Archiv für 25. August 1999

Stichwort: Transzendentale Meditation

Wundermittel zur Bewältigung aller Probleme ist die Meditation nach Guru Maharishi Mahesh Yogi: die Transzendentale Meditation (TM). „Es empfiehlt sich, zweimal täglich zwanzig Minuten zu meditieren, in bequemer Sitzhaltung“, heißt es in einem Faltblatt. Und es wird auch gleich betont, dass TM eine „reine Technik“ und keinesfalls eine Sekte sei.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Meditiert wird mit Hilfe eines so genannten Mantras, einer Wortsilbe wie beispielsweise „imma“ oder „ainga“. Diese Wortsilbe soll sich im Bewusstsein des Meditierenden verselbständigen. Eigentlich eine in allen Religionen bekannte Meditationsform. TM gibt allerdings vor, diese Mantren individuell dem (zahlenden) Meditierenden auf seine Persönlichkeit zugeschnitten – zu vergeben. In Wahrheit werden die Mantren einer Liste entnommen. Jeder und jede bekommt somit lediglich ein jeweils auf das Alter abgestimmtes Mantra, das natürlich nicht weitererzählt werden darf. Die Einführung in die Meditation ist dem Hinduismus entnommen.

Viele begegnen TM im Bereich der so genannten Alternativmedizin. Millionen wurden investiert, um die alte indische Heilkunst Ayur-Veda („Wissenschaft vom gesunden Leben“) in den Dienst der TM zu stellen. Vieles, was im Westen heute als Ayur-Veda angeboten wird, ist in Wahrheit Maharishi Ayur-Veda. Und während in Indien die Ayur-Vedaärzte in zwölf Semestern an der Universität ausgebildet werden, macht es die TM für westliche Ärzte im Wochenkurs. In Deutschland hat die Maharishi Ayur-Veda auch etwa zweihundert nichtärztliche Gesundheitsberater ausgebildet.

Selbst in Kurkliniken wird TM vermittelt. So wurde etwa in Bad Ems ein „Maharishi-Ayur-Veda“ Gesundheits- und Seminarzentrum eingerichtet. In der Regel werden bei solchen Behandlungen auch die Meditationen des Gurus angeboten. Stiftung Warentest beurteilte alternative Heilmethoden und stellte zur Meditationsmethode lakonisch fest: „Die mit dem Maharishi Ayur-Veda verknüpften ‚Bewusstseinstechnologien‘ der Transzendentalen Meditation sind abzulehnen.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass TM bei labilen Menschen zu schweren psychischen Störungen führen könne.

Hintergrundinformation:
Name: Transzendentale Meditation (TM)
Gründer: Maharishi Mahesh Yogi, als Mahesh Prasad Warma am 12.1.1918 in Jabalpur/Indien geboren
Lehre: TM behauptet, lediglich eine Entspannungstechnik („Wissenschaft der kreativen Intelligenz“) zu sein. Der hinduistische Hintergrund der Bewegung wird verschwiegen.
Verbreitung: Auf der politischen Ebene wird das Programm der TM durch die Naturgesetz-Partei verbreitet, im Gesundheitsbereich mittels Maharishi Ayur-Veda. Die Weltzentrale liegt in der Nähe von Neu-Delhi, das europäische Zentrum ist in Vlodrop/Holland
1999 Kurt-Helmuth Eimuth
© Kurt-Helmuth Eimuth

Stichwort: Sekte


In den Beratungsstellen für Weltanschauungsfragen rufen täglich Menschen an, die nur eine Frage haben: „Ist diese Gruppe eine Sekte?“ Sie wollen von dem Berater nur ein klares „Ja“ oder „Nein“ hören. Die Enttäuschung ist groß, wenn eine klare Antwort nicht gegeben wird. Das ist verständlich. Schließlich will man mit Sekten nichts zu tun haben. Doch was sind eigentlich „Sekten“, und wer erklärt eine Gruppe oder Organisation zur „Sekte“? „Gibt es denn keine Liste mit den Sekten?“, wird am Telefon gefragt.

Nein, eine verbindliche Liste der Sekten gibt es nicht. Keine Gruppierung bezeichnet sich selbst als „Sekte“. So ist die Einordnung als „Sekte“ immer auch eine Bewertung von dem Standpunkt dessen, der diese Bewertung vornimmt. Je nach Begriffsbeschreibung werden unterschiedliche Zuordnungen vorgenommen.

