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Religiöse Sekte verbreitete Coronavirus in Südkorea

von Kurt-Helmuth Eimuth 4. März 2020

Für die Verbreitung des Coronavirus in Südkorea war hauptsächlich eine religiöse Endzeit-Sekte verantwortlich. Ihrem Gründer droht jetzt eine Anklage wegen Mordes. Auch in Frankfurt ist die Gruppierung aktiv und hat hier schätzungsweise 500 Mitglieder. Ihr Frankfurter Zentrum ist allerdings zurzeit geschlossen, angeblich wegen Brandschutz.


Sektengründer Man-Hee Lee steht in Südkorea vor einer Mordanklage. Er und andere Mitglieder halten sich für unsterblich und haben daher großen Anteil an der Verbreitung des Corona-Virus in ihrem Land.
Sektengründer Man-Hee Lee steht in Südkorea vor einer Mordanklage. Er und andere Mitglieder halten sich für unsterblich und haben daher großen Anteil an der Verbreitung des Corona-Virus in ihrem Land.

Die meisten Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus außerhalb Chinas gibt es in Südkorea. An der Verbreitung des Virus hatte eine religiöse Sekte großen Anteil, die auch in Frankfurt aktiv ist und hier nach Schätzungen etwa 500 Mitglieder hat. Das Frankfurter Zentrum ist zur Zeit jedoch ebenso geschlossen wie das in Berlin.

Der Name der Gruppierung, „Shinchonji“ (auch: „Shincheonji“), heißt übersetzt „neuer Himmel und neue Erde“. Gründer ist Man-Hee Lee, der sich als „Pastor der Endzeit“ sieht, der das Volk Gottes sammelt und auf das Kommen Jesu vorbereitet. Die Mitglieder der Sekte halten sich für quasi unsterblich, weshalb sie auch glauben, dass Krankheiten ihnen nichts anhaben können. Dem Sektengründer droht nun in Südkorea eine Mordanklage. Immerhin soll die Hälfte aller Erkrankungen auf die Verbreitung durch Shinchonji zurückgehen.

„Lee selbst bezeichnet sich als körperlich unsterblich“, erläutert Oliver Koch, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Dies gelte wohl auch für viele andere Mitglieder, „Krankheiten werden nicht ernst genommen.“

Koch warnt schon seit langem vor der Gruppierung. Die wahren Hintergründe von diversen Unterorganisationen würden verschleiert. Das Auftreten der Sekte sei sehr aggressiv, ihre Missionierungstaktik fast militärisch-strategisch, die Organisationsstrukturen intransparent bis hin zu Falschdarstellungen. Dies führe zu sehr vielen Beratungsanfragen. Wie auch bei anderen Sekten, steht bei Neumitgliedern der Einsatz für die Mission im Mittelpunkt. Darunter leiden Familie und Beruf.

Sektengründer Lee hat sich inzwischen öffentlich beim koreanischen Volk entschuldigt. Das Frankfurter Zentrum ist zur Zeit wegen „Brandschutz“ geschlossen, in Berlin werden Sanierungsarbeiten als Grund für die Schließung angegeben. Unklar ist, wie sich die Mitglieder in Deutschland verhalten werden. In Südkorea gehen die staatlichen Organe wohl mit allen Mitteln gegen die Verbreitung des Virus durch Shinchonji vor. Möglicherweise ist der Coronavirus dort der Anfang vom Ende dieser Sekte.

Weitere Informationen zu Shinchonji und dem Umgang mit der Sekte sind in einer Broschüre zu finden, die das Zentrum Oekumene veröffentlicht hat.

Schneller als das Virus

In Zeiten der Verunsicherung haben Verschwörungsmythen Konjunktur. Es ist die Zeit der Vereinfacher und Demagogen. Auch im religiösen Bereich gibt es viele bizarre Theorien zu den Ursachen des Coronavirus. Zum Glück gehen die etablierten Religionen verantwortungsvoll mit der Krise um.

Wer hat's in die Welt gebracht? Verschwörungsmythen über Covid-19 verbreiten sich fast schneller als der Virus. | Foto: Fusion Medical Animation/unsplash.
Wer hat’s in die Welt gebracht? Verschwörungsmythen über Covid-19 verbreiten sich fast schneller als der Virus. | Foto: Fusion Medical Animation/unsplash.

Schon in den ersten Wochen nach Ausbruch des Coronavirus sollen nach einer Meldung der Washington Post sieben Prozent aller Posts auf Twitter falsche Informationen verbreitet haben. Komplizierte Sachverhalte reduzieren und möglichst einen Schuldigen benennen – so einfach ist das Muster des Verschwörungsmythos.

Islamische Geistliche aus Tunesien und Ägypten zum Beispiel haben behauptet, das Coronavirus sei eine Strafe Gottes für die Chinesen für deren Umgang mit den Uiguren. Im Irak verbreitete sich die Erklärung, bei der Epidemie handele es sich um ein amerikanisch-jüdisches Komplott. Ziel sei es, die Weltbevölkerung zu dezimieren.

