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„Lebbe geht weider“: Kult-Trainer Stepanović erklärt Ostern

Osterfilm der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Osterfilm der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

von Kurt-Helmuth Eimuth 29. März 2021

Was würde besser zur Osterhoffnung passen, als der launige Ausruf des früheren Trainers von Eintracht Frankfurt Dragoslav Stepanović: „Lebbe geht weider“. Jetzt unterstützt er die evangelische Kirche mit einem Video.

Der Ausruf hat ihn berühmt gemacht: Als 1992 Eintracht Frankfurt die Fußball-Meisterschaft verspielte, kommentierte Trainer Dragoslav Stepanović das mit seinem berühmten „Lebbe geht weider“. Jetzt greift der gläubige Trainer die drei zum Bonmot gewordenen Worte wieder auf, um auf die Osterbotschaft hinzuweisen. „Lebbe geht weider, das ist für mich Ostern“.

Zusammen mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat Stepanović einen kleinen Film gedreht. Darin erzählt er kurz die biblische Geschichte von der Auferstehung. Stepanović freut sich auf Ostern und feiert es gleich zweimal. Einmal hier und vier Wochen später in Serbien. „Mit Geschenken und allem drum und dran“, und natürlich gebe es auch Lamm. Die Lebensfreude hat sich Stepanović bis heute bewahrt.

Etwas von der Osterhoffnung will die EKHN auch in Pandemie-Zeiten weitergeben. Deshalb bekommt in diesen Tagen jeder Haushalt eine Impulspost, die auch eine Anleitung zur eigenen Andacht enthält.

Ob es angesichts der Corona-Pandemie Präsenzgottesdienste geben wird, entscheidet jede Gemeinde selbst. „Da geht es uns wie der Bundeskanzlerin. Wir können das nicht anordnen,“ sagt Volker Rahn, Pressesprecher der EKHN. „Die Gemeinden werden das sehr genau abwägen“, ist sich Kirchenpräsident Volker Jung sicher. Zudem hat sich eine beeindruckende Zahl digitaler Angebote entwickelt.

Hier geht es zum Film: https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/mit-osterhoffnung-und-stepi-durch-die-pandemie.html

Umweltschutz: Seit vierzig Jahren auf der Tagesordnung

von Kurt-Helmuth Eimuth 22. März 2021

Die „Bewahrung der Schöpfung“ ist schon lange eine wesentliche Grundlage christlicher Ethik.

Foto: Hindrik Sijens/Flickr.com
Foto: Hindrik Sijens/Flickr.com

Seit der Club of Rome 1980 vor der Klimaveränderung warnte, steht das Thema bei den christlichen Kirchen ganz oben auf der Agenda. 1983 rief der Ökumenische Rat der Kirchen bei seiner Vollversammlung in Vancouver zu einem „konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ auf.

Das setzte eine globale Reformbewegung in Gang mit dem Ziel, Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit und Unfrieden zu analysieren und zu überwinden. Auch heute möchten christliche Initiativen die 2020er Jahre zu einer Dekade für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ausrufen.

Dabei sind Umwelt- und Friedensbewegung von Anfang an eng verwoben. Denn im Kern geht es darum, dass dieser Planet uns nur anvertraut ist und auch nachfolgende Generationen hier gut leben sollen. Es ist dieser Wertkonservatismus von dem schon der frühere Bundesminister und spätere Präsident des Evangelischen Kirchentages Erhard Eppler in den 80er Jahren sprach, der das Fundament für das Engagement bildet.

Insofern sind die Grünen als Partei im Kern wertkonservativ. Es kommt nicht von ungefähr, dass am Anfang der Parteigründung der Grünen so viele Pfarrerinnen und Pfarrer an prominenter Stelle mitwirkten.

Das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung, also für eine nachhaltige Umweltpolitik hat zwar die verfasste Kirche nicht zum innovationsstarken Unternehmen gewandelt, aber es hat doch in der Breite zu einer Sensibilisierung beigetragen. Und diese ist wirklich nötig. Denn Verhaltensänderungen sind nur sehr schwer zu bewirken. Wer entscheidet sich schon bei kühlen Temperaturen für das Fahrrad, wenn das Auto daneben steht? Hier bedarf es eines ständigen Updates von der abstrakten Forderung nach Klimaschutz hin zur Alltagsbequemlichkeit. Das ist die Aufgabe der Kirchen. Hier wird die oft beschworene Wertevermittlung konkret.