So gelten als „klassische, christliche Sekten“ etwa die Zeugen Jehovas und die Mormonen. Beide Gruppen haben sich von der christlichen Lehre getrennt. Und von dem lateinischen Wort für trennen (secare) wird das Wort „Sekte“ oftmals abgeleitet. Sprachgeschichtlich kommt das Wort Sekte zwar vom lateinischen secta, was lediglich soviel wie Schule, Lehre, Partei bedeutet, doch diese (wert-)neutrale Bedeutung scheint vergessen.

Nach der Diskussion um die so genannten „Jugendsekten“ in den 70er und 80er Jahren werden als Sekten oftmals jene Gruppen bezeichnet, die Menschen durch die Autorität der Führerpersönlichkeiten mittels „Bewußtseinskontrolle“ abhängig machen. Diese psychodynamischen Aspekte spielen heute eine immer größere Rolle. So wird etwa eine politische Partei wie die EAP (Europäische Arbeiterpartei) mit Fug und Recht als „Politsekte“ bezeichnet.

Ein Begriff, der so unterschiedlich inhaltlich gefüllt wird, ist nur schwer zu gebrauchen. Deshalb wird nicht nur in der Literatur, sondern auch in Beratungsstellen eher von „religiösen Sondergruppen“ oder von „totalitären Politgruppen“ gesprochen. Der Sektenbegriff scheint unscharf.

Doch sollte dies Christen und Christinnen nicht davon abhalten, eine Bewertung und kritische Prüfung vorzunehmen. Denn schließlich wird schon im Alten Testament vor den Irrlehren gewarnt. Der Kampf, um es mit dem Kirchenvater Augustin zu sagen, gilt immer nur den Irrlehren. Den Irrenden dagegen sollten wir mit Liebe begegnen.

Kurt-Helmuth Eimuth

© Kurt-Helmuth Eimuth

Stichwort: Okkultismus

Gott Jehova Krishna oder was?

Die dreizehnjährige Laura kam sehr aufgeregt von der Klassenfahrt zurück. Die Angst stand ihr noch im Gesicht. Weder mit Vater noch mit Mutter wollte sie reden. Erst ihrer älteren Schwester vertraute sie sich an.

Des Nachts, bei Kerzenschein, wurde im Mädchenzimmer gependelt. Das war zwar zunächst ganz lustig. Einige Mädchen legten die Bilder ihres Freundes auf den Tisch und fragten das Pendel, ob er sie noch liebe. Später kam ein Mädchen auf die Idee, einen Geist mittels Gläschen zu befragen. Die vier Mädchen setzten sich an einen Tisch, streckten ihren Arm aus, berührten das Glas nicht, und doch – es bewegte sich. Nacheinander sauste das Glas zu Buchstaben des im Halbkreis gelegten Alphabetes. Erst gab es banale Fragen nach dem eigenen Namen oder dem Namen des Haustieres. Später wurden Fragen zur Zukunft der Mädchen gestellt: „Wann heirate ich?“ „Wie viele Kinder bekomme ich?“… Zum Schluss dann dieses: „Wann sterbe ich?“ und die Angst vor der Antwort. Laura erstarrte noch beim Erzählen.

Laura ist kein Einzelfall. Okkulte Praktiken gehören heute – das zeigen Untersuchungen – zur Lebenswelt Jugendlicher. Fast die Hälfte aller Jugendlichen machen Erfahrungen mit Okkultpraktiken. Doch die meisten probieren sie nur ein- oder zweimal aus, um ihnen dann – entweder aus Desinteresse oder aus Angst – den Rücken zu kehren.

Besonders beliebt sind okkulte Praktiken, bei denen man Ratschläge von Wesen einer höheren Welt“ (Geistern) empfangen kann oder die einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Hierzu gehören vor allen Dingen das Glasrücken, das automatische Schreiben, das Tischrücken oder auch das Pendeln über einem Alphabet oder über Gegenstände. An „Schwarzen Messen“ beteiligen sich dagegen nur wenige Jugendliche.

Das lateinische Wort „okkultus“ bedeutet „geheim“ oder „verborgen“. Und so wundert es nicht, dass dieses Verborgene für die junge Generation besonders interessant ist. Gewöhnlich wird auch niemand Schaden nehmen, wenn jemand das Bild des Freundes „auspendelt“. Problematisch ist es allerdings, wenn Fragen nach Krankheit oder Tod gestellt werden. Dieses kann bei dem Betroffenen zu Panik führen. Aber selbst die „sanften“ Okkultpraktiken können dazu verführen, sich vom Leben abzuwenden. Die gesamte Entscheidung überlässt man dann scheinbar dem Pendel oder den Karten. Und dann wird eben ausgependelt, ob man an der Mathematikarbeit teilnehmen soll oder nicht. Dann diktiert ein Pendel selbst den Alltag. Das führt zur Entscheidungsunfähigkeit. Eine Gefahr, die anfänglich leicht unterschätzt wird.

