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Vorreiter der sozialen Marktwirtschaft

Evangelisches Frankfurt April 2009

Vorreiter der sozialen Marktwirtschaft
Über den Einfluss des Reformators Johannes Calvin auf den Kapitalismus

Auf dem Höhepunkt von Fasching zu einem Vortrag über „Geld und gute Worte – Calvins Wirtschaftsethik und ihre Impulse für die Moderne“ einzuladen – das ist wohl so etwas wie die Anwendung des den Protes­tanten nachgesagten Arbeitsethos. Der Wuppertaler Theologe und Calvin-Experte Matthias Freudenberg entlarvte dieses Klischee jedoch bei seinem Vortrag in der gut besetzten reformierten Kirche im Westend als Vorurteil.

Aus Anlass des 500. Geburtstags von Johannes Calvin führte Freudenberg in das Denken des Schweizer Kirchenreformators ein. Zentral sei die so genannte „Prädestinationslehre“: Calvin war der Überzeugung, dass Menschen an ihrer Fähigkeit zu strengster Pflichterfüllung sehen können, ob sie zum Heil vorausbestimmt sind. Eigentlich wollte er damit die Allmacht Gottes und die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Willens betonen. Allerdings beließ es Calvin nicht bei der „inneren Religiosität“, sondern verschaffte seiner Lehre mit Hilfe einer strengen Moral und Kirchenzucht, die er in seiner Heimatstadt Genf einführte, Gültigkeit.

Ironische Anspielung darauf, dass Johannes Calvin ein Begründer des westlichen Kapitalismus gewesen sein soll: Diesen Kugelschreiber, aus dem sich eine stilisierte Dollar-Note mit dem Portrait des Reformators herausziehen lässt, entwickelte das „Calvin-Büro“ der evangelischen Kirche zum Jubiläum. Er kostet 1,95 Euro und kann im Internet über www.ekmd.de/webshop/catalog bestellt werden. | Foto: epd-Bild / Dieter Sell

Ironische Anspielung darauf, dass Johannes Calvin ein Begründer des westlichen Kapitalismus gewesen sein soll: Diesen Kugelschreiber, aus dem sich eine stilisierte Dollar-Note mit dem Portrait des Reformators herausziehen lässt, entwickelte das „Calvin-Büro“ der evangelischen Kirche zum Jubiläum. Er kostet 1,95 Euro und kann im Internet über www.ekmd.de/webshop/catalog bestellt werden.
Foto: epd-Bild / Dieter Sell

Entstand damit jenes „protestantische Arbeitsethos“, das die Grundlage für das Gewinnstreben im Kapitalismus bilden würde? Dies jedenfalls ist die populär gewordene These, die der Soziologe Max Weber am Anfang des 20. Jahrhunderts aufstellte. Er hatte beobachtet, dass zwischen gewissen Formen des religiösen Glaubens und der Berufsethik Wahlverwandtschaften bestünden.

Allerdings sei diese These nicht belegbar, sagt Freudenberg. Weber habe lediglich den englischen Puritanismus des 17. und 18. Jahrhunderts analysiert – auch wenn es zweifelsohne richtig sei, dass die Disziplinierung in der Lebensführung bei den Reformierten größer sei als bei den Katholiken, die eine größere Familienorien­tierung hätten.

