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Bahnhofsvorplatz sollte nach Oskar Schindler benannt werden

Schulöffnung zur Unzeit

22. Februar 2021

Erziehrer:innen müssen Impfangebot bekommen

„Bleib gesund!“ sagen mir alle. Aber was, wenn ich nicht gesund bin?

von Kurt-Helmuth Eimuth 28. Dezember 2020

Zahlreiche Anschreiben und Neujahrswünsche enden derzeit mit dem wohlmeinenden Hinweis „Bleiben Sie gesund!“ Ob Versanddienst, Anschreiben zu Rechnungen oder eher private Mails: Alle wollen, dass ich gesund bleibe. Aber was, wenn ich gar nicht gesund bin?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Ich weiß, sie sind alle gut gemeint, die Wünsche, dass man gesund bleiben soll. Angesichts der Bedrohung durch Corona sind sie auch nicht nur angebracht, sondern bitter nötig. Nur: Ich bin nicht gesund. Wie vierzig Prozent der Bevölkerung gehöre ich zu den chronisch Kranken. Ich brauche meine morgendliche Ration an Tabletten und auch die ein oder andere Spritze. Gesund ist anders.

Irgendwie höre ich da auch den Spruch mitschwingen, der häufig nach der Geburt eines Kindes gesagt wird: „Hauptsache gesund!“ Aber ist das wirklich die Hauptsache? Ist es nicht viel wichtiger, dass ein Kind von seinen Eltern geliebt wird mit all seinen Stärken und auch seinen Schwächen? Zeigt sich nicht in jedem Kind die Einzigartigkeit eines Geschöpfes Gottes, egal ob es „normal“ ist, oder besonderer Aufmerksamkeit bedarf?

„Hauptsache gesund“ klingt gut, aber es ist ebenso befremdlich wie die Aufforderung „Bleiben Sie gesund“. Wichtiger wäre es, zu sagen: „Hauptsache geliebt“. Das wäre ein nachvollziehbarer Wunsch: Geliebt zu werden als Geschöpf Gottes. Ganz ohne jede Vorbedingung. Wunderbar.

Aber was will man stattdessen in diesen Tagen Erwachsenen wünschen? „Möge sich Ihr Gesundheitszustand nicht verschlechtern?“ Nein, das geht gar nicht. Oder: „Mögen Sie verschont bleiben vom Virus“? Schon eher, aber es klingt irgendwie zu nüchtern und eigentlich nicht nett.

Früher zeichneten die Menschen sich gegenseitig beim Abschied ein Kreuz auf die Stirn und sagten sich „Gott sei mit Dir!“ Das ist sicher ein Alternative. Man könnte auch einfach sagen: „Gott segne Dich“, oder es ergänzen und hinzufügen mit „in guten und in schweren Tagen“.

Ja, genau, das wünsche ich Ihnen und mir für das neue Jahr 2021: Dass Gott uns segne, in guten und in schweren Tagen.

Der Sponsor wechselt, die Kapelle bleibt

von Kurt-Helmuth Eimuth 1. Juli 2020

Kirche im Stadion, Kirche in der Arena, Kirche im Park? Nicht nur das Stadion im Frankfurter Stadtwald wechselt seinen Namen, sondern auch die Kapelle darin.

Aus dem Waldstadion wurde die Commerzbank-Arena wurde der Deutsche Bank Park. | Foto: Jeanne Menjoulet (CC BY-ND 2.0)
Aus dem Waldstadion wurde die Commerzbank-Arena wurde der Deutsche Bank Park. | Foto: Jeanne Menjoulet (CC BY-ND 2.0)

Die Kirche will gerne überall mitspielen. Vor allem dort, wo wirklich gespielt wird. Da ist sie mittendrin und nicht nur dabei. Seit 2007 gibt es deshalb auch eine kleine ökumenische Kapelle im…

Ja, an dieser Stelle wird es schwierig. Denn wo? Im Waldstadion, in der Commerzbank-Arena oder, so ab heute der offizielle Name, im Deutsche Bank Park? Auf der Facebook-Seite wurde schon gestern aus der „Kirche in der Commerzbank-Arena“ die „Kirche im Deutsche Bank Park“. Das Icon spricht allerdings noch von der Kirche in der Arena, und die Internetadresse lautet @KircheImStadion. Alles nicht so einfach.