Die Vorstellung von einer „jüdischen Weltverschwörung“ kursiert schon seit gut hundert Jahren. Sie geht unter anderem auf einen Roman aus dem Jahr 1868 zurück, der ein geheimes Treffen auf dem Judenfriedhof in Prag ausmalt. In den dort angeblich beschlossenen „Protokollen der Weisen von Zion“ sei beschrieben, wie das „internationale Judentum“ die Herrschaft über die Menschheit erlangen will, indem sie Wirtschaft, Finanzen, Medien und Kultur kontrollieren.

Diese fixe Idee wird bei jeder Krise wieder reaktiviert. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung, sagte im Deutschlandfunk, es habe nur wenige Tage gedauert, bis das Auftreten des Coronavirus auch in Deutschland mit einer jüdischen Weltverschwörung verknüpft wurde: „Man hat gesagt: In Wuhan gibt es ein Biolabor, Bill Gates und Melinda Gates entwickeln Impfstoffe und verdienen damit Geld, und die seien ja Juden. Nichts davon stimmt.“

Vereinfachende Denkmuster finden sich bei sektenhaften Gruppierungen aller Religionen. Für Man-Hee Lee von der südkoreanischen Sekte „Shincheonji“ war klar: Das Coronavirus ist das Werk des Teufels, das die Ausweitung der Shincheonji-Kirche verhindern soll. An der Verbreitung des Virus in Südkorea hatte die christliche Sekte großen Anteil: Die Mitglieder halten sich für quasi unsterblich, weshalb ihnen Krankheiten nichts anhaben können. Dem Sektengründer droht in Südkorea jetzt ein Strafverfahren wegen Mordes. In Frankfurt hat Shincheonji 500 Mitglieder, ihr Zentrum ist geschlossen.

Die „Catedral Global do Espírito Santo“ in Brasilien hatte in einer Online-Broschüre mit der „Kraft Gottes gegen das Coronavirus“ geworben. Sie versprach ihren Gläubigen „eine Salbung mit geweihtem Öl“, das gegen Epidemien, Viren oder Krankheiten immun mache. In den USA geißelte ein evangelikaler Pastor Corona als Strafe Gottes für Homosexualität.

Doch Verschwörungsmythen sind nicht nur bizarr und abgedreht. Dies mag vielleicht für die Überzeugung gelten, dass die Mondlandung von der NASA in einem Filmstudio inszeniert wurde oder dass Elvis Presley noch lebt und von Außerirdischen entführt wurde, um die beiden beliebtesten Verschwörungsmythen zu nennen. Aber im politischen Bereich wird aus abgedrehten Ideen häufig blutiger Ernst.

Der rassistische Attentäter von Hanau fantasierte von einer angeblichen Überwachung durch ominöse Geheimdienste, von Gedankenkontrolle und Manipulation. Verschwörungsideologien sind häufig Teil eines Radikalisierungsprozesses. Durch sie fühlen sich Attentäter subjektiv berechtigt, andere zu töten. Die jeweilige Ideologie – und mag sie noch so krude sein – wirkt wie ein Durchlauferhitzer. Absurde Gedanken werden zum Kochen gebracht und entladen sich in Gewalt.

Auch der Rechtsextremist Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 Menschen umgebracht hat, sah sich als Retter einer christlich-europäischen Ordnung. Er griff dabei auf Ideen sogenannter national-konservativer Intellektueller zurück, die vor einer angeblich geplanten Islamisierung Europas warnen.

Die Macht von vereinfachenden Vorstellungen, die Sehnsucht nach scheinbar leichter Erlösung überflügelt oftmals den Verstand. Auch unseren zuweilen. Ruhig und besonnen sollen wir bleiben, und doch rennen wir los und kaufen Nudeln und Toilettenpapier. Sind das die überlebenswichtigen Güter? Der Mensch ist vernunftbegabt, aber seine Gefühle stehen ihm oft im Weg. Und darum sind Verschwörungsideologien vermutlich unausrottbar. Mal sind sie nur grotesk, mal gefährlich für Leib und Seele.

1924 entmystifizierte Binjamin Segel in einem gründlich recherchierten Buch mit dem Titel „Protokolle. Eine Erledigung“ die so genannten Protokollen der Weisen von Zion, stellte aber gleichzeitig fest: „Wir sagten uns, es ist überflüssig, gegen dieses dumme Zeug anzukämpfen, das wird über kurz oder lang unter dem Hohnlachen der ganzen Welt zusammenbrechen. Wir haben uns getäuscht. Wir haben die Dummheit und Leichtgläubigkeit der Welt sehr erheblich unterschätzt. Mit diesen Protokollen hat gleichsam die Geschichte das Experiment gemacht, was man alles in einem aufgeklärten Zeitalter den Massen zumuten darf.“ Wie Recht er hatte.

Die Top Ten der Verschwörungstheorien.

Kinder fragen wegen Corona: Muss Oma sterben?

von Kurt-Helmuth Eimuth 23. März 2020

Kinder jeden Alters erfahren die Krise. Sie erfahren die Bedrohung, sehen die Bilder aus Italien und spüren die Angst der Erwachsenen. Wie damit umgehen?

