Archiv für Artikel

Alle Kinder sind legal

Kommentar Evangelisches Frankfurt Juni 2010
Alle Kinder sind legal
Foto

Kinder von sich in Deutschland illegal aufhaltenden Familien sollen Kindergarten und Schule angstfrei besuchen können. Dies fordert die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer. Immerhin eine CDU-Politikerin. Eine Forderung, die die Hessische Landesregierung zumindest für den Schulbereich seit kurzem erfüllt. Gut so. Aber leider kann man trotzdem noch nicht zur Tagesordnung übergehen. Seit gut einem Jahrzehnt engagiert sich die evangelische Kirche, insbesondere in Frankfurt, für diejenigen, die gekommen sind, um für ihre Familien den Lebensunterhalt verdienen zu können. Sie sind oft in Privathaushalten angestellt oder arbeiten in ebenso schlechten wie niedrig bezahlten Beschäftungsverhältnissen. Etwa 25 bis 40 000 so genannter „Illegaler“ sollen sich 2006 nach einer vom Evangelischen Regionalverband und der Diakonie in Auftrag gegebenen Studie in Frankfurt aufgehalten haben. Davon sollen etwa fünf bis zehn Prozent Kinder sein.

Auch wenn erfreulicherweise die Kinder in Hessen inzwischen zur Schule gehen können, bleibt dieses doch nur ein erster Schritt. Beim Kindergarten wird es schon schwieriger. Die Kirchen können hier Plätze bieten und den Elternbeitrag übernehmen. Doch trotz solcher geschmeidiger Einzelfallregelung fehlt die Durchsetzung des Rechtes aller Kinder auf Bildung – und auf medizinische Versorgung. Kinder, die in Deutschland aufwachsen, sollten nicht nur ein Recht auf Bildung haben, sie sollten auch die Pflicht zur Bildung haben. So genannte statuslose Kinder sollten ebenso der Schulpflicht unterstehen wie alle anderen Kinder.

Noch problematischer ist es bei der medizinischen Versorgung. Schon 2006 wurde in der zitierten Studie festgestellt: „Die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere ist eines der vordringlichen Probleme. Statuslose sind infolge ihrer Lebensbedingungen, ihrer psychischen Belastung, ungesunder Ernährung und körperlich stark belastender Arbeitsbedingungen besonderen gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt. Ein Krankenhausaufenthalt ist für die Betroffenen mit einem maximalen Risiko ihrer Entdeckung verbunden, wenn sie die Kosten nicht selbst bezahlen können. Dies gilt auch für Schwangere, die für eine Geburt mit medizinischer Betreuung das Krankenhaus aufsuchen.“

Eine humane Gesellschaft sollte Kinder, die in ihr leben, zunächst als Kinder, die gefördert werden müssen, sehen. Gleich, welchen Status ihre Eltern haben. Denn es gibt keine illegalen Kinder.

Kurt-Helmuth Eimuth

Recht auf Bildung

Evangelisches Frankfurt Juni 2010

Schulbesuch für Statuslose gefordert

Recht auf Bildung

Die Kinder von „Illegalen“ sollen in Deutschland Kindergarten und Schule besuchen können, ohne dass ihre Familien die Entdeckung durch die Ausländerbehörde fürchten müssen. Dies forderte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, und verwies darauf, dass bislang in den meisten Ländern der Zugang von Kindern ohne Aufenthaltstitel nicht eindeutig geregelt ist. Sie will nun erreichen, dass die Meldepflichten der Schulen gegenüber den Ausländerbehörden in allen Bundes­ländern aufgehoben werden. In Hessen ist dies bereits geschehen. Den Kindern von Statuslosen müsse zumindest ein Recht auf den Schulbesuch eingeräumt werden. Union und FDP hätten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, „dass Übermittlungspflichten so geändert werden, dass der Schulbesuch von Kindern generell ermöglicht wird“. Mit dieser Änderung begingen Schulleiter kein Dienstpflichtvergehen mehr, wenn sie bei Bekanntwerden einer Anmeldung eines statuslosen Kindes dieses nicht der zuständigen Ausländerbehörde melden, sagte die CDU-Politikerin.