Aber ehrlich: „Kirche im Deutsche Bank Park“? Gut, Eintracht Frankfurt kann den zweistelligen Millionenbetrag für den Verkauf der Namensrechte gebrauchen. Aber muss die Kirche da mitziehen? Selbst Propst Oliver Albrecht reagierte spontan und schrieb auf Facebook, dass man doch „mutig“ den Namen in „Kapelle im Waldstadion“ hätte ändern können. Fraglich ist aber, ob die Verträge das zulassen. Die Nutzungsrechte schreiben wohl vor, dass der Namenssponsor auch von der Kirche genannt wird.

Die Sponsoren haben es aber auch schwer. Ich jedenfalls bin die letzten 15 Jahre immer ins „Waldstadion“ gegangen und habe auch sonst niemanden getroffen, der in die Commerzbank-Arena fuhr. Im Herzen eines jeden Frankfurters und jeder Frankfurterin bleibt das Stadion im Stadtwald eben doch es „unser Waldstadion“, ganz egal was sie in meterhohen Lettern oben auf das Dach schreiben.

Kirchlicher Mitgliederschwund: Es gibt kein Patentrezept dagegen

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. Juni 2020

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Allein 540.000 Mitglieder haben die beiden großen christlichen Konfessionen in Deutschland im vorigen Jahr verloren. So richtig viel können die Kirchen nicht gegen diesen Trend tun. Denn Glaube wird in allererster Linie in den Familien weitergegeben. Oder eben auch nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Bekanntgabe ihrer Mitgliederzahlen ist für die evangelische und katholische Kirche alljährlich ein unangenehmer Termin: Seit Jahren ist der Trend nach unten ungebrochen. Der Mitgliederschwund durch Austritte schmerzt. Mehr als 540.000 Menschen haben die beiden großen Konfessionen im vergangenen Jahr verlassen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Nürnberg oder Dresden. Manch Kommentator spricht von einem „Massenexodus“.

Was tun? Die Evangelische Kirche Hessen und Nassau (EKHN) betont zunächst einmal die positiven Seiten der Statistik: Die Konfirmationen blieben der Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen, denn immerhin ließen sich 87 Prozent eines evangelischen Jahrgangs in der Landeskirche konfirmieren. Auch die Zahl der Taufen bliebe stabil. Die Zahl derjenigen, die in die Kirche eingetreten sind, hat leicht zugenommen, es waren voriges Jahr 2812 Personen. Demgegenüber sind allerdings 21.071 ausgetreten. Dazu kommen noch Sterbefälle und Zu- und Wegzüge. Im Saldo ist die Zahl der Mitglieder im Kirchengebiet um 2,2 Prozent gesunken. Damit wird der langfristige bundesweite Trend bestätigt. Bis 2060, so die Prognose, wird sich die Zahl der Mitglieder aller Wahrscheinlichkeit nach halbiert haben.

Nicht alles von dieser Entwicklung liegt speziell an den christlichen Kirchen. Manches ist einfach ein gesellschaftlicher Trend. Auch andere große Institutionen wie die Parteien und die Gewerkschaften haben ihre Bindungsfähigkeit verloren. Anderes sind hausgemachte Fehler, wie zum Beispiel Versäumnisse bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen.

Was aber wirklich an den Kern geht, ist etwas anderes: Schaut man sich die Ergebnisse der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) aus dem Jahr 2018 an, so wird klar, dass der Glaube an Gott bei vielen Menschen schwindet. Nur noch 44 Prozent der Befragten gaben an, im weitesten Sinne an Gott zu glauben. Zwar kommen noch einmal 20,8 Prozent hinzu, die die Antwort gaben: „Ich glaube nicht an einen leibhaftigen Gott, aber ich glaube, dass es irgendeine höhere geistige Macht gibt.“ Es sind also noch fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland, die eine überirdische Macht für möglich halten. Allerdings ist auch hier ist die Tendenz seit Jahren fallend.