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. Bild: www.colourbox.de

Wie kaum eine andere Krise betrifft die Corona-Krise auch Kinder. Sie bekommen nicht nur über Fernsehen und andere Medien mit, dass hier etwas Schlimmes im Gang ist, nein, sie sind Teil einer Gemeinschaft, die sich ängstigt und entsprechend handelt. Keine Schule, die Eltern sind zuhause und Oma und Opa sollen auch nicht mehr besucht werden. Da kommt doch schnell die Frage auf, die wir Erwachsenen nicht aussprechen: Müssen wir alle sterben? Müssen Oma und Opa sterben?

Wie tief das Virus die Seele der Kinder erreicht hat, zeigt die Reaktion der Kinder einer Grundschulklasse am letzten Schultag. Immer wenn ein Kind nieste oder hustete riefen alle Kinder „Corona“ und rissen die Arme hoch. Das Virus ist auch für Kinder das beherrschende Thema.

Natürlich wird man Kindern erklären, warum es gut ist, wenig Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Da gibt es gute Videos, die mit Dominosteinen oder Streichhölzern zeigen, welche Wirkung es hat, wenn man eine Kette unterbricht.

Schwieriger wird es bei philosophischen und theologischen Fragen. Es sind die Fragen, die auch uns Erwachsene umtreiben. Warum gibt es ein solches Virus? Warum lässt Gott das zu? Müssen wir sterben?

Hier braucht es keine schnellen Antworten. Der Religionspädagoge Frieder Harz schreibt: Kinder „sind keine Gefäße, die es mit klugen Gedanken anderer zu füllen gilt. Sondern sie sind kompetent im Sich-Aneignen und auch gedanklichen Durchdringen ihrer Erfahrungswirklichkeit. Weil Glaube mitten in diese Wirklichkeit hineingehört, gilt das auch für ihr eigenständiges Nachdenken über Gott und den Glauben.“ Kinder eignen sich ihre Welt, auch ihre gedankliche Welt, mit ihren Warum-Fragen an. Sie haben durchaus die Fähigkeit über die großen Fragen des Lebens nachzudenken. Dies geschieht oft in ihrer eigenen bildhaften Sprache. Dabei gibt es keinen Gedanken der falsch ist. Sondern es gibt nur Gedanken, die man gemeinsam entwickeln kann. Man nennt dies Theologisieren mit Kindern. Wichtiger als zu antworten ist das Zuhören. Es geht darum, gemeinsam nachzudenken. Dabei darf man auch seine eigene Unsicherheit zugeben. Wir wissen nicht ob Oma und Opa sterben. Wir können nur alle etwas dafür tun, dass möglichst wenige Menschen vom Virus infiziert wird.

Und natürlich steht hinter allem auch die Frage: Warum lässt Gott das zu? Warum lässt Gott Kriege und Seuchen zu? Es ist die Theodizee-Frage, die Menschen seit Jahrhunderten umtreibt. Dahinter steht die Vorstellung, dass Gott die Welt lenkt und uns Menschen wie eine Marionette führt. Demgegenüber steht eine Vorstellung, dass der freie Christenmensch selbst über sein Schicksal entscheidet. Doch Gott steht uns in der Krise bei. Er gibt uns Zuversicht und Kraft. Auch davon kann im Gespräch mit dem Kind die Rede sein.

Doch Kinder haben ihre eigene Form des Verarbeitens. Wenn es ihnen zu viel wird, brechen sie den Dialog ab. Und das ist gut so. Kann sein, dass sie in ein oder zwei Tagen das Gespräch wieder fortsetzen wollen. Theologisieren braucht eben seine Zeit.

Frankfurt Helau: Die Ursprünge der „Nacht vor dem Fasten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. Februar 2020

Woher kommt eigentlich die Fastnacht? Die Ursprünge, so wird vermutet, liegen in Riten zur Vertreibung des Winters. Aber ihre spezifischen Formen bekamen sie dann erst durch die christliche Neuinterpretation: Fastnacht ist die „Nacht vor dem Fasten“.

Ausschweifungen vor der Fastenzeit: Die Geschichte der Fastnacht begann schon im Mittelalter. Foto: Cooper Le / Unsplash
Ausschweifungen vor der Fastenzeit: Die Geschichte der Fastnacht begann schon im Mittelalter. Foto: Cooper Le / Unsplash

Neulich fragte mich eine Studentin, warum wir Fastnacht feiern. Sie kommt aus Äthiopien. Ich stammelte etwas von katholisch, Winteraustreiben und Kritik an der Obrigkeit. Stimmt irgendwie, und doch animierte es mich, der Sache nochmals genau nachzugehen.

Zwischen Winter und Frühling wurden schon im Altertum allerlei Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfeste mit Masken, Kostümen und Radau zur Vertreibung des Winters gefeiert. Doch die Wurzeln der Fastnacht, der Nacht vor dem Fasten, liegen wohl in den christlichen Klöstern. Dort wurden seit dem 12. Jahrhundert vor Beginn der Fastenzeit ausgiebige Feste gefeiert – und am Aschermittwoch war dann „alles vorbei“, denn an diesem Tag beginnt eben die Fastenzeit vor Ostern.