Calvin könne aber nicht als Vorläufer jenes kapitalistischen Wirtschaftssystems gelten, das derzeit so tief in der Krise steckt. Seine Theologie sei an einer „lebensdienlichen Ökonomie“ ausgerichtet gewesen. Die Erwählungslehre sei nicht auf Erfolg ausgerichtet. Wenn überhaupt, dann habe Calvin eher in Richtung einer sozialen Marktwirtschaft gedacht. So empfahl er den Reichen, „gern und reichlich“ zu geben, und war der Meinung, die Armen sollten „ohne Scheu“ nehmen – „quasi aus der Hand Gottes“. Die moderne Eigentumsverpflichtung habe Calvin vorweggenommen: Alles Eigentum gehöre Gott, und die Menschen sollen damit haushalten. Geld und Reichtum seien somit auch kein Hindernis, um ins Reich Gottes einzugehen. Auch eine Erbschaftssteuer habe Calvin in Betracht gezogen. Und zur Wirtschaftsförderung empfahl er Kleinkredite für Handwerker und Flüchtlinge. Dabei unterschied Calvin zwischen zinslosen Konsumkrediten und zinspflichtigen Produktionskrediten, wobei der Grundsatz zu gelten habe, „dass nur der zahlen müsse, der auch zahlen könne“. Er sah im Eigentum, so Freudenberger, eine gute Gabe Gottes. Als Christ habe man nach Calvin die Pflicht, das Wirtschaftsleben positiv mitzugestalten.

Kurt-Helmuth Eimuth

Kirchenvorstände werden gewählt

Evangelisches Frankfurt 2009

Kirchenvorstände werden gewählt

Annähernd tausend Männer und Frauen kandidieren für die Kirchenvorstände in den Frankfurter Gemeinden. Diese werden am 21. Juni für sechs Jahre neu gewählt. Derzeit liegen die Wahl-listen in den Gemeinden aus. Wahlberechtigt sind alle Mitglieder der evangelischen Kirche, die am Wahltag 14 Jahre alt sind.

Bis 14 Tage vor der Wahl können Gemeindemitglieder Auskunft darüber verlangen, ob sie im Wählerverzeichnis aufgeführt werden. Eine Berichtigung ist bis zum Wahltag möglich.

Der Kirchenvorstand ist das oberste Organ der Kirchengemeinde. Er verwaltet die Finanzen, wählt die Pfarrerin oder den Pfarrer und verantwortet die Gemeindearbeit. Vorsitzender des Kirchenvorstandes soll ein ehrenamtliches Mitglied sein.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Immer mehr“ – das klappt nicht

Evangelisches Frankfurt April 2009

„Immer mehr“ – das klappt nicht

Der Medienkritiker Neil Postman fragte vor gut einem Jahrzehnt: „Amüsieren wir uns zu Tode?“ Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise muss diese Frage wohl umformuliert werden: „Konsumieren wir uns zu Tode?“

Alle Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig: Einzig der Konsum hilft der Wirtschaft wieder auf die Beine. Konsum bedeutet Absatz. Und Absatz bedeutet Gewinn und Arbeitsplätze. Gewinn bedeutet Investition, also Konsum, und so weiter. Sicher, eine Renditeerwartung von 25 Prozent ist unmoralisch. Aber warum nicht 10, 12 oder 15 Prozent? Alle haben bei dem weltweiten Monopoly mitgemacht – auch die Kirchen. Die einen mehr, die anderen weniger.

Noch ein „Konsumtempel“ mehr in der Stadt – Ende Februar eröffnete in Frankfurt mit großem Andrang von Neugierigen das „MyZeil“. Ob's gegen die Krise hilft, wird sich zeigen. | Foto: Rolf Oeser

Noch ein „Konsumtempel“ mehr in der Stadt – Ende Februar eröffnete in Frankfurt mit großem Andrang von Neugierigen das „MyZeil“. Ob’s gegen die Krise hilft, wird sich zeigen.
Foto: Rolf Oeser

Konsum, Produktivitätssteigerung und Rendite sind das Schmiermittel dieses Wirtschaftssystems, das sich in den vergangenen Jahren ungebändigt entfalten durfte. Die „Fesseln“ der sozialen Marktwirtschaft hatte diese Art globalisierter Raubtierkapitalismus längst abgestreift. Ohne Scham ging man auf Profitjagd. Das Mehr-Haben-Wollen ist, wenn es auch moralisch nicht hoch im Kurs steht, so doch die eigentliche Triebfeder des Kapitalismus.