ALLBUS bestätigt in Zahlen, was schon vielfach erhoben wurde und sich auch im Alltag leicht beobachten lässt: Der Glaube – und auch das Wissen vom Glauben – schwindet stetig. Aber warum?

Nicht, wie man vielleicht meinen könnte, weil die Pfarrerinnen und Religionslehrer schlechte Arbeit machen. Denn wesentlich für die Glaubensvermittlung sind nicht die Kirchen und ihr Personal. Die Grundlage für Gottvertrauen wird in jungen Jahren in den Familien gelegt. Hier werden religiöse Traditionen weitergegeben, gebetet und aus der Kinderbibel vorgelesen – oder eben auch nicht. Und es sind ganz konkret meist die Großmütter, die kleinen Kindern im Herzen etwas vom Glauben weitergeben.

Fehlende religiöse Sozialisation im Kindesalter, in den Familien, können Kirchengemeinden nicht kompensieren. Pfarrer, Gemeindepädagoginnen, Bibelkurse und gute kirchliche Angebote können Eltern und Großeltern darin unterstützen. Auch christliche Kindertagesstätten können in Familien hineinwirken. Aber das alles kann die Familie in der religiösen Erziehung nicht ersetzen.

Die moderne Gesellschaft mit ihren Leistungsanforderungen, ihrer Individualisierung und auch der Institutionalisierung von Erziehung verstärkt den Trend von Generation zu Generation. Für die Kirchen bedeutet das, dass ein „Weiter so“ keine Option ist. Schon allein die knapper werdenden Finanzen fordern zum Handeln auf. Und Corona verstärkt den Druck: Allein die EKHN erwartet in diesem Jahr Mindereinnahmen von 50 Millionen Euro.

Zwei Strategien stehen im Raum und werden derzeit diskutiert: Entweder kann sich die Kirche auf ihr „Kerngeschäft“ zurückziehen, sich darauf beschränken, gute Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen abzuhalten. Doch damit würde sie ihren Anspruch, in die Gesellschaft hineinwirken zu wollen, aufgeben. Sie verzwergt. Das andere Extrem wäre ein weiter gesteigertes Engagement für die Schwächsten, für Verfolgte und Abgehängte, ohne dabei allzu sehr von Bibel und Co. zu sprechen. Dann würde aus der Kirche so etwas wie ein Wohlfahrtsverband mit angeschlossener spiritueller Abteilung. Auch keine Lösung.

Ein Patentrezept gibt es wahrscheinlich nicht. Irgendwo zwischen diesen beiden Optionen wird sich der künftige Weg finden. Immerhin wurde in der Zeit der Corona-Krise deutlich, dass die Organisation Kirche durchaus kreatives Potenzial hat und sich auf Veränderungen einstellen kann.

Nein, Frau Käßmann!

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Juni 2020

Die bekannte evangelische Theologin Margot Käßmann fordert die Älteren auf zugunsten der Jungen zu verzichten. Schließlich gehörten die über Sechzigjährigen einer Luxusgeneration an. Solidarität muss anders aussehen, meint unser Autor.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Ältere Menschen sollten in der Corona-Pandemie zugunsten der Kinder und der Jüngeren zu Hause bleiben, sagte kürzlich die evangelische Theologin Margot Käßmann mit Blick auf die weiter eingeschränkten Kita- und Schulangebote dem Straßenmagazin „Asphalt“ in Hannover. Im Interview hatte Käßmann geäußert, die Älteren hätten ein gutes Leben gelebt. Deshalb sei es angesichts der Bedrohung durch Covid-19 jetzt an ihnen, zugunsten der Kinder zu verzichten: „Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder rauskönnen, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogruppen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf einlassen“, sagte die streitbare frühere Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD und forderte zugleich eine zügige Öffnung von Kitas und Schulen. Gerade die Älteren seien „mehrheitlich die Luxusgeneration, die es so gut hatte wie keine Generation vorher und keine danach“. Keine Generation sei weniger von den wirtschaftlichen Folgen der Krise betroffen.

