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Werbung alleine reicht nicht

Werbung alleine reicht nicht

Die Lücke zwischen Bedarf und Fachkräften wird immer größer: Bis 2015 werden in Hessen über 1500 zusätzliche Altenpflegerinnen und Altenpfleger gebraucht. In den Krabbelstuben und Kindertagesstätten sieht es noch dramatischer aus. Von etwa 3000 bis zum Jahr 2013 zu besetzenden Stellen geht man alleine in Frankfurt aus. Aber auch Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiter sind gesucht. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden Fachkräfte rar. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen demnächst in Rente, und die schwächeren Jahrgänge kommen in den Beruf.

Man muss nicht über großes ökonomisches Fachwissen verfügen, um zu sehen, dass es mehr braucht als gut gemeinte Werbekampagnen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können wieder auswählen, wo und unter welchen Bedingungen sie arbeiten wollen. Alle Befragungen zeigen, dass zur Attraktivität eines Berufes auch das Gehalt zählt – auch wenn es nicht entscheidend ist. Doch eine Familie sollte man schon ernähren können. Dies ist in der Altenpflege schwierig. Die Pflegebranche zählt bisher zu den Sektoren mit einem relativ hohen Anteil „Aufstockern“, das heißt, der Lohn liegt oft unterhalb des Niveaus von Hartz IV.

Hinzu kommt, dass Pflegekräfte oft nicht länger als sieben bis acht Jahre in diesem Beruf arbeiten. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes scheidet fast jede dritte Person aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben aus – die häufigsten Gründe sind Wirbelsäulenerkrankungen, Hauterkrankungen und Infektionskrankheiten. Schon im Interesse der Betriebe müsste deshalb mehr auf die Gesundheit der Mitarbeitenden geachtet werden. Es sollten zum Beispiel mehr technische Hilfen bei der Pflege genutzt werden. Gegen Rückenprobleme und andere gesundheitliche Beeinträchtigungen könnte der regelmäßige Besuch im Fitnesscenter helfen. Warum sollten das die Wohlfahrtsverbände nicht anbieten? Flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung sind weitere Möglichkeiten, die Fachkräfte im Beruf zu halten.

Wenn die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände als Arbeitgeber attraktiv bleiben wollen, werden sie um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht herumkommen. Zu dieser Attraktivität gehört auch gesellschaftliche Anerkennung: Solange ein LKW-Fahrer am Stammtisch eher bewundert wird als ein Altenpfleger oder Erzieher, haben es die Sozialberufe schwer.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt März 2011

Das Netzwerk Familie stützen – sonst reißt es

Evangelisches Frankfurt Oktober 2010
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Familie haben alle – auch wer selbst keine Kinder hat, ist doch zumindest selber als Kind auf die Welt gekommen. Diese scheinbar lapidare Feststellung des ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat Folgen. Familienpolitik ist kein „Gedöns“, wie Alt-Kanzler Gerhard Schröder einst meinte, sondern betrifft alle. Ob es um die Versorgung der betagten Eltern geht oder um die Kinderbetreuung: Trotz Altenheim und Kindergarten ist es die Familie, die zusammenhält und die die besonderen Belastungen stemmt.

Die Familie gibt den allermeisten Menschen Sicherheit und Geborgenheit. Gerade hat es eine neue Shell-Jugendstudie bestätigt: Die Bedeutung der Familie für Jugendliche ist ein weiteres Mal angestiegen. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen (76 Prozent) stellen für sich fest, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich leben zu können. Das bezieht sich nicht nur auf die Gründung einer eigenen Familie, sondern auch auf die Herkunftsfamilie.

Die Familie leistet unglaublich viel. Sie ist die erste Bildungsinstitution, sie unterstützt in Not geratene Mitglieder, nicht nur materiell. Es ist das „Netzwerk Familie“, das seinen Mitgliedern Halt gibt. Die Gesellschaft ist gefordert, dieses Netzwerk nicht zu stark zu belasten. Sonst reißt es.

