vom Kirchensteueraufkommen unabhängiger zu machen.

Stadtrat Christof Warnke - sitzend - freut sich über eine weitere Stiftung in Frankfurt: Pfarrerin Esther Gebhardt, Karsten von Köller und Pfarrer Michael Frase vom Stiftungsvorstand der neuen Diakoniestiftung sowie Pfarrer Burkhard Sulimma von deren Verwaltungsrat - stehend von links nach rechts - bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stiftungen im Römer. | Foto: Rolf Oeser

Stadtrat Christof Warnke – sitzend – freut sich über eine weitere Stiftung in Frankfurt: Pfarrerin Esther Gebhardt, Karsten von Köller und Pfarrer Michael Frase vom Stiftungsvorstand der neuen Diakoniestiftung sowie Pfarrer Burkhard Sulimma von deren Verwaltungsrat – stehend von links nach rechts – bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stiftungen im Römer.
Foto: Rolf Oeser

Der Regionalverband überträgt ihr dafür ein Barvermögen in Höhe von 1,5 Millionen Euro und hofft auf weitere Zustiftungen engagierter Bürgerinnen und Bürger. „Die Stiftung soll dazu beitragen, Schwerpunkte in der Arbeit der Kinder-, Jugend- und Familienbetreuung zu setzen sowie Hilfeleistungen für Menschen in Lebenskrisen, für Menschen mit Behinderungen, für Menschen, die auf medizinische Hilfe und Pflege angewiesen sind, zu erbringen“, erläuterte Pfarrer Michael Frase, Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt. „Des Weiteren will sie die Möglichkeit eines selbst bestimmten Lebens im Alter sowie in der letzten Lebensphase schaffen.“

Aus Erbschaften der evangelischen Blindenarbeit, die eine Zweckbindung haben, werden Hilfen für blinde und sehbehinderte Menschen finanziert. Frase kündigte an, dass auch eine Unterstiftung zur Förderung der Hospizarbeit in der evangelischen Kirche eingerichtet werden soll.

Nach Überzeugung von Stadtrat Warnke zeigt der Evangelische Regionalverband mit seiner Initiative ein Vertrauen, nach dem heute allenthalben Ausschau gehalten werde. Er wies darauf hin, dass Frankfurt die „Stiftungshauptstadt“ Deutschlands sei. Immerhin verwalten am Main 470 Stiftungen den Betrag von sechs Milliarden Euro, was mehr als das Doppelte des Frankfurter Jahresetats ist.

Für Frase ist die Diakoniestiftung eine moderne Organisationsform für diakonisches Handeln: „Man kann sagen, dass sie die moderne zeitgemäße Interpretation der Ausrichtung des Handelns auf die Not des Nächsten ist, wie sie uns im Neuen Testament grundlegend erklärt und als Aufgabe aufgegeben wird.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

Evangelisches frankfurt Februar  2009

Kommentar:
Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

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Bildung ist entscheidend. Deshalb ist es gut, dass die Politik in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerade hier investiert. So manche Schule wartet seit Jahrzehnten auf Sanierung. Da ist jeder Euro aus dem Konjunkturprogramm gut angelegt. Doch nicht nur die Gebäude müssen in Ordnung gebracht werden. Auch die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Die Klassen sind zu groß, die Ausstattung ist schlecht. Der Markt hat längst reagiert. Fast jedes sechste Kind in Frankfurt besucht eine Privatschule. Tendenz steigend.

Die Kehrseite der Medaille: Wenn Schulnoten höchsten Stellenwert bekommen, spüren die Kinder das. Beste Noten werden zur Norm. Wer mittelmäßig oder gar schlecht ist, gehört nicht mehr dazu. Und Kinder können brutal sein. Auch im Ausgrenzen.