Es ist ein feiner Zug von Käßmann, dass sie persönlich verzichten will. Gut so. Dies kann und soll sie. Nur darf sie ihr Verhalten nicht zum moralischen Imperativ erheben. Denn die Gesellschaft braucht Solidarität, nicht Spaltung. Es ist die Stärke der Gemeinschaft, dass die Stärkeren für die Schwachen einstehen. Darauf fußt an vielen Stellen unsere Gesellschaft. Der chronisch Kranke zahlt den gleichen Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung wie der durch und durch Gesunde, und selbst das Steuerrecht erhebt den Anspruch, dass starke Schultern mehr tragen können. Vom ethischen Standpunkt aus betrachtet irrt die prominente Theologin.

Aber auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive hilft der Vorschlag, alle über Sechzigjährigen in Quarantäne zu schicken, nicht weiter. Die sozialen Folgen, die eine solche Kontaktsperre in Altenheimen verursachen würde, wären enorm. Mancherorts fühlte sich dies während des Lockdowns eher wie Einzelhaft an. Und bedenkt man die Zahl der Menschen mit Vorerkrankungen, die alle zur Risikogruppe gehören, so müsste man eben nicht nur jene 13 Millionen isolieren, die älter als 70 Jahre sind, sondern auch die chronisch Kranken. Darunter wäre dann auch die 16-jährige Diabetikerin und der 30-jährige Asthmatiker. In Deutschland sind 8 Millionen Menschen an Asthma erkrankt, 7,8 Millionen sind schwerbehindert und 1,7 Millionen leiden an einer Herzkrankheit, die eine klinische Behandlung im vergangenen Jahr erforderte.

Nein, das Choronavirus ist eben nicht nur für alte Menschen gefährlich. Vermutlich gehören 20 bis 30 Millionen zur Risikogruppe, bei 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Die können sich unmöglich alle freiwillig isolieren.

Es ist sicher hilfreich, wenn Margot Käßmann auf soziale Kontakte verzichtet. Das ist der beste Schutz für sie selbst und trägt auch zur Eindämmung der Epidemie bei. Aber zur Handlungsmaxime für alle kann ein solches Verhalten auf Dauer nicht gemacht werden. Sondern es gilt, die neue Normalität so auszutaxieren, dass das Virus unter Kontrolle ist. Die Zahl der Neuerkrankungen muss so niedrig bleiben, dass jede Infizierung schnell und konsequent nachverfolgt werden kann.

Leider ist zu befürchten, dass im Wettlauf der Lockerungen die gebotene Vorsicht verloren geht. Schon jetzt ist zu beobachten, dass die Gefahr durch das Virus zunehmend unterschätzt wird, denn es ist ja bisher alles gut gegangen. Dagegen gilt es die Stimme zu erheben. Wir alle, ob Jung oder Alt, müssen vorsichtig bleiben.

Sechs Monate Elterngeld plus Arbeitplatzgarantie!

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Mai 2020

Alle möglichen Branchen bekommen wegen der Corona-Epidemie Hilfen, aber Familien gehen leer aus. Das Hin und Her rund um Schul- und Kita-Öffnungen und die selbstverständliche Erwartung vor allem an Mütter, Kinderbetreuung, Home-Schooling und eigene Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, zerrt an den Nerven. Für radikale Krisen braucht es radikale Lösungen! Ein Kommentar.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Sache ist vertrackt. Schulen und Kitas wurden geschlossen, von heute auf morgen mussten Eltern ihre Kinder selbst betreuen, ohne die üblichen Netzwerke aus Babysittern oder Großeltern. Gleichzeitig sollten sie aber weiter in ihrem Beruf arbeiten. Ein Tanz auf vielen Hochzeiten in wenigen Zimmern.

Es wird jetzt klar, dass die institutionelle Betreuung von Kindern längst eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ist, sowohl der Einzelnen als auch der Gesellschaft. Mit Corona ist dieses System aber zusammengebrochen.

In den kommenden Monaten wird es kein Zurück zur Normalität geben. Hier und da werden Klassen im Schichtbetrieb unterrichtet, werden Prüfungen abgehalten und Schulflure als Einbahnstraße markiert. Aber ist das die Lösung? Hilft es Eltern im Homeoffice, wenn eine Woche Schule ist und dann eine Woche wieder nicht?