Deshalb ist der Ausbau der Kinderbetreuung richtig und zentral. Darüber hinaus müssen die zwanzig Prozent Kinder gefördert werden, die in bildungsfernen Milieus aufwachsen. Eine Wissensgesellschaft kann es sich nicht leisten, jedes fünfte Kind auszugrenzen. Und eine solidarische Gesellschaft sollte alles tun, um der sich abzeichnenden Klassengesellschaft entgegenzuwirken.

Der von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Weg, Kindern eher Sachleistungen statt Bares zukommen zu lassen, geht in die richtige Richtung. Doch mit kleinlichen Förderschecks wird man nicht weiterkommen. Derzeit stimmen die einfachsten Rahmenbedingungen nicht: Die wenigsten Schulen können ein Mittagessen anbieten, weil die Küche fehlt. In Frankfurt wird – dank des Engagements der Stadt – für gut die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler ein Hortplatz angeboten. Doch von dem Ziel der Einführung einer flächendeckenden Ganztagsschule ist man in Hessen weit entfernt. Nur wenn es ein verlässliches Kinderbetreuungsangebot vom ersten Lebensjahr an gibt, können alle Kinder gefördert werden und ihre Mütter beruhigt berufstätig sein – was in einer alternden Gesellschaft unumgänglich ist.

Kurt-Helmuth Eimuth

Orte der Identifikation

Kommentar

Kurt-Helmuth Eimuth

Orte der Identifikation

Eine Auseinandersetzung über die Neubebauung von Frankfurts „gudd Stubb“ ist entbrannt. Gut so.

(Bild: S.Kasten/Wikimedia)

Bietet sich doch die Chance, die Bausünden der Vergangenheit zwischen Dom und Römer zu lindern. Das krankgraue Historische Museum und das monströse Technische Rathaus dokumentieren einen Selbstverwirklichungswahn von Architekten, die Modernität ohne jedes Gespür für das Umfeld und die Historie des Ortes durchsetzten. So entstanden Gebäude, auf die man getrost verzichten kann.
Nun will man Neues, Besseres schaffen, indem man das Alte wiederherstellt. Woher kommt diese Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit? Diese Sehnsucht ist im ganzen Land zu beobachten. Ausgehend von Dresden wird in vielen Städten nach alten, Identität stiftenden Gebäuden gefahndet. Berlin will sein Stadtschloss wieder, Potsdam, Hannover und Braunschweig desgleichen, mal komplett, mal nur als nachgebaute Fassade mit dahinter verstecktem Einkaufszentrum. In Frankfurt freute man sich über die Rekonstruktion der kriegszerstörten klassizistischen Stadtbibliothek, deren Anblick allerdings durch das dahinter stehende Schwesternwohnhochhaus auch etwas Befremdliches hat.
Die Projektion auf altes Gemäuer rührt aus dem Wunsch nach Gewissheit, nach Verlässlichkeit, nach Beständigkeit. Das bedeutet keineswegs, wie Kritiker meinen, ein Ignorieren der Wunden, die ein von Deutschland ausgehender Krieg gerissen hat. Nein, es zeigt sich vielmehr eine Sehnsucht, sich der eigenen Wurzeln zu vergewissern. Wenn schon Staaten auseinander brechen, Währungen verschwinden und Unternehmen ihre Arbeitnehmer wie Schachfiguren behandeln, dann soll wenigstens die Stadtarchitektur Dauerhaftigkeit und Stabilität vermitteln.
Ein Phänomen, das die Kirchen gut kennen. Auch wenn die Dorfkirche kaum genutzt wird, so soll sie doch stehen bleiben. Da engagieren sich dann auch viele Atheisten bei der Sanierung. Die emotionale Bindung ist groß. Das zeigte sich auch an der Diskussion um den Abriss der Matthäuskirche an der Messe.
Für Frankfurt bietet sich jetzt die einmalige Chance, weitere Identifikationsorte zurück zu gewinnen. Gleichwohl wird den exakten Wiederaufbau der Altstadt kaum jemand wollen. Eine behutsame, sich an den alten Wegen orientierende Bebauung, die auch die Form der alten Giebeldächer aufgreift, ist eine Möglichkeit. Wenn dabei auch noch eine Verbindung zwischen Dom und Römer entsteht, die wirklich zum Flanieren einlädt und als „Krönungsweg“ von der Tourismusförderung vermarktet werden kann, soll’s recht sein. Jedenfalls gilt es, die Chance zu nutzen.
Kurt-Helmuth Eimuth