Stadt ehrt Stolperstein-Vorsitzenden Hartmut Schmidt

von Kurt-Helmuth Eimuth 26. Februar 2021

Schmidt wird für seine ehrenamtlichen Verdienste in der Initiative Stolpersteine mit der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.

Hartmut Schmidt  |  Foto: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit
Hartmut Schmidt | Foto: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit

Oberbürgermeister Peter Feldmann persönlich rief Hartmut Schmidt an und fragte, ob er die Ehrenplakette der Stadt annehmen würde. Inzwischen hat der Magistrat der Stadt beschlossen, den 78-jährigen Schmidt für seine Verdienste in der Initiative Stolpersteine durch die Verleihung zu ehren. Die Ehrenplakette wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich auf kommunalpolitischem, kulturellem, wirtschaftlichem, sozialem oder städtebaulichem Gebiet um die Stadt verdient gemacht und durch ihr Wirken dazu beigetragen haben, das Ansehen der Stadt Frankfurt am Main zu mehren.

Schmidt ist Vorsitzender der Initiative Stolpersteine, die er 2003 bei der ersten Verlegung im Oberweg noch in seiner Funktion als Redakteur des Evangelischen Pressedienstes kennenlernte. Seit 2004 arbeitet er dort mit und ist seit 2008 ihr Vorsitzender. Seit Gründung der Frankfurter Initiative wurden 1.400 Stolpersteine in der Stadt verlegt. Sie erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen. Schmidt führt umfassende Recherchen zu den Geschichten und Lebensläufen der Opfer durch und hält Kontakt zu vielen ihrer Nachkommen. „Vor allem aus den USA und aus Israel erreichen die Initiative Bitten um die Verlegung solcher Erinnerungssteine.“, erzählt Schmidt. Zudem kooperiert er eng mit Schulen und Lehrkräften, um Schülerinnen und Schüler für das Erinnerungsprojekt zu interessieren. „Man kann im Grunde nie aus der Geschichte aussteigen“, sagt Schmidt.

Aus der Arbeit sind auch zwei Bücher entstanden, die zu Erinnerungsrundgängen durch die Stadt einladen. In den 80er Jahren war Schmidt bereits bei der Frankfurter Initiative „Solidarität mit Solidarność“ und als Vorsitzender des Frankfurter Flüchtlingsrats tätig, würdigt die Stadt das ehrenamtliche Engagement des Journalisten. 2012 erhielt Schmidt die Spener-Medaille des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt.

Auch der langjährige Mitarbeiter der katholischen Stadtkirche Hans-Dieter Adam wird von der Stadt Frankfurt mit der Ehrenplakette ausgezeichnet.

Die Festeburgkirche wurde zur TV Kirche

Frankfurt lokal

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Februar 2021

Über 2,5 Millionen feierten die Gottesdienste aus Preungesheim.

Bischof Heinrich Bedford-Strohm beim Fernsehgottesdienst in der Festeburgkirche
Bischof Heinrich Bedford-Strohm beim Fernsehgottesdienst in der Festeburgkirche

Sozusagen über Nacht wurde die evangelische Festeburgkirche zur TV-Kirche. Gleich dreimal übertrug das ZDF im letzten Vierteljahr Gottesdienste aus Preungesheim. Über zwei Millionen Zuschauer:innen konnten so die über 50 Jahre alte Kirche kennenlernen. Dabei ist die Gemeinde mit ihrer Gastfreundschaft nur kurzfristig eingesprungen.

Eigentlich sollte zu Nikolaus aus der benachbarten Johanniskirche gesendet werden. Doch pandemiebedingt nimmt das ZDF nur noch die großen Übertragungswagen, damit die Mitarbeiter:innen genug Abstand halten können. Doch beim besten Willen: Ein Vierzigtonner kommt in Alt-Bornheim nicht um die Ecken. Kurzentschlossen sprang die Festburggemeinde ein.

Offenbar waren die Produktionsbedingungen für das Fernsehteam nicht nur gut, sondern man fühlte sich wohl. „Der Kirchbau kann flexibel genutzt werden und die Kameras können gut fahren“, sagt die Fernsehbeauftragte der evangelischen Kirche Simone Hahn. Und im Hintergrund stünde ein tolles Team. „Man fühlt sich unglaublich Willkommen“, schwärmt Hahn.