Böhmer will sich auch dafür einsetzen, dass illegal in Deutschland lebende Kinder den Kindergarten besuchen können.

Kurt-Helmuth Eimuth / AP

Pfingsten 2010

Evangelisches Frankkfurt Juni 2010

Pfingstgottesdienst

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Vor den 1200 Besuchern, die am Pfingstgottesdienst auf dem Römerberg teilnahmen, griff Pröpstin Gabriele Scherle deutlich das Denken in der Politik an: „Es stimmt etwas nicht in den Verhältnissen der Finanzwirtschaft, wenn mit öffentlichen Mitteln Banken gerettet und dafür Kommunen in den Ruin getrieben werden. Es stimmt etwas nicht, wenn die Geldströme nicht mehr den Betrieben und Händlern dienen, sondern in den Depots weniger zu immer größeren Geldseen angestaut werden. Es stimmt etwas nicht, wenn die Solidarsysteme erodieren, obwohl der gesellschaftliche Reichtum hierzulande immens ist. Und es stimmt etwas nicht, wenn wir unseren Reichtum auf Kosten der Armen dieser Welt verteidigen.“ Scherle forderte: „Wir sollten den Mut haben, denen zu widersprechen, die behaupten, es gebe zur jeweiligen Politik keine Alternative.“

Zwei Frauen an der Spitze

2010-06 Vorstand
Evangelisches Frankfurt Juni 2010

Die Frankfurter Regionalversammlung hat ihren neuen Vorstand gewählt

Esther Gebhardt (Bild) bleibt auch die nächsten sechs Jahre an der Spitze des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt (ERV). Die Regionalversammlung, das Frankfurter Kirchenparlament, wählte die 55-jährige Pfarrerin zum vierten Mal in Folge zur Vorsitzenden des Vorstands des ERV. Das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden wurde Diplom-Bibliothekarin Beate Schwartz-Simon (52) übertragen, die aus der Paulsgemeinde kommt. Sie löst in diesem Amt den Frankfurter Ordnungsdezernenten Volker Stein ab, der dieses Mal nicht mehr zu Wahl antrat.

Gebhardt forderte eine klare Kirchenstruktur, „weil wir eine starke Kirche in Frankfurt brauchen!“, Religion sei heute gefragt, und die Kirche müsse in der Stadtgesellschaft die christliche Botschaft zur Geltung bringen. „Gegen schnellen Erfolg, grenzenloses Gewinnstreben, unbegrenzte Fortschritts- und Wachstumsgläubigkeit setzen wir Christen die Fähigkeit zu Geduld und Langmut, Rücksicht, Toleranz und Achtung vor und für alle Menschen.“ Als besondere Herausforderung skizzierte Gebhardt die religiöse Vielfalt. „Der religiöse Pluralismus ist eine Herausforderung, die wir erst langsam anfangen zu begreifen.“ Die Kirche sei gefordert, beispielhaft die friedliche Koexistenz der Religionen vorzuleben.

Doch auch künftig wird es in den Debatten des Kirchenparlaments ums Sparen gehen. Daran ließ Gebhardt keinen Zweifel: „Die Kirchensteuern werden mit Sicherheit zurückgehen, das deutet auf weitere Kürzungen und Sparauflagen der Gesamtkirche hin“.

Kurt-Helmuth-Eimuth

Hintergrund

Der Evangelische Regionalverband Frankfurt am Main ist ein Zusammenschluss der Frankfurter Kirchen
gemeinden und Dekanate. Die Verfassung des Evangelischen Regionalverbandes ist demokratisch. Oberstes Gremium ist die Evangelische Regionalversammlung, das Frankfurter “Kirchenparlament”. Im Bereich des Verbandes arbeiten 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den elfköpfigen Vorstand wurden ferner gewählt:

Pfarrer Holger Kamlah, 43, Dekanat Höchst, Claus Ludwig Dieter, 64, Volkswirt, Dekanat Mitte-Ost, Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn, 63, Journalist, Dekanat Nord, Dekan Horst Peter Pohl, 59, Dekanat Süd, Karin Kuck, 61, Elektrotechnische Assistentin, Dr. Wolfgang Busch, 68, Jurist, Dr. Werner Divé, 67, Diplom-Kaufmann, Stefan Majer, 52, Projektleiter, Michael Rösner, 44, Rechtsanwalt.