Alle Kinder sind legal

Kommentar Evangelisches Frankfurt Juni 2010
Alle Kinder sind legal
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Kinder von sich in Deutschland illegal aufhaltenden Familien sollen Kindergarten und Schule angstfrei besuchen können. Dies fordert die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer. Immerhin eine CDU-Politikerin. Eine Forderung, die die Hessische Landesregierung zumindest für den Schulbereich seit kurzem erfüllt. Gut so. Aber leider kann man trotzdem noch nicht zur Tagesordnung übergehen. Seit gut einem Jahrzehnt engagiert sich die evangelische Kirche, insbesondere in Frankfurt, für diejenigen, die gekommen sind, um für ihre Familien den Lebensunterhalt verdienen zu können. Sie sind oft in Privathaushalten angestellt oder arbeiten in ebenso schlechten wie niedrig bezahlten Beschäftungsverhältnissen. Etwa 25 bis 40 000 so genannter „Illegaler“ sollen sich 2006 nach einer vom Evangelischen Regionalverband und der Diakonie in Auftrag gegebenen Studie in Frankfurt aufgehalten haben. Davon sollen etwa fünf bis zehn Prozent Kinder sein.

Auch wenn erfreulicherweise die Kinder in Hessen inzwischen zur Schule gehen können, bleibt dieses doch nur ein erster Schritt. Beim Kindergarten wird es schon schwieriger. Die Kirchen können hier Plätze bieten und den Elternbeitrag übernehmen. Doch trotz solcher geschmeidiger Einzelfallregelung fehlt die Durchsetzung des Rechtes aller Kinder auf Bildung – und auf medizinische Versorgung. Kinder, die in Deutschland aufwachsen, sollten nicht nur ein Recht auf Bildung haben, sie sollten auch die Pflicht zur Bildung haben. So genannte statuslose Kinder sollten ebenso der Schulpflicht unterstehen wie alle anderen Kinder.

Noch problematischer ist es bei der medizinischen Versorgung. Schon 2006 wurde in der zitierten Studie festgestellt: „Die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere ist eines der vordringlichen Probleme. Statuslose sind infolge ihrer Lebensbedingungen, ihrer psychischen Belastung, ungesunder Ernährung und körperlich stark belastender Arbeitsbedingungen besonderen gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt. Ein Krankenhausaufenthalt ist für die Betroffenen mit einem maximalen Risiko ihrer Entdeckung verbunden, wenn sie die Kosten nicht selbst bezahlen können. Dies gilt auch für Schwangere, die für eine Geburt mit medizinischer Betreuung das Krankenhaus aufsuchen.“

Eine humane Gesellschaft sollte Kinder, die in ihr leben, zunächst als Kinder, die gefördert werden müssen, sehen. Gleich, welchen Status ihre Eltern haben. Denn es gibt keine illegalen Kinder.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Kirche braucht eine wie Käßmann

Evamgelisches Frankfurt April 2010

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Die Kirche braucht eine wie Käßmann

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Für die Comedians war es der Stoff, aus dem flache Scherze sind. Eine Bischöfin mit 1,5 Promille ist eine Steilvorlage für Harald Schmidt und Co. Auch deshalb war es richtig, dass Margot Käßmann von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und als Bischöfin ihrer Landeskirche zurücktrat.

Dem Spott auf Kosten einer Bischöfin hätte sie vielleicht noch mit einer kleinen Charmeoffensive begegnen können. Doch Margot Käßmann wusste, dass da etwas zerbrochen war, das existentiell für sie, für ihre Arbeit, ist: Glaubwürdigkeit. Sie wollte nicht darüber hinwegsehen, dass ihre Autorität beschädigt war. Wörtlich sagte sie: „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte.“ Man denke nur an die Auseinandersetzung um den Afghanistan-Krieg. Eine Bischöfin, die selbst einen „schweren Fehler“ gemacht hat, kann so etwas nicht durchhalten.