Doch Schulnoten sagen nichts über Bildung aus. Leider ist die Schule immer mehr dazu übergegangen, Wissen abzufragen. Das eingeführte Zentralabitur fördert dies. Abfragbares Wissen ist sicher nicht schlecht, aber eben nur ein Teil von Bildung. Bildung ist Verstehen im umfassenden Sinne. Zusammenhänge begreifen und kritisch zu reflektieren gehört ebenso dazu wie Fußball- oder Gitarrespielen. Soziale Kompetenz ist heute auch in Unternehmen eine Schlüsselqualifikation. Die lässt sich aber nur sehr eingeschränkt in der Schule vermitteln oder gar im Zeugnis ablesen.

Es ist jedoch zu befürchten, dass der eingeschlagene Weg der Wissensvermittlung, das Eintrichtern, landespolitisch beibehalten und sogar auf den Kindergarten übertragen wird. Das von der FDP ultimativ geforderte Vorschuljahr lässt diesbezüglich nichts Gutes ahnen. Ein gemeinsames Abendessen kann aber mehr Bildung vermitteln als so manche Unterrichtsstunde. Rücksichtnahme, das Einhalten von Regeln und anregende Gespräche über Gott und die Welt bilden die Grundlagen für das Verstehen von Zusammenhängen. Schade, dass viele Familien den Ritus des täglichen gemeinsamen Essens nicht mehr kennen.

Eines gilt leider immer noch: Der Zugang zu den Gymnasien wird in der vierten Klasse über die Noten gesteuert. Finnland und andere Staaten zeigen, dass dies ein Irrweg ist. Er setzt schon Zehnjährige unter Leistungsdruck, dem manche Eltern mit der Gabe von Beruhigungsmitteln begegnen. Dieses Aussortieren ist bildungspolitischer Unsinn und muss aufhören. Der Kinder wegen. Die brauchen Zeit zum eigenen Forschen, sie brauchen ihre Zeit zum Lernen und zum Aneignen der Welt. Vertrauen wir ihrem Interesse, ihrer Intelligenz. Dazu bedarf es keiner Noten.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Es wird Spannungen geben“

Evangelisches Frankfurt Dezember 2008

„Es wird Spannungen geben“
Der Islam-Reformer Tariq Ramadan in der Matthäuskirche

Die Matthäuskirche war an diesem Abend gut gefüllt. Auch zahlreiche Muslime waren in den Sakralraum gekommen, um Tariq Ramadan zu hören und zu sehen. Der charismatische Redner, ein Enkel des Gründers der radikal-islamischen Muslimbuderschaft, ist in Genf aufgewachsen und gilt als prominenter, wenn auch umstrittener Vertreter eines „europäischen“ Islam.

Der umstrittene Reformer Tariq Ramadan warb in der Matthäuskirche für einen europäischen Islam. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Der umstrittene Reformer Tariq Ramadan warb in der Matthäuskirche für einen europäischen Islam.
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Pfarrer Johannes Hermann von der Hoffnungsgemeinde wies zu Beginn darauf hin, dass in einem Stadtviertel wie dem rund um den Frankfurter Hauptbahnhof, wo „achtzig Prozent Muslime leben“, die Auseinandersetzung mit dem Islam besonders notwendig sei. Tariq Ramadan betonte, dass die heute in Europa lebenden Muslime nicht mehr isoliert in der Gesellschaft lebten. Sie seien vielmehr ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Und mit Blick auf Europa sagte er: „Wir brauchen Migration, aber es wird Spannungen geben zwischen den Einwohnern und den Migranten.“ Deshalb sei ein „tiefer Dialog“ notwendig, der von gegenseitigem Respekt geprägt sein sollte. „Unsere Zukunft ist eine gemeinsame Zukunft“, ist Ramadan überzeugt.

Anlass des Gesprächs war die Vorstellung einer Biographie, die Nina zu Fürstenberg soeben veröffentlicht hat. Die Autorin schilderte, dass Ramadan von verschiedenen politischen Kräften sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Während ihn westliche Geheimdienste beobachten und die USA ihm ein Einreiseverbot erteilten, hatte ihn Tony Blair als Berater in seine „Task Force“ für Terrorismus- und Integrationsfragen berufen.

