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Abschied von der Matthäuskirche

Evangelisches Frankfurt März 2008

Kommentar:
Abschied von der Matthäuskirche

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Die Frankfurter Matthäuskirche, zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, ist inzwischen bundesweit bekannt. Der Kampf einer Gemeinde gegen den Verkauf und möglichen Abriss „ihrer“ Kirche stieß in der Öffentlichkeit auf viel Sympathie. Auf der einen Seite die kleine Gemeinde, auf der anderen die nur auf den schnöden Mammon schauende Institution Kirche – ist das nicht wie der Kampf von David gegen Goliath?

Dieses Klischee wird gerne bedient, auch von Mitgliedern des Kirchenvorstandes. Von Frankfurter Zeitungen begleitet wurde kürzlich unter Tränen das Anti-Verkaufs-Banner von der Mauer des Gotteshauses entfernt. Merkwürdig ist nur: Derselbe Kirchenvorstand hatte doch dem ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Danach soll die Matthäuskirche auch nach einem Verkauf weitgehend erhalten bleiben, die Gemeinde bekommt eine neue Kindertagesstätte und einen Versammlungsraum. Hinter der Kirche kann ein Investor dafür einen 150 Meter hohen Büroturm bauen.

Klar ist, dass die evangelische Kirche in Frankfurt, deren Mitgliederzahl sich in den letzten drei Jahrzehnten halbiert hat, Räumlichkeiten aufgeben muss, wenn die Bauunterhaltungskosten in einem verantwortbaren Rahmen bleiben sollen. Klar ist auch, dass der Verkaufserlös der Matthäuskirche, die auf einem der teuersten Grundstücke der Stadt steht, langfristig ganz wesentlich zur Erhaltung anderer Frankfurter Kirchen beitragen wird. Der Verkaufserlös wird in eine Stiftung fließen, die genau diese Aufgabe hat. Ein anderer Teil des Geldes wird dauerhaft die sozial-diakonische Arbeit der Kirche sichern.

Diese Pläne sind ohne Zweifel vernünftig. Doch an solchen Auseinandersetzungen zeigt sich, dass nicht nur die Vernunft, sondern auch Gefühle eine Rolle spielen, gerade in der Religion. Eine Kirche ist eben etwas Besonderes, auch wenn die protestantische Theologie eigentlich keine „heiligen Orte“ kennt. An Kirchen hängen Erinnerungen, zum Beispiel an Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten. Wenn nun das Abschiednehmen von der Matthäuskirche schmerzlich verläuft, ist das also ein verständlicher Trauerprozess.

Aber aus Abschieden kann auch etwas Neues entstehen, wie die schönen neuen Gemeindezentren an der Jakobskirche in Bockenheim, der Emmauskirche in Eschersheim oder der Lutherkirche im Nordend beweisen. Auch die Hoffnungsgemeinde hat nun die Chance, die Zukunft zu gestalten. Es ist zu wünschen, dass sie sie ergreift.

Kurt-Helmuth Eimuth

Leserbriefe

  1. Datum
    Mai 2008
    Autor
    Rolf Klinkler

    Als Mitglied der Regionalversammlung hat mir der Kommentar über die Matthäuskirche ganz besonders gut gefallen, stecken wir doch mit unserem Gemeindehaus Blauländchenstraße in Zeilsheim in einer ähnlichen Situation.

Nicht immer alles berechnen

Evangelisches Frankurt März 2008

Nicht immer alles berechnen

„Geiz ist geil“– mit diesem Werbeslogan brachten die professionellen Texter einer Elektronikkette das Lebensgefühl der letzten Jahre auf den Punkt. Ausgerechnet für die Fastenzeit ruft die evangelische Kirche nun zur Verschwendung auf.

Seit 25 Jahren fordert die Aktion „Sieben Wochen ohne“ Verzicht. Die alte Tradition des Fastens in der Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag soll damit zeitgemäß wiederbelebt werden. Inzwischen beteiligen sich Jahr für Jahr zwei Millionen Menschen daran. Sie verzichten auf Alkohol, auf Süßigkeiten, auf Fernsehen oder was immer für sie eine besondere Markierung dieser sieben Wochen beinhaltet. Ziel ist es, zu prüfen, was man wirklich für das eigene Leben braucht, was wirklich Lebensqualität ist.