Kein Wunder also, dass das ZDF noch zwei weitere Mal kurzfristig bei der Frankfurter Gemeinde anklopfte. Der Neujahrsgottesdienst, der eigentlich in der Frauenkirche in Dresden stattfinden sollte, und der Gottesdienst der Nürnberger LUX-Jugendkirche zur Vorstellung der neuen BasisBibel mit EKD-Ratspräsident Heinrich Bedford-Strohm wurden auch aus Preungesheim gesendet.

„Wir haben da sehr gerne geholfen und uns über die vielen positiven Rückmeldungen, die wir in den zurückliegenden Wochen von allen Seiten erhalten haben, sehr gefreut,“ resümiert die Vorsitzende des Kirchenvorstandes Roswitha Martell. Zudem waren mit Frank Hoffmann (Orgel) und Isabella Kochsiek (Violine) zwei Gemeindemitglieder an der Gestaltung beteiligt.

Vor besondere Probleme stellte die Gemeinde die Bewirtung der Gäste. Aber auch das meisterte die engagierte kleine Gemeinde: „Und wenn dann in Coronazeiten über Sylvester und Neujahr zudem noch viele Gastronomiebetriebe geschlossen hatten, während ein rund 30-köpfiges Produktionsteam und eine Gemeinde drei intensive Tage vor Ort arbeiten, dann wäre man kein guter Gastgeber gewesen, wenn nicht zwei engagierte Gemeindemitglieder ehrenamtlich auch für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt hätten, erzählt Martell.

Im Moment sind keine weiteren Gottesdienstproduktionen geplant. Für spontane Gastfreundschaft bleibt aber die Gemeinde sicher ansprechbar. Und am Horizont tauchte auch schon die Idee der Übertragung eines eigenen Gemeindegottesdienstes auf.

Das Gift der Verschwörung

von Kurt-Helmuth Eimuth 1. Februar 2021

Verschwörungserzählungen sind nicht erst seit Corona verbreitet. Das Problem: Sie können immer weiter nach rechts driften und radikalisiert werden.

„Aluhutträger“ lassen sich nicht überzeugen: Das Wort geht auf eine Science-Fiction-Geschichte von Julian Huxley aus dem Jahr 1927 zurück, in der Kappen aus Metallfolie Telepathie blocken sollen. | Foto: Kai Schwerdt /Flickr.com (cc by-nc)
„Aluhutträger“ lassen sich nicht überzeugen: Das Wort geht auf eine Science-Fiction-Geschichte von Julian Huxley aus dem Jahr 1927 zurück, in der Kappen aus Metallfolie Telepathie blocken sollen. | Foto: Kai Schwerdt /Flickr.com (cc by-nc)

Eigentlich verständlich, dass Menschen auf komplizierte Zusammenhange gerne einfache Antworten bekommen möchten. Einfache Antworten entlasten emotional, denn es ist sehr schwierig, Unsicherheiten auszuhalten. Eine repräsentative Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung, durchgeführt vor einem Jahr, zeigt, wie verbreitet der Wunsch nach einfachen Antworten ist: 30 Prozent halten demnach die Behauptung, dass geheime Machte die Welt steuern, „für wahrscheinlich richtig oder sicher richtig“, ein harter Kern von 11 Prozent ist sich dessen sogar „ganz sicher“.

Ganz oben auf der Hitliste klassischer Verschwörungsmythen steht die Überzeugung, die Mondlandung hätte gar nicht stattgefunden, sondern wäre im Studio gefilmt worden. Politischer wird es mit der Behauptung, die Anschlage vom 11. September seien von der US-Regierung selbst inszeniert worden, um islamistischen Staaten den Krieg erklären zu können. Und natürlich ist da auch noch die große Diana-Verschwörung, die gleich mehrere Deutungen des Unfalls der englischen Prinzessin zu bieten hat.

Seit Corona ist aber nicht nur die Zahl der Verschwörungserzählungen gewachsen, sie werden auch immer radikaler. Psychologisch ist das erklärbar: Wenn man an etwas glaubt – zum Beispiel, dass es das Virus gar nicht gibt oder Donald Trump mit Sicherheit die Wahl gewinnt – sich dies aber in der Realität nicht bewahrheitet, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man erkennt an, dass man falsch lag, oder man gräbt sich noch tiefer ein und erfindet immer neue Erklärungen.