Ramadan gilt als Reformer, der die Grundlagen für einen zukünftigen Islam aber gleichwohl in den traditionellen Quellen sucht. Doch dieser Weg irritiert auch. Am deutlichsten wurde das, als Ramadan lediglich für ein Moratorium bei körperlichen Strafen wie etwa der Steinigung von so genannten „Ehebrecherinnen“ eintrat.

Schade nur, dass Ramadan und die anderen Diskutanten an diesem Abend sehr unter der schlechten Kirchenakustik und mangelnden Absprachen, was die Übersetzung anging, zu leiden hatten. Denn von ihm wird man noch hören.

Kurt-Helmuth Eimuth

Vom Sinn des Schenkens

Evangelisches Frankfurt Dezember 2008

Vom Sinn des Schenkens

Bis zum Weihnachtsfest sind es nur noch wenige Wochen. Der Endspurt hat begonnen. Jedes Jahr die gleiche bohrende Frage: Was bekommt wer zu Weihnachten geschenkt? Besonders schön ist Selbstgebasteltes. Doch vor allem soll das Schenken – ebenso wie das Beschenktwerden – Spaß machen.

Warum will man Tante Erna und Onkel Willi etwas schenken, wenn diese doch selbst sagen, sie hätten schon alles? Da landet man dann schnell wieder mal bei der Seidenkrawatte und dem schönen Seifenpräsent in Geschenkpackung. Verzweiflung pur.

Oder es geht um Gegengeschenke: Haben wir nicht im letzten Jahr von den Nachbarn etwas vor die Tür gelegt bekommen? Da müssen wir dieses Jahr auch im gleichen Wert etwas schenken. Denn einseitiges Beschenktwerden beschämt. Wirklich? Das Schenken sollte doch eigentlich ein selbstloser Akt sein. Sicher hofft man, dass der Beschenkte sich freut. Aber eine gegenseitige Aufrechnung des Warenwertes gehört nicht dazu.

Auch in Kirchengemeinden kann man zusammen mit anderen Adventsschmuck basteln – so wie die siebenjährige Lara, die im Kinder- und Jugendtreff Nieder-Eschbach einen Button mit einem Weihnachtsbaum verziert hat. | Foto: Rolf Oeser

Auch in Kirchengemeinden kann man zusammen mit anderen Adventsschmuck basteln – so wie die siebenjährige Lara, die im Kinder- und Jugendtreff Nieder-Eschbach einen Button mit einem Weihnachtsbaum verziert hat.
Foto: Rolf Oeser

Menschen schenken anderen etwas, um ihnen eine Freude zu machen oder auch um ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. So gibt es in allen Religionen den Brauch des Schenkens an Bedürftige. Seit ungefähr 600 Jahren gibt es im Christentum die Bescherung an Weihnachten. Bis dahin brachte der Nikolaus am 6. Dezember die Gaben. Mandarinen, Nüsse, Äpfel und Süßigkeiten finden sich auch heute noch am Nikolaustag im Stiefel. Die großen Geschenke aber gibt es erst am Heiligen Abend. Das führt man auf einen römischen Brauch zurück: Vor 2000 Jahren feierten die Römer am Ende des Jahres die so genannten Saturnalien zu Ehren des Gottes Saturn. Während dieser Feiern machten die reicheren Leute denen, die nicht so viel Geld hatten, Geschenke. Damit wollten sie auch zeigen, wie wohlhabend sie waren.