Fasten ist Verzicht. Diese Gleichung ist so alt wie die Religion selbst. Alle Religionen kennen den Verzicht auf leibliche Genüsse als spirituelle Übung. Durch das Verzichten kann eine besondere Konzentration auf die andere Dimension des Lebens möglich werden. Alle großen Religionsstifter haben eine Phase des Verzichts erfahren. Mohammed fastete, bevor ihm der Koran offenbart wurde, Mose stieg auf den Berg Sinai und fastete vierzig Tage, bevor er Gottes Wort empfing, und auch Jesus zog sich vor seinem öffentlichen Wirken vierzig Tage zum Fasten in die Wüste zurück.

Und jetzt: Fasten ist Verschwendung. „Die Menschen in unserer Welt brauchen dringend einen Frühling der Herzen“, schreiben die Initiatoren: „Die ständigen Fragen – was bringt es mir? – die Erwartung, dass man für heute Investiertes schon morgen Erträge bekommen müsse, tötet jede spontane Geste. Eine geizige Welt schlittert in eine zweite, in eine soziale Klimakatastrophe – außen die Erderwärmung, innen die Eiszeit kalter Berechnung.“

Einen Tag verschwenderisch verbringen kann bedeuten: Lange im Bett liegen bleiben, gut frühstücken, ein Buch lesen, den Müßiggang üben; aber auch: einfach zusammen mit den Kindern auf dem Spielplatz sein, Freunde einladen oder jemandem unverhofft Blumen schenken. Aus keinem besonderen Anlass, sondern einfach so, als Geste.

Geiz als Lebensmotto macht arm. Verschwendung von Zeit und Zuwendung macht nicht nur das Leben erträglicher, sondern auch menschlicher. Weitere Informationen und Materialien zur Fastenaktion im Internet auf www.7-wochen-ohne.de oder unter Telefon 58098247.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Auch Pfarrer auf Seiten der Unruhestifter“

Evangelisches Frankfurt März 2008

„Auch Pfarrer auf Seiten der Unruhestifter“

Sie waren aufregend, lebendig, inspirierend: Vor vierzig Jahren sorgten die ‘68er auch in Frankfurter Kirchengemeinden für neue Aufbrüche.

Während die evangelische Jugend zu einem Seminar über die „Annalen des Kolonialismus in Lateinamerika“ einlud, polemisierte Pfarrer Erich Schmidt im Rundbrief der Petersgemeinde gegen die jungen Rebellen: „Es ist beschämend, dass sich auch evangelische Pfarrer und Laien auf die Seite dieser Unruhestifter stellen.“ Die ‘68e–Bewegung vor vierzig Jahren ließ auch die Frankfurter Kirchengemeinden nicht unberührt.

Protest im Karfreitagsgottesdienst 1968: Jochen Krahl vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund besetzt die Kanzel der Frankfurter Peterskirche, um gegen den Mordanschlag auf den Studentenführer Rudi Dutschke zu protestieren. Auf den Plakattexten wird dem Springer-Konzern eine Mitschuld zugesprochen.
Foto: kna

Themen wie Vietnamkrieg, Imperialismus, Dritte Welt oder auch freie Sexualität schwappten, ebenso wie Formen des Protests, aus der Universität herüber. So kam es am dritten Advent 1968 zum Eklat bei, einem so genannten „Go-In“ in der Epi-phaniaskirche im Nordend. Pfarrer Ernst Schäfer versuchte zunächst, den Protest mit Hilfe der Orgel übertönen zu lassen, um dann den Gottesdienst abzubrechen und die ungebetenen Gäste zur Diskussion ins Gemeindehaus zu bitten.

Die Störer hatten sich zuvor in einem neu gegründeten „Politischen Arbeitskreis“ des Stadtjugendpfarramtes zusammengefunden. Später kam es – typisch für diese Zeit – zu einer Spaltung der Gruppe, da man die Aktionsformen unterschiedlich bewertete. Der Arbeitskreis hatte sich zur Aufgabe gesetzt, „das politische Bewusstsein in der evangelischen Jugend und in den Gemeinden durch seine Arbeit zu fördern“, so eine Selbstdarstellung. Doch die meisten Gemeinden lehnten solche Protestformen ab. „Der Arbeitskreis wurde immer radikaler“, erinnert sich Klaus Würmell, der damals Bildungsreferent im Stadtjugendpfarramt war. „Solche Aktionen brachten mich und den Stadtjugendpfarrer Dieter Trautwein durchaus innerkirchlich in Schwierigkeiten.“ Die Folge: Das Stadtjugendpfarramt zog sich aus der Verantwortung für den Arbeitskreis zurück.