Schon um 1200 hieß der Vorabend des Aschermittwochs „Fastnacht“, jedenfalls in bestimmten Regionen. In anderen Regionen sprach man vom „Karneval“ vom Lateinischen „Carnem Levare“ (zu Deutsch „Fleisch wegnehmen“) abgeleitet – auch dies ein Ausdruck, der direkt auf die Fastenzeit hindeutet. Man verzichtete in der 40-tägigen Fastenzeit aber nicht nur auf Fleisch, sondern allgemein auf Fett und Milchprodukte und sollte auch sexuell enthaltsam leben. Völlerei, Maßlosigkeit, derbe Scherze und Ausschweifungen aller Art waren in der Fastenzeit tabu.

In den Kirchen wurden vom 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts auch Narrenfeste gefeiert. Dabei übernahmen niedere Kleriker vorübergehend die Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale wurden in Narren- oder Eselsmessen parodiert. Es kam sogar vor, dass ein Pseudobischof- oder -papst gekürt wurde.

Schon bald blieb das bunte Treiben nicht auf die Klöster und Kirchen beschränkt, sondern verbreitete sich auch in den Städten. Prozessionen, Musik und Spottgedichte, die wie im Süddeutschen oder am Rhein eine regionale Färbung bekamen, gehörten jetzt auch außerhalb der Kirche dazu. Schon im Spätmittelalter hatte sich der Karneval verselbstständigt. Mit seiner Völlerei, den Wettkämpfen und Spielen, den Besäufnissen und sexuellen Ausschweifungen war er geradezu zu einer „Civitas diaboli“, zu einer teuflischen Ausprägung geworden.

Die katholische Kirche versuchte, das Treiben zu kanalisieren und wieder in das Kirchenjahr zu integrieren. Die Reformatoren blieben auf Distanz und verboten den Karneval sogar. Dabei war Luther keineswegs derben Scherzen und einem guten Mahl abgeneigt. Seine Kritik bezog sich eher auf das damit einhergehende Verständnis vom Fasten: Einem Fasten, das Pluspunkte im Himmel versprach, stand Luther ablehnend gegenüber.

Der Narr ist in katholischer Vorstellung derjenige, der Gott nicht in den Werken der Schöpfung erkennt. Das Narrenzepter steht für seine Selbstbezogenheit. An seiner Mütze trägt er Eselsohren, Hahnenkamm und Schellen. Die Masken symbolisieren die sieben Todsünden. Für den Hochmut steht etwa der Pfau, für Neid der Drachen.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde dann aus ganz anderen Gründen versucht, das närrische Treiben zu unterbinden: Die Franzosen in den besetzten rheinischen Gebieten wollten den Karneval unterdrücken. Der Kölner Stadtkommandant verbot 1795 nicht nur das Maskieren, sondern jede Art der Verkleidung. Aber auch Preußens König Friedrich Wilhelm III. wollte seinen neuen Untertanen 1828 „Maskeraden“ nur noch in jenen größeren Städten der Rheinprovinzen erlauben, „wo sie von Alters her herkömmlich stattgefunden haben“. Man darf vermuten, dass nicht nur das wilde Treiben und die Sauferei der Grund für die Unterdrückung des Karnevals war, sondern auch die Verspottung der Obrigkeit, die schon immer auch zum Karneval gehörte.

Doch auch damals galt schon: Verbote machen eine Sache erst Recht interessant. Und so bekam der Karneval neuen Auftrieb. Heute ist das Fastnachtstreiben bunt, schrill regional gefärbt aber trotzdem international und manche Büttenrede kann es mit dem politischen Kabarett aufnehmen. Na dann: „Frankfurt Helau!“

Die Armen bleiben arm, die Reichen wurden reicher

von Kurt-Helmuth Eimuth 3. Januar 2020

Zehn Prozent der Menschen in Deutschland sind überschuldet, das sind fast sieben Millionen. Trotz dem Konjunkturboom der vergangenen Jahre ist ihre Zahl gleich geblieben. Drei Maßnahmen, die man sofort ergreifen müsste.

jeder zehnte Mensch in Deutschland hat mehr Schulden als Vermögen. |Foto: Josh Appel / Unsplash
jeder zehnte Mensch in Deutschland hat mehr Schulden als Vermögen. |Foto: Josh Appel / Unsplash

Der Einzelhandel ist noch in erwartungsvoller Stimmung: Die ersten zwei Wochen eines neuen Jahres gelten als umsatzstark, die weihnachtlichen Gutscheine und Geldgeschenke müssen ausgegeben werden. Aber auch die Börse jubelt. Die Kurse steigen und steigen, schließlich gibt es kaum noch Zinsen, Aktien bleiben die Alternative. Das vergangene Jahrzehnt mit seiner positiven Entwicklung gilt schon als eine Art zweites deutsches Wirtschaftswunder.

Doch zehn Prozent der Deutschen haben ein ganz anderes Problem: Sie sind überschuldet, das heißt, sie haben mehr Schulden als Vermögen. Zum Stichtag 1. Oktober 2019 betrug die Überschuldungsquote bundesweit exakt 10 Prozent – das heißt, über 6,9 Millionen Bürgerinnen und Bürger können ihre Schulden nicht mehr bezahlen und weisen „nachhaltige Zahlungsstörungen“ auf. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr praktisch unverändert.

