Tag Archiv für Altstadt

Orte der Identifikation

Kommentar

Kurt-Helmuth Eimuth

Orte der Identifikation

Eine Auseinandersetzung über die Neubebauung von Frankfurts „gudd Stubb“ ist entbrannt. Gut so.

(Bild: S.Kasten/Wikimedia)

Bietet sich doch die Chance, die Bausünden der Vergangenheit zwischen Dom und Römer zu lindern. Das krankgraue Historische Museum und das monströse Technische Rathaus dokumentieren einen Selbstverwirklichungswahn von Architekten, die Modernität ohne jedes Gespür für das Umfeld und die Historie des Ortes durchsetzten. So entstanden Gebäude, auf die man getrost verzichten kann.
Nun will man Neues, Besseres schaffen, indem man das Alte wiederherstellt. Woher kommt diese Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit? Diese Sehnsucht ist im ganzen Land zu beobachten. Ausgehend von Dresden wird in vielen Städten nach alten, Identität stiftenden Gebäuden gefahndet. Berlin will sein Stadtschloss wieder, Potsdam, Hannover und Braunschweig desgleichen, mal komplett, mal nur als nachgebaute Fassade mit dahinter verstecktem Einkaufszentrum. In Frankfurt freute man sich über die Rekonstruktion der kriegszerstörten klassizistischen Stadtbibliothek, deren Anblick allerdings durch das dahinter stehende Schwesternwohnhochhaus auch etwas Befremdliches hat.
Die Projektion auf altes Gemäuer rührt aus dem Wunsch nach Gewissheit, nach Verlässlichkeit, nach Beständigkeit. Das bedeutet keineswegs, wie Kritiker meinen, ein Ignorieren der Wunden, die ein von Deutschland ausgehender Krieg gerissen hat. Nein, es zeigt sich vielmehr eine Sehnsucht, sich der eigenen Wurzeln zu vergewissern. Wenn schon Staaten auseinander brechen, Währungen verschwinden und Unternehmen ihre Arbeitnehmer wie Schachfiguren behandeln, dann soll wenigstens die Stadtarchitektur Dauerhaftigkeit und Stabilität vermitteln.
Ein Phänomen, das die Kirchen gut kennen. Auch wenn die Dorfkirche kaum genutzt wird, so soll sie doch stehen bleiben. Da engagieren sich dann auch viele Atheisten bei der Sanierung. Die emotionale Bindung ist groß. Das zeigte sich auch an der Diskussion um den Abriss der Matthäuskirche an der Messe.
Für Frankfurt bietet sich jetzt die einmalige Chance, weitere Identifikationsorte zurück zu gewinnen. Gleichwohl wird den exakten Wiederaufbau der Altstadt kaum jemand wollen. Eine behutsame, sich an den alten Wegen orientierende Bebauung, die auch die Form der alten Giebeldächer aufgreift, ist eine Möglichkeit. Wenn dabei auch noch eine Verbindung zwischen Dom und Römer entsteht, die wirklich zum Flanieren einlädt und als „Krönungsweg“ von der Tourismusförderung vermarktet werden kann, soll’s recht sein. Jedenfalls gilt es, die Chance zu nutzen.
Kurt-Helmuth Eimuth

Frankfurt ohne Glamour

Evangelisches Frankfurt April 2009

Frankfurt ohne Glamour
Uneinigkeit bei Diskussion über „der Stadt Bestes“

Die Kontroverse kam aus dem Publikum. Theatermacher Willy Praml bezeichnete das neue Einkaufszentrum „MyZeil“ als „Moloch“ und fragte, wer so etwas eigentlich gewollt habe. Dem entgegnete der ebenfalls im Publikum anwesende Stadtrat Christof Warnke, es sei der Baudezernent Martin Wentz gewesen, der dieses Projekt gewollt habe.

„Suchet der Stadt Bestes“ – dieser Aufforderung aus dem Buch des Propheten Jesaja fühlt sich die evangelische Kirche in Frankfurt verpflichtet. In den 1970er und 1980er Jahren, als die Hochhausbauten im Westend in die Höhe schossen und später dann das neue Wohnquartier Am Bügel entstand, diskutierte sie mit und etablierte zum Beispiel Gemeinwesenarbeit im neuen Stadtteil. Diese Tradition nahm nun die Evangelische Stadtakademie wieder auf. Pfarrerin Esther Gebhardt, Vorsitzende des Vorstandes des Evangelischen Regionalverbandes, beschrieb die biblischen Bezüge. Neben dem eingangs zitierten Jesaja-Wort führte sie den Turmbau zu Babel und vor allem Jerusalem an. Schließlich ende die Bibel auch mit einer Vision vom „himmlischen Jerusalem“.

Frankfurt dagegen ist „ganz irdisch“, wie die Diskussion auf dem Podium zeigte: „Es ist eine Stadt der Gegensätze, auf kleinem Raum, ohne Glamour“, konstatierte die Stadtsoziologin Marianne Rodenstein. Dies ist allerdings für den Chef des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, Wolfgang Gern, zu wenig. Er erinnerte da­ran, dass jedes fünfte Kind in dieser Stadt arm sei und fragte: „Wie geht es den Alten, den Migranten?“ Rodenstein stimmte dieser Analyse zu. Bis vor dreißig Jahren seien die Städte als Job-Maschinen gesehen worden, heute brauchten sie als Kitt das bürgerschaftliche Engagement. Zudem forderte die Soziologin billigen Wohnraum und von der Kirche ein entschiedenes Eintreten gegen den Lärm.

Für Christof Warnke hingegen, der nicht nur Stadtrat, sondern auch Pfarrer im Ruhestand ist, gehören auch Autos und der Flughafen zum „Besten“ der Stadt. „Ist es nicht auch ein Stück Lebensqualität, wenn wir in einer halben Stunde am Flughafen sind?“ Esther Gebhardt wollte da doch die Perspektive grundsätzlich geändert wissen. „Unser Lebensstandard ist global gesehen eine Katastrophe.“ Dieser Forderung konnten an diesem Abend alle zustimmen. Aber wenn es konkret wurde, gingen die Meinungen auseinander.

Kurt-Helmuth Eimuth