Die dreizehnjährige Laura kam sehr aufgeregt von der Klassenfahrt zurück. Die Angst stand ihr noch im Gesicht. Weder mit Vater noch mit Mutter wollte sie reden. Erst ihrer älteren Schwester vertraute sie sich an.
Des Nachts, bei Kerzenschein, wurde im Mädchenzimmer gependelt. Das war zwar zunächst ganz lustig. Einige Mädchen legten die Bilder ihres Freundes auf den Tisch und fragten das Pendel, ob er sie noch liebe. Später kam ein Mädchen auf die Idee, einen Geist mittels Gläschen zu befragen. Die vier Mädchen setzten sich an einen Tisch, streckten ihren Arm aus, berührten das Glas nicht, und doch – es bewegte sich. Nacheinander sauste das Glas zu Buchstaben des im Halbkreis gelegten Alphabetes. Erst gab es banale Fragen nach dem eigenen Namen oder dem Namen des Haustieres. Später wurden Fragen zur Zukunft der Mädchen gestellt: „Wann heirate ich?“ „Wie viele Kinder bekomme ich?“… Zum Schluss dann dieses: „Wann sterbe ich?“ und die Angst vor der Antwort. Laura erstarrte noch beim Erzählen.
Laura ist kein Einzelfall. Okkulte Praktiken gehören heute – das zeigen Untersuchungen – zur Lebenswelt Jugendlicher. Fast die Hälfte aller Jugendlichen machen Erfahrungen mit Okkultpraktiken. Doch die meisten probieren sie nur ein- oder zweimal aus, um ihnen dann – entweder aus Desinteresse oder aus Angst – den Rücken zu kehren.
Besonders beliebt sind okkulte Praktiken, bei denen man Ratschläge von Wesen einer höheren Welt“ (Geistern) empfangen kann oder die einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Hierzu gehören vor allen Dingen das Glasrücken, das automatische Schreiben, das Tischrücken oder auch das Pendeln über einem Alphabet oder über Gegenstände. An „Schwarzen Messen“ beteiligen sich dagegen nur wenige Jugendliche.
Das lateinische Wort „okkultus“ bedeutet „geheim“ oder „verborgen“. Und so wundert es nicht, dass dieses Verborgene für die junge Generation besonders interessant ist. Gewöhnlich wird auch niemand Schaden nehmen, wenn jemand das Bild des Freundes „auspendelt“. Problematisch ist es allerdings, wenn Fragen nach Krankheit oder Tod gestellt werden. Dieses kann bei dem Betroffenen zu Panik führen. Aber selbst die „sanften“ Okkultpraktiken können dazu verführen, sich vom Leben abzuwenden. Die gesamte Entscheidung überlässt man dann scheinbar dem Pendel oder den Karten. Und dann wird eben ausgependelt, ob man an der Mathematikarbeit teilnehmen soll oder nicht. Dann diktiert ein Pendel selbst den Alltag. Das führt zur Entscheidungsunfähigkeit. Eine Gefahr, die anfänglich leicht unterschätzt wird.
Kurt-Helmuth Eimuth
© Kurt-Helmuth Eimuth
Studie zu Okkultismus:
Neugier auf Außergewöhnliches
Okkulte Praktiken wie Gläserrücken, Pendeln und „Schwarze Messen“ sind inzwischen der großen Mehrheit der deutschen Jugendlichen bekannt. Nur zwölf Prozent der 14- bis 18jährigen kennen diese Praktiken nicht, ergab eine 1995 in Frankfurt vorgelegte Untersuchung des Diplom-Pädagogen Burkhard Hansel. Der Wissenschaftler hatte knapp 700 Jugendliche an Frankfurter Schulen befragt. 44 Prozent von ihnen gaben an, mindestens eine der okkulten Praktiken selbst ausprobiert zu haben. Die meisten Schüler (78 Prozent) probierten es allerdings nur einmal. Im einzelnen ergab die Befragung, daß deutlich mehr Mädchen als Jungen solche Erfahrungen hatten. Während jedes zweite Mädchen schon einmal eine okkulte Praktik ausprobiert hatte, waren es bei Jungen nur 37,4 Prozent. Evangelische Jugendliche waren nach der Untersuchung weitaus anfälliger für solche Versuche als katholische oder muslimische Schüler. Als mit Abstand wichtigstes Motiv wurde von den Jugendlichen „Neugier“ und „lnteresse am Außergewöhnlichen“ genannt, während persönliche Motive („Hilfe bei schwierigen Entscheidungen“ oder „sich selbst besser kennen lernen“) einen geringen Stellenwert hatten.
epd/gb
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