Und nun kommen wieder die alten Rezepte. Konjunkturprogramme sollen den Konsum anschieben. Bei den Autos funktioniert es offenbar, und dass Schulen renoviert werden und Krabbelstuben entstehen, ist sicher gut und seit langem überfällig. Doch ein Wirtschaftssystem, das jedes Jahr eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts benötigt, läuft sich auf lange Sicht tot. Der Verbrauch an Wasser, an Energie, an Fläche, an Nahrungsmitteln kann für eine stetig weiter wachsende Weltbevölkerung nicht gedeckt werden. Jedes Jahr mehr, das bedeutet – trotz aller technologischen Fortschritte – eben immer auch ein Mehr an Ressourcenverbrauch. Auf diese Weise ist keine Gerechtigkeit in einer näher zusammenrückenden Welt herzustellen.

Übrigens war der Auslöser der derzeitigen Finanzkrise gerade die Ankurbelung des Konsums in den USA durch sehr, sehr niedrige Zinssätze. Es muss sich erst noch zeigen, ob Konjunkturprogramme und Zinssenkungen wirklich helfen, oder ob sie nicht im Moment ihrer Wirksamkeit bereits der Anfang der nächsten Krise sind. Immerhin muss man der Politik zugute halten, dass es im derzeitigen System keine Alternative zu Konjunkturprogrammen gibt, auch wenn man sie angesichts der unbestritten heranziehenden Klimakatastrophe hätte ökologischer akzentuieren müssen.

Doch gilt: Wenn die Menschheit langfristig in Frieden leben will, muss sie um der Gerechtigkeit willen menschliche Gier eindämmen und den Raubtierkapitalismus zähmen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Krabbel-Offensive

Evangelisches Frankfurt April 2009

Die Krabbel-Offensive

Krabbelstuben sind nichts Böses – vorausgesetzt, die Qualität stimmt. In den nächsten vier Jahren will die evangelische Kirche in Frankfurt tausend neue Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen und ihr derzeitiges Angebot damit fast verfünffachen. Die Bedürfnisse und Bildungschancen der Kinder selbst stehen dabei im Mittelpunkt.

Es ist ein sonniger Tag, und die Kinder in der evangelischen Krabbelstube in Zeilsheim freuen sich, raus zu kommen – eifrig steigen sie in ihre Stiefel und Anoraks und toben kurz darauf im Außengelände herum. Lena hingegen ist müde und hat sich in ihr Bettchen im Schlafraum gelegt, Samantha knabbert an ihrem Tischchen an einem Brot, während der kleine Stefan, der noch nicht laufen kann, auf eigene Faust den Raum erkundet. „Bei uns machen nie alle Kinder zur gleichen Zeit dasselbe“, sagt Leiterin Tanja Stadtmüller, „wir passen uns ganz dem Rhythmus jedes einzelnen Kindes an.“

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar. | Foto: Ilona Surrey

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar.
Foto: Ilona Surrey

Dreh- und Angelpunkt dieses Konzeptes, das sich an den Vorschlägen der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler orientiert, ist die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind. So ist in der Eingewöhnungsphase, die in der Regel vier bis sechs Wochen dauert, eine einzige Erzieherin für das Kind zuständig – wird sie krank, muss der Eingewöhnungsprozess unterbrochen werden. „Nur wenn die Bindung zwischen Kind und einer festen Bezugsperson stark und sicher ist, wird es anfangen, die Umgebung aktiv zu erkunden“, sagt Vanessa Hoch, die im Diakonischen Werk für Frankfurt die fachliche Ausrichtung betreut.

Es ist jedoch nicht immer leicht, konsequent die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Da komme es vor, dass Eltern sich beklagen, wenn ihre Kleinen am Nachmittag zu lange geschlafen haben – weil sie dann am Abend wach sind und beschäftigt werden wollen. Andere fragen schon in der Krabbelstube nach Frühenglisch und sind skeptisch, wenn die Erzieherinnen die Kleinen nicht ständig „bespielen“ und beim Lernen vorantreiben.