Wie weit die Radikalisierung in den USA schon fortgeschritten ist, zeigt eine neue Umfrage: Fast 40 Prozent der Befragten glaubt, dass ein „tiefer Staat“ im Geheimen gegen Donald Trump operiert hat. Und mehr als die Hälfte hält es für vorstellbar, dass eine Gruppe „satanistischer Eliten“ einen Kindersexring betreibet und Politik und Medien kontrolliert.

Dass eine Elite Kinder gefangen hält und ihnen Blut absaugt, ist ein altes antisemitisches Erzählmuster. Schon im 15. Jahrhundert hieß es, Frauen und Juden würden aus Kindern Hexensalbe herstellen. Bis heute schwingt der Mythos einer geheimen jüdischen Weltverschwörung mit, wenn behauptet wird, dunkle Mächte wollten die Menschen durch eine Impfung manipulieren. Dementsprechend wird auch der Holocaust verharmlost, wenn zum Beispiel „Querdenker“ sich heute als ebenso verfolgt wie Jüdinnen und Juden unter Hitler stilisieren.

Mit dem harten Kern dieser Bewegung, in Deutschland etwa zehn Prozent der Erwachsenen, lässt sich kaum noch vernünftig diskutieren. Sie sind so in ihr eigenes Glaubensmuster verwoben, dass Argumente keine Chance haben. Doch der größere Teil derer, die Verschwörungsideen verbreiten, sind vor allem verunsichert. Mit ihnen muss gesprochen werden, sie brauchen Argumente so dringend wie Zuwendung.

Orgeltage für Zuhause: Mitschnitte aus der Heiliggeistkirche

Kunst & Kultur

von Kurt-Helmuth Eimuth 8. Januar 2021

Kirchenkonzerte können zurzeit nur vereinzelt stattfinden oder müssen ganz abgesagt werden. Dafür gibt es jetzt eine zweite CD mit Livemitschnitten aus der Frankfurter Heiliggeistkirche.

Orgelkonzert aus dem Dominikanerkloster - jetzt hat Organist Frank Hoffmann eine zweite CD herausgebracht.
Orgelkonzert aus dem Dominikanerkloster – jetzt hat Organist Frank Hoffmann eine zweite CD herausgebracht.

Die Walcker-Orgel der Frankfurter Heiliggeistkirche mit ihren 40 Registern ist ein gewaltiges Instrument, zumal sie auch über eine „Spanische Trompete“ verfügt. Zu hören ist sie jetzt auf einer zweiten CD, die der Organist der Kirche, Frank Hoffmann, bei den der alljährlich stattfindenden Frankfurter Orgeltagen aufgenommen hat.

Für die Live-Mitschnitte hat Hoffmann durchaus auch populäre Stücke ausgesucht. Höhepunkt ist die Komposition Jerusalem von Charles Hubert H. Perry, die jährlich die „Last night of the Proms“ in der Londoner Royal Albert Hall abschließt. Ungewöhnlich auch Felix Alexandre Guilmants Marche Funèbre et Chant Séraphique – ist es doch ein Trauermarsch, der sich allmählich bis zum Fortissimo und einem langen Pedaltriller steigert. „An das folgende Decrescendo schließt sich der sphärische Chant Séraphique an, der am Ende mit einem einzigen langen tiefen Pedalton verklingt“, beschreibt Hoffmann das Klangerlebnis.

Natürlich dürfen auch Bach und Händel (Feuerwerkmusik) nicht fehlen, denen aber Werke zur Seite gestellt werden, die nicht so oft auf dem Programm stehen: Gustav Adolf Merkel, George Thomas Thalben-Ball oder Marco Enrico Bossis. Alle Aufnahmen entstanden 2020.

Neben seinen Engagements als Organist an der Heiliggeistkirche und der Preungesheimer Festeburgkirche leitet Frank Hoffmann den etwa 60 Sängerinnen und Sänger umfassenden Frankfurter Kantatenchor. Außerdem ist er Vorsitzender und künstlerischer Leiter des seit 1950 bestehenden Kirchenmusikvereins Frankfurt, der zahlreiche Konzerte in der Heiliggeistkirche organisiert.