Den eigenen Reichtum zur Schau stellen zu wollen, ist sicher kein edles Motiv. Anderen eine Freude zu bereiten, so wie die Geburt Jesu nach christlichem Glauben ein Geschenk an die Menschen ist, ist dagegen aller Ehren wert. Dabei kommt es oftmals viel mehr auf das Signal „Ich habe an dich gedacht“ als auf den materiellen Wert an. Es hat seinen Grund, dass kleine Basteleien zu Weihnachten nach wie vor hoch im Kurs stehen. Eine andere Möglichkeit ist, einfach etwas Zeit zu verschenken – für einen Kino- oder Theaterbesuch oder für ein Wochenende in der Rhön. Für die, die beim traditionellen Hantieren mit Goldfolie und Walnusshälften so ihre Schwierigkeiten haben, bietet die neue Technik der Digitalfotografie zahlreiche Möglichkeiten, kreativ gemeinsame Erinnerungen in Fotobüchern oder eigenen Collagen festzuhalten.

Und auch sozial verantwortliche Geschenke können Freude bereiten. Warum nicht ein Los der ARD-Fernsehlotterie? Gewinnchance inklusive.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Der Religion geht es nicht um Gefühle, sondern um die Wahrheit”

Evangelisches Frankfurt Dezember 2008

Der scheidende Kirchenpräsident Peter Steinacker spricht mit „Evangelisches Frankfurt“ über das Wesen der Religion, künftige Probleme für die Kirche und die Herausforderung, die der Islam und der Buddhismus für das westliche Christentum bedeuten.

Herr Steinacker, Ihre Amtszeit war von einem großen Neustrukturierungsprozess und letztlich dem Zurückgehen der Kirchensteuern geprägt. Auch wenn im Moment die Kassen voll sind, wie sieht die Zukunft der Kirche aus?

Unsere größte Problematik ist die demografische Entwicklung. Daran können wir nichts ändern. Das andere ist eine neue Form von Religiosität, die nicht mehr nach Inhalten und nach Wahrheit fragt, sondern sich mit der subjektiven Präsentation des eigenen Glaubens beruhigt. Dagegen ist es unsere traditionelle Überzeugung, dass es im christlichen Glauben und in der Religion überhaupt um Wahrheit geht. Das heute plausibel zu vermitteln, ist eine schwierige geistliche Aufgabe.

Sehen Sie ein Wiedererstarken einer gewissen Religiosität, die aber keine Kirchlichkeit ist?

Ja. Und diese Religion sieht anders aus als die Religion, die ich noch als Junge von meinen Eltern oder von meinen Pfarrern oder auch von gesellschaftlichen Diskursen her gewohnt war.

Ist das eine Religion der Selbstinszenierung, der Selbstvergewisserung?

16 Jahre lang war Peter Steinacker Kirchenpräsident in Hessen und Nassau, der Landeskirche, zu der auch Frankfurt gehört. Im Januar geht er in den Ruhestand. | Foto: Rolf Oeser

16 Jahre lang war Peter Steinacker Kirchenpräsident in Hessen und Nassau, der Landeskirche, zu der auch Frankfurt gehört. Im Januar geht er in den Ruhestand.
Foto: Rolf Oeser

Das ist richtig. Selbstvergewisserung ist zunächst ein positives Stichwort, denn ohne Gewissheiten kann kein Mensch handeln. Auch der christliche Glaube ist dazu da, das Selbst eines Menschen zu stärken. Problematisch wird es, wenn diese persönliche Bestärkung dann genug sein soll. Und wenn das einzige Kriterium für die Echtheit oder die Wahrheit einer Religion die Form der Präsenta­ tion ist. Gegen diesen Trend muss die Kirche argumentieren und auch Menschen prägen, vom Kindergarten an.

Ist denn eine Konsumgesellschaft wie die unsere nicht zwangsläufig eine der Selbstinszenierung? Es werden in Wahrheit nicht Waren, sondern Gefühle verkauft?

Ja. Aber das Problem dabei ist, dass auch Gefühle zu Waren werden. Das habe ich schon im Studium bei Adorno gelernt: Der Warencharakter prägt sich tief bis in die Verästelungen unserer Seelen ein. Dagegen hilft nur theologische Kritik.

Eine andere große Herausforderung ist sicherlich der Islam. Ist der Islam eine Gefahr für das Christentum?

