Tag Archiv für CD

Hinterm Horizont geht’s weiter: Luther und Lindenberg

von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Juni 2021

Udo Lindenberg und Martin Luther sind Brüder im Geiste, meint der Theologe und Autor Uwe Birnstein. Zusammen mit dem Musiker Werner Hucks hat er jetzt ein musikalisches Feature über die beiden herausgebracht.

Uwe Birnstein, Werner Hucks: Luther & Lindenberg, CD, 16 Euro, Bezug über komm-webshop.de
Uwe Birnstein, Werner Hucks: Luther & Lindenberg, CD, 16 Euro, Bezug über komm-webshop.de

Beim Theologiestudenten Uwe Birnstein stand in den 1980er Jahren die Musik von Udo Lindenberg ganz oben auf der Playlist. Sobald sich die Gelegenheit bot, interviewte er den Deutschrocker. Lässig mit Whiskyglas in der Hand sei Lindenberg dahergekommen, erzählt Birnstein, und doch überraschte er den jungen Studenten mit Konzentration und Nachdenklichkeit. Und dem berühmten Luther zugeordneten Zitat vom Apfelbäumchen, das er noch pflanzen würde, selbst wenn morgen die Welt unterginge. Es gebe keine Alternative zum Optimismus, war Lindenbergs Interpretation: „Hinterm Horizont geht’s weiter“. Den Hit hat Lindenberg nach dem frühen Tod einer Freundin geschrieben, denn – der Tod hat nicht das letzte Wort.

In seinem Feature zieht Birnstein biographische Verbindungen klug und informativ, wie er es auch schon in Büchern über Leonhard Cohen oder Bob Dylan getan hat. Sein Vortrag ist voll überraschender Perspektiven, die immer wieder ergänzt werden durch das Gitarrenspiel von Werner Hucks, der die alten Melodien und Lindenbergs Songs gekonnt anklingen lässt. Entstanden ist eine Produktion, die zum Nachdenken anregt oder auch einfach zum Genuss der Musik einlädt: „Eine feste Burg“, „Hinterm Horizont“, „Verleih uns Frieden gnädiglich“, „Cello“ oder „Mein Ding“.

In Lindenbergs Song „Mein Ding“ zum Beispiel sieht Birnstein die gleiche Eigensinnigkeit wie bei Luther. Der eine macht sein Ding, der andere steht fest zu seiner Überzeugung und kann nicht anders. Zwei unabhängige Geister, die auch neue Begrifflichkeiten geprägt haben, was Birnstein und Hucks genüsslich vortragen. Auf beide passen Bezeichnungen wie Ketzer, Prediger, Promi, Protestant, Sprücheklopfer, Grenzüberschreiter, Deutschsprecher, Liedermacher, Erneuerer, Reformator, Querkopf oder Wortschöpfer. Ja, diese Aufzählung zeigt schon, dass Luther und Lindenberg doch mehr gemeinsam haben, als man auf den ersten Blick meint.

In seinem von musikalischen Assoziationen unterbrochenen Vortrag beleuchtet Birnstein auch die Kindheit der beiden Protagonisten. Martin sollte Jurist werden und kam aus angesehenem Haus. Oft musste er vor der Rute seines Vaters fliehen. Gewalt und auch der Tod waren ihm nicht fremd. Vier seiner Geschwister starben. 463 Jahre später wurde Udo Lindenberg geboren. Eine andere Zeit. Musikalisch dominiert vom Jazz. Der Zweite Weltkrieg war gerade vorbei. Die Elterngeneration versuchte sich die schrecklichen Bilder im Suff aus dem Kopf zu trinken. Launig erinnert sich Udo, dass er das einzige „Heidenkind“ am Ort gewesen sei, denn Vater Gustav habe sich die Kirchensteuer gespart. Es war damals sehr außergewöhnlich, dass jemand seine Kinder nicht taufen ließ. Der Oma gefiel das auch gar nicht. Also wurde Udo gemeinsam mit seinen Geschwistern im Alter von sieben Jahren doch noch zum Taufbecken geführt. Oma war selig. Trotz evangelischer Kindertagesstätte blieb Udo aber der Kirche gegenüber kritisch. „Lindenberg ist fromm auf seine Art“, bilanziert Birnstein.