Kurt-Helmuth Eimuth

© Kurt-Helmuth Eimuth

Studie zu Okkultismus:
Neugier auf Außergewöhnliches
Okkulte Praktiken wie Gläserrücken, Pendeln und „Schwarze Messen“ sind inzwischen der großen Mehrheit der deutschen Jugendlichen bekannt. Nur zwölf Prozent der 14- bis 18jährigen kennen diese Praktiken nicht, ergab eine 1995 in Frankfurt vorgelegte Untersuchung des Diplom-Pädagogen Burkhard Hansel. Der Wissenschaftler hatte knapp 700 Jugendliche an Frankfurter Schulen befragt. 44 Prozent von ihnen gaben an, mindestens eine der okkulten Praktiken selbst ausprobiert zu haben. Die meisten Schüler (78 Prozent) probierten es allerdings nur einmal. Im einzelnen ergab die Befragung, daß deutlich mehr Mädchen als Jungen solche Erfahrungen hatten. Während jedes zweite Mädchen schon einmal eine okkulte Praktik ausprobiert hatte, waren es bei Jungen nur 37,4 Prozent. Evangelische Jugendliche waren nach der Untersuchung weitaus anfälliger für solche Versuche als katholische oder muslimische Schüler. Als mit Abstand wichtigstes Motiv wurde von den Jugendlichen „Neugier“ und „lnteresse am Außergewöhnlichen“ genannt, während persönliche Motive („Hilfe bei schwierigen Entscheidungen“ oder „sich selbst besser kennen lernen“) einen geringen Stellenwert hatten.
epd/gb

Stichwort: Hare Krishna

„Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna, Krishna, Hare, Hare, Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare“ – Die Beatles ließen diese Anrufung hinduistischer Götternamen zuerst produzieren. Vor wenigen Jahren pries ein gewisser Boy George Krishna mit diesem Anruf und landete prompt und weltweit in den Hitparaden – und im deutschen Fernsehen.

Die in safranfarbene Gewänder gehüllten Krishna-Mönche gehören sicherlich zu den bekanntesten der so genannten „Jugendreligionen“. A.C. Bhaktivedanta Prabhupada gründete 1966 die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON). Dieses Krishna-Bewusstsein ist das eigentlich ursprüngliche Bewusstsein eines jeden Lebewesens, so seine Lehre. Dieses Bewusstsein wollen alle Lebewesen wieder erreichen. Der einzige Weg dorthin besteht im fortwährenden Singen „der heiligen Namen Gottes“, dem ständigen Wiederholen des Hare-Krishna-Verses.

Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Singens (Chanten) ist die strenge Einhaltung von vier Punkten im Alltag:
1. Kein Genuss von Fleisch, Fisch und Eiern. Außerdem wird erwartet, dass der Krishna-Anhänger nur Nahrung zu sich nimmt, die zuvor Krishna geweiht wurde.
2. Kein Genuss von Rauschmitteln, einschließlich Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee.
3. Kein Glücksspiel, wozu auch Sport zählt.
4. Keine unerlaubte Sexualität. Es ist ausschließlich die Zeugung von Kindern erlaubt, die im Krishnabewusstsein aufgezogen werden.

Erst wer mindestens zwölf Monate lang unter Beweis gestellt hat, dass er diese vier Regeln einhält, wird in die ISKCON aufgenommen. Das neue Mitglied bekommt einen Sanskritnamen. Dem Meister gegenüber verpflichtet sich das neue Mitglied zu absolutem Gehorsam. Die ordensartige Organisationsstruktur der ISKCON und die schnellen Bekehrungen von vorwiegend jungen Leuten, die ihre Familien verließen und ihre Ausbildung abbrachen, führte in der Vergangenheit zu großen Konflikten. Heute gibt sich die Gruppe gewandelt. Frauen rücken in die Führungspositionen auf, Fehler bei Mission und Sammeln werden eingestanden. Die Zukunft wird zeigen, ob die ISKCON diese Umkehr wirklich vollzieht. Im Ursprungsland des Hinduismus genießen die Krishna-Jünger mehr Ansehen als andere Guru-Bewegungen. Sie sind Lieblingskinder des nationalistischen Welthindurates, der Vishwa Hindu Parishad (VHP). Diese Organisation will aus Indien einen Hindu–Staat machen. Die starke muslimische Minderheit Indiens soll mit Gewalt vertrieben werden. In den letzten Jahren starben Tausende Muslime bei Aufständen, angezettelt von der VHP. Eine Distanzierung der ISKCON fehlt bisher.