Für die Kirche als Institution hatte der Aufbruch der Studenten in der Tat beängstigende Auswirkungen. Die jährliche Austrittsquote schnellte von 0,2 auf 0,8 Prozent der Kirchenmitglieder hoch, gleichzeitig sank der Besuch der Gottesdienste von 15 auf 8 Prozent. Die Kirche war eben ein Teil der „alten Zöpfe“, die es abzuschneiden galt.

Einladung mit Che Guevara: Flyer des „Politischen Arbeitskreises“ im Stadtjugendpfarramt 1968.

Einladung mit Che Guevara: Flyer des „Politischen Arbeitskreises“ im Stadtjugendpfarramt 1968.

Und im Rückblick muss man sagen: durchaus zu Recht. Denn noch 1959 konnte sich der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Otto Dibelius, eine Obrigkeit nur in patriarchalischen Formen denken. Eine demokratisch gewählte Regierung besaß für ihn, da sie prinzipiell abwählbar war, „keine wirkliche Autorität“. Der heutige Ratvorsitzende Wolfgang Huber stellt deshalb fest: „Es war ein weiter Weg bis zur uneingeschränkten Anerkennung der demokratischen Staatsform durch die evangelische Kirche.“ Voll und ganz zur Demokratie bekenne sich die evangelische Kirche in ihrer Gesamtheit erst seit Mitte der achtziger Jahre.

Dass die Kirche 1968 nicht mehr so gefragt war, erlebte auch Hermann Düringer als Theologiestudent. „Plötzlich sprangen Kommilitonen ab und studierten Soziologie.“ Für den heutigen Direktor der Evangelischen Akademie Arnoldshain im Taunus waren jene Jahre eine „lebendige, aufgeregte und inspirierende Zeit.“ Zum Lebensgefühl dieser Tage gehörte auch „der Stolz, wenn man vom Wasserwerfer nass gespritzt worden war “.

Kristallisationspunkt der Proteste in Frankfurt war der Umgang mit „Fürsorgezöglingen“, wie Jugendliche, die in Heimen lebten, damals genannt wurden. Einige Dutzend waren aus dem Heim „Staffelberg“ in Biedenkopf ausgebrochen und lebten nun in Frankfurt. Die spätere RAF-Terroristin Gudrun Ensslin hatte zum „Aufstand der Betroffenen“ aufgerufen. Tatsächlich besaß die Heimunterbringung jener Tage eher Gefängnischarakter.

Aufgeschreckt durch die Proteste suchte man aber auch in den Institutionen nach Alternativen. In Frankfurt zum Beispiel gründete schließlich der Evangelische Volksdienst gemeinsam mit dem Stadtjugendpfarramt und auf Bitten der Stadt in der Altkönigstraße ein „Lehrlingskollektiv“.

Im Umfeld dieses Kollektivs kam es auch zu Begegnungen mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Nach ihrer politisch motivierten Brandstiftung im Kaufhaus Schneider auf der Zeil im April 1968 waren sie zu drei Jahren Haft verurteilt worden, kamen aber durch einen Revisionsantrag zunächst wieder frei und beteiligten sich an der „Heimkampagne“ der außerparlamentarischen Opposition. „Sie wollten das politische Bewusstsein der Lehrlinge entwickeln“, erinnert sich Würmell. Er weiß noch gut, wie er sich damals in den Räumen des Stadtjugendpfarramtes mit Baader ein lautstarkes Rededuell lieferte, während die Pfarrerstochter Ensslin zu vermitteln suchte.

Die gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der ‘68er bewirkten auch in der evangelischen Jugend neue Aufbrüche. Im Jahr 1970 beteiligten sich 1500 junge Leute an einem „Hungermarsch“ und thematisierten die eigene Mitschuld an Verarmung und Krieg. Es entstanden Jugendgottesdienste, Politische Nachtgebete und Auseinandersetzungen mit einer überkommenen Sexualmoral.