Udo Lindenberg ist kein Reformator und hat sicher auch nicht die deutsche Sprache so nachhaltig geprägt wie Luther. Aber es lohnt sich, seine CDs mal wieder hervorzukramen. Birnstein hat einen anderen Zugang eröffnet – zu Luther und zu Lindenberg, eben zwei coolen Typen. Ein spannendes Feature für alle theologisch Interessierten, die gelegentlich auch mal Rockmusik hören.

Uwe Birnstein, Werner Hucks: Luther & Lindenberg, CD, 16 Euro, Bezug über komm-webshop.de

Orgeltage für Zuhause: Mitschnitte aus der Heiliggeistkirche

Kunst & Kultur

von Kurt-Helmuth Eimuth 8. Januar 2021

Kirchenkonzerte können zurzeit nur vereinzelt stattfinden oder müssen ganz abgesagt werden. Dafür gibt es jetzt eine zweite CD mit Livemitschnitten aus der Frankfurter Heiliggeistkirche.

Orgelkonzert aus dem Dominikanerkloster - jetzt hat Organist Frank Hoffmann eine zweite CD herausgebracht.
Orgelkonzert aus dem Dominikanerkloster – jetzt hat Organist Frank Hoffmann eine zweite CD herausgebracht.

Die Walcker-Orgel der Frankfurter Heiliggeistkirche mit ihren 40 Registern ist ein gewaltiges Instrument, zumal sie auch über eine „Spanische Trompete“ verfügt. Zu hören ist sie jetzt auf einer zweiten CD, die der Organist der Kirche, Frank Hoffmann, bei den der alljährlich stattfindenden Frankfurter Orgeltagen aufgenommen hat.

Für die Live-Mitschnitte hat Hoffmann durchaus auch populäre Stücke ausgesucht. Höhepunkt ist die Komposition Jerusalem von Charles Hubert H. Perry, die jährlich die „Last night of the Proms“ in der Londoner Royal Albert Hall abschließt. Ungewöhnlich auch Felix Alexandre Guilmants Marche Funèbre et Chant Séraphique – ist es doch ein Trauermarsch, der sich allmählich bis zum Fortissimo und einem langen Pedaltriller steigert. „An das folgende Decrescendo schließt sich der sphärische Chant Séraphique an, der am Ende mit einem einzigen langen tiefen Pedalton verklingt“, beschreibt Hoffmann das Klangerlebnis.

Natürlich dürfen auch Bach und Händel (Feuerwerkmusik) nicht fehlen, denen aber Werke zur Seite gestellt werden, die nicht so oft auf dem Programm stehen: Gustav Adolf Merkel, George Thomas Thalben-Ball oder Marco Enrico Bossis. Alle Aufnahmen entstanden 2020.

Neben seinen Engagements als Organist an der Heiliggeistkirche und der Preungesheimer Festeburgkirche leitet Frank Hoffmann den etwa 60 Sängerinnen und Sänger umfassenden Frankfurter Kantatenchor. Außerdem ist er Vorsitzender und künstlerischer Leiter des seit 1950 bestehenden Kirchenmusikvereins Frankfurt, der zahlreiche Konzerte in der Heiliggeistkirche organisiert.

Zu beziehen ist die CD für 12 Euro zzgl. 1,55 Euro Versandkosten beim Evangelischen Regionalverband, Jutta Volk, Telefon 069 21 65 12 44, jutta.volk@ervffm.de.

Geschichten von Menschen auf der Straße

Franz Schubert/Wilhelm Müller/Stefan Weiler, Deutsche Winterreise. Liederzyklus mit Geschichten von Menschen im Abseits. CD mit Booklet, 82 Minuten, 16 Euro.