Kurt-Helmuth Eimuth

Hintergrundinformation:
International Society for Krishna Consciousness (ISKCON)
Gründer: A.C. Bhaktivedanta Prabhupada, geb. 1896 in Kalkutta, gest. 1977
Zentrale: Mayapur, Indien
Zentren in Deutschland: Berlin, Böblingen, Flensburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Jandelsbrunn (Farm), Köln, Leipzig, Nürnberg, Weimar, Wiesbaden. In diesen Zentren wohnen 150 Studenten und Mönche
Mitglieder: 5.000 weltweit (nach eigenen Angaben)

Stichwort: Jugendreligionen

Im Sommer 1994 richtete die Bundesregierung eine „Informations- und Dokumentationsstelle für so genannte Jugendsekten und Psychogruppen“ ein. Die Problematik zunehmender Sektenbildung und das scheinbare Abgleiten Jugendlicher in totalitäre Gruppierungen hat die Regierung alarmiert. Doch längst sind die Jugendsekten in die Jahre gekommen, sprechen heute alle Altersgruppen an. Der Begriff erscheint unscharf.

Vor zwanzig Jahren erfand der Sektenbeauftragte der bayrischen Landeskirche, Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack, den Begriff „Jugendreligionen“. In seiner 1974 erschienenen Broschüre „Neue Jugendreligionen“, inzwischen ein Standardwerk, stellte er Gruppen wie Scientology, die Hare Krishna-Bewegung und die Vereinigungskirche (MUN) vor.

Diese Gruppen weisen ähnliche Merkmale auf, so z.B.:
1. Die Anwerbung junger Menschen, die sich in einer „schwierigen seelischen Situation“ befinden.
2. Die Gruppen kamen in den 60er und 70er Jahren nach Europa.
3. Die Gruppen scharten sich um einen als „Bringer der absoluten Wahrheit“ verehrten Gründer.

Besonders die Anwerbemethoden mit der rasanten Trennung von Familie und Elternhaus sowie dem plötzlichen Abbruch der Ausbildung brachten die „Jugendreligionen“ in Verruf. Inzwischen sind Veränderungen eingetreten. Es werden keinesfalls mehr nur junge Leute angeworben, die Bekehrungserlebnisse werden nicht mehr so schnell vermittelt, der sofortige Einzug in die Wohngemeinschaft ist eher die Ausnahme. Deshalb verwenden viele den amerikanischen Begriff „destruktive Kulte“, um auf die zerstörende Wirkung der Beeinflussung hinzuweisen. Andere nehmen zunächst keine Wertung vor und ordnen die Gruppen religionswissenschaftlich exakt den Kategorien Psychokult, Neuoffenbarungsreligionen oder Neureligion zu.
Kurt-Helmuth Eimuth© Kurt-Helmuth Eimuth

Stichwort: Esoterik

Der Raum ist mit allerlei Düften angereichert. In der einen Ecke klingt der Ton einer Klangschale nach, aus der rechten Ecke durchwabert den Raum sphärische Musik. Mitten in einer Großstadt, in einem Bürgerhaus, haben sich etwa 80 Aussteller zu einer Esoterik-Messe zusammengefunden. Aroma-Therapie, Bachblüten-Therapie, Handlesen, Mind-Machines, heilende Kristalle, Aura-Fotografie, Kartenlegen und Meditation werden feilgeboten.

Jeder wirbt mit freundlichem Lächeln und einem gewissen Glanz in den Augen für seinen Heilsweg. Und natürlich sind die anderen Heilswege am Nachbarstand auch möglich, weil alles möglich ist. „Der Erleuchtung ist es egal, wie du sie erlangst“, ist ein viel zitierter Satz in der Szene.

Auch wo man die Erleuchtung erlangt, ist gleichgültig. Unter südlicher Sonne hat ein Bachblüten-Seminar einen ganz besonderen Reiz. Der neue Trend: esoterisches Reisen. Auch beim esoterischen Reisen wird viel von Heilung und Therapie gesprochen. Ein für die oder den Reisende/n nicht ungefährlicher Aspekt. Denn die Ausbildung mancher „Therapeuten“ ist doch sehr schlecht. Da finden sich Pyramidenexperten, Astrologen, Feuerlauftrainer, Reiki-Lehrer oder auch Trainer in tandrischer Körperarbeit.

Wie in dem gesamten Bereich des immer mehr ausufernden grauen Psycho-Marktes wird hier mit vielerlei Technik an der Seele des Menschen gebastelt. Eine profunde psychologische Ausbildung der „Therapeuten“ ist die Ausnahme. Dabei ist die Gefahr solcher Technik selbst unter den Veranstaltern unstrittig. Kann doch selbst eine scheinbar harmlose Meditation eine vorhandene Depression verstärken.