Dass Reform eine dauernde Aufgabe ist, gilt als Grundeinsicht evangelischer, reformatorischer Kirchen. Das Lebensgefühl einer ganzen Generation nach 1968 wurde von Willy Brandt in dem Motto zusammengefasst: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.“

Für Bischof Wolfgang Huber ist dies die Schnittmenge zwischen der ‘68er-Bewegung und dem Protestantismus: „Die leitende Grundüberzeugung heißt: Gesellschaft und Kirche müssen immer wieder zu neuen Aufbrüchen bereit sein.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Kurzer Sommer – lange Wirkung: Die Kirche und die 68er

Unter dem Motto „Kurzer Sommer – lange Wirkung“ startet im Mai eine Sonderausstellung im Historischen Museum, die sich mit verschiedenen Aspekten der Studentenunruhen beschäftigt. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, an dem auch die Evangelische Stadtakademie, Am Römerberg 9, beteiligt ist. Unter dem Motto „Protest und Protestantismus“ berichtet dort am Montag, 26. Mai, um 19.30 Uhr der damalige Theologiestudent und heutige Direktor der Evangelischen Akademie Arnoldshain, Hermann Düringer, von seinen Erlebnissen. Kommentiert wird sein Vortrag von der Kabarettistin Hilde Wackerhagen, die 1968 im Frankfurter Weiberrat dabei war. Mehr zur Ausstellung im Historischen Museum unter www.die-68er.de.

Oskar Schindlers letzte Jahre in Frankfurt

von Kurt-Helmuth Eimuth 1. Februar 2008

Oskar Schindler rettet im Nationalsozialismus über 1200 Menschen das Leben. Berühmt wurde er erst nach seinem Tod 1974. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schindler in Frankfurt, als eher  unbekannter Mann, der in einfachen Verhältnissen lebt.

Oskar Schindler im Jahr 1947. Foto: seetheholyland.net/Flickr.com (cc by-sa)
Oskar Schindler im Jahr 1947. Foto: seetheholyland.net/Flickr.com (cc by-sa)

Mit einigem Herzklopfen, so erinnerte sich später der inzwischen verstorbene Frankfurter Propst Dieter Trautwein, stieg er damals die Treppen im Haus Am Hauptbahnhof 4 hinauf. Trautwein hatte den Namen Oskar Schindler 1966 in Israel entdeckt. In Yad Vashem, der Gedenkstätte für die sechs Millionen während des Nationalsozialismus ermordeten Jüdinnen und Juden, standen dieser Name und der Länderhinweis „Allemagne“ an einem Baum in der „Allee für die andersgläubigen gerechten Helfer“.

Wenig später bekam Trautwein für eine „Werkmappe zur Reformation“ die Geschichte jenes Mannes, der über 1200 Menschen vor dem Tode bewahrt hatte, als literarisches Beispiel geliefert. Als Trautwein, der damals Jugendpfarrer in Frankfurt war, schließlich noch den Hinweis bekam, dass Oskar Schindler keineswegs eine literarische Erfindung, sondern eine höchst reale Person sei, die zudem noch in Frankfurt wohne, machte er sich kurzentschlossen auf den Weg. „Oben im letzten Stock an der letzten Tür rechts war tatsächlich ein kleines handgeschriebenes Schild „Oskar Schindler“, so Trautwein.

„Ich klingelte. Ein Mann öffnete. Ich fragte: ‚Heißen Sie…sind Sie…?’ ‚Ja’, antwortete mein Gegenüber. Ich stellte mich vor, und er ließ mich eintreten. Sofort hielt ich ihm die Druckfahnen hin und fragte: ‚Sagen Sie mir bitte, ob das, was hier steht, mit Ihnen zu tun hat?’ Bald schon gab er mir das Papier zurück und sagte: Ja, das ist meine Geschichte, es stimmt nicht im Einzelnen so genau, aber das Wesentliche ist schon wiedergegeben.“