Mit seinem Musikprojekt „Deutsche Winterreise“ gibt Stefan Weiler authentischen Einblick in das Leben obdachloser Menschen.

weimal war Stefan Weiler mit seinem Programm „Deutsche Winterreise“ auch in Frankfurter Kirchen zu Gast. Er hat sich mit Menschen ohne festen Wohnsitz getroffen, ihre Geschichten gehört und gesammelt. Textfragmente aus diesen Gesprächen hat er dann mit dem Liederzyklus Schuberts Winterreise und mit Gedichten von Wilhelm Müller verwoben.

Herausgekommen ist eine Collage über das Leben in Obdachlosigkeit, ohne Pathos, ohne Klagen und durchaus mit Witz. Hier werden Lebensschicksale lebendig: „Ich sitze vor dem Fallmanager. Er managt wie ich falle“, erzählt einer. Weilers „Winterreise“ erzählt von verlorener Liebe, verletzten Gefühlen, von Geld, Tod, psychischer Krankheit, Arbeitslosigkeit und Armut. Und von einer vergleichsweise reichen Gesellschaft, die sich trotzdem Armut und Ausgrenzung leistet.

Die Textfragmente zeigen, wie schnell man in Obdachlosigkeit geraten kann. Mietrückstände, Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Krankheit und in Folge auch Schnaps zerstören die bürgerliche Lebensplanung. Auch Vorurteile über das Leben ohne Dach über dem Kopf werden korrigiert. „Man denkt ja immer, Weihnachten sei das mit der Obdachlosigkeit und Armut besonders schlimm. Das stimmt gar nicht. Schlimm ist es im April, wenn sich kein Mensch und keine Zeitung mehr für dich interessiert. Oder im Juli, wenn jeder denkt, wir hätten es ja jetzt hübsch warum und romantisch – so arbeitslos und lässig im Park. Im Sommer, wenn sich wirklich keiner mehr für dich interessiert, dann ist eigentlich Eiszeit.“

Ein bitter-süßer Einblick in eine fremde Welt, garniert mit sanften Klaviertönen. Die Produktion von „speak low“ wurde von hr2-Kultur ausgezeichnet. Wer einen authentischen Einblick in diese fremde Welt gewinnen will, der darf sich auch mal wieder eine CD kaufen.

kurt-Helmuth Eimuth

Livemitschnitt von den Frankfurter Orgeltagen auf CD erhältlich

von Kurt-Helmuth Eimuth 27. April 2020

Mitschnitte von den Frankfurter Orgeltagen 2018 und 2019 gibt es jetzt auf CD zum Nachhören. Die Auswahl reicht von Bach über Oreste Ravanello bis zu Concert-Rag.

Die CD mit Orgelmusik aus der Frankfurter Heiliggeistkirche ist in der Alpha Buchhandlung erhältlich.
Die CD mit Orgelmusik aus der Frankfurter Heiliggeistkirche ist in der Alpha Buchhandlung erhältlich.

Eine ungewöhnliche Auswahl von Orgelstücken präsentiert Frank Hoffmann mit seiner CD „Orgelkonzert im Dominikanerkloster“. Es sind Live-Aufnahmen von den Frankfurter Orgeltagen 2018 und 2019. Sie dokumentieren gleichzeitig den Klang der 2013 sanierten Walcker-Orgel der Heiliggeistkirche. Heute verfügt die Hauptorgel über 40 Register, Schleifenwindladen bei mechanischer Spiel- und elektrischer Registertraktur sowie elektrische Koppeln.

Virtuos nutzt Hoffmann diese Möglichkeiten. Vor allem bei Thema und Variationen h-Moll des weithin unbekannten Musikwissenschaftler Oreste Ravanello kommen die romantischen Klangfarben der Orgel der Heiliggeistkirche zur Geltung. Ungewöhnlich ist auch die Darbietung des Concert-Rag Sweet Sixteenths von William Albright, bei dem sich zeigt, dass eine klassische Kirchenorgel durchaus in der Lage ist, den für dieses Instrument eher fremden Typus des Ragtime darzustellen. Selbstverständlich sind aber auch Werke von Johann Sebastian Bach zu hören.

Die CD kostet 12 Euro und ist in der Alpha Buchhandlung, Oeder Weg 43, Telefon 069 28 58 80, erhältlich.