Vor solcher Kommerzialisierung warnen selbst Kritiker aus der Esoterik-Szene. Denn sie sehen ihren „religiösen“ Anspruch gefährdet. Tatsächlich ist die Esoterik eigentlich ein Weg, genauer ein Schulungs- und Erfahrungsweg, letzten Endes ein Erlösungs- und Erleuchtungsweg, der nach innen führt. Doch heute findet sich wenig von dieser Ernsthaftigkeit in der Esoterik. Heute ist Esoterik das, was sich zur Ich-Findung gut verkauft. Aus der einstigen „Geheimwissenschaft“, besonders in Verbindung mit der therapeutisch orientierten Lebenshilfe, ist längst eine öffentlich angebotene Ware geworden. Dabei ist der Begriff „esoterisch“ völlig ausgeufert. Esoterik ist all das, wo sich der Mensch auf die Suche nach sich selbst macht, um „sich selbst zu finden“. Und genau dort liegt der große Irrtum der Esoterik: Sie verwechselt „lnnenwelterfahrung“ mit „Gotteserfahrung“.

Kurt-Helmuth Eimuth

Stichwort: Bruno Gröning


Die Anhänger des Geistheilers Bruno Gröning (1906-1959) jubilierten. „Bei einem kleinen Jungen aus dem hessischen Ort Hedemünden ist ein lebensgefährliches Darmleiden verschwunden, das Ärzte für ‚unheilbar‘ erklärt hatten“, berichtete die Zeitschrift Esotera. „Die Genesung setzte schlagartig ein, nachdem eine Heilgruppe ihm ‚Kraftstrom‘ aus der Ferne zugeleitet hatte.“

Dieser Kraft- oder Heilstrom durchdringt nach Lehre der Gröning-Gruppen den Körper. Dieser Heilstrom werde, so die Überzeugung, vom verstorbenen Geistheiler Bruno Gröning geschenkt. Gröning erfreute sich in den fünfziger Jahren in Deutschland großer Beliebtheit. Seine „Stanniolkugeln“ sollten gleichsam als Akkumulatoren seine eigene Heilkraft auf den Menschen übertragen. Wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz wurde Gröning 1958 verurteilt. Sich selbst konnte er nicht heilen, er starb 1959 in Paris an Magenkrebs.

In über 350 Gruppen treffen sich heute die Anhänger, um den Heilstrom zu erfahren. Die dort praktizierten Übungen sind vergleichbar mit einer einfachen Form des autogenen Trainings. Körperliche Reaktionen wie das Empfinden von Wärme, Schwere und Kribbeln werden als Wirkung des Heilstroms gedeutet. Der katholische Sektenbeauftragte Lutz Lemhöfer, Frankfurt, beschreibt die Wirkung dieser Gruppen so: „Gemeinsame Heilserwartung der Gruppen, Einfluss charismatischer Leitfiguren und die ständige positive Verstärkung durch Erfolgsberichte anderer erzeugen einen Placebo-Effekt. Mögliche Heilungen und Besserungen sind beschränkt auf psychologisch bedingte oder psychogen überlagerte Krankheitsbilder.“

© Kurt-Helmuth Eimuth

Hintergrundinformation:
Organisation: Freundeskreis Bruno Gröning
Leitung: Grete Häusler, Lohmar
Verbreitung: 350 Ortsgruppen
Anhängerschaft: 5.000 bis 10.000 in Deutschland

Wenn der Heilstrom durch den Körper fließt, stößt er auf die Organe, die belastet sind, und beginnt dort seine reinigende Wirkung. Da die Krankheit ihrem Wesen nach nicht gottgewollt ist, wird sie nach und nach beseitigt. Dies kann in einzelnen Fällen auch spontan geschehen. Hierzu ist es notwendig, dass sich der Mensch nicht mehr gedanklich mit der Krankheit beschäftigt, sondern daran glaubt, dass es für Gott kein Unheilbar gibt.
(Bruno Gröning Freundeskreis Stuttgart 1993)

1999 Kurt-Helmuth Eimuth

Gott, Jehova, Krishna oder was?

Kurt-Helmuth Eimuth (Hrsg.)

Frankfurt (4. überarbeitete Auflage) 1999

Kunst mit Kinderaugen sehen lernen

Marion Eimuth

Kunst mit Kinderaugen sehen lernen

in: Jürgen Wüst / Ruth Wüst (Hrsg.)
Kunst als Medium im Elementarbereich
Donauwörth 1999
ISBN 3-403-03202-7