Vielleicht ist diese Erwartungshaltung kein Wunder, denn schließlich wurde der massive Ausbau von Krippenplätzen in Deutschland nicht zuerst aus pädagogischen, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Gründen angestoßen: Junge Frauen sollen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und der Nachwuchs „bildungsferner“ Schichten möglichst früh gefördert werden. Auch Tanja Stadtmüller weiß um den Druck, dem viele Eltern heute im Alltag ausgesetzt sind. „Deshalb bemühen wir uns sehr, ihnen möglichst entgegen zu kommen.“ Feste Bring- und Abholzeiten gibt es nicht, Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen.

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt's etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen. | Foto: Ilona Surrey

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt’s etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen.
Foto: Ilona Surrey

Viel zu lange sind in Deutschland Familien und öffentliche Einrichtungen beim Thema Kleinkinderbetreuung gegeneinander ausgespielt worden. Es wird höchste Zeit, dass sie an einem Strang ziehen. „Der Weg zu einer Institutionalisierung der Kinderbetreuung auch unter drei Jahren ist richtig und notwendig“, bekräftigt Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt. Auch in der Kirche – lange Zeit ein Hort überkommener Familienmodelle – hat sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt.

Beim Ausbau der Krabbelstuben dürfe es aber nicht einfach um „Betreuungsplätze“ gehen, sondern vielmehr um Bildung, ist der zuständige Arbeitsbereichsleiter Kurt-Helmuth Eimuth überzeugt. Wobei sich der Bildungsbegriff nicht länger an dem klassischen Schulmodell orientiert, wo die Lehrer vorgeben, was wann gelernt wird. Eher steht das Verhalten einer Mutter Modell, die verlässlich da ist, dem Kind erklärt, was es wissen will, und ihm im ganz normalen Lebensalltag Anregungen bietet.

„Der Mensch lernt durch Nachahmung, Ausprobieren und Kommunikation“, erläutert Eimuth diesen Prozess. Material dazu gibt es in den Krabbelstuben zur Genüge: Holzrampen und Treppen, Sachen zum Rütteln, Betasten, Auf- und Zuschrauben. „Wir nehmen gerne Alltagsgegenstände“, sagt Tanja Stadtmüller und deutet auf leere Plastikflaschen, Cremedosen, bemalte Würfel und vieles mehr, das auf den Entdeckungsdrang der Kleinsten wartet. Die Erzieherinnen fragen regelmäßig nach den Wünschen der Kinder und erklären ihnen alles, was sie selbst tun. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Windelwechseln, das nicht etwa als lästige Notwendigkeit, sondern als wichtiger Teil des Bildungsprozesses verstanden wird. „Diese intime Interaktion trägt ganz entscheidend zur Vertrauensbildung bei“, sagt Vanessa Hoch. Wobei das Kind selbst entscheidet, wann die Windel gewechselt werden soll.

Auch für viele Erzieherinnen ist so ein Konzept eine Herausforderung. „Sie müssen lernen, sich selbst zurückzunehmen und die Kinder machen zu lassen.“

In den meisten Ausbildungsgängen gibt es in punkto Frühpädagogik jedoch noch einen gewissen Nachholbedarf. Forderungen nach einer Akademisierung der Erzieherinnenausbildung sieht Kurt-Helmuth Eimuth zwiespältig. Er setzt eher auf differenzierte Ausbildungsgänge und „multiprofessionelle“ Teams: akademisch ausgebildete „Bildungsorganisatorinnen“ in der Einrichtungsleitung, dazu Spezialistinnen für interkulturelle oder religiöse Bildung, die mit ihren Fachkenntnissen diejenigen unterstützen, die als erste Bezugspersonen für die Kinder da sind.