Nicht alle von ihnen werden auf Dauer zahlungsunfähig sein. Viele werden ihre persönliche Misere wieder in den Griff bekommen. Aber rund vier Millionen Menschen bleiben in einer harten und damit tieferen Überschuldungsspirale gefangen. Von 2006 bis 2019 ist die Zahl der Überschuldungsfälle insgesamt um 611.000 gestiegen.

Auch in Hessen geht die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander, und zwar stärker als in anderen Bundesländern, wie dem im Dezember veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zu entnehmen ist. Der Frankfurter Jugendring weist zudem auf das Problem der Kinderarmut hin: Seinen Erkenntnissen nach lebt jedes vierte Kind in Frankfurt von Hartz IV.

Frauen (12,5 Prozent) sind insgesamt häufiger verschuldet als Männer (7,65 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr ist zudem die Zahl der verschuldeten Rentnerinnen und Rentner über 70 Jahre um 45 Prozent gestiegen, auf insgesamt 381.000 Fälle. Allerdings sind alte Menschen immer noch deutlich seltener überschuldet als Jüngere: Ihr Überschuldungsquote liegt nur bei knapp 3 Prozent.

Der langjährige Konjunkturboom in Deutschland hat also offensichtlich nicht dazu beigetragen, dass die Armutsgefährdungs- und Überschuldungsquoten zurückgegangen sind: Die Armen bleiben arm, die Reichen wurden reicher. Diese Kluft steht einer Gesellschaft, deren Werte Solidarität und Gemeinschaft sind, nicht gut an.

Drei Dinge gilt es jetzt zu tun und staatlich zu fördern:

Erstens darf kein Kind in der Schule zurückgelassen werden. Dass jährlich 70.000 Kinder ohne Schulabschluss und damit ein Leben lang in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, ist nicht tragbar.

Zweitens muss die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft werden. Wir dürfen uns nicht an Millionen Arbeitslose gewöhnen, zumal davon häufig auch deren Familien betroffen und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt sind.

Drittens schließlich muss der Altersarmut vorgebeugt werden. Es sollte für alle Menschen eine Mindestrente geben – die Nachbarländer Schweiz und Österreich machen vor, dass das geht.

Wie rechte Christen Kirche und Gesellschaft unterwandern

Deutsches Pfarrblatt, Januar 2020

„Es braucht viele Sprachrohre, damit pflegende Angehörige Unterstützung bekommen“

Hessenschau-Moderatorin Constanze Angermann fordert mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. |Foto: hr
Frau Angermann, was macht man als Pflegebotschafterin der Diakonie? Erst mal redet man über Pflege und bringt damit das Thema, das sich zu einem ganz großen Teil hinter verschlossenen Türen abspielt, in die Öffentlichkeit. Der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen wird zuhause von Angehörigen, von Frauen und Töchtern gepflegt. Die leisten Unglaubliches und sind oft allein mit dieser schwierigen Arbeit. Sie haben gar nicht die Zeit, jedem noch zu erzählen, was sie da leisten. Da ich mich aber mit pflegenden Angehörigen unterhalte und sie mir sagen, was sie brauchen, bin ich gerne ihr Sprachrohr. Es braucht allerdings viele Sprachrohre, damit erkannt wird, was die Pflegenden an Unterstützung brauchen. Und damit ihnen ihre Arbeit nicht noch durch Bürokratie schwerer gemacht wird. Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe? Ich kümmere mich selbst um eine alte Frau und Freundin, die noch vieles selbst kann, aber das ändert sich ständig. Und so wachse ich gerade in eine Pflege hinein. Ich habe großen Respekt davor und werde mir so viel Hilfe wie möglich holen, einfach, damit man auch mit der Situation nicht allein ist. Dann hat die Diakonie vor einiger Zeit starke Frauen in der Pflege vorgestellt – dafür war es höchste Zeit. Denn in der Pflege wird Zukunftsweisendes geleistet. Was davon hat Modellcharakter? Das wird für uns alle immer wichtiger. Denn wir haben immer mehr zu Pflegende, aber immer weniger, die pflegen. Wie also machen wir das, wie organisieren wir das? Was sollte Ihrer Meinung nach zur Verbesserung der Pflege getan werden? Erst mal müssen wir anerkennen, was die pflegenden Angehörigen machen. Die machen das in der Regel nämlich gut und können die Signale des zu Pflegenden hören und einordnen. Sie haben einen für beide Seiten passenden Modus gefunden. Also: die sollte man unterstützen und nicht noch gängeln. Man soll ihnen Hilfe anbieten, die sie auch annehmen können. Was hat denn ein Mann vom Urlaubsangebot seiner Krankenkasse, wenn er in der Zeit keine Unterbringung für seine zu pflegende Frau hat? Es wäre sicher gut, die Maßnahmen in der Pflege zu bündeln, einen Ansprechpartner zu haben und nicht noch durch bürokratischen Wust, durch den sich der Pflegende erst mal kämpfen muss, die Situation weiter zu verschärfen. Außerdem muss die Pflege möglich gemacht werden, durch mehr Personal oder durch eine Arbeitswelt, die sich darauf einstellt, dass Angehörige gepflegt werden müssen. Welche Rolle kann die Diakonie dabei einnehmen? Es sind zu wenige Menschen auf dem Markt der Pflege, wir brauchen mehr Pflegekräfte. Von daher bin ich um jeden froh, der sich praktisch und organisatorisch damit befasst. Aber die vielen Anbieter müssen natürlich auch einem gewissen Standard genügen, und diese Qualität muss kontrolliert werden. Die Diakonie hat viele Einrichtungen und dadurch ein aussagekräftiges Bild der Pflege vor Augen. Sie weiß, was es außerdem noch braucht und kann das in die Politik bringen. Das halte ich bei den großen profilierten Einrichtungen in der Pflege für extrem wichtig. Welche persönliche Beziehung haben Sie zu Kirche und Diakonie? Ich habe eine ur-evangelische Sozialisation, ich bin gewissermaßen neben meinem Vater auf der Orgelbank der evangelischen Kirche in Götzenhain groß geworden. Also ich bin evangelisch durch Musik, wenn Sie so wollen. Und die Diakonie ist mir durch die Pflege zugewachsen. Dieses Thema liegt mir einfach am Herzen, wir können uns da nicht wegducken. Das kommt auf jeden von uns zu und wir müssen uns darum kümmern. Das Schöne ist: Man hat damit auch eine Aufgabe, die sinnvoll ist. Das macht zufrieden, wenn es gut läuft. Das ist noch ein Stück Leben, das man mit dem oder der zu Pflegenden teilen kann. Wir müssen nur dran arbeiten, dass wir dafür noch bessere Rahmenbedingungen haben. Das Gespräch führte Kurt-Helmuth Eimuth