Gesucht: Alleinstellungsmerkmal

seite04_proundcontra.mp3

Evangelisches Frankfurt Juni 2010

Der Evangelische Regionalverband Frankfurt, der Zusammenschluss der Frankfurter Gemeinden und Dekanate, überarbeitet zurzeit sein vor zehn Jahren entstandenes Leitbild. Dabei geht es an erster Stelle um die besonderen Stärken und Eigenheiten der evangelischen Kirche in der Stadtgesellschaft.

„Das Unternehmensleitbild ist der sichtbar gemachte Unternehmensgeist, sozusagen die geistige Signatur der Organisation. Es ist vom ersten Tag an da, auch wenn es nirgends geschrieben steht, es ist die gelebte Philosophie der Menschen, die das Unternehmen repräsentieren.“ So jedenfalls sieht es die Unternehmensberaterin Brigitte Wolter. Die Kultur eines Unternehmens zeige sich eben in der Art und Weise, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miteinander umgehen und kommunizieren, wie sie im Team zusammen arbeiten, wie sie gemeinsam Herausforderungen bewältigen. Auch darin, wie sie sich nach außen verhalten, zum Beispiel im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern, wie sie über das Unternehmen sprechen und welche Geschichten sie darüber in ihrem privaten Umfeld erzählen. Diese Kultur sei Ausdruck des praktizierten Führungsstils und in allen unternehmerischen Entscheidungen und auf allen Ebenen des unternehmerischen Handelns sichtbar.

Das Facettenkreuz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau symbolisiert auch die Vielfältigkeit kirchlicher Arbeit. Hier präsentiert vom Kommunikationsbeauftragten der EKHN, Pfarrer Wolfgang Weinrich. Auch Ihre Meinung zur evangelischen Kirche in Frankfurt ist gefragt. Was ist ihr Profil? Schreiben Sie an: kommunikation@ervffm.de
Foto: epd Bild
Man könnte denken, dass diese Fragen für eine Kirche gelöst sind. Schließlich gibt es hier sogar ein – wenn auch sehr altes – Regelwerk: die Bibel. Und doch ist Kirche nicht nur Verwalterin der Lehre, sondern auch ein Unternehmen mit sehr weltlichen Anforderungen, Konflikten und Widersprüchen. Auch darum ist es wichtig, ein Leitbild zu haben und ständig weiterzuentwickeln. Die gerade wiedergewählte Vorsitzende des Vorstandes, Esther Gebhardt, hat einen solchen Prozess angestoßen.

Alle sind eingeladen mitzumachen, gleich wie nah oder fern sie der Kirche stehen. Dabei hat es schon die erste Frage in sich: „Was schätzen Sie an der evangelischen Kirche in Frankfurt am meisten im Vergleich zu anderen Institutionen und Verbänden in der Stadt?“ Ist die Kirche nur ein Verein, eine Organisation, die Gutes tut? Oder gibt es einen grund­sätzlichen Unterschied zwischen der evangelischen Kirche, dem Roten Kreuz oder Amnesty international? Die Frage ist: Gibt es so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal der evangelischen Kirche? Das gilt es jetzt herauszufinden.

