Tag Archiv für Innenstadt

Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Formaten: eine gute Idee!

von Kurt-Helmuth Eimuth

23. August 2022

Nach seinem Umzug in den Norden entdeckt unser früheres Redaktionsmitglied Kurt-Helmuth Eimuth dort mancherlei Initiative, die auch für die Kirche in Frankfurt und Offenbach inspirierend sein könnte. Zum Beispiel differenzierte und abgestimmte Gottesdienstzeiten, wie es sie seit kurzem in Lübeck gibt.

Kurt-Helmuth Eimuth war bis Anfang 2022 Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Dann zog er nach Kiel. |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth war bis Anfang 2022 Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Dann zog er nach Kiel. | Foto: Tamara Jung

Warum nicht von Norddeutschland lernen? Die evangelischen Innenstadtkirchen in Lübeck haben seit einiger Zeit ihre Gottesdienstzeiten aufeinander abgestimmt. So können sie ein zeitlich differenziertes, den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten besser angepasstes Angebot machen.

Im Kern geht es darum, dass die verschiedenen Gemeinden zu unterschiedlichen Zeiten Gottesdienste anbieten. So feiert die Gemeinde St. Jakobi ihren immer samstags um 17 Uhr, im Dom findet der Gottesdienst sonntags um 10 Uhr statt, in St. Marien um 12 Uhr und in der vierten Kirche bleibt es ebenfalls noch beim 10-Uhr-Sonntagsgottesdienst.

Aber es geht nicht nur um mehr zeitliche Auswahl. Mit wechselnden Formaten will man auch „spirituelle Wanderer“ erreichen, wie es in der Begründung heißt. Ein differenziertes Angebot trage auch den veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen Rechnung.

Gleichzeitig kann man auf diese Weise auch den Personaleinsatz effektiver gestalten. Eine Pastorin oder ein Pastor, aber auch die Kirchenmusiker:innen können an einem Wochenende drei Gottesdienste feiern. Auch im Norden ist ja der Mitgliederrückgang der Kirchen ebenfalls zu spüren. Die Folge sind zurückgehende Kirchensteuereinnahmen und eine Reduzierung des Personals.

Wäre das nicht auch ein Modell für Frankfurt oder Offenbach? Auch hier werden ähnliche Ideen seit Jahrzehnten intern diskutiert, aber zur Umsetzung kam es bisher nicht. Nur vereinzelt finden sich Ansätze, etwa wenn in den Sommerferien im Frankfurter Nordend die Gemeinden sich mit ihrem Gottesdienstangebot abwechseln.

Ein zeitlich und inhaltlich differenziertes Angebot der Stadtkirche wäre sicher einen Versuch wert. Ob Frauen- Taizé- oder Gospelgottesdienste – thematisch und formal zugeschnittene Gottesdienste finden dort, wo sie sporadisch angeboten werden, Zuspruch.

Aber für ein größeres Konzept müsste man von der althergebrachten Überlieferung etwas Abstand nehmen, wonach der Sonntagsgottesdienst der Sammel- und Mittelpunkt der Ortsgemeinde mit all ihren unterschiedlichen Gruppen ist. Die derzeit neu entstehenden Nachbarschaftsräume, also die verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden, könnten der Idee einen neuen Schub geben.

Und leider steht da ja noch etwas im Raum: Auch die Notwendigkeit des Energieeinsparens könnte eine verstärkte Konzentration von Angeboten erfordern, um Heizkosten zu sparen.

Evangelisches Frankfurt Offenbach

Wenn Betteln organisiert wird, ist das für Städte ein Problem

von Kurt-Helmuth Eimuth 29. September 2014

„Bild“ spricht vom „Bettlerkrieg“ auf der Zeil. Es gebe ein Gerangel um die besten Plätze, und selbst Passanten würden angegriffen. In Norwegen will man das Betteln gar ganz verbieten. Städte wissen sich gegen das organisierte Betteln offenbar nicht anders zu helfen.

Nicht alle betteln freiwillig, manche werden abends abkassiert. Wie hoch das Ausmaß der organisierten Ausbeutung ist, ist jedoch Spekulation. Foto: Rolf Oeser
Nicht alle betteln freiwillig, manche werden abends abkassiert. Wie hoch das Ausmaß der organisierten Ausbeutung ist, ist jedoch Spekulation. Foto: Rolf Oeser

Das Geben von Almosen gehört schon immer zur christlichen Tradition, die Unterstützung der Armen ist gute Praxis auch im Judentum und im Islam. Menschen in Not gilt es zu unterstützen, ihnen soll man helfen, da sind sich alle Religionen einig.

In der Folge – sozusagen die Kehrseite der Medaille – fordern arme Menschen die „milden Geben“ auch selbst ein, sie betteln. Dies und selbst die Zurschaustellung von Elend müsse man ertragen, urteilte in den 1970er Jahren das Verfassungsgericht. Der Bettler, der stumm an der Ecke sitzt, dürfe nicht vertrieben werden.

Der schweizerische Reformator Johannes Calvin hingegen setzte erstaunlicherweise schon vor 500 Jahren in Genf ein striktes Verbot des Bettelns durch. Jeder müsse von seiner Arbeit leben können, meinte Calvin. Und wenn das nicht gegeben sei, müsse er Zuwendungen bekommen. Deshalb wird in jedem Gottesdienst mit dem Klingelbeutel für diakonische Aufgaben gesammelt. Gottesdienst feiern und an die Armen denken gehören also untrennbar zusammen.

Doch spätestens seit Brechts Dreigroschenoper ist bekannt, dass Betteln eben auch organisiert wird. „Manche müssen das Geld, dass sie erbetteln, abgeben“, sagt Bettina Bonett, Straßensozialarbeiterin bei der Obdachlosenhilfe „Weser 5“. „Neulich habe ich beobachtet, wie ein Typ zwei Frauen richtig verfolgt hat, damit sie ihm das Geld geben“, erzählt sie.

„Zahlen über das Ausmaß des organisierten Bettelns gibt es nicht, nur subjektive Empfindungen“, sagt Ralph Rohrer vom Frankfurter Ordnungsamt. Doch immer mehr Zeitungen haben in letzter Zeit über das Phänomen berichtet: Die Banden seien straff organisiert, holten Menschen aus osteuropäischen Staaten mit falschen Versprechungen in den Westen, die dann in den Fußgängerzonen systematisch zum Betteln eingesetzt würden. Der Gewinn sei beträchtlich. Es wird geschätzt, dass jeder Bettler, jede Bettlerin 100 Euro am Tag einbringen muss. Die Banden operierten europaweit.

„Geben Sie nur dem Bettler ihres Vertrauens etwas“, rät Rohrer. Der Mann vom Ordnungsamt meint jene, die schon seit Jahren am selben Platz sitzen, die sozusagen persönlich bekannt sind. Oder man verweist an das Diakoniezentrum „Weser 5“. Für 1,50 Euro bekommt man dort ein Mittagessen. Bettina Bonett verteilt statt Geld manchmal Essensgutscheine.