Ja und Nein. Die Integration des Islam ist gesellschaftlich eine große Herausforderung, denn viele seiner Traditionen sind in eine säkulare Gesellschaft, wie sie das Grundgesetz voraussetzt, nicht einfach übertragbar. Die Menschen, die auf Dauer bei uns und mit uns in Europa leben wollen, müssen sich in vielerlei Hinsicht verändern. Zugleich muss sich auch unsere Gesellschaft dauerhaft verändern, damit Integration überhaupt gelingt.

Wir werden lernen, mit Menschen anderer Religionen in neuartiger Weise zusammenzuleben. Das sind wir nicht gewohnt. Aber das ist unsere Zukunft, denn die Menschen islamischen Glaubens haben Religionsfreiheit wie wir, und man darf sie ihnen nicht vorenthalten. Theologisch kommt es sehr darauf an, wie man miteinander tolerant umgeht. Bei den fundamentalistischen Gruppierungen sowohl im Islam als auch im Christentum wird man dabei nichts erreichen. Anders ist es mit den gesprächsbereiten Muslimen. Hier plädiere ich dafür, dass wir mit ihnen in einem offenen und zugewandten Dialog bleiben, der die Differenzen klar benennt und von gegenseitiger Achtung lebt.

Für viel schwieriger halte ich aber die stille und fast unmerkliche Mission seitens des östlichen Buddh­ ismus im Westen. Beim Islam erkennt man schnell die Differenzen. Beim Buddhismus ist das viel komplizierter, weil er sich in seinen Schattierungen viel leichter mit anderen Religionen verbinden kann, so dass Differenzen gar nicht auffallen. Jürgen Klinsmann stellt Buddha-Statuen in die Kabine von Bayern München und erwartet davon „Good Vibrations“. Das ist fernöstliche Magie im postsäkularen Westen! Schon ein starkes Stück! Und es zeigt, was da Neues passiert. Ein anderes Beispiel sind die Verschiebungen in der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Viele Menschen halten mittlerweile die östliche Vorstellung von einer Reinkarnation für viel plausibler als die christliche Hoffnung von der Auferstehung der Toten, und sie halten sie manchmal sogar für eine christliche Denkmöglichkeit.

Wobei diese Vorstellung falsch ist, da die Wiedergeburt im Buddhismus keine Erlösung ist, sondern eine Strafe.

Hier zeigt sich, wie Versatzstücke verschiedener Religionen und Weltdeutungen zu etwas Neuem verknüpft werden. Bei der Wiedergeburt ist der Einfluss der Anthroposophie erkennbar. Sie hat diese fernöstliche Vorstellung in die eigene Welttheorie integriert und umfunktioniert. Bei ihr wird die Welt zur Schule, die Seelenwanderung zum Erziehungsmodell. Früher haben wir mit Schulen (Bildung), Krankenhäusern (Heilung) und Gottesdiensten den Osten missioniert. Jetzt kommen diese Missionsmethoden im Gewand der östlichen Religionen zu uns zurück. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Damit werden wir noch viel zu tun haben.

Wir haben in Frankfurt zu viele kirchliche Gebäude. Die Auseinandersetzung um die Matthäuskirche erfährt bundesweites Interesse. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Den vom Evangelischen Regionalverband in Frankfurt eingeschlagenen Weg, die Zahl kirchlicher Gebäude zu verringern, halte ich für leider nicht zu vermeiden. Als ich in Frankfurt aufgewachsen bin, waren wir 440000 Evangelische. Jetzt sind wir knapp 140000, haben aber nahezu die gleiche Zahl an Gemeinden und Kirchen. Wir müssen vermutlich einige Kirchen aufgeben. Neue Gemeindestrukturen können ja auch eine Chance sein und neuen Schwung bringen. Was ich dabei vermeiden möchte, ist die Abgabe von Kirchen an andere Religionsgemeinschaften, denn die Gebäude haben eine Geschichte und eine theologische Ästhetik, die man ihnen ansieht, und die dann für Irritationen sorgen würden.