Zu beziehen ist die CD für 12 Euro zzgl. 1,55 Euro Versandkosten beim Evangelischen Regionalverband, Jutta Volk, Telefon 069 21 65 12 44, jutta.volk@ervffm.de.

So wirkt sich Corona auf das Leben im Frauengefängnis aus

von Kurt-Helmuth Eimuth 29. Dezember 2020

Corona ist nicht nur für Altenheime eine große Herausforderung. Auch Häftlinge in den Gefängnissen leiden besonders unter den Einschränkungen. Ein Gespräch mit Pfarrerin Susanne Kahlbaum, Gefängnisseelsorgerin im Preungesheimer Frauengefängnis.

Susanne Kahlbaum ist Gefängnisseelsorgerin in der Frauen-JVA Preungesheim. |Foto: Ilona Surrey
Susanne Kahlbaum ist Gefängnisseelsorgerin in der Frauen-JVA Preungesheim. |Foto: Ilona Surrey

Die Corona-Pandemie hat auch die Routinen in den Gefängnissen verändert. Im Frauengefängnis Frankfurt-Preungesheim zum Beispiel müssen alle Neuzugänge zunächst eine vierzehntägige Quarantäne überstehen. In dieser Zeit haben sie keinen Kontakt zu Mithäftlingen, es bleibt einzig der tägliche Hofgang, sagt Susanne Kahlbaum, Gefängnisseelsorgerin in der Frauenvollzugsanstalt Preungesheim. Die Sonntags-Gottesdienste, für viele Inhaftierte sonst eine willkommene Abwechslung, können nur noch in kleinen Gruppen in der Turnhalle stattfinden – alle 230 Frauen haben da keinen Platz, eine Teilnahme ist für die Einzelnen nur noch alle drei Wochen möglich.

Auch im Gefängnis spielen Medien eine entscheidende Rolle, um ein Leben unter Corona zu ermöglichen. Um die Verbindung zur Familie zu halten, wurden zwei Skype-Plätze eingerichtet, damit die Frauen ihre Familien mit Kindern im heimischen Wohnzimmer sehen können. „Die einen sagen, das ist viel besser als Besuch, da es lockerer ist“, berichtet Kahlbaum. „Andere sagen, es ist schwer auszuhalten, die eigenen Kinder nicht in den Arm nehmen zu können.“ Besuche sind wegen der Pandemie derzeit nur getrennt durch eine große Glasscheibe erlaubt, jede Berührung ist verboten. „Dieses Getrenntsein spüren die Kinder sehr“, erzählt die Pfarrerin.

Außerdem erinnerte man sich an die Möglichkeit, ein eigenes TV-Programm in die Zellen zu schicken. Vor vielen Jahren war dafür eine Anlage angeschafft worden, auf der eigens ausgewählte Filme gezeigt wurden. Das war dann aber aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich, und die Anlage geriet in Vergessenheit. Aber sie funktioniert noch. Jetzt werden zwar keine Filme gesendet, aber es wurde etwa der ökumenische Weihnachtsgottesdienst übertragen, den die Seelsorgerinnen und Seelsorger dafür eigens in der Basilika des Schlosses Johannisberg aufgenommen haben.

Vor allem nagt aber die Ungewissheit: Wie wird es weitergehen, was wird noch kommen? In dieser Hinsicht geht es den Frauen im Gefängnis nicht anders als dem Rest der Bevölkerung. Die Anstalt und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternehmen große Anstrengungen, um flexibel auf die belastende Situation zu reagieren. So wurden 100 Fernseher angeschafft, die Gebühren für die Nutzung ausgesetzt und die Begrenzung der Telefonzeit auf 120 Minuten wurde aufgehoben. Die Hofgänge mussten in Gruppen organisiert werden, es gab bis zu 12 Gruppen am Tag. Ein enormer Personaleinsatz war hierfür notwendig.

Im Frühjahr konnte einige Wochen nicht mehr gearbeitet werden, es fehlte Beschäftigung, da Arbeitsbetriebe schlossen. Allerdings entwickelte sich bald ein neuer Arbeitszweig: das Nähen von Masken. Alle hessischen Anstalten wurden auf diese Weise versorgt.