Vorwärts gelebt, rückwärts verstanden

Abschied von Steinperf

Obgleich Frankfurter kam ich 1978 in eine hessische Gegend, die mir bisher verborgen geblieben war. Ich erinnere mich noch genau. Meine damalige Freundin zeigte mir wie die Kurven sportlich zu fahren waren und ich staunte in den Sitz des Audi 50 gepresst über eine Landschaft, die mich an Österreich mit seinen Wiesen und Wäldern erinnerte. Nur die Berge waren niedriger. Und dann die Sprache. Ich lernte, dass es nicht einfach nur Hessisch gibt. Der Sprachraum in Mittelhessen, im hessischen Hinterland, ist ein ganz eigener. Die ersten drei Tage verstand ich wenig bis nichts.

Doch im Laufe der Jahrzehnte habe ich mich eingehört, verstehe 98 Prozent, Platt schwätzen heute auch nur noch die alten Leute, zu denen meine Generation gehört. Das Leben im kleinen Dorf Steinperf im Altkreis Biedenkopf habe ich lieben und schätzen gelernt. Und nun gilt es Abschied zu nehmen. Die Schwiegereltern sind lange verstorben und auch wir können das Haus, das wir zwischenzeitlich für uns ausgebaut haben, nicht mehr nutzen. Es ist nicht barrierefrei und nur mit hohem Aufwand umzubauen. Ein Ausschlusskriterium, da meine Frau, jene Dame, die mich so flott ins Hinterland beförderte, seit vier Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Hinzu kommt die medizinische Versorgung auf dem Land. Die Arztpraxen in den umliegenden Dörfern schließen nach und nach. Der öffentliche Nahverkehr findet praktisch nicht statt und von schnellem Internet darf man träumen. Alles Argumente, die uns schon vor vielen Jahren von unserem ursprünglichen Plan, im Ruhestand ganz aufs Land zu ziehen, abbrachten. Und noch eines sollten die bedenken, die für die Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens verantwortlich sind. Immer nur neue Wohnungen zu bauen, obgleich die Bevölkerung schrumpft, kann nicht die einzige Antwort sein. Auch im Hinterland, gut einhundert Kilometer von Frankfurt entfernt, stehen in jedem Dorf zehn Häuser leer. Für eine Drei-Zimmer-Wohnung in Frankfurt bekommt man dort fünf Häuser. Die Mieten liegen entsprechend weit unter dem, was in Frankfurt eine geförderte Wohnung kostet. Die Förderung des ländlichen Raums hätte mindestens so viel Aufmerksamkeit verdient wie die explodierenden Mieten in den Ballungszentren.

Aber wir können nicht mehr so lange warten bis die Politik den Trend wendet. Das Haus muss geräumt werden. Jedes Buch, jeder Schrank hat seine Geschichte. So wie das Gebäude selbst. Meine Schwiegermutter hatte es per Los zugesprochen bekommen. So wie man sich das vorstellt: Mit langen und kurzen Streichhölzern. Sie zog das Lange und ihre Brüder hatten das Nachsehen. Das 1900 erbaute Fachwerkhaus fiel ihr zu und die Brüder mussten ausgezahlt werden. Das war Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ein Drittel des Hauses war Scheune, im Keller war ein kleiner Stall in dem eine Kuh gehalten wurde. Gemeinsam mit der Bewirtschaftung eines Ackers und eines Gartens trug diese Mini-Nebenerwerbs-landwirtschaft erheblich zum Unterhalt der Familie bei. Auch ich Stadtkind half dann später bei der Kartoffelernte und durfte auch mal Traktor fahren. Schönes Landleben, wenn auch der Rücken schmerzte.