Kurt-Helmuth Eimuth

Fundamentalismus in Familien

Evangelisches Frankfurt Mai 2010

Fachtagung: Religiös-totalitäre Minigruppen schaden Kindern

Rund hunderttausend Kinder und Jugendliche sind nach Schätzung von Kurt-Helmuth Eimuth in Deutschland „totalitären Erziehungssystemen“ ausgesetzt, die unter dem Deckmantel von Religion auftreten. Für die „Gefährdung des Kindeswohls durch Sekten und christlichen Fundamentalismus“ wollte eine von „Sinus“, der hessischen Sekteninformations- und Selbsthilfe-Initiative, organisierte Tagung in Frankfurt sensibilisieren. Eingeladen waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern, Kitas sowie Kinder- und Jugendberatungsstätten.

Waren religiös-totalitäre Erziehungsmethoden früher haupt-sächlich in klassischen Großsekten wie den Zeugen Jehovas oder Scientology zu finden, so habe man es heute mit einer Vielzahl kleiner Gruppen zu tun, berichtete Eimuth, der beim Diakonischen Werk für Frankfurt den Arbeitsbereich Kindertagesstätten leitet. In dem „fast undurchschaubaren Dickicht“ wisse man nicht, welche Gruppierung unschädlich und welche bedrohlich ist. Daher müsse jeder Einzelfall genau geprüft werden.

Wenn sich die Betroffenen unter Druck gesetzt fühlen, wanderten sie nicht selten ab, so Eimuth. Die Mutter, die mit Kind ihrem Guru ins Ausland gefolgt ist, sei kein Einzelfall. Aufsehen erregte ein Fall aus Baden-Württemberg, wo Eltern ihre fünf Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken wollten und in den USA Asyl erhielten.

Harald Achilles, Referent für Schulrechtsangelegenheiten im Hessischen Kultusministerium, sieht darin eine neue Wendung. Differenzen zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und elterlichem Erziehungsrecht sind nach Erfahrung des Juristen immer eine Gratwanderung. Das schulgesetzlich verbriefte Toleranzgebot verlange schließlich, auf weltanschauliche Hintergründe Rück- sicht zu nehmen. „Wir können die Sekten nicht abschaffen“, sagte Achilles, „sollten aber für ein Bewusstsein der Problematik sorgen“.

Das gehört sozusagen zum Alltagsgeschäft von Jürgen Zillikens. Der Rechtsanwalt und Vizepräsident des Vereins „Kids“ („Kinder in destruktiven Sekten“) glaubt, dass sich der Zug zu solchen Gruppen in Zukunft noch verstärken wird. In einer Gesellschaft, die „immer kälter wird“, würden Menschen in sektenartigen Zusammenschlüssen Halt, Wärme und soziale Kontakte suchen.

Auch Frauke Zahradnik, die Leiterin des Kinderbüros der Stadt Karlsruhe, geht davon aus, dass das Thema sich nicht so schnell erledigt. Sie verfolgt, „wenn wieder eine dubiose Gruppe auf dem Markt erscheint“, und berät päda­gogische Einrichtungen. Gleichwohl warnte sie vor überzogener Angst: „Nicht jede Sektenmitgliedschaft gefährdet gleich das Kindeswohl.“ Zudem dürfe man nicht vergessen, dass auch Armut oder zerrüttete Familien Kindern erheblichen Schaden zufügen können.

Doris Stickler

Neues Leitbild für die Kirche

Evangelisches Frankfurt Mai 2010

Neues Leitbild für die Kirche

Evangelischer Regionalverband startet Mitgliederbefragung

Leitbilder halten die Normen und Grundüberzeugungen eines Unternehmens oder einer Organisation fest. Der Evangelische Regionalverband Frankfurt, der Zusammenschluss der Frankfurter Gemeinden und Dekanate, überarbeitet zurzeit sein vor fast zehn Jahren entstandenes Leitbild. Dabei sollen die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso zu Rate gezogen werden wie die Erwartungen, die die Kirchenmitglieder und die Stadtgesellschaft haben.

Vor allem zu drei Themenkomplexen ist man an Ideen, Vorschlägen und Meinungen interessiert:

„Was schätzen Sie an der evangelischen Kirche in Frankfurt am meisten im Vergleich zu anderen Institutionen und Verbänden in der Stadt?“

Bei dieser Frage geht es um die besonderen Stärken und Eigenheiten der evangelischen Kirche verglichen mit anderen großen Organisationen und Verbänden: Gibt es überhaupt einen Unterschied? Sollte es einen geben? Und wenn ja, worin besteht er?