Trotz aller Anstrengungen stellt Kahlbaum fest: „Die Frauen sind viel mehr im Einschluss.“ Das Leben im Strafvollzug, auch im offenen Vollzug, ist wesentlich eingeschränkter. Doch die meisten Frauen können sich beschäftigen. Vor allem Nähen und Stricken sind beliebt. Deshalb sucht die Gefängnisseelsorge Spenden an Wolle, Bastelmaterialien und Spiele. Besonders begehrt sind funktionstüchtige Nähmaschinen, die aber nicht schwerer als acht Kilogramm sein dürfen. Für manche Inhaftierte ist das erworbene Nähzertifikat und eine Nähmaschine nach der Entlassung der Start für eine berufliche Zukunft.

Geldspenden können an die Evangelische Seelsorge, IBAN DE 29 5005 0201 0000 4044 97 bei der Frankfurter Sparkasse überwiesen werden. Für andere Zuwendungen nehmen Sie bitte Kontakt auf mit Susanne.Kahlbaum@jva-frankfurt3.justiz.hessen.de.

Corona: Was passiert, wenn der Impfstoff kommt?

Auch wenn der Impfstoff da ist, wird es noch Monate dauern, bis die Pandemie überwunden ist. | Foto: Daniel Schludi/unsplash.com

Mehrere vielversprechende Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind in der Produktion und machen Hoffnung darauf, dass die Pandemie nächstes Jahr abklingen könnte. Wie genau könnte das ablaufen? Darüber diskutierten Expert:innen gestern Abend in der Evangelischen Akademie.

Für eine mögliche Impfung der Bevölkerung gegen das Coronavirus sind die Gesundheitsbehörden der Kommunen zuständig. Das bedeute eine große Herausforderung, wie René Gottschalk, der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, gestern bei einem Informationsabend auf Einladung der Evangelischen Akademie und des Gesundheitskonzerns Agaplesion mitteilte. Die Veranstaltung wurde im Internet übertragen.

Voraussichtlich würden die Menschen eine Information vom Hausarzt oder der Hausärztin bekommen und müssten sich dann übers Internet anmelden, so Gottschalk. Neben Impfzentren seien auch mobile Impfeinheiten geplant, die etwa in Altenheimen gingen oder bettlägerige Menschen aufsuchten – eine Million Menschen leben in Deutschland in den 14.000 Altenheimen.

Im Frankfurter Stadtgesundheitsamt habe man einen eigenen Planungsstab eingerichtet, um die logistischen Herausforderungen zu bewältigen. „Es ist eine riesige Anstrengung und der Zeitdruck ist enorm“, sagte Gottschalk. Er gehe davon aus, dass man die Impfzentren mindestens ein halbes Jahr betreiben müsse. Dafür benötige man auch Personal: „Das wird ehrenamtlich nicht gehen.“

Es sei falsch zu glauben, dass mit der Verfügbarkeit eines Impfstoffes die Sache Corona erledigt sei. „Es wird lange dauern bis wir durchgeimpft haben“, sagte Gottschalk. Für einen effektiven Gemeinschaftsschutz, die so genannte Herdenimmunität, müssten 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Deshalb müsste ein Mund-Nasenschutz noch lange getragen werden.

„Ohne Impfung werden wir nicht wieder normal leben können“, betonte auch Sabine Wicker, die stellvertretende Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (Stiko). Die Impfstoffe seien sicher und effektiv. Die Gründe der so genannten „Impfgegner:innen“, sich nicht impfen lassen zu wollen, seien allergrößtenteils irrational, betonte auch René Gottschalk. Solche Diskussionen würden allerdings die Bevölkerung verunsichern.

Eine Impfpflicht schlossen alle auf dem Podiums jedoch aus. Zumal nach Empfehlung des Deutschen Ethikrates und der Stiko ohnehin zuerst einmal die vulnerablen Gruppen und Personen geimpft werden sollen, also besonders gefährdete Menschen, wie die Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen. Auch das sei schon viel: Fünf Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Gesundheitswesen, wie Sabine Wicker betone. Auch hier werde es daher zunächst Prioritäten geben: „Der Psychologe in der Reha-Klinik hat ein anderes Ansteckungsrisiko als die Schwester auf der Intensivstation.“

Die Verteilung eines Impfstoffes sei eine Frage der Gerechtigkeit und der Solidarität. Dies gelte auch für die weltweite Verteilung. Es dürfe nicht sein, dass ärmere Länder „hinten runterfallen“, warnte Gottschalk.