Antje Schrupp

Frankfurt braucht 4500 zusätzliche Erzieherinnen

Ab dem Jahr 2013 haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krabbelstuben-Platz für ihre Kinder. Zuständig sind die Kommunen. Für die Stadt Frankfurt heißt das: In nur vier Jahren müssen rund 5500 neue Plätze geschaffen werden. Die evangelische Kirche will sich mit 1000 neuen Plätzen an diesem gewaltigen Ausbau beteiligen. Dafür ist ein Bauvolumen von rund 20 Millionen Euro vorgesehen, finanziert ganz überwiegend von der Kommune sowie aus Landes- und Bundeszuschüssen.

Dabei stellen sich vor allem zwei Probleme. Erstens gilt es, geeignete Liegenschaften zu finden. Sie müssen aus Sicherheitsgründen im Erdgeschoss liegen und über ein Außengelände verfügen – keine leichte Sache, vor allem im Innenstadtbereich. Noch schwieriger wird es jedoch sein, genügend Erzieherinnen zu finden. Die Stadt Frankfurt schätzt den Bedarf in den kommenden vier Jahren auf 4500 zusätzliche Kräfte. Dem stehen aber in diesem Zeitraum nur rund 1500 Absolventinnen und Absolventen der Berta-Jourdan-Schule gegenüber.

Antje Schrupp

"Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

„Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Mit Politikerbesuchen hat man inzwischen schon Erfahrung im Gallusviertel. Nachdem Bundeskanzlerin und Ministerpräsident schon da waren, kündigte sich im Januar der Hessische Innenminister Volker Bouffier an und besuchte die evangelische Versöhnungs-Kindertagesstätte.

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor. | Foto: Rolf Oeser

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor.
Foto: Rolf Oeser

„Man hat mir im Ministerium gesagt, da musst du unbedingt hin.“ Regelmäßig besuche er Kindertagesstätten, denn als Innenminister sei er ja auch für Integration zuständig, so Bouffier. Und so informierte er sich über das Projekt „Frühstart“, eine besondere Form der frühkindlichen Sprachförderung. Kita-Leiterin Birgit Liebow hob hervor, dass insbesondere die „Elternbegleiter“ eine besondere Qualität darstellen. Sie sind selbst mehrsprachig und ebnen Kindern den Weg in das deutsche Bildungssystem.

Kurt-Helmuth Eimuth

Attraktives Fastfood – Esoterik spricht vor allem Frauen an

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Attraktives Fastfood
Esoterik spricht vor allem Frauen an

„Du musst vertrauen. Du bist ein wunderbares Kind Gottes.“ Es sind Sätze wie diese, die nach Meinung der evangelischen Weltanschauungsbeauftragten Annette Kick vor allem Frauen ansprechen. „Sie haben das Bedürfnis nach Anerkennung, danach, gesehen zu werden als einzigartige Person, die interessant, wertvoll, wichtig ist, ohne dass sie für jemanden Funktionen erfüllt.“

Gerade Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren hätten häufig Sehnsucht nach Anerkennung und einem erfüllten Leben, stellte die württembergische Pfarrerin bei einer Veranstaltung im Haus am Dom heraus. „Familienfrauen erleben sich macht- und einflusslos. Sie haben zu reagieren auf Anforderungen anderer und sehen wenig eigene Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten.“

Nach der Abnabelung der Kinder stoßen dann esoterische Angebote in das Vakuum und versprechen, dass man mit dem richtigen Bewusstsein alles erreichen könne, so Kick. Selbst der Weltfriede sei durch das Meditieren derer, die ihr Bewusstsein weiterentwickelten, erreichbar. Frauen stoßen sich häufiger als Männer an der „Entzauberung der Welt“ durch Wissenschaft und Technik. Viele suchen nach einem Zugang, der ihre eigenen Intuitionen ernst nehme.

