Stichwort: Sekte


In den Beratungsstellen für Weltanschauungsfragen rufen täglich Menschen an, die nur eine Frage haben: „Ist diese Gruppe eine Sekte?“ Sie wollen von dem Berater nur ein klares „Ja“ oder „Nein“ hören. Die Enttäuschung ist groß, wenn eine klare Antwort nicht gegeben wird. Das ist verständlich. Schließlich will man mit Sekten nichts zu tun haben. Doch was sind eigentlich „Sekten“, und wer erklärt eine Gruppe oder Organisation zur „Sekte“? „Gibt es denn keine Liste mit den Sekten?“, wird am Telefon gefragt.

Nein, eine verbindliche Liste der Sekten gibt es nicht. Keine Gruppierung bezeichnet sich selbst als „Sekte“. So ist die Einordnung als „Sekte“ immer auch eine Bewertung von dem Standpunkt dessen, der diese Bewertung vornimmt. Je nach Begriffsbeschreibung werden unterschiedliche Zuordnungen vorgenommen.

So gelten als „klassische, christliche Sekten“ etwa die Zeugen Jehovas und die Mormonen. Beide Gruppen haben sich von der christlichen Lehre getrennt. Und von dem lateinischen Wort für trennen (secare) wird das Wort „Sekte“ oftmals abgeleitet. Sprachgeschichtlich kommt das Wort Sekte zwar vom lateinischen secta, was lediglich soviel wie Schule, Lehre, Partei bedeutet, doch diese (wert-)neutrale Bedeutung scheint vergessen.

Nach der Diskussion um die so genannten „Jugendsekten“ in den 70er und 80er Jahren werden als Sekten oftmals jene Gruppen bezeichnet, die Menschen durch die Autorität der Führerpersönlichkeiten mittels „Bewußtseinskontrolle“ abhängig machen. Diese psychodynamischen Aspekte spielen heute eine immer größere Rolle. So wird etwa eine politische Partei wie die EAP (Europäische Arbeiterpartei) mit Fug und Recht als „Politsekte“ bezeichnet.

Ein Begriff, der so unterschiedlich inhaltlich gefüllt wird, ist nur schwer zu gebrauchen. Deshalb wird nicht nur in der Literatur, sondern auch in Beratungsstellen eher von „religiösen Sondergruppen“ oder von „totalitären Politgruppen“ gesprochen. Der Sektenbegriff scheint unscharf.

Doch sollte dies Christen und Christinnen nicht davon abhalten, eine Bewertung und kritische Prüfung vorzunehmen. Denn schließlich wird schon im Alten Testament vor den Irrlehren gewarnt. Der Kampf, um es mit dem Kirchenvater Augustin zu sagen, gilt immer nur den Irrlehren. Den Irrenden dagegen sollten wir mit Liebe begegnen.

Kurt-Helmuth Eimuth

© Kurt-Helmuth Eimuth

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