Doch die eigentliche Stärke von Margot Käßmann sind ihre Niederlagen. Sie kann wie kaum eine andere von ihrem Leben, von ihren Zweifeln und von ihrem Glauben erzählen. So schreibt sie über ihre Brustkrebserkrankung und ihre Scheidung: „In der Mitte des Lebens ist mir wichtig geworden, Krankheit und Leid und Krisen als Vertiefung anzusehen. … Nach acht Wochen habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Und es war da eben doch auch ein tiefer Einschnitt, weil ich in dieser Zeit begriffen habe, dass ich der Tatsache ins Auge schauen muss, dass meine Ehe als gelebte Beziehung nicht mehr existiert. In einer existentiell bewegenden Situation ist es nicht möglich, vor der Realität wegzulaufen. Die Erkrankung hat mir letzten Endes den Mut gegeben, mich dieser Wirklichkeit zu stellen.“

Auch als sie ihren Rücktritt bekannt gab, zeigte sie Stärke. Nach all dem Erlebten, nach ihrer größten persönlichen Niederlage, kam dann dieser Satz: „Du kannst niemals tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Welch eine Glaubenszuversicht, welch eine Kraft!

Es ist ihr zu wünschen, dass sie sich bald von ihrem Erschrecken über sich selbst erholt. Denn die evangelische Kirche braucht Menschen wie Käßmann, die unerschrocken, politisch und fromm an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken. Und die heute 51-Jährige wird in naher Zukunft sicher wieder die öffentliche Bühne betreten. Ob als Autorin – sie hat über zwanzig Bücher verfasst – ob als Professorin oder gar in einem hohen kirchlichen Amt. Die Kirche braucht eine wie Margot Käßmann.

Kurt-Helmuth Eimuth

„Die Logik des Krieges“- warum Käßmann Recht hat

Evangelisches Frankfurt Februar 2010

„Die Logik des Krieges“- warum Käßmann Recht hat

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Selten hat es eine neue Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche geschafft, so schnell auch bei Kirchenfernen bekannt zu werden – und das noch mit einer Predigt. Margot Käßmann, die Bischöfin aus Hannover und neue Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat, kaum hundert Tage im Amt, ein Thema transportiert, das ansonsten gerne verdrängt wird.

„Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden“, führte sie in ihrer Predigt am Neujahrstag aus. „Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut, von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen.“ Die Bischöfin wusste wohl, was ihr die Kritiker vorwerfen würden, denn sie sagte weiter: „Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen.“

Käßmann fordert also andere Konfliktlösungsstrategien, weil die bisherigen Muster der Realpolitik versagt haben. Das ist keine prinzipielle Antikriegshaltung. Die EKD hat vor drei Jahren in einer Denkschrift Kriterien eines gerade noch zulässigen Krieges benannt und darin politische, moralische und völkerrechtliche Aspekte aufgeführt, unter denen der Einsatz „rechtserhaltender“ militärischer Gewalt zulässig ist. Diese Kriterien hält die Ratsvorsitzende beim Afghanistan-Krieg völlig zu Recht für nicht (mehr) erfüllt. Inzwischen hat sich der gesamte Rat der EKD hinter die Bischöfin gestellt. Es ist zu befürchten, dass die Strategie der USA, mit immer noch mehr Militär den Krieg zu gewinnen, genau so scheitert wie einst das Engagement der Sowjetunion in Afghanistan. Margot Käßmann hat eine notwendige Diskussion angestoßen. Keineswegs naiv, sondern mit Augenmaß. Ihre Predigt ist gleichzeitig prophetisch und voller Realitätssinn. Es ist zu hoffen, dass die Zuspitzung auf die Frage, wie viele Soldaten Deutschland zusätzlich nach Afghanistan schickt, etwas von der Offenheit des protestantischen Denkens der Bischöfin atmet. Es geht um Krieg und Frieden und damit für viele Menschen um Leben oder Sterben.