Die Esoterik mache ihnen vor allem im Bereich der Medizin und der Spiritualität Angebote. So erlebten viele Frauen die Schulmedizin als ignorant. Ihr Gefühl und ihr Wissen von ihrem Körper werde nicht ernst genommen. Demgegenüber gingen esoterische Heilerinnen und Heiler auf die Lebenssituation von Frauen ein. Dass dabei oft völlig unrealistische Heilsversprechen gemacht würden und die Ursachen für einen möglichen Misserfolg im mangelnden Bewusstsein der Frau selbst gesucht würden, was wiederum weitere Schulungsprogramme erfordere, sei den Patientinnen zunächst nicht deutlich.

Auch die Kirche mache diesen Frauen kein überzeugendes Angebot. „Mit Recht klagen spirituell hungrige Frauen über die Verkopftheit der Gottesdienste, über Dogmen und Rituale, die mit ihrem Leben nichts zu tun haben“, urteilte Kick. In Kirchengemeinden würden diesen Frauen statt spiritueller Nahrung oft nur helfende Dienste, etwa beim Gemeindefest oder Basar, angeboten. Da komme das „esoterische Fastfood“ anders daher. Kick über einen solchen Erfahrungsweg: „Die spirituelle Meisterin hat der Frau von den Engeln ausgerichtet, welch besondere Seele in ihr wohne, und dass es höchste Zeit sei, diese verkümmerte Seele zu retten, zu nähren, zu entwickeln. Und nach kurzer Zeit konnte auch sie schon kosmische Energien bewegen.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Stiftungen helfen schon seit 1531

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Stiftungen helfen schon seit 1531

Die erste Frankfurter Stiftung, der heute noch existierende „Almosenkasten“, wurde bereits 1531 gegründet. Wie vielen mittelalterlichen Stiftungen lag ihm der Gedanke des Almosens zugrunde. Der Name deutet auch auf die Form des Spendens hin: Vermutlich stand tatsächlich eine Truhe in einer Kirche, in die man seine Gabe hineinwarf.

Nach der Trennung von Staat und Kirche blieb dieser „allgemeine Almosenkasten“ bei der Stadt. Noch heute werden aus diesem Vermögen Mittel für soziale Zwecke aufgewandt. Die evangelisch-lutherische Kirche gründete dann 1828 ihren eigenen, den Evangelischen Almosenkasten. Im Beschluss des Gemeindevorstands heißt es: „Dieser neu errichtete Almosenkasten bildet eine Sektion des Evangelisch-Lutherischen Gemeindevorstands und hat die von letzterem im Betreff der Einrichtung und Verbesserung des lutherischen Armenwesens gefassten Beschlüsse zum Vollzug zu bringen.“ Man wollte also die Unterstützung bedürftiger Personen für die evangelisch-lutherischen Gemeindemitglieder weiterführen. Die Katholiken und die Reformierten gründeten in der Stadt ähnliche Stiftungen.

Dieser evangelische „Almosenkasten“ existiert ebenfalls noch heute als eine Stiftung und wendet Mittel auf, um bedürftigen Menschen, die die Gemeinden benennen, eine einmalige oder regelmäßige Unterstützung zukommen zu lassen. Das Kapital beträgt etwa 500000 Euro, sodass etwa fünfzig Personen durch die ausgeschütteten Zinsen Unterstützung erfahren können. Der Gemeindebezug ist für Michael Frase, den Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, besonders wichtig, da der Pfarrer oder die Pfarrerin die tatsächliche Notlage bestätigen können.

Im Lauf der Jahrhunderte haben sich die Motive für die christliche Unterstützung der Bedürftigen verändert, betont Frase: „Mitleid und Barmherzigkeit gab es selbstverständlich zu allen Zeiten, aber viele Stiftungen sind aus dem Verständnis einer Werkgerechtigkeit entstanden – man wollte sich mit guten Werken den Himmel verdienen.“ Es sei eine Errungenschaft von Humanismus und Reformation, diesen Verdienstgedanken überwunden zu haben. „Soziales Handeln wurde auf die Ursprünge gelebter Nächstenliebe und auf die sozialen Normen und Werte einer humanistischen Idealen verpflichteten Gesellschaft hingeführt.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Wie soziale Arbeit organisiert ist

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Wie soziale Arbeit organisiert ist

Soziale Arbeit will organisiert sein. Da sie für das Gemeinwohl besondere Bedeutung hat, hat der Gesetzgeber verschiedene Organisationsformen vorgesehen und sie von der Zahlung von Steuern weitgehend befreit.

