Tag Archiv für Nationalsozialismus

Stadt ehrt Stolperstein-Vorsitzenden Hartmut Schmidt

von Kurt-Helmuth Eimuth 26. Februar 2021

Schmidt wird für seine ehrenamtlichen Verdienste in der Initiative Stolpersteine mit der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.

Hartmut Schmidt  |  Foto: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit
Hartmut Schmidt | Foto: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit

Oberbürgermeister Peter Feldmann persönlich rief Hartmut Schmidt an und fragte, ob er die Ehrenplakette der Stadt annehmen würde. Inzwischen hat der Magistrat der Stadt beschlossen, den 78-jährigen Schmidt für seine Verdienste in der Initiative Stolpersteine durch die Verleihung zu ehren. Die Ehrenplakette wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich auf kommunalpolitischem, kulturellem, wirtschaftlichem, sozialem oder städtebaulichem Gebiet um die Stadt verdient gemacht und durch ihr Wirken dazu beigetragen haben, das Ansehen der Stadt Frankfurt am Main zu mehren.

Schmidt ist Vorsitzender der Initiative Stolpersteine, die er 2003 bei der ersten Verlegung im Oberweg noch in seiner Funktion als Redakteur des Evangelischen Pressedienstes kennenlernte. Seit 2004 arbeitet er dort mit und ist seit 2008 ihr Vorsitzender. Seit Gründung der Frankfurter Initiative wurden 1.400 Stolpersteine in der Stadt verlegt. Sie erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen. Schmidt führt umfassende Recherchen zu den Geschichten und Lebensläufen der Opfer durch und hält Kontakt zu vielen ihrer Nachkommen. „Vor allem aus den USA und aus Israel erreichen die Initiative Bitten um die Verlegung solcher Erinnerungssteine.“, erzählt Schmidt. Zudem kooperiert er eng mit Schulen und Lehrkräften, um Schülerinnen und Schüler für das Erinnerungsprojekt zu interessieren. „Man kann im Grunde nie aus der Geschichte aussteigen“, sagt Schmidt.

Aus der Arbeit sind auch zwei Bücher entstanden, die zu Erinnerungsrundgängen durch die Stadt einladen. In den 80er Jahren war Schmidt bereits bei der Frankfurter Initiative „Solidarität mit Solidarność“ und als Vorsitzender des Frankfurter Flüchtlingsrats tätig, würdigt die Stadt das ehrenamtliche Engagement des Journalisten. 2012 erhielt Schmidt die Spener-Medaille des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt.

Auch der langjährige Mitarbeiter der katholischen Stadtkirche Hans-Dieter Adam wird von der Stadt Frankfurt mit der Ehrenplakette ausgezeichnet.

Oskar Schindlers letzte Jahre in Frankfurt

von Kurt-Helmuth Eimuth 1. Februar 2008

Oskar Schindler rettet im Nationalsozialismus über 1200 Menschen das Leben. Berühmt wurde er erst nach seinem Tod 1974. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schindler in Frankfurt, als eher  unbekannter Mann, der in einfachen Verhältnissen lebt.

Oskar Schindler im Jahr 1947. Foto: seetheholyland.net/Flickr.com (cc by-sa)
Oskar Schindler im Jahr 1947. Foto: seetheholyland.net/Flickr.com (cc by-sa)

Mit einigem Herzklopfen, so erinnerte sich später der inzwischen verstorbene Frankfurter Propst Dieter Trautwein, stieg er damals die Treppen im Haus Am Hauptbahnhof 4 hinauf. Trautwein hatte den Namen Oskar Schindler 1966 in Israel entdeckt. In Yad Vashem, der Gedenkstätte für die sechs Millionen während des Nationalsozialismus ermordeten Jüdinnen und Juden, standen dieser Name und der Länderhinweis „Allemagne“ an einem Baum in der „Allee für die andersgläubigen gerechten Helfer“.

Wenig später bekam Trautwein für eine „Werkmappe zur Reformation“ die Geschichte jenes Mannes, der über 1200 Menschen vor dem Tode bewahrt hatte, als literarisches Beispiel geliefert. Als Trautwein, der damals Jugendpfarrer in Frankfurt war, schließlich noch den Hinweis bekam, dass Oskar Schindler keineswegs eine literarische Erfindung, sondern eine höchst reale Person sei, die zudem noch in Frankfurt wohne, machte er sich kurzentschlossen auf den Weg. „Oben im letzten Stock an der letzten Tür rechts war tatsächlich ein kleines handgeschriebenes Schild „Oskar Schindler“, so Trautwein.

„Ich klingelte. Ein Mann öffnete. Ich fragte: ‚Heißen Sie…sind Sie…?’ ‚Ja’, antwortete mein Gegenüber. Ich stellte mich vor, und er ließ mich eintreten. Sofort hielt ich ihm die Druckfahnen hin und fragte: ‚Sagen Sie mir bitte, ob das, was hier steht, mit Ihnen zu tun hat?’ Bald schon gab er mir das Papier zurück und sagte: Ja, das ist meine Geschichte, es stimmt nicht im Einzelnen so genau, aber das Wesentliche ist schon wiedergegeben.“

Wenige Wochen später saß Oskar Schindler beim Evangelischen Jugendtag 1967 im Dominikanerkloster auf dem Podium, um dort nicht nur die – möglicherweise erste – literarische Verarbeitung seiner Rettungstat zu sehen, sondern auch, um aus seinem Leben zu berichten. Auf dem Podium war damals auch Leopold Pfefferberg, einer jener geretteten „Schindler-Juden“. Es war dieser Leopold Page, wie er sich in seiner neuen Heimat Los Angeles nannte, der die Geschichte von Oskar Schindler dem australischen Schriftsteller Thomas Keneally erzählte. Keneally schrieb daraufhin den biografischen Roman „Schindlers Liste“, den Steven Spielberg später verfilmte und durch den der Name von Oskar Schindler und seine Rettungstat, die über 1200 Jüdinnen und Juden vor dem Tod im Konzentrationslager bewahrte, in aller Welt bekannt wurde.

Doch diese Berühmtheit kam erst zwanzig Jahre nach Schindlers Tod im Jahr 1974. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schindler als eher unbekannter Mann, der in einfachen Verhältnissen lebte, in Frankfurt. Hier versuchte er auch einen wirtschaftlichen Neubeginn, musste aber mit seiner Zementfabrik Konkurs anmelden.

Am 28. April 2008 wäre Oskar Schindler hundert Jahre alt geworden. Heute erinnert an ihn in Frankfurt nicht nur eine Ausstellung im Jüdischen Museum, sondern auch eine Bronzetafel an seinem letzten Wohnhaus im Bahnhofsviertel sowie seit 1976 die Oskar Schindler-Straße in Bonames: kein großes Denkmal, wie Dieter Trautwein seinerzeit, kritisierte, sondern „lediglich eine Kleinstraße am Ortsrand.“

Zum Weiterlesen: Dieter Trautwein: Oskar Schindler – immer neue Geschichten, Societäts-Verlag.