Keine Kirchensteuer ist auch keine Lösung

Torben Telder, Susanne Teichmanis, Moderatorin Andrea Seeger (von links nach rechts) und online zugeschaltet Erik Flügge diskutierten über die Kirchensteuer. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Besonders junge Menschen am Anfang ihrer Berufstätigkeit wenden sich von der Kirche ab. Aus diesem Grund luden die Evangelische Sonntagszeitung und die Evangelische Akademie Frankfurt zu einer Diskussionsrunde ein. „Die Kirchensteuer ist Austrittsgrund Nummer eins“, so die Ausgangsthese. Aber stimmt das überhaupt?

Kirche und Geld – kein einfaches Thema. Klar ist, dass mit dem anhaltenden Mitgliederschwund auch dieEinnahmen sinken werden. Voriges Jahr nahm die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau 530 Millionen Euro Kirchensteuern ein. Für dieses Jahr wird wegen Corona mit mindestens zehn Prozent weniger gerechnet. Doch der Hauptgrund für die schwieriger werdende Finanzsituation ist, dass vor allem junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren aus der Kirche austreten.

Stimmt es überhaupt, dass die Kirchensteuer für sie der Austrittsgrund Nummer eins ist? Susanne Teichmanis bezweifelt das. Sie ist Mitglied der „Zukunfts-Gruppe“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die kürzlich vielbeachtete Leitsätze zur Zukunft der Kirche erarbeitet hat. Darin werden in der Tat Spielräume für die Entlastung junger Menschen gefordert, aber die Kirchensteuer selbst nicht in Frage gestellt. „Für die Kirchensteuer spricht, dass sie gerecht ist. Außerdem ist sie Grundlage innerkirchlicher Solidarität“, stellte Teichmanis bei der Diskussion am Römerberg fest. Die Frage der Zugehörigkeit zur Kirche stelle sich nicht erst mit dem Eintritt ins Berufsleben, sondern schon viel früher. Deshalb werde eine Reduzierung der Kirchensteuer für bestimmte Altersgruppen das Problem nicht lösen. Vielmehr „benötigen wir Verfahren, wo wir miteinander ins Gespräch kommen“, so Teichmanis.

Dem stimmte auch der Publizist Erik Flügge zu, der online zur Diskussion zugeschaltet war. Eine Rabattierung macht seiner Ansicht nach keinen Sinn. Der Kirche dürfe nicht länger fragen: „Wie kriege ich die jungen Leute dazu, das Alte zu akzeptieren“? Stattdessen komme es darauf an, dass „die Gottesfrage eine öffentliche Relevanz“ bekommt. Wenn die Hälfte der evangelisch Getauften laut aktueller Shell-Jugendstudie antwortet, dass der Glaube für sie keine Rolle spielt, ist es kein Wunder, dass die Hürde zu einem Austritt für sie nicht hoch ist. Dabei leiste die Kirche enorm viel, zum Beispiel in der Seelsorge bei Trauer, Tod und Krise, so Flügge: „Die beiden Kirchen sind der große Anker der seelsorgerlichen Versorgung der Älteren.“ Dies müsse man aber auch erklären. „Wir brauchen mehr Kommunikation, mehr Direktansprache“, so Flügge. Wenn Geld vom Gehalt abgebucht werde, müsse man den Menschen auch erklären, für was das Geld verwendet wird. Derzeit hätten die Kirchen noch die Mittel für solche Kommunikations-Maßnahmen. Flügge riet den Verantwortlichen also: „Schaffen Sie nicht die Kirchensteuer ab.“

Aber kann man die Kirche nicht auch anders finanzieren? Torben Telder, Pfarrer der Wallonisch-niederländischen Gemeinde mit Sitz in Hanau, erzählte davon, wie sie es machen. Die 1100 Mitglieder werden jährlich angeschrieben mit der Bitte um eine Spende in Höhe der Kirchensteuer, also neun Prozent der Einkommenssteuer. Weil die Gemeinde diese Form der Finanzierung beibehalten will, sei sie nicht einer Großkirche beigetreten, obwohl es theologisch keine großen Differenzen gebe. Aber mit diesem Spendensystem könne man verlässlich arbeiten. Die eigene Stiftung habe über hundert Angestellte. Von großer Bedeutung sei die Beziehung der Menschen zu Pfarrerin und Pfarrer, die langen Perioden der Pfarrstellenbesetzung ermöglichen einen intensiven Kontakt zu den Familien.

Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass der Austritt aus der Kirche nur das Ende eines Entfremdungsprozesses ist. Auch Gegenmaßnahmen müssten daher früher einsetzen und nicht erst ganz am Schluss.

Kurt-Helmuth

Nachbarschaften werden in Corona-Zeiten wichtiger

Stadtdekan Achim Knecht beim diesjährigen Familienkongress, der „hybrid“ – teil in Präsenz, teils online – abgehalten wurde. Foto: Johannes Otte

Wie kommen Familien gut durch die Corona-Zeit? Dabei spielen Quartiere eine große Rolle, wie beim Frankfurter Familienkongress deutlich wurde.

Wir wussten, wir brauchen uns gegenseitig“, resümierte Sylvia Weber, Frankfurter Dezernentin für Integration und Bildung, auf dem Frankfurter Familienkongress, der seit 2007 jedes Jahr von einem gesellschaftlichen Familienbündnis veranstaltet wird, zu dem auch die evangelische Kirch gehört. Gerade mit Blick auf die Familien habe sich in den letzten Wochen gezeigt, was wirklich wichtig ist. Natürlich war es das Engagement aller, die in Sozialarbeit und im Gesundheitswesen tätig sind: Träger und Mitarbeiter*innen in den Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hätten flexibel auf die Herausforderungen reagiert, sagte Weber. Diese Flexibilität brauche es auch künftig.

Katrin Bienge vom Wuppertal Institut, einem Think Tank für Nachhaltigkeitsforschung, sprach von einer „resilienten Post-Corona-Stadt“, die geprägt sei von größerer Nähe und Agilität. Der öffentliche Nahbereich, die Nachbarschaft, sei wichtiger geworden. Deshalb, so ihre Forderung, müssten die Quartiere gestärkt werden, ebenso die „Kreativ-Szene“, und Innenstädte müssten multifunktionell sein. Ähnliches unterstrich auch Thomas Franke vom Deutschen Institut für Urbanistik aus Berlin: „Der Nahraum hat größere Bedeutung gewonnen“, sagte er, deshalb sei die Sozialraumorientierung zu intensivieren.

Der evangelische Stadtdekan für Frankfurt und Offenbach, Achim Knecht, wies in seinem Beitrag darauf hin, dass die Mitarbeiter*innen in den rund 200 sozialen Einrichtungen in Frankfurt und Offenbach schnell und beweglich gehandelt haben. „Agilität ist eine Qualität gewesen.“ Man habe pragmatisch und mit hohem Engagement auf die jeweilige Herausforderung reagiert. Zum Beispiel hätten Jugendhäuser für die Besucher*innen, die während der Kontaktsperren kein Mittagessen mehr bekamen, Lunchpakete zusammengestellt. Der Beratungsbedarf insgesamt sei gestiegen, sagte Knecht, Rituale würden schmerzlich vermisst. An den Übergängen des Lebens brauche es Rituale wie Hochzeit, Taufe, Konfirmation. Doch sogar Kindergeburtstage konnten nur eingeschränkt gefeiert werden. „Da bricht viel Sinn weg.“

Klar wurde an diesem Tag, wie wichtig die Unterstützung von Familien in ihren Quartieren ist. Auch wenn der Personaleinsatz unter Corona-Bedingungen höher ist. Dezernentin Weber versicherte, dass der Frankfurter Magistrat sich des Problems bewusst sei und sieht, was auf Familien in diesem Herbst und Winter zukommt. Man habe Themen wie Not, Armut und Arbeitslosigkeit im Blick. „Aufgabe der Politik ist es, ein Leben mit Corona zu gestalten.“

Weitere Informationen zu dem Familienkongress und dem Frankfurter Bündnis für Familien gibt es unter www.frankfurter-buendnis-fuer-familien.de. Die Passagen des evangelischen Stadtdekans sind bei der Video-Aufzeichnung ab 1:17 zu finden..

kurt-Helmuth Eimuth