Beim Eingetragenen Verein (e.V.) beantragen mindestens sieben Personen mit einer Satzung die Eintragung in das Vereinsregister. Die Gemeinnützigkeit und damit das Privileg, steuerabzugsfähige Spenden anzunehmen, bescheinigt das Finanzamt. Ein Verein darf kein Geld anhäufen, denn sein Zweck ist es, das gesammelte Geld gezielt dem Vereinszweck zuzuführen.

Die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) ist dagegen eine Organisationsform, die kontinuierliches professionelles Handeln ermöglicht. Allerdings darf auch sie keine Gewinnabsicht verfolgen. Auch in diesem Fall bescheinigt das Finanzamt die Ge­meinnützigkeit.

Eine Stiftung wiederum ist auf Dauer angelegt. Das Kapital darf nicht ausgegeben werden, sondern bildet einen Grundstock, um aus Zinsen und anderen Kapitalerträgen den Stiftungszweck erfüllen zu können. Über die Verwendung der Gelder wacht die staatliche Stiftungsaufsicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Soziale Arbeit für Zukunft sichern

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

Soziale Arbeit für Zukunft sichern
Evangelische Diakoniestiftung ins Goldene Buch eingetragen

„In einer Zeit, da selbst Banken als Bettler auftreten, wagt es der Evangelische Regionalverband, Geld auf Dauer für bestimmte wohltätige Zwecke festzulegen“, freute sich Stadtrat Christof Warnke aus Anlass der Eintragung einer neuen Frankfurter Diakoniestiftung ins Goldene Buch der Stiftungen im Frankfurter Römer. Die Stiftung soll dazu beitragen, die soziale Arbeit der evangelischen Kirche in Frankfurt langfristig zu sichern und vom Kirchensteueraufkommen unabhängiger zu machen.

Stadtrat Christof Warnke - sitzend - freut sich über eine weitere Stiftung in Frankfurt: Pfarrerin Esther Gebhardt, Karsten von Köller und Pfarrer Michael Frase vom Stiftungsvorstand der neuen Diakoniestiftung sowie Pfarrer Burkhard Sulimma von deren Verwaltungsrat - stehend von links nach rechts - bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stiftungen im Römer. | Foto: Rolf Oeser

Stadtrat Christof Warnke – sitzend – freut sich über eine weitere Stiftung in Frankfurt: Pfarrerin Esther Gebhardt, Karsten von Köller und Pfarrer Michael Frase vom Stiftungsvorstand der neuen Diakoniestiftung sowie Pfarrer Burkhard Sulimma von deren Verwaltungsrat – stehend von links nach rechts – bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stiftungen im Römer.
Foto: Rolf Oeser

Der Regionalverband überträgt ihr dafür ein Barvermögen in Höhe von 1,5 Millionen Euro und hofft auf weitere Zustiftungen engagierter Bürgerinnen und Bürger. „Die Stiftung soll dazu beitragen, Schwerpunkte in der Arbeit der Kinder-, Jugend- und Familienbetreuung zu setzen sowie Hilfeleistungen für Menschen in Lebenskrisen, für Menschen mit Behinderungen, für Menschen, die auf medizinische Hilfe und Pflege angewiesen sind, zu erbringen“, erläuterte Pfarrer Michael Frase, Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt. „Des Weiteren will sie die Möglichkeit eines selbst bestimmten Lebens im Alter sowie in der letzten Lebensphase schaffen.“

Aus Erbschaften der evangelischen Blindenarbeit, die eine Zweckbindung haben, werden Hilfen für blinde und sehbehinderte Menschen finanziert. Frase kündigte an, dass auch eine Unterstiftung zur Förderung der Hospizarbeit in der evangelischen Kirche eingerichtet werden soll.