Wenige Wochen später saß Oskar Schindler beim Evangelischen Jugendtag 1967 im Dominikanerkloster auf dem Podium, um dort nicht nur die – möglicherweise erste – literarische Verarbeitung seiner Rettungstat zu sehen, sondern auch, um aus seinem Leben zu berichten. Auf dem Podium war damals auch Leopold Pfefferberg, einer jener geretteten „Schindler-Juden“. Es war dieser Leopold Page, wie er sich in seiner neuen Heimat Los Angeles nannte, der die Geschichte von Oskar Schindler dem australischen Schriftsteller Thomas Keneally erzählte. Keneally schrieb daraufhin den biografischen Roman „Schindlers Liste“, den Steven Spielberg später verfilmte und durch den der Name von Oskar Schindler und seine Rettungstat, die über 1200 Jüdinnen und Juden vor dem Tod im Konzentrationslager bewahrte, in aller Welt bekannt wurde.

Doch diese Berühmtheit kam erst zwanzig Jahre nach Schindlers Tod im Jahr 1974. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schindler als eher unbekannter Mann, der in einfachen Verhältnissen lebte, in Frankfurt. Hier versuchte er auch einen wirtschaftlichen Neubeginn, musste aber mit seiner Zementfabrik Konkurs anmelden.

Am 28. April 2008 wäre Oskar Schindler hundert Jahre alt geworden. Heute erinnert an ihn in Frankfurt nicht nur eine Ausstellung im Jüdischen Museum, sondern auch eine Bronzetafel an seinem letzten Wohnhaus im Bahnhofsviertel sowie seit 1976 die Oskar Schindler-Straße in Bonames: kein großes Denkmal, wie Dieter Trautwein seinerzeit, kritisierte, sondern „lediglich eine Kleinstraße am Ortsrand.“

Zum Weiterlesen: Dieter Trautwein: Oskar Schindler – immer neue Geschichten, Societäts-Verlag.

Magistrat noch evangelischer

Mit Volker Stein ist jetzt ein weiterer Kirchenmann Dezernent

Mit Volker Stein ist nun der dritte engagierte evangelische Kirchenmann in den Frankfurter Magistrat gerückt. Nach Jean Claude Diallo, dem ehrenamtlichen Integrationsdezernenten, und dem Pfarrer im Ruhestand Christof Warnke gehört nun auch der stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes der Stadtregierung an. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der FDP sieht nichts Ungewöhnliches darin, dass sie alle verschiedenen Parteien angehören. „Die Identifikation mit Positionen und Überzeugungen macht sich an politischen Grenzen fest und nicht an Grenzen der Religion“, sagt der neue Dezernent für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz. Dabei, so Stein, unterstelle er allen Magistratsmitgliedern eine christliche Grundhaltung.

Der neue Ordnungsdezernent ist auch stellvertretender Vorsitzender des Evangelischen Regionalverbandes.

Der neue Ordnungsdezernent ist auch stellvertretender Vorsitzender des Evangelischen Regionalverbandes.

Ein gewisses Konfliktpotential sieht Stein mit seiner Kirche beim Thema „Illegale“. Während sich viele in der Kirche für ein Bleiberecht dieser Menschen aussprechen, die sich ohne legalen Aufenthaltsstatus in Frankfurt aufhalten, sieht der Ordnungsdezernent in dieser Hinsicht wenig Spielraum. Schließlich hießen Illegale so, weil sie illegal in der Stadt lebten. Doch moderat fügt er hinzu, dass man beispielsweise gemeinsam mit dem Petitionsausschuss bei Härtefällen nach Lösungen suchen wolle.

Die Auseinandersetzungen um aggressives Betteln dagegen sieht Stein als erledigt an. Da sei man sich überparteilich einig: „Aggressives Betteln wird nicht geduldet.“ Und anspielend auf jene Frauen, die beimBetteln ihr Kind auf dem Arm haben, formuliert Stein: „Kinderschutz geht über die Freiheit, zu betteln.“

Als Ordnungsdezernent will Stein die Stadt „sauberer“ machen und durch verstärkte Streifen in den Bahnhöfen die Sicherheit und auch das subjektive Sicherheits-gefühl erhöhen. Auch sollen ausländische Unternehmer aus Nicht-EU-Ländern und qualifizierte Arbeitskräfte künftig innerhalb eines Monats wissen, ob sie nach Deutschland kommen können. Für Stein ist diese Verfahrensbeschleunigung „ein klarer Wettbewerbsvorteil“.