Eine radikale Krise braucht radikale Lösungen. Warum nicht die Schulen bis nach den Sommerferien schließen und die Zeit nutzen, um ganz neue, angemessene Unterrichtskonzepte zu entwickeln! Corona böte die Möglichkeit, Lehrpläne zu entrümpeln und andere Unterrichtsmethoden einzuführen. Gleichzeitig sollte man nicht die Eltern, meist sind es ja die Mütter, zwangsweise als Hilfslehrerinnen rekrutieren. Es gab doch schon mal eine Zeit, in der zwei Unterrichtsjahre auf eineinhalb zusammengestaucht wurden: als mit zwei Kurzschuljahren 1966 und 1967 der Schuljahresbeginn in Deutschland synchronisiert wurde.

Lasst also Kindern und Eltern diese Zeit, um fürs Leben zu lernen statt für die Schule. Gemeinsames Spielen, Lesen, Kochen und Reden können ein Gewinn sein. Aber dafür müssen die Eltern natürlich Zeit haben. Alle Lobbygruppen schreien zurzeit: Wir auch! Nur die Eltern hört man kaum. Sie klagen manchmal, aber immer noch viel zu leise.

Es wäre an der Zeit, hier ein Zeichen zu setzen. Wie wäre es mit einem Corona-Elterngeld für sechs Monate bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie? Auf diese Weise könnten auch Familien mit Kindern der Corona-Zeit etwas abgewinnen

Sechs Monate Elterngeld plus Arbeitplatzgarantie!

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Mai 2020

Alle möglichen Branchen bekommen wegen der Corona-Epidemie Hilfen, aber Familien gehen leer aus. Das Hin und Her rund um Schul- und Kita-Öffnungen und die selbstverständliche Erwartung vor allem an Mütter, Kinderbetreuung, Home-Schooling und eigene Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, zerrt an den Nerven. Für radikale Krisen braucht es radikale Lösungen! Ein Kommentar.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Sache ist vertrackt. Schulen und Kitas wurden geschlossen, von heute auf morgen mussten Eltern ihre Kinder selbst betreuen, ohne die üblichen Netzwerke aus Babysittern oder Großeltern. Gleichzeitig sollten sie aber weiter in ihrem Beruf arbeiten. Ein Tanz auf vielen Hochzeiten in wenigen Zimmern.

Es wird jetzt klar, dass die institutionelle Betreuung von Kindern längst eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ist, sowohl der Einzelnen als auch der Gesellschaft. Mit Corona ist dieses System aber zusammengebrochen.

In den kommenden Monaten wird es kein Zurück zur Normalität geben. Hier und da werden Klassen im Schichtbetrieb unterrichtet, werden Prüfungen abgehalten und Schulflure als Einbahnstraße markiert. Aber ist das die Lösung? Hilft es Eltern im Homeoffice, wenn eine Woche Schule ist und dann eine Woche wieder nicht?

Eine radikale Krise braucht radikale Lösungen. Warum nicht die Schulen bis nach den Sommerferien schließen und die Zeit nutzen, um ganz neue, angemessene Unterrichtskonzepte zu entwickeln! Corona böte die Möglichkeit, Lehrpläne zu entrümpeln und andere Unterrichtsmethoden einzuführen. Gleichzeitig sollte man nicht die Eltern, meist sind es ja die Mütter, zwangsweise als Hilfslehrerinnen rekrutieren. Es gab doch schon mal eine Zeit, in der zwei Unterrichtsjahre auf eineinhalb zusammengestaucht wurden: als mit zwei Kurzschuljahren 1966 und 1967 der Schuljahresbeginn in Deutschland synchronisiert wurde.

Lasst also Kindern und Eltern diese Zeit, um fürs Leben zu lernen statt für die Schule. Gemeinsames Spielen, Lesen, Kochen und Reden können ein Gewinn sein. Aber dafür müssen die Eltern natürlich Zeit haben. Alle Lobbygruppen schreien zurzeit: Wir auch! Nur die Eltern hört man kaum. Sie klagen manchmal, aber immer noch viel zu leise.