Die Position der Evangelischen Kirche in Deutschland ist glasklar: Lieber abreißen als eine Kirche in eine Moschee umwandeln.

Diese Auffassung teile ich. Nicht, weil ich den Muslimen keine Moscheen gönnen würde, sondern weil es für alle besser ist, wenn sie wirklich eigene Moscheen bauen.

Interview: Kurt-Helmuth Eimuth

Jedes Jahr derselbe Stress! Welchen Sinn hat eigentlich das Schenken?

on Kurt-Helmuth Eimuth 1. Dezember 2008

Bis zum Weihnachtsfest sind es nur noch wenige Wochen. Der Endspurt hat begonnen. Jedes Jahr die gleiche bohrende Frage: Was bekommt wer zu Weihnachten geschenkt? Besonders schön ist Selbstgebasteltes. Doch vor allem soll das Schenken – ebenso wie das Beschenktwerden – Spaß machen.

Foto: Rolf Oeser
Foto: Rolf Oeser

Warum will man Tante Erna und Onkel Willi etwas schenken, wenn diese doch selbst sagen, sie hätten schon alles? Da landet man dann schnell wieder mal bei der Seidenkrawatte und dem schönen Seifenpräsent in Geschenkpackung. Verzweiflung pur.

Oder es geht um Gegengeschenke: Haben wir nicht im letzten Jahr von den Nachbarn etwas vor die Tür gelegt bekommen? Da müssen wir dieses Jahr auch im gleichen Wert etwas schenken. Denn einseitiges Beschenktwerden beschämt. Wirklich? Das Schenken sollte doch eigentlich ein selbstloser Akt sein. Sicher hofft man, dass der Beschenkte sich freut. Aber eine gegenseitige Aufrechnung des Warenwertes gehört nicht dazu.

Menschen schenken anderen etwas, um ihnen eine Freude zu machen oder auch um ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. So gibt es in allen Religionen den Brauch des Schenkens an Bedürftige. Seit ungefähr 600 Jahren gibt es im Christentum die Bescherung an Weihnachten. Bis dahin brachte der Nikolaus am 6. Dezember die Gaben. Mandarinen, Nüsse, Äpfel und Süßigkeiten finden sich auch heute noch am Nikolaustag im Stiefel. Die großen Geschenke aber gibt es erst am Heiligen Abend. Das führt man auf einen römischen Brauch zurück: Vor 2000 Jahren feierten die Römer am Ende des Jahres die so genannten Saturnalien zu Ehren des Gottes Saturn. Während dieser Feiern machten die reicheren Leute denen, die nicht so viel Geld hatten, Geschenke. Damit wollten sie auch zeigen, wie wohlhabend sie waren.

Den eigenen Reichtum zur Schau stellen zu wollen, ist sicher kein edles Motiv. Anderen eine Freude zu bereiten, so wie die Geburt Jesu nach christlichem Glauben ein Geschenk an die Menschen ist, ist dagegen aller Ehren wert. Dabei kommt es oftmals viel mehr auf das Signal „Ich habe an dich gedacht“ als auf den materiellen Wert an. Es hat seinen Grund, dass kleine Basteleien zu Weihnachten nach wie vor hoch im Kurs stehen. Eine andere Möglichkeit ist, einfach etwas Zeit zu verschenken – für einen Kino- oder Theaterbesuch oder für ein Wochenende in der Rhön. Für die, die beim traditionellen Hantieren mit Goldfolie und Walnusshälften so ihre Schwierigkeiten haben, bietet die neue Technik der Digitalfotografie zahlreiche Möglichkeiten, kreativ gemeinsame Erinnerungen in Fotobüchern oder eigenen Collagen festzuhalten.

Und auch sozial verantwortliche Geschenke können Freude bereiten. Warum nicht ein Los der ARD-Fernsehlotterie? Gewinnchance inklusive.