Den Deutschen sitzt das Geld längst nicht mehr so locker. In Zeiten von Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen tragen sie es lieber auf die Bank, als es in Mallorca auszugeben. Auch die Angst vor Krankheiten oder Terroranschlägen lässt die Reiselust schwinden. Die Alternative: Balkonien. Etwa ein Viertel der Deutschen wird seinen Urlaub in diesem Jahr zu Hause verleben. Statt Ballermann also Brentanobad? Na gut. Aber auch das will geplant sein.
Zwar sieht die Tourismusindustrie nach dem Ende des Irak-Krieges wieder erste Hoffnungsschimmer am Horizont, doch vom Rekordjahr 2001 ist man noch Lichtjahre entfernt. Die Buchungen im Mai lagen um 13 Prozent unter denen des Vorjahres, Ende April betrug der Rückstand sogar 16 Prozent. Die Reiseunlust trifft die erfolgsverwöhnte Reisebranche hart. Bisher war auf die Deutschen Verlass. In Krisenzeiten sparten sie zuerst beim Essen, kauften weniger Kleidung und schoben die Anschaffung neuer Möbel um Jahre hinaus. Doch inzwischen hat die Flaute auch die Reisebranche erreicht. Offenbar reisen die Deutschen nicht mehr so viel, und wenn sie reisen, dann bleiben sie in Deutschland. Auch der Urlaub zuhause ist wieder eine Alternative. Doch auch das will geplant sein. Der Urlaub in „Balkonien“ sollte nicht einfach so nebenbei stattfinden. Denn sonst drohen die schönsten Tage des Jahres zum psychischen Belastungstest für die ganze Familie zu werden. Auch darin unterscheidet sich der Urlaub in den eigenen vier Wänden nicht von einer Fernreise. Also nix wie ran an die Planung: Spätestens 14 Tage vor dem Urlaubsbeginn sollte sich die ganze Familie zusammensetzen und die Interessen klären: Was erwarten die Kinder, was die Eltern von den Ferien? Welche Möglichkeiten gibt es in der Umgebung (Baggersee, Freizeitpark, Konzerte, Museen?) Welche Wünsche lassen sich realisieren? Und: Sollen alle Aktivitäten gemeinsam gemacht werden, oder gibt es Tage, an denen die Kinder oder Eltern etwas getrennt unternehmen wollen? Sollen Freunde besucht werden oder kommen Opa und Oma zu Besuch?
Ob Toben und Spielen mit der ganzen Familie im Schwimmbad oder eine gemütliche Lesestunde am Main – bei wochen langem Dauersonnenschein ist Urlaub in Frankfurt durchaus eine Alternative. – Fotos: Maranhão |
Wenn man im Urlaub wegfährt, dann erkundet man am Tag der Ankunft am Reiseziel meist erst einmal die Umgebung. Spätestens beim ersten Abendessen stellt sich dann das Gefühl ein: So, jetzt beginnt der Urlaub, jetzt sind wir angekommen, jetzt geht es los. Eine solche deutliche Markierung ist auch für den Urlaub in Balkonien hilfreich: Zum Beispiel kann das ein kleines Gartenfest sein oder der Besuch von Freunden. Auf jeden Fall aber sollte dieser Auftakt etwas Außergewöhnliches sein, der erste Urlaubstag zuhause muss sich vom Alltag unterscheiden. Urlaub in Balkonien muss nicht unbedingt heißen, dass man seine Wohnung nicht verlässt. Es kann aber heißen, dass man seine eigenen vier Wände wieder neu entdeckt: Kleine Verschönerungsarbeiten oder das Umstellen der Möbel können hier hilfreich sein. Auch der Balkon oder die Terrasse haben in jenen Wochen, die ja bekanntlich die schönsten des Jahres sein sollen, ein besonderes Augenmerk verdient. Hier etwas Grünes und dort noch ein Schaukelstuhl können Urlaubsgefühle intensivieren. Als Tourist in der Ferne nimmt man meistens sofort Kurs auf die nächste Kirche, das nächste Museum. Man will ja schließlich Neues sehen und entdecken. Warum also nicht mal Kirchen und Museen in Frankfurt besuchen? Wie wäre es mit dem Museum für Moderne Kunst? Oder mit einem Besuch bei Winnetou im Filmmuseum? Selbst eine Stadtrundfahrt kann ein Erlebnis sein, wenn auch kein billiges. Also gilt es Informationen zu sammeln. Die Tourismusinformation am Römerberg ist hier die erste Adresse. Nachdem die Erwartungen geklärt, Informationen gesammelt sind, kommt die Qual der Wahl. Auch hier muss das Budget bedacht werden. Schließlich können Eintrittspreise oder selbst die Bockwurst und Getränke im Freizeitpark deutlich in der Urlaubskasse zu Buche schlagen. Selbst der regelmäßige Schwimmbadbesuch mit einer kalten Cola und einem Eis geht ins Geld. Auch hier hilft gute Planung – und für den Besuch im heimischen Schwimmbad lässt sich eine gefüllte Kühltasche besser organisieren als an fernen Stränden. Böse Überraschungen für den Geldbeutel kann es auch beim Einkehren in Gartenwirtschaften und Restaurants geben. Schließlich sind die Preise in der Gastronomie nach der Euroeinführung explodiert. Aber: Wer rechtzeitig ein „Balkonienbudget“ festlegt, wird sich hinterher nicht ärgern und kann seine Heimatstadt in vollen Zügen genießen. Und wird feststellen: es gibt wirklich viel zu sehen.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt Juli 2003
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