Tag Archiv für Familien

Kinder sind unsere Zukunft

Jasmin forderte neulich ihre Mutter auf, doch noch ein zusätzliches Schulbrot zu schmieren. Auf die mit Verwunderung gestellte Frage, Jasmin esse doch keine drei Brote, antwortete das Mädchen: „Wir verteilen das doch in der Klasse.“
Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass Kinder ohne Schulbrot im Ranzen, oftmals auch ohne Frühstück, in die Schule geschickt werden. Ist es doch für die Eltern einfacher, ihrem Kind etwas Geld zuzustecken, damit es sich in der Pause einen dieser zweifelhaften Pausensnacks kaufen kann. Aber offenbar können sich immer mehr Kinder eben nichts kaufen.
Kinder sind das größte Armutsrisiko. Der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Armutsbericht belegt dieses wieder einmal. Über eine Million Kinder sind von Leistungen der Sozialhilfe abhängig. Vor allem kinderreiche Familien und Alleinerziehende sind arm. Die Zahlen belegen eine Entwicklung, die weit mehr ist als eine sozialpolitische Herausforderung. Der Armutsbericht belegt vielmehr eine dramatische Verschiebung des gesellschaftlichen Werte- und Normensystems. Die Sorge um die nächste Generation steht schon lange nicht mehr ganz oben auf der Aufgabenliste. Man schaue sich nur einmal das Bildungswesen an. Man betrete nur einmal eine Schule und betrachte sich den baulichen Zustand. Marode Toilettenanlagen, unzureichend ausgestattete Fachräume und Mangel an Lehrerinnen und Lehrern sind der Normalfall. Besser – wenn auch mit Elternbeiträgen mitfinanziert – sieht es im Kindergartenbereich aus. Betreuungsplätze fehlen allerdings für die unter Dreijährigen.
Die evangelische Kirche in Frankfurt unternimmt übrigens gerade im Kinder- und Jugendbereich enorme Anstrengungen. Jede vierte Kirchensteuermark wird zum Beispiel für die Finanzierung der Kindertagesstätten aufgewendet. Hinzu kommen die zahlreichen Jugendclubs, die gemeindlichen Jugendgruppen und die offenen Jugendhäuser.
Doch insgesamt bleibt die traurige gesellschaftliche Bilanz. Wir alle investieren zu wenig in die nächste Generation. Da hilft auch keine Erhöhung des Kindergeldes. Sie wäre nur ein kleiner Anfang. Wir alle müssen uns für die nachwachsende Generation anstrengen. Denn Kinder sollten unsere Zukunft sein und nicht unser Armutsrisiko.
Kurt-Helmuth Eimuth

Fundamentalismus in Familien

Evangelisches Frankfurt Mai 2010

Fachtagung: Religiös-totalitäre Minigruppen schaden Kindern

Rund hunderttausend Kinder und Jugendliche sind nach Schätzung von Kurt-Helmuth Eimuth in Deutschland „totalitären Erziehungssystemen“ ausgesetzt, die unter dem Deckmantel von Religion auftreten. Für die „Gefährdung des Kindeswohls durch Sekten und christlichen Fundamentalismus“ wollte eine von „Sinus“, der hessischen Sekteninformations- und Selbsthilfe-Initiative, organisierte Tagung in Frankfurt sensibilisieren. Eingeladen waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern, Kitas sowie Kinder- und Jugendberatungsstätten.

Waren religiös-totalitäre Erziehungsmethoden früher haupt-sächlich in klassischen Großsekten wie den Zeugen Jehovas oder Scientology zu finden, so habe man es heute mit einer Vielzahl kleiner Gruppen zu tun, berichtete Eimuth, der beim Diakonischen Werk für Frankfurt den Arbeitsbereich Kindertagesstätten leitet. In dem „fast undurchschaubaren Dickicht“ wisse man nicht, welche Gruppierung unschädlich und welche bedrohlich ist. Daher müsse jeder Einzelfall genau geprüft werden.

Wenn sich die Betroffenen unter Druck gesetzt fühlen, wanderten sie nicht selten ab, so Eimuth. Die Mutter, die mit Kind ihrem Guru ins Ausland gefolgt ist, sei kein Einzelfall. Aufsehen erregte ein Fall aus Baden-Württemberg, wo Eltern ihre fünf Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken wollten und in den USA Asyl erhielten.

Harald Achilles, Referent für Schulrechtsangelegenheiten im Hessischen Kultusministerium, sieht darin eine neue Wendung. Differenzen zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und elterlichem Erziehungsrecht sind nach Erfahrung des Juristen immer eine Gratwanderung. Das schulgesetzlich verbriefte Toleranzgebot verlange schließlich, auf weltanschauliche Hintergründe Rück- sicht zu nehmen. „Wir können die Sekten nicht abschaffen“, sagte Achilles, „sollten aber für ein Bewusstsein der Problematik sorgen“.

Das gehört sozusagen zum Alltagsgeschäft von Jürgen Zillikens. Der Rechtsanwalt und Vizepräsident des Vereins „Kids“ („Kinder in destruktiven Sekten“) glaubt, dass sich der Zug zu solchen Gruppen in Zukunft noch verstärken wird. In einer Gesellschaft, die „immer kälter wird“, würden Menschen in sektenartigen Zusammenschlüssen Halt, Wärme und soziale Kontakte suchen.

Auch Frauke Zahradnik, die Leiterin des Kinderbüros der Stadt Karlsruhe, geht davon aus, dass das Thema sich nicht so schnell erledigt. Sie verfolgt, „wenn wieder eine dubiose Gruppe auf dem Markt erscheint“, und berät päda­gogische Einrichtungen. Gleichwohl warnte sie vor überzogener Angst: „Nicht jede Sektenmitgliedschaft gefährdet gleich das Kindeswohl.“ Zudem dürfe man nicht vergessen, dass auch Armut oder zerrüttete Familien Kindern erheblichen Schaden zufügen können.

Doris Stickler