„Welche Erwartungen haben Sie an die evangelische Kirche in Frankfurt im Verhältnis zu anderen Religionen?“

Hinter dieser Frage steht die große Herausforderung, die es mit sich bringt, dass der Anteil anderer Religionen immer größer wird, vor allem in Großstädten wie Frankfurt. Gerade dieser Punkt ist in der bisherigen Fassung des Leitbildes noch zu wenig ausgearbeitet. Wie soll das Verhältnis zur katholischen Kirche, zum Islam, zu anderen Religionen gestaltet werden? Oder auch zu denjenigen Menschen, die gar keiner Religion angehören?

„Wo soll die evangelische Kirche in Frankfurt in den nächsten Jahren Profil zeigen?“

Dieser dritte Themenkomplex fragt, in welchen Arbeitsbereichen die Kirche in den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen soll – denn angesichts leerer werdender Kassen ist es nicht möglich, alles Wünschenswerte zu machen. Bis zum Jahresende sollen die Antworten ausgewertet und das neue Leitbild formuliert sein. Es dient dann als Wegweiser für die Arbeit und als Orientierungshilfe für alle Mitarbeitenden – gleich an welcher Stelle sie ihre Talente einbringen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Jesus Christ Superstar

Evangelisches Frankfurt April 2010

Jesus Christ Superstar

Das Musical ist fast so alt wie das Privattheater Katakombe. In der 50. Spielzeit lebt mit „Jesus Christ Superstar“ in der kleinen Spielstätte am Zoo eine große Produktion wieder auf, die 1971 in New York erstmals aufgeführt wurde.

Hier in Frankfurt kommt das Musical von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber in deutscher Sprache zur Aufführung. Lediglich vom E-Piano begleitet, wird ganz ohne elektronische Unterstützung gesungen, verständlich, präzise und mit sichtlicher Freude. Vor allem Raphael Dörr als Jesus und Biagio Spatola als Judas überzeugen, während Christine Richter als Maria Magdalena die Töne gelegentlich etwas gepresst hervorbringt. Die Steppeinlagen sind ebenso gekonnt wie belebend.

Es wird von den letzten sieben Tagen im Leben Jesu erzählt. Im Zentrum steht der Verrat des Judas, der Jesu Aufenthalt an die Römer preisgibt. Der Text rafft genial das biblische Geschehen, ohne theologisch zweifelhaft zu werden.

Die Inszenierung von Carola Moritz lebt von der Intimität des Raums und von manch überraschendem Einfall. So gelingt dem Ensemble immer wieder die Übertragung der Spielhandlung in die heutige Zeit, etwa wenn die Reporter sich sensationslüstern um den sterbenden Jesus scharen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Kirche braucht eine wie Käßmann

Evamgelisches Frankfurt April 2010

Kommentar

Die Kirche braucht eine wie Käßmann

Foto

Für die Comedians war es der Stoff, aus dem flache Scherze sind. Eine Bischöfin mit 1,5 Promille ist eine Steilvorlage für Harald Schmidt und Co. Auch deshalb war es richtig, dass Margot Käßmann von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und als Bischöfin ihrer Landeskirche zurücktrat.

Dem Spott auf Kosten einer Bischöfin hätte sie vielleicht noch mit einer kleinen Charmeoffensive begegnen können. Doch Margot Käßmann wusste, dass da etwas zerbrochen war, das existentiell für sie, für ihre Arbeit, ist: Glaubwürdigkeit. Sie wollte nicht darüber hinwegsehen, dass ihre Autorität beschädigt war. Wörtlich sagte sie: „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte.“ Man denke nur an die Auseinandersetzung um den Afghanistan-Krieg. Eine Bischöfin, die selbst einen „schweren Fehler“ gemacht hat, kann so etwas nicht durchhalten.