Amt und Ehrenamt in der Kirche will er auch künftig unter einen Hut bekommen. Auch das hat Tradition in dieser Stadt: Hans- Jürgen Moog, ehemaliger Bürgermeister, stand über Jahrzehnte der Evangelischen Regionalversammlung, dem Frankfurter Kirchenparlament, vor.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Dezember 2007

Fernsehen ist nicht an allem Schuld

Evangelisches Frankfurt Dezember 2007

Die elektronischen Medien haben zur Zeit eine „Sündenbockfunktion“ für die Gesellschaft, meint der Medienpädagoge Detlef Ruffert vom Frankfurter Institut für Medien und Kommunikation. Es gebe keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen Mediengewalt und realer Gewalt, sagte Ruffert bei einem Fachtag „Tabu Gewalt“ des Diakonischen Werks vor einhundert Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen. Erst in Zusammenhang mit einem entsprechenden sozialen Klima seien auch die Medien ein Problem. Ein Kind, das täglich Gewalt zwischen den Eltern erlebe, werde Gewalt aus Computerspielen oder dem Fernsehen eher übernehmen, als ein Kind, das auf tragfähige Beziehungen bauen kann.

Schon im Kindergarten müssten Kinder „einen selbst bestimmten Umgang mit den Medien“ lernen, so Ruffert. Die evangelischen Kindertagesstätten in Frankfurt werden dazu für ihre Erzieherinnen gemeinsam mit dem Institut für Medien und Kommunikation und der Landesanstalt für privaten Rundfunk ein intensives Fortbildungsprogramm anbieten.

Außerdem wollen die evangelischen Kitas künftig verstärkt auf Kinder achten, die in Gefahr sind, zuhause vernachlässigt zu werden. Nach Aussage von Julius Niebergall vom Kinderschutzbund haben etwa acht Prozent der jährlich in Frankfurt geborenen 6500 Kinder einen „erhöhten Hilfebedarf“.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Der Blick zum Himmel“

Evangelisches Frankfurt Dezember 2007

Die Weihnachtsgeschichte neu erzählt

„Erfrischend anders“ interpretiert Georg Magirius die Weihnachtsgeschichte, verspricht der Umschlagtext. Magirius, 1968 geboren, als Autor für ARD-Hörfunksender tätig und gelegentlich auch für „Evangelisches Frankfurt“, wagt sich mit seinem jüngsten Buch an die wohl bekannteste biblische Überlieferung heran. Er seziert die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und verbindet sie schriftstellerisch frei mit kleinen Vorkommnissen, eigenen Gedanken und Beschreibungen.

Da liegt bei Kaiser Augustus’ Schätzung – also jener römischen Volkszählung, wegen der sich Maria und Josef auf die Reise nach Bethlehem machen mussten – die Auseinandersetzung mit der Ordnungsmacht, der Obrigkeit, nahe. Die Obrigkeit etwa, die einem nächtlich durch Frankfurt radelnden Autor schon mal unangenehm die Handschellen anlegt. (Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses natürlich völlig unbegründet war).

„Die Unerklärlichkeiten der Bibel erleichtern mich – es ist Licht, das in eine Welt einfällt, die normalerweise immer richtig takten muss“, bekennt der Autor. Ein Faszinosum, das Kinder auch im Alltag erleben: „Auch am Kiosk bleiben Worte nicht nur Worte, sondern können sichtbar und schmackhaft werden. So erleben es viele Kinder. Noch ist Unterricht, und doch flüstern sie einander erwartungsvoll Geschichten zu – überall die Herrlichkeiten, die sie gleich in Händen halten wollen. Die Schulglocke ertönt, und sie rennen zum Kiosk. Dann liegen auf Kinderzungen Colafläschchen, Brausebonbons und Schnecken aus Lakritz. Sie beweisen: Die Welt der Süße ist nicht nur geträumt.“

Georg Magirius beweist mit dem vorgelegten Werk, dass für ihn als studierten Theologen die für eine narrative Predigt zur Verfügung stehende Zeit zu kurz ist. Seine Geschichten, aber auch seine Hintergrundinformationen, die bis zu Erklärungen des griechischen Urtextes gehen, brauchen Platz zur Entfaltung. Und dabei hält er für Liebhaber dieser frei assoziativen Form die Spannung auf 127 Seiten. Zu lang für einen Weihnachtsgottesdienst. Aber kurzweilig für einen Lese-Weihnachtsnachmittag am warmen Ofen.