Kurt-Helmuth Eimuth

Besser gemeinsam: Reli in der Grundschule

Evangelisches Frankfurt September 2009

Kommentar:
Besser gemeinsam: Reli in der Grundschule

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Die Frage stellt sich spätestens mit der Einschulung. Soll mein Sohn, meine Tochter am Religionsunterricht teilnehmen? Wenn ja, an welchem? Und was machen die Kinder, die nicht teilnehmen?

Man ahnt die organisatorische Herausforderung für Schulleitungen. Sie müssen für eine Minderheit (in einigen Schulen erreicht der Anteil der christlichen Kinder gerade mal ein Viertel) Religionsunterricht organisieren, und das dann auch noch für evangelisch und katholisch getrennt. Da bleiben nur „Randstunden“. Das ist durchaus symbolisch: Der Religionsunterricht wird allein durch die geringe Zahl von Kindern, die ihn besuchen, an den Rand gedrängt.

Die scheidende Studienleiterin des Religionspädagogischen Amtes der evangelischen Kirche hat jetzt noch einmal Alarm geschlagen (siehe Seite 9). Ein konfessionsgetrennter Unterricht sei Eltern nicht mehr zu vermitteln. Recht hat sie. Die Vermittlung christlicher Grundlagen sollte durchaus ökumenisch gelingen. Schließlich berufen sich ja beide Kirchen auf die Bibel. Da sollte es doch möglich sein, Schöpfungsgeschichten und die biblische Überlieferung vom Leben Jesu gemeinsam kindgerecht weiterzugeben. Der Streit um den Absolutheitsanspruch des Papstes oder um unterschiedliche Auffassungen vom Abendmahl dürfte Kinder im Grundschulalter überfordern und wird sie vermutlich auch wenig interessieren.

In den weiterführenden Klassen werden zunehmend Differenzierungen notwendig. Hier sollten den Schulen und deren Fachkonferenzen Möglichkeiten des gemeinsamen Unterrichtens eröffnet werden. Dies gilt auch für den islamischen Religionsunterricht. Ein solches Angebot muss ebenso wie Ethik vorgehalten werden. Alles andere ignoriert die gesellschaftliche Realität. Dass diese Entwicklung den Religionsgemeinschaften einiges abverlangt, ändert nichts am Ziel. Eine umfassende Bildung darf den Bereich der Religion und der religiösen Tradition nicht ausblenden. Die multireligiöse Vielfalt in den Schulen erfordert es, neue Wege zu finden.

Die Verantwortlichen in Darmstadt und Limburg sollten diese Realität zur Kenntnis nehmen. In einigen Bereichen haben die Kirchen nur noch gemeinsam eine Chance, sich Gehör zu verschaffen. Welche Bedeutung man auch immer einem Religionsunterricht zumisst: Wenn nur noch gut zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler den Unterricht einer Konfession besuchen wollen, wird es auch für die Gutwilligen in den Schuldirektorien schwierig, kirchliche Ansprüche zu verteidigen. Beide Kirchen müssen ihre Positionen überdenken, sonst stellen sie sich ins Abseits.

Kurt-Helmuth Eimuth

Ohne Ökumene geht es nicht

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

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Ohne Ökumene geht es nicht

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Raban Tilmann geht in den Ruhestand. Feierlich wurde der katholische Stadtdekan mit einem Gottesdienst verabschiedet. Zwölf Jahre lang hatte der zum konservativen Flügel zählende Katholik dieses Amt inne. Über den Zustand seiner Kirche sagt Tilmann zufrieden: „Uns geht es gut“. Trotz Mitgliederschwund, langfristig zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen und dem wachsenden gesellschaftlichen Bedeutungsverlust, dem sich beide Kirchen stellen müssen. Raban Tilmann konnte sich schon immer auf seine kommunikativen Fähigkeiten verlassen. Auch beim Zudecken von Problemen.

Im Rückblick muss man aus evangelischer Sicht sagen: Es war keine Dekade der Ökumene. In Rom nicht und auch in Frankfurt nicht. „Wir sind nicht füreinander geboren“, räumte Tilmann bei der offiziellen Verabschiedung von Pröpstin Helga Trösken vor drei Jahren ein. Und das war wohl nicht nur persönlich gemeint.