Vor diesem Hintergrund kann man den Stolz nachvollziehen, wenn die Schwiegermutter vom Kauf des Küchenbuffet erzählt. Lange hatten sie sparen müssen. Der Dorfschreiner hat es in Handarbeit hergestellt. Die Schütten für Mehl und Zucker sind noch vorhanden. Dank der liebevollen Behandlung mit Möbelpolitur ist der Schrank noch gut erhalten. Längst ist er in den Keller gewandert. Fristete dort ein vernachlässigtes Dasein, wurde zweckentfremdet zur Aufbewahrung von Bastelmaterialien und ja, nicht verbrauchte Spielzeugeisenbahnutensilien hatte ich dort gelagert. Jetzt muss auch dieser Schrank entsorgt werden. Gut, dass die Schwiegermutter dies nicht mehr miterlebt.

Ein Freund kam während des Räumens vorbei und meinte. Auch er müsse mal mit seiner Frau das Haus räumen. Schließlich könne man das nicht den Kindern überlassen. Aber vom Gefühl könne er sich nicht vorstellen, alles wegzuwerfen. Mein Rat: „Tu dir das nicht an. Vererbe etwas Geld mit dem die Kinder den Entrümpler bezahlen können. Dann ist alles gut.“

Verschwiegen habe ich, dass das Wegwerfen nicht das Problem ist. Das Aussortieren ist das Problem. Welche Erinnerungsstücke möchte ich noch behalten. Wo habe ich Erinnerungen, was hat für mich einen ideellen Wert? Klar, Fotos wirft man nicht weg. Die Fotoalben finden sicher irgendwo einen neuen Platz. Auch die kleine Plastiktüte mit Bildern aus dem Krieg, die noch im Wohnzimmerschrank lag. Mein Schwiegervater stolz in Uniform. Er, den ich nur als eingefleischten Sozialdemokraten kannte. Brief-markengroße Bilder von fremden Landschaften, vermutlich Frankreich. Und Gruppenbilder wie wir sie heute auch machen. Nur eben eine Gruppe Soldaten. Auch das alte Soldbuch fand sich noch. Mit deutscher Gründlichkeit ist alles festgehalten, etwa auch ob Feldmütze, Drillichzeug, Unterhose oder Mantel an den Gefreiten ausgegeben wurde. Genau Buch geführt wurde auch über das Aushändigen einer Gasmaske. Und schließlich die Eintragungen des Lazaretts im Jahre 1944. Wie so viele seiner Generation sprach auch mein Schwiegervater nicht über seine Kriegserlebnisse. Wir hatten es gelegentlich versucht. Lungensteckschuss, Lazarett, Kriegsgefangen-schaft. Alles kein Zuckerschlecken. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Und dann nach dem Krieg Schleifarbeiten im Metallgewerbe. Ergebnis Staublunge. Bei allem, was die EU kritikwürdig macht, sind über sieben Jahrzehnte Frieden ein Geschenk für unsere Generation.

Zu den schöneren Funden gehört ein grauer Karton mit Briefen. Vor allem die Glückwünsche zu unserer Hochzeit vor 38 Jahren, aber auch einige Briefe, die wir uns geschrieben haben. Vergessen, verstaut im Trempel des Dachgeschosses. Viele, von denen, die uns gratulierten, sind nicht mehr unter uns. Es gilt der Satz von Sören Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“

Jeder Haushalt hat Geschirr. Die beiden Haushalte, unserer und der der Schwiegereltern, hatten unvorstellbare Mengen von Geschirr. Schließlich brauchte man auch für Geburtstagsfeiern jede Menge. Normale Geburtstage, keine Runden. Da wurde schon drei Tage vorher mit dem Backen begonnen, Tische und Stühle wurden herbeigeschleppt, das Wohnzimmer umgeräumt. Meine ungläubige Frage, wer denn alles eingeladen sei, entgegnete man mit einem unverständlichen Schweigen. Also schleppte ich mit, deckte Tische. So dreißig Personen waren unterzubringen. Und tatsächlich. Pünktlich um 15 Uhr war das Wohnzimmer mit Nachbarn, Freundinnen und Freunde und Verwandtschaft gefüllt. Auf jedem Tisch standen drei Torten und den Kaffee durften wir Kinder einschenken. Bedienung gehörte dazu. Kein Wunder also, dass hier Ess- und Kaffeeservices jeweils für 18 Personen in den Schränken gestapelt waren. Hinzu die zahllosen Kuchenplatten aus Bleikristall oder auch einfach Tupper für den Transport, denn schließlich bekam jede Familie noch etwas vom Geburtstagskuchen mit nach Hause.

Jetzt will niemand das Geschirr mehr haben. Selbst auf eBay erzielt es keine nennenswerte Nachfrage mehr. Man merkt, wir sind die Generation der Erben. Demografischer Wandel einmal ganz praktisch. So bleibt für Vieles nur noch der Restmüllcontainer.

