Im Sommer 1994 richtete die Bundesregierung eine „Informations- und Dokumentationsstelle für so genannte Jugendsekten und Psychogruppen“ ein. Die Problematik zunehmender Sektenbildung und das scheinbare Abgleiten Jugendlicher in totalitäre Gruppierungen hat die Regierung alarmiert. Doch längst sind die Jugendsekten in die Jahre gekommen, sprechen heute alle Altersgruppen an. Der Begriff erscheint unscharf.
Vor zwanzig Jahren erfand der Sektenbeauftragte der bayrischen Landeskirche, Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack, den Begriff „Jugendreligionen“. In seiner 1974 erschienenen Broschüre „Neue Jugendreligionen“, inzwischen ein Standardwerk, stellte er Gruppen wie Scientology, die Hare Krishna-Bewegung und die Vereinigungskirche (MUN) vor.
Diese Gruppen weisen ähnliche Merkmale auf, so z.B.:
1. Die Anwerbung junger Menschen, die sich in einer „schwierigen seelischen Situation“ befinden.
2. Die Gruppen kamen in den 60er und 70er Jahren nach Europa.
3. Die Gruppen scharten sich um einen als „Bringer der absoluten Wahrheit“ verehrten Gründer.
Besonders die Anwerbemethoden mit der rasanten Trennung von Familie und Elternhaus sowie dem plötzlichen Abbruch der Ausbildung brachten die „Jugendreligionen“ in Verruf. Inzwischen sind Veränderungen eingetreten. Es werden keinesfalls mehr nur junge Leute angeworben, die Bekehrungserlebnisse werden nicht mehr so schnell vermittelt, der sofortige Einzug in die Wohngemeinschaft ist eher die Ausnahme. Deshalb verwenden viele den amerikanischen Begriff „destruktive Kulte“, um auf die zerstörende Wirkung der Beeinflussung hinzuweisen. Andere nehmen zunächst keine Wertung vor und ordnen die Gruppen religionswissenschaftlich exakt den Kategorien Psychokult, Neuoffenbarungsreligionen oder Neureligion zu.
Kurt-Helmuth Eimuth© Kurt-Helmuth Eimuth
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