Und doch muss man dem scheidenden Stadtdekan konzedieren, dass er im Laufe seiner Amtszeit offener wurde. Als es um den Moscheebau in Hausen ging, hat er sich für die Religionsfreiheit eingesetzt. Und als die Nazis hier aufmarschieren wollten, hat sich Tilmann erstmals in seinem Leben an einer Demonstration beteiligt: gegen Rechtsextremismus und für Toleranz. Die Gründung des Rates der Religionen ist eine Konsequenz. Hier sollen nach der Vorstellung Tilmanns praktische Fragen erörtert werden. Keine theologischen. Denn da bleibt Tilmann sich treu. Ein gemeinsames interreligiöses Gebet geht für ihn nicht. Weil, so Tilmann, nicht alle zum selben Gott beten und die Buddhisten keinen Gott hätten.

Der Stadtdekan – und nicht nur er – achtete immer sehr auf die Wahrung der (katholischen) Identität. Dabei gibt es so viele Probleme, die von beiden Konfessionen gemeinsam anzupacken wären. Da sind die zahlreichen Kirchen, die eine kleiner werdende Zahl von Christenmenschen unterhalten muss. Da sind Neubaugebiete, in denen man den Bau eines gemeinsames Gotteshauses ablehnt. Und da ist die erschreckend niedrige Zahl von christlichen Erstklässlern, denen man gemeinsamen Religionsunterricht versagt. Und schließlich ist da eine Stadtgesellschaft, die bei vielen Ereignissen nach einem ökumenischen Auftritt der Kirchen verlangt.

Zugegeben, bei allen Problemfeldern sind Lösungen nicht einfach zu finden. Doch egal wer Raban Tilmann nachfolgt, er wird sich der ökumenischen Herausforderung stellen müssen. Denn für beide Kirchen gibt es zur Ökumene keine Alternative.

Kurt-Helmuth Eimuth

Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

Evangelisches frankfurt Februar  2009

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Den Kindern vertrauen, nicht den Noten

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Bildung ist entscheidend. Deshalb ist es gut, dass die Politik in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerade hier investiert. So manche Schule wartet seit Jahrzehnten auf Sanierung. Da ist jeder Euro aus dem Konjunkturprogramm gut angelegt. Doch nicht nur die Gebäude müssen in Ordnung gebracht werden. Auch die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Die Klassen sind zu groß, die Ausstattung ist schlecht. Der Markt hat längst reagiert. Fast jedes sechste Kind in Frankfurt besucht eine Privatschule. Tendenz steigend.

Die Kehrseite der Medaille: Wenn Schulnoten höchsten Stellenwert bekommen, spüren die Kinder das. Beste Noten werden zur Norm. Wer mittelmäßig oder gar schlecht ist, gehört nicht mehr dazu. Und Kinder können brutal sein. Auch im Ausgrenzen.

Doch Schulnoten sagen nichts über Bildung aus. Leider ist die Schule immer mehr dazu übergegangen, Wissen abzufragen. Das eingeführte Zentralabitur fördert dies. Abfragbares Wissen ist sicher nicht schlecht, aber eben nur ein Teil von Bildung. Bildung ist Verstehen im umfassenden Sinne. Zusammenhänge begreifen und kritisch zu reflektieren gehört ebenso dazu wie Fußball- oder Gitarrespielen. Soziale Kompetenz ist heute auch in Unternehmen eine Schlüsselqualifikation. Die lässt sich aber nur sehr eingeschränkt in der Schule vermitteln oder gar im Zeugnis ablesen.

Es ist jedoch zu befürchten, dass der eingeschlagene Weg der Wissensvermittlung, das Eintrichtern, landespolitisch beibehalten und sogar auf den Kindergarten übertragen wird. Das von der FDP ultimativ geforderte Vorschuljahr lässt diesbezüglich nichts Gutes ahnen. Ein gemeinsames Abendessen kann aber mehr Bildung vermitteln als so manche Unterrichtsstunde. Rücksichtnahme, das Einhalten von Regeln und anregende Gespräche über Gott und die Welt bilden die Grundlagen für das Verstehen von Zusammenhängen. Schade, dass viele Familien den Ritus des täglichen gemeinsamen Essens nicht mehr kennen.