Es wäre an der Zeit, hier ein Zeichen zu setzen. Wie wäre es mit einem Corona-Elterngeld für sechs Monate bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie? Auf diese Weise könnten auch Familien mit Kindern der Corona-Zeit etwas abgewinnen.

Hass und Gewalt nicht nur im Fußball

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. März 2020

Wie kann es sein, dass erwachsene Menschen andere erniedrigen, deren Menschenwürde so mit Füßen treten? Hatten sie nie Ethik- oder Religionsunterricht? Andere verächtlich zu machen, sie zu beschimpfen, ihnen negative Eigenschaften zuzuordnen, das alles entspringt dem gleichen Gedankenmuster: „Wir sind besser als die, die müssen weg“. Ein Muster, das sich in totalitären Herrschaftssystemen findet.

Foto: Tevarak Phanduang / unsplash
Foto: Tevarak Phanduang / unsplash

Fußball ist ein tolles Spiel. Es begeistert Millionen und vereint Menschen gleich welcher Nationalität, welchen Milieus oder Geschlechts. Jedenfalls die meisten Menschen.

Die Aktionen gegen den Sponsor des TSG Hoffenheim Dietmar Hopp in der Fußballbundesliga lassen einen aber ratlos zurück. Der Milliardär und Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP hat den Aufstieg des Dorfvereins in die Bundesliga mit mehreren hundert Millionen finanziert. Er wurde zur Zielscheibe als Symbol für die Kommerzialisierung des Fußballs. Soweit kurz die Hintergründe, über die sich sachlich diskutieren lässt.

Doch was treibt Menschen dazu, kollektiv große Plakate mit Beleidigungen herzustellen und diese dann im Stadion zu entrollen? Unter anderem eines mit dem Konterfei Hopps im Kreis eines Fadenkreuzes. Wie kann es sein, dass zahlreiche Menschen ein meterlanges Plakat mit diesen Beleidigungen halten. Wo ist hier der Respekt vor dem Gegenüber, vor dem anderen Menschen?

Seit Antony Yeboah Anfang der 1990er Jahre in Frankfurt spielte, kennen wir den Rassismus in den Stadien. Dieser ist zum Glück weniger geworden, aber es gibt ihn noch immer, wie der Vorfall beim Drittligaspiel zwischen Preußen Münster und den Würzburger Kickers kürzlich zeigte. Ein Mann hatte in der Schlussphase in Richtung des Kickers-Verteidigers Leroy Kwadwo Affenlaute gemacht. Daraufhin hatten andere Zuschauer auf den Mann gezeigt, sodass Ordner ihn ausfindig machen konnten.

Die Reaktion der großen Mehrheit gibt Hoffnung, ob in München oder Münster. Und doch ist zu fragen, wie kann es sein, dass erwachsene Menschen andere so erniedrigen, deren Menschenwürde so mit Füßen treten? Hatten sie nie Ethik- oder Religionsunterricht?

Die Vorfälle in den Stadien zeigen ebenso wie die Morde von Hanau, dass Ausgrenzung und Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Die sprachlichen Entgleisungen einiger rechter Politiker verschieben dabei auch das Denken. Andere verächtlich zu machen, sie zu beschimpfen, ihnen negative Eigenschaften zuzuordnen, das alles entspringt dem gleichen Gedankenmuster: „Wir sind besser als die, die müssen weg“. Ein Muster, das sich in totalitären Herrschaftssystemen findet.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser erste Satz des Grundgesetzes scheint heute nicht mehr überall selbstverständlich zu sein. Dabei ist genau dieser Satz die große zivilisatorische Leistung der modernen Gesellschaft. Wir leben in Achtung und Respekt miteinander, und bei Konflikten werden gegebenenfalls Gerichte angerufen.

Anscheinend müssen wir alle verstärkt daran arbeiten, dafür ein Bewusstsein zu wecken. Elternhaus und Schule sind hier gefordert.

Aktuell bleibt aber nur, denen, die die Würde anderer verletzen, zumindest das Zuschauen bei Fußballspielen zu untersagen. In England hat man mit lebenslangen Stadionverboten wohl gute Erfahrungen gemacht.