Georg Magirius live erleben kann man bei einer Lesung am Sonntag, 23. Dezember, um 17 Uhr in der Kreuzkirche in Preungesheim, Weinstraße 25, mit Harfenmusik.

Kurt-Helmuth Eimuth

Geschichte der Peterskirche

Außen alt, innen neu: Die Peterskirche in der City, ganz in der Nähe der Konstablerwache. Zum Eingang kommt man von der Stephanstraße aus. | Foto: Antje Schrupp

Außen alt, innen neu: Die Peterskirche in der City, ganz in der Nähe der Konstablerwache. Zum Eingang kommt man von der Stephanstraße aus.
Foto: Antje Schrupp

Der Bau der ersten Peterskapelle an der Schäfergasse wird auf das Jahr 1331 datiert. Stifter war wohl ein Peter Apotheker, der die Kirche nach seinem Namenspatron Petrus benannte. Die Kapelle wurde damals vor den Toren der Stadt gebaut, damit die auf dem Feld Arbeiteten einen kurzen Weg zu ihr hatten.

Die erste Kirche wurde nach dem Zerfall der Kapelle im Jahr 1417 an gleicher Stelle errichtet, etwa auf der Höhe des Schulhofes der Liebfrauenschule. Sie war dem Erzbischof von Mainz zugeordnet. 1531 erreichte die Reformation die Petersgemeinde, und die Kirche wurde evangelisch. 480 Jahre diente sie der christlichen Gemeinde, bis das Gebäude zunehmend zerfiel. Von Fäulnis, Gestank, Schmutz und Brüchigkeit war die Rede. Die Peterskirche wurde abgerissen und an anderer Stelle, auf dem Peterskirchhof, also dem heutigen Standort, 1895 neu gebaut. Sie war groß und prächtig und mit über 1000 Sitzplätzen das größte evangelische Gotteshaus in Frankfurt. Am 20. März 1944 brannte es in den Bombennächten aus.

Nach dem Krieg wurde die Peterskirche wieder aufgebaut und 1965 der Gemeinde übergeben. Sie stand auf den noch vorhandenen Grundmauern, war jedoch architektonisch radikal verändert worden: Die Achse des Innenraums war um 90 Grad gedreht, damit die Bänke im Halbkreis angeordnet werden konnten. Denn die neue Peterskirche sollte eine Predigtkirche sein.

Mit dem jetzigen Umbau zur Jugendkulturkirche erfolgte wieder eine radikale Änderung, die Petersgemeinde nutzt nun die beiden anderen Kirchen im Nordend. Eine neue Idee ist das übrigens nicht: Bereits um 1890 diskutierte man, ob die Peterskirche nicht besser in den neu entstehenden Stadtteil an die Eckenheimer Landstraße zu bauen wäre.

Kurt-Helmuth Eimuth

Finanzen nachhaltig sichern

Evangelischer Regionalverband gründet zwei neue Stiftungen

Um Platz Eins auf der Rangliste der Städte mit der größten Stiftungsdichte liefert sich Frankfurt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Hamburg. In beiden Städten entfällt nach einer Erhebung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen auf je 2000 Einwohnerinnen und Einwohner eine Stiftung.

Die evangelische Kirche unternimmt derzeit verstärkte Anstrengungen, die Frankfurt im Ranking weiter nach vorne bringen könnten. Zwei neue große Stiftungen wurden allein im September gegründet. „Die evangelische Kirche wird finanziell immer ärmer, daran ändern auch kurze Zwischenhochs nichts“, stellte die Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Pfarrerin Esther Gebhardt, vor dem Frankfurter Kirchenparlament fest. Weniger Taufen und mehr Sterbefälle seien die Ursache. Die Kirche habe deshalb künftig immer weniger laufende Einnahmen zu erwarten. Gleichzeitig wüchse der Bedarf.