Eines gilt leider immer noch: Der Zugang zu den Gymnasien wird in der vierten Klasse über die Noten gesteuert. Finnland und andere Staaten zeigen, dass dies ein Irrweg ist. Er setzt schon Zehnjährige unter Leistungsdruck, dem manche Eltern mit der Gabe von Beruhigungsmitteln begegnen. Dieses Aussortieren ist bildungspolitischer Unsinn und muss aufhören. Der Kinder wegen. Die brauchen Zeit zum eigenen Forschen, sie brauchen ihre Zeit zum Lernen und zum Aneignen der Welt. Vertrauen wir ihrem Interesse, ihrer Intelligenz. Dazu bedarf es keiner Noten.

Kurt-Helmuth Eimuth

Gemeindenähe gab den Ausschlag

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

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Gemeindenähe gab den Ausschlag

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Eine Sensation war die Wahl des Lauterbachers Pfarrers und Dekans Volker Jung zum neuen Kirchenpräsidenten nicht. Eine Überraschung schon. Er war eher als Außenseiter gestartet und, anders als seine Mitbewerber, für viele ein unbeschriebenes Blatt.

Inhaltlich waren bei den drei Kandidaten kaum Unterschiede auszumachen. Alle betonten, dass sie die Gemeindearbeit stärken, dialogisch arbeiten und das „Leitende Geistliche Amt“ als kollegiales Führungsorgan erhalten wollten. Die Entscheidung für Jung war so betrachtet keine Richtungsentscheidung. Und doch drückt sich in ihr die Sehnsucht nach mehr Anerkennung gemeindlicher Arbeit und nach höherer Wertschätzung des Gemeindepfarramtes aus.

Dem Pfarrer und Dekan aus dem Vogelsberg traut man dies offenbar eher zu als seinen Mitbewerbern, die schon lange in hohen kirchlichen Leitungsämtern sind. Und Jung, der Sohn eines Metzgers und Gastwirtes, kennt die Stimmung an der Basis. Die ständigen Reformen, die immer mit Einsparungen einher gehen, haben mürbe gemacht. Die Stimmung ist auch geprägt von der Reduzierung der Gemeindepfarrstellen bei gleichzeitigem Ausbau gemeindeübergreifender Ämter. Beim Stichwort „Profilstellen“, wie die zusätzlichen Stellen bei den Dekanaten genannt werden, fragt sich mancher, ob nicht der alltägliche Einsatz der Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer das eigentliche „Profil“ einer Kirche sein sollte.

Der zukünftige Kirchenpräsident hat diese Stimmung in seinem Bild vom Hausbau aufgegriffen: „An unserem Haus wird sicher immer gebaut. Ich werde aber darauf achten, dass nicht an zu vielen Stellen gleichzeitig gebaut wird. Es lebt sich nicht gut in einem Haus, das eine einzige Baustelle ist.“

Volker Jung muss nun ein Bauleiter werden, der behutsam die Sanierung weiter betreibt und den radikalen Kahlschlag vermeidet. Die Aufgaben, vor der er und die Kirche stehen, sind gewaltig. Die Mitgliederzahlen gehen aufgrund des demografischen Wandels massiv zurück, vor allem in den ländlichen Gegenden. Hier gilt es, die gemeindliche Versorgung aufrecht zu erhalten, die Gebäude zu unterhalten und sich dem zu spürenden Traditionsabbruch entgegenzustellen.

Dem neuen Mann an der Spitze der EKHN ist zu wünschen, dass er den Erwartungen der Basis gerecht wird. So gesehen war die Wahl doch eine Richtungsentscheidung. Eine Entscheidung für die Kirchengemeinden, für eine Kirche, die vor Ort präsent und nahe bei den Menschen ist.

Kurt-Helmuth Eimuth