Doch die eigentliche Stärke von Margot Käßmann sind ihre Niederlagen. Sie kann wie kaum eine andere von ihrem Leben, von ihren Zweifeln und von ihrem Glauben erzählen. So schreibt sie über ihre Brustkrebserkrankung und ihre Scheidung: „In der Mitte des Lebens ist mir wichtig geworden, Krankheit und Leid und Krisen als Vertiefung anzusehen. … Nach acht Wochen habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Und es war da eben doch auch ein tiefer Einschnitt, weil ich in dieser Zeit begriffen habe, dass ich der Tatsache ins Auge schauen muss, dass meine Ehe als gelebte Beziehung nicht mehr existiert. In einer existentiell bewegenden Situation ist es nicht möglich, vor der Realität wegzulaufen. Die Erkrankung hat mir letzten Endes den Mut gegeben, mich dieser Wirklichkeit zu stellen.“

Auch als sie ihren Rücktritt bekannt gab, zeigte sie Stärke. Nach all dem Erlebten, nach ihrer größten persönlichen Niederlage, kam dann dieser Satz: „Du kannst niemals tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Welch eine Glaubenszuversicht, welch eine Kraft!

Es ist ihr zu wünschen, dass sie sich bald von ihrem Erschrecken über sich selbst erholt. Denn die evangelische Kirche braucht Menschen wie Käßmann, die unerschrocken, politisch und fromm an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken. Und die heute 51-Jährige wird in naher Zukunft sicher wieder die öffentliche Bühne betreten. Ob als Autorin – sie hat über zwanzig Bücher verfasst – ob als Professorin oder gar in einem hohen kirchlichen Amt. Die Kirche braucht eine wie Margot Käßmann.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Sichtbarkeit des Religiösen

Evangelisches Frankfurt April 2010

Die Sichtbarkeit des Religiösen

Das sichtbare Zeichen des Christentums ist das Kreuz. Und gerade am Kreuz macht sich der Konflikt zwischen Religion und einem zur weltanschaulichen Neutralität verpflichteten Staat immer wieder fest. Warum es nicht sinnvoll ist, religiöse Symbole völlig aus der öffentlichen Sichtbarkeit zu verbannen.

Ob im Gerichtssaal, im Kreistag oder in der Schule, immer wieder wird die Neutralität öffentlicher Versammlungsorte eingeklagt. Wie kürzlich in Bad Soden. An den dortigen Kliniken, die vormals in katholischer Trägerschaft waren und jetzt vom Landkreis betrieben werden, hat man zwölf Kreuze aus Krankenzimmern abhängen und in einen Müllsack stecken lassen. Die Aktion stieß bei vielen Patientinnen und Patienten auf Unverständnis.

Wie es hieß, hatte sich ein Muslim über die Kreuze beschwert. Man kann natürlich solches Drängen von Angehörigen anderer Religionen gegen die Sichtbarkeit christlicher Symbole lapidar so abtun, wie es der Bad Sodener Dekan Eberhard Kühn gemacht hat. Gegenüber der Nachrichtenagentur Idea sagte er: „Ein Kruxifix im Krankenhauszimmer bedeutet für einen Moslem nicht, dass seine Genesung gefährdet ist.“

Doch die Diskussion geht tiefer. Es handelt sich nicht nur um Themen, die vergleichsweise nebensächlich sind, wie die Frage von Kreuzen in Krankenzimmern. Im Kern geht es um die Frage, ob eine Gesellschaft, die sich insgesamt mehr und mehr von religiösen Inhalten entfernt, Religionsgemeinschaften noch Privilegien einräumen darf. Sollen zum Beispiel Religionslehrerinnen und

und Normensysteme liefern auch die Religionsgemeinschaften. Insofern sind sie wichtige Dialogpartner in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Sie haben nicht nur eine private Bedeutung für die einzelnen Gläubigen, sondern auch für die öffentlichen Diskussionen. Deshalb sollten sie auch sichtbar sein.

Kurt-Helmuth Eimuth