Tag Archiv für Krishna

Hare-Krishna auf der Zeil

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 4. Mai 2014

Es gibt sie noch, die Krishna-Bewegung. In den 70er und 80er Jahren waren sie häufig missionierend in den Fußgängerzonen anzutreffen. Heute ist dies eine Seltenheit. Aber zur Begeisterung des überraschten Publikums intonierten die in indische Dhotis und Saris gekleideten und zum Teil kahlgeschorenen Jünger und Jüngerinnen auf der Zeil unter Trommelbegleitung das „Hare-Krishna“-Mantra.

Zum Vergnügen der Passanten singen die Anhänger der Krishna-Bewegung ihr Mantra auf der Zeil: „Hare Krishna Hare Krishna Krishn Krishna Hare Hare“. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Das „Chanten“ und Tanzen (sankirtan) gehören zu den zentralen Aktivitäten der Hare-Krishna-Anhänger und sind ein typisches Erkennungszeichen der „Harinams“, der missionarischen Auftritte.

Die Bewegung zeigt sich heute kulturell angepasster. Nach dem Tod ihres Meitsers Prabhupada 1977 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Bewegung. In der Folge gab es eine gewisse Öffnung. Inzwischen hat sich die Gemeinschaft auf dem religiösen Markt etabliert.

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen urteilt: „Die fundamentalistische Auslegung altindischer Schriften, die untergeordnete Rolle der Frau, die Vorstellung eines „spirituellen Kastensystems“, das in einer idealen Gesellschaftsordnung Verwirklichung finden sollte, die teilweise aggressive Werbung und die Entschlossenheit, mit der im engeren Kreis der Devotees das Dienen – auch dem Guru gegenüber – zum Heilsprinzip erklärt wird, bleiben indes Elemente der unorthodoxen Bewegung.“

Der Vorwurf der indischen Exotik, die unvermittelt in die westliche Kultur hineingetragen würde, ist immer wieder erhoben worden; oft waren familiäre Beziehungen durch die Mitgliedschaft einer Zerreißprobe ausgesetzt. So als Element der Straßenmusik hat es sicher den Passanten Spaß gemacht. Als ein Japaner einen Jünger nach dem Musikstil fragte, antwortete dieser: „Es ist indische Musik.“ Wohl wahr, aber doch auch etwas mehr.

Stichwort: Hare Krishna

„Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna, Krishna, Hare, Hare, Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare“ – Die Beatles ließen diese Anrufung hinduistischer Götternamen zuerst produzieren. Vor wenigen Jahren pries ein gewisser Boy George Krishna mit diesem Anruf und landete prompt und weltweit in den Hitparaden – und im deutschen Fernsehen.

Die in safranfarbene Gewänder gehüllten Krishna-Mönche gehören sicherlich zu den bekanntesten der so genannten „Jugendreligionen“. A.C. Bhaktivedanta Prabhupada gründete 1966 die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON). Dieses Krishna-Bewusstsein ist das eigentlich ursprüngliche Bewusstsein eines jeden Lebewesens, so seine Lehre. Dieses Bewusstsein wollen alle Lebewesen wieder erreichen. Der einzige Weg dorthin besteht im fortwährenden Singen „der heiligen Namen Gottes“, dem ständigen Wiederholen des Hare-Krishna-Verses.

Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Singens (Chanten) ist die strenge Einhaltung von vier Punkten im Alltag:
1. Kein Genuss von Fleisch, Fisch und Eiern. Außerdem wird erwartet, dass der Krishna-Anhänger nur Nahrung zu sich nimmt, die zuvor Krishna geweiht wurde.
2. Kein Genuss von Rauschmitteln, einschließlich Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee.
3. Kein Glücksspiel, wozu auch Sport zählt.
4. Keine unerlaubte Sexualität. Es ist ausschließlich die Zeugung von Kindern erlaubt, die im Krishnabewusstsein aufgezogen werden.

Erst wer mindestens zwölf Monate lang unter Beweis gestellt hat, dass er diese vier Regeln einhält, wird in die ISKCON aufgenommen. Das neue Mitglied bekommt einen Sanskritnamen. Dem Meister gegenüber verpflichtet sich das neue Mitglied zu absolutem Gehorsam. Die ordensartige Organisationsstruktur der ISKCON und die schnellen Bekehrungen von vorwiegend jungen Leuten, die ihre Familien verließen und ihre Ausbildung abbrachen, führte in der Vergangenheit zu großen Konflikten. Heute gibt sich die Gruppe gewandelt. Frauen rücken in die Führungspositionen auf, Fehler bei Mission und Sammeln werden eingestanden. Die Zukunft wird zeigen, ob die ISKCON diese Umkehr wirklich vollzieht. Im Ursprungsland des Hinduismus genießen die Krishna-Jünger mehr Ansehen als andere Guru-Bewegungen. Sie sind Lieblingskinder des nationalistischen Welthindurates, der Vishwa Hindu Parishad (VHP). Diese Organisation will aus Indien einen Hindu–Staat machen. Die starke muslimische Minderheit Indiens soll mit Gewalt vertrieben werden. In den letzten Jahren starben Tausende Muslime bei Aufständen, angezettelt von der VHP. Eine Distanzierung der ISKCON fehlt bisher.

Kurt-Helmuth Eimuth

Hintergrundinformation:
International Society for Krishna Consciousness (ISKCON)
Gründer: A.C. Bhaktivedanta Prabhupada, geb. 1896 in Kalkutta, gest. 1977
Zentrale: Mayapur, Indien
Zentren in Deutschland: Berlin, Böblingen, Flensburg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Jandelsbrunn (Farm), Köln, Leipzig, Nürnberg, Weimar, Wiesbaden. In diesen Zentren wohnen 150 Studenten und Mönche
Mitglieder: 5.000 weltweit (nach eigenen Angaben)

Der Sektenmarkt – Entwicklungen und Tendenzen (1995)

Kurt-Helmuth Eimuth

Eeschienen in der Reihe Forum-Spezial Frankfurt 1995