Nach Überzeugung von Stadtrat Warnke zeigt der Evangelische Regionalverband mit seiner Initiative ein Vertrauen, nach dem heute allenthalben Ausschau gehalten werde. Er wies darauf hin, dass Frankfurt die „Stiftungshauptstadt“ Deutschlands sei. Immerhin verwalten am Main 470 Stiftungen den Betrag von sechs Milliarden Euro, was mehr als das Doppelte des Frankfurter Jahresetats ist.

Für Frase ist die Diakoniestiftung eine moderne Organisationsform für diakonisches Handeln: „Man kann sagen, dass sie die moderne zeitgemäße Interpretation der Ausrichtung des Handelns auf die Not des Nächsten ist, wie sie uns im Neuen Testament grundlegend erklärt und als Aufgabe aufgegeben wird.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

Evangelisches frankfurt Februar  2009

Kommentar:
Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

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Bildung ist entscheidend. Deshalb ist es gut, dass die Politik in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerade hier investiert. So manche Schule wartet seit Jahrzehnten auf Sanierung. Da ist jeder Euro aus dem Konjunkturprogramm gut angelegt. Doch nicht nur die Gebäude müssen in Ordnung gebracht werden. Auch die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Die Klassen sind zu groß, die Ausstattung ist schlecht. Der Markt hat längst reagiert. Fast jedes sechste Kind in Frankfurt besucht eine Privatschule. Tendenz steigend.

Die Kehrseite der Medaille: Wenn Schulnoten höchsten Stellenwert bekommen, spüren die Kinder das. Beste Noten werden zur Norm. Wer mittelmäßig oder gar schlecht ist, gehört nicht mehr dazu. Und Kinder können brutal sein. Auch im Ausgrenzen.

Doch Schulnoten sagen nichts über Bildung aus. Leider ist die Schule immer mehr dazu übergegangen, Wissen abzufragen. Das eingeführte Zentralabitur fördert dies. Abfragbares Wissen ist sicher nicht schlecht, aber eben nur ein Teil von Bildung. Bildung ist Verstehen im umfassenden Sinne. Zusammenhänge begreifen und kritisch zu reflektieren gehört ebenso dazu wie Fußball- oder Gitarrespielen. Soziale Kompetenz ist heute auch in Unternehmen eine Schlüsselqualifikation. Die lässt sich aber nur sehr eingeschränkt in der Schule vermitteln oder gar im Zeugnis ablesen.

Es ist jedoch zu befürchten, dass der eingeschlagene Weg der Wissensvermittlung, das Eintrichtern, landespolitisch beibehalten und sogar auf den Kindergarten übertragen wird. Das von der FDP ultimativ geforderte Vorschuljahr lässt diesbezüglich nichts Gutes ahnen. Ein gemeinsames Abendessen kann aber mehr Bildung vermitteln als so manche Unterrichtsstunde. Rücksichtnahme, das Einhalten von Regeln und anregende Gespräche über Gott und die Welt bilden die Grundlagen für das Verstehen von Zusammenhängen. Schade, dass viele Familien den Ritus des täglichen gemeinsamen Essens nicht mehr kennen.

Eines gilt leider immer noch: Der Zugang zu den Gymnasien wird in der vierten Klasse über die Noten gesteuert. Finnland und andere Staaten zeigen, dass dies ein Irrweg ist. Er setzt schon Zehnjährige unter Leistungsdruck, dem manche Eltern mit der Gabe von Beruhigungsmitteln begegnen. Dieses Aussortieren ist bildungspolitischer Unsinn und muss aufhören. Der Kinder wegen. Die brauchen Zeit zum eigenen Forschen, sie brauchen ihre Zeit zum Lernen und zum Aneignen der Welt. Vertrauen wir ihrem Interesse, ihrer Intelligenz. Dazu bedarf es keiner Noten.

Kurt-Helmuth Eimuth