Auch manche Kirchengemeinden gründen Stiftungen, um sich finanziellen Spielraum zu verschaffen: Ingeborg Höly und Pfarrer Richard Birke freuten sich über den großen Erfolg ihrer „Stiftung Emmaus“, für die 26000 Euro an privatem Stiftungkapital zusammen kamen. Die Emmausgemeinde hat diesen Betrag dann noch einmal verdoppelt. Die Stiftung, die Ende Oktober mit einer großen Torte in Kirchenform gefeiert wurde, soll die Gemeindearbeit unterstützen, vor allem die mit Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen. | Foto: Rolf Oeser

Auch manche Kirchengemeinden gründen Stiftungen, um sich finanziellen Spielraum zu verschaffen: Ingeborg Höly und Pfarrer Richard Birke freuten sich über den großen Erfolg ihrer „Stiftung Emmaus“, für die 26000 Euro an privatem Stiftungkapital zusammen kamen. Die Emmausgemeinde hat diesen Betrag dann noch einmal verdoppelt. Die Stiftung, die Ende Oktober mit einer großen Torte in Kirchenform gefeiert wurde, soll die Gemeindearbeit unterstützen, vor allem die mit Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen.
Foto: Rolf Oeser

Die Evangelische Regionalversammlung hat nun der Gründung einer Zukunfts- und einer Diakoniestiftung zugestimmt. Die beiden Stiftungen sollen dazu beitragen, die Arbeit der evangelischen Kirche in Frankfurt auch langfristig zu sichern. Der Regionalverband überträgt der Evangelischen Zukunftsstiftung ein Barvermögen in Höhe von 5 Millionen Euro und der Diakoniestiftung eines in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

Stiftungen zeichnen sich im Gegensatz zu Vereinen dadurch aus, dass lediglich die Kapitalerträge für den jeweiligen Zweck verwendet werden dürfen. So bleibt der Grundstock immer erhalten. Wie nachhaltig Stiftungen wirken können, zeigt ein Blick in die Geschichte. So entstand im 18. Jahrhundert in Frankfurt die bis heute wirkende „von Cronstetten- und Hynspergis adlige evangelische Damenstiftung“. Im Jahre 1828 wurde der „Evangelisch-lutherische Almosenkasten“ gegründet, der auch heute noch bedürftige Bürgerinnen und Bürger finanziell unterstützt. Allerdings hatte es anfangs unter den Evangelischen auch große Vorbehalte gegen das Geldsammeln gegeben. Schließlich war ja der Ablasshandel ein Auslöser für die Reformation, und die Gleichstellung von Geldspenden mit guten Werken lehnte man ab. Dies hatte zur Folge, dass es in den evangelischen Gebieten in den ersten hundert Jahren nach der Reformation kaum zu größeren Stiftungsgründungen kam.

Esther Gebhardt wies auch auf das erfolgreiche Wirken der Frankfurter Kirchenstiftung hin. Diese 2001 gegründete Stiftung hilft, Kirchengebäude in der Stadt zu unterhalten. Mit beträchtlichen Summen wurden so die Um­ bau- und Sanierungsarbeiten in der Epiphaniaskirche im Nordend, der Schwanheimer Martinuskirche, der Preungesheimer Kreuzkirche und auch der Peterskirche, die
zur Jugendkulturkirche umgebaut wurde, ermöglicht. Auch der Erlös aus einem eventuellen Verkauf der Matthäuskirche am Hauptbahnhof soll dieser Stiftung zugute kommen und somit helfen, die Zukunft anderer Kirchen zu sichern.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Nov 2007

Bischof Hein für mehr Pfarrer

Gegen „den Rückzug der Kirche aus der Fläche“ sprach sich der Bischof der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck beim Jahresempfang des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland in den Räumen der FAZ aus. Die Ortsgemeinden blieben die Grundlage der kirchlichen Organisation. So müsse die Resdienzpflicht erhalten bleiben und Pfarrstellen dürften nicht abgebaut werden. Hein schlug ein Verhältnis von 1500 Mitgliedern pro Pfarrer vor. Dies würde eine Ausweitung der Pfarrstellen bedeuten. In seiner Analyse hob Hein hervor, dass die Kirche heute in einer Konkurrenzsituation lebe und dieses nicht wahrnehme. „Wir leiden an einer Milieuverengung, auch beim Pfarrernachwuchs“.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Nov 2007