Nachbarschaft ist auf den Dörfern etwas Besonderes. Es sind nicht nur Nachbarn, die sich Jahrzehnte kennen. Sondern auch die Generation davor und die Generation danach leben in der Dorfgemeinschaft. Man besucht sich, nimmt Anteil und übt natürlich auch soziale Kontrolle aus. „Du musst die Vorhänge waschen, man spricht schon darüber“, war der in einem Brief gefundene Ratschlag meiner Schwiegermutter.

Damit doch noch etwas Nachhaltigkeit erzielt wird, haben wir einen Hausflohmarkt veranstaltet. Mit mäßigem Erfolg. Auch da zeigt sich das Landleben negativ. Vieles hätte in Frankfurt seinen Abnehmer gefunden, doch wer will schon für gebrauchte Möbel, Geschirr und Haushaltsutensilien viele Kilometer fahren? Und die Zeitgenossen, die dann anrufen und fragen, ob man die geschenkte Couch nicht doch vorbeibringen könne, sind leider gar nicht so selten. Die, die flehentlich um die Reservierung des Tisches oder der Bank gebeten haben, erscheinen dann häufig nicht. Verbindlichkeit fehl am Platze.

Zu den ideellen Werten gehören immer Dinge, die selbst hergestellt wurden. Da sind die Intarsienarbeiten des Schwiegervaters, ob als Bild oder als Verschönerung der Möbeltüren. Oder die Kommode, die er für seine Enkelin in der Tradition naiver Bauernmalerei gestaltet hat. Natürlich werden solche Objekte sorgfältig verpackt und eingelagert. Auch die alte Bandonika, eine Art Akkordeon, gehört dazu. Überhaupt war der Schwiegervater ein begabter Künstler. Musik und Malerei waren seine Passion.

Bücher sind der Schreck eines jeden Möbelträgers. Wohin? Und warum nicht aufheben? Diesen Krimi wollte auch ich noch lesen und der Band über Masuren diente immerhin zur Vorbereitung einer wunderbaren Fahrradtour. Und was mache ich mit den Fachbüchern? Brauche ich sie trotz Internet nicht doch noch einmal zum Nachschlagen? Es hilft nichts. Für die allermeisten bleibt nur die Papiertonne.

Und wie überall wurde am Haus ständig gewerkelt. Den Einbau einer Zentralheizung, den Bau eines Zimmers in die Scheune, den Bau einer Garage waren die kleinen Projekte. Beim Bau der Garage konnte ich dem 1991 verstorbenen Schwiegervater helfen. Ob Maurerkellen oder Zollstocksammlung, alles von Schwiegervater Otto. Immer wieder erschall beim Ausräumen der Ruf: „Oh, das ist noch von Otto“. Schließlich die Frage eines helfenden Freundes: „Wer war denn dieser Otto?“ In der Erinnerung leben wir weiter. Und das ist doch schön.

Kurt-Helmuth Eimuth, Juni 2019

In hundert Geschichten heiter durchs Jenseits

Fabian Vogt stellt hundert Beispiele vor, wie verschiedene Kulturen und Religionen sich das Leben nach dem Tod vorstellen.
Was kommt nach dem Tod? Der Schriftsteller und Theologe Fabian Vogt lädt ein zu einem Ritt durch die Jenseitsvorstellungen zahlreicher Kulturen und Religionen. „100 Dinge, die du nach dem Tod auf keinen Fall verpassen solltest“ heißt sein Buch; vielfältig, verblüffend, hoffnungsvoll und gelegentlich auch irritierend sind die darin beschriebenen Bilder.

Dazu gehören neben den bekannteren Vorstellungen der großen Religionen oder auch der Literatur (von Dante bis Tolkien) auch weithin unbekannte Mythen. So müssen in der buddhistischen Tradition Japans die Toten einen Fluss überqueren – die Guten dürfen über eine Brücke gehen, die nicht ganz so Guten benutzen eine Furt, und die „verkommenen Gestalten“ müssen schwimmen. Die nassen Kleider werden an einen Baum gehängt. Das Gewicht der nassen Kleider zeigt die Sündhaftigkeit der Seele an. „Je tiefer der Ast, desto verdorbener der Charakter.“

Die Azteken schicken die Seelen in drei Paradiese: Eines für diejenigen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, aber sich auch nicht angestrengt haben, das zweite für alle, die sich für das Gute engagiert haben, und das dritte für die, die ihr Leben lang nach Erleuchtung und Weisheit gesucht haben.

Auf je zwei Buchseiten beschreibt Fabian Vogt insgesamt 100 Jenseitsvorstellungen. Er sieht in ihnen vor allem eine Auseinandersetzung mit den Fragen des Diesseits. Ein religionswissenschaftlich anspruchsvolles Buch, das sich trotzdem leicht liest, weil es gelassen und heiter mit diesem schwierigen Thema umgeht.

Weiterhin im Vorstand des Institutes für Kommunikation

Der Vorstand des Institutes für Kommunikation Hessen mit seinem Vorsitzenden Michael Siebel (MdL).


Der Medienpädagogik bin ich weiterhin verpflichtet. Medienbildung ist eine Schlüsselqualifikation, die bereits im Kindergarten gelernt werden sollte. Deshalb engagiere ich mich seit 2006 im Vorstand des Institutes für Kommunikation Hessen, das gerade im Elementarbereich tolle Projekte durchführt. Kurt-Helmuth Eimuth