Tag Archiv für Sekten

Wenn Glaube keinen Humor kennt, ist es eine Sekte

Woran kann man eine Religion von einer Sekte unterscheiden? Ganz einfach: Religionen können über sich selbst lachen. Humor ist auch eine Form von Selbstkritik. Wer über sich selbst Witze macht, gesteht sich ein, Schwächen zu haben. Genau das tun Sekten nicht, und deshalb kennen sie auch keinen Spaß.

Humor und Selbstkritik kommen bei Sekten nicht vor. Das hat der Theologe Lutz Lemhöfer beobachtet, der lange Zeit Weltanschauungsbeauftragter der katholischen Kirche im Bistum Limburg war. Gestern Abend sprach er bei der Mitgliederversammlung der Sekteninformations- und Selbsthilfe-Organisation Hessen (SINUS) in Frankfurt über Humor und Religion.

Lutz Lemhöfer war früher Weltanschauungsbeauftragter der katholischen Kirche. Gestern Abend sprach er in Frankfurt über Humor und Religion. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Sektenhafter Glaube lässt das Menschlich-Allzumenschliche nicht zu oder verleugnet es“, sagte Lemhöfer. Doch genau darum geht es bei Witzen, bei einem humorvollen Blick auf die Welt. Wer sich selbst und den eigenen Glauben für so unfehlbar hält, dass man darüber keine Witze machen darf, setzt sich letztlich selbst an die Stelle Gottes.

Demgegenüber spiele in der christlich-jüdischen Tradition der Spott und die humorvolle Selbstbetrachtung eine wichtige Rolle. Gelacht werde aber, anders als etwa bei vielen Atheisten, nicht über den Glauben als solchen, sondern über einen „allzu naiven Glauben“. Man traue sich, nüchtern auf die Realität zu schauen, anstatt vor ergriffener Gläubigkeit das Hingucken zu vergessen. So ähnlich wie das Kind in Hans Christian Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Nur wer unbefangen hinschaut, kann sehen, dass der Kaiser ja gar nichts anhat.

Der Witz sei in der christlich-jüdischen Tradition ein Mittel der Religionskritik von innen. Oft richte er sich auch gegen überzogene Vorstellungen beim religiösen Amt, das eben immer auch bloß von Menschen ausgeübt wird. Ein schönes Beispiel dafür ist der Witz von Fritzchen, das fragt, ob Priester denn auch auf Klo müssen. Fritzchens Schwester findet eine Lösung für Dilemma, indem sie antwortet: „Ja, schon – aber nicht so oft“.

Systematischer Kindesmissbrauch in Sekten

von truk – 18. Mai 2014

Erst nach zwei oder drei Jahrzehnten können Ehemalige über das Ausmaß des Kindesmissbrauchs in Sekten sprechen.

Kurt-Helmuth Eimuth fordert Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen auf, sich dem Problem der Sekten zu stellen. Foto: Rolf Oeser

Das Beispiel der Aktionsanalytischen Organisation (AAO) zeigt, dass die Gesellschaft auch bei Psychogruppen und Sekten ihren Schutzauftrag gegenüber den Kindern nachkommen muss. Soziale Berufe sollten sich mit Mechanismen und Techniken von Psychogruppen und Sekten beschäftigen, „damit sie Anzeichen von Kindeswohlgefährdung erkennen können“.

Dies forderte der Sektenexperte Kurt-Helmuth Eimuth vor Mitgliedern der Sekteninformation und Selbesthilfe Hessen (Sinus) am Samstag, 17. Mai, in Frankfurt. Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit ende dort, wo dass Recht des Kindes auf körperliche und psychische Unversehrtheit verletzt werde. Eimuth hatte den systematischen Kindesmissbrauch in der AAO des ehemaligen Aktionskünstlers Otto Mühl in aufgezeigt.

In den letzten Jahren seien mehrere Biografien und Dokumentationen von Mitgliedern der zweiten Generation entstanden, also Kindern, die in Sekten wie die Kinder Gottes oder der Bhagwan-Bewegung aufgewachsen sind. Alle zeigten auf eindrucksvolle Art und Weise den systematischen Kindesmissbrauch in den jeweiligen Orgainsationen. Erst jetzt nach zwanzig oder dreißig Jahren könnten die Betroffenen darüber reden.

Doch anders als in Kirche oder der Odenwaldschule sei in der AAO der Kindesmissbrauch Teil der Ideologie gewesen. „Es war nicht die Verfehlung eines Einzelnen, die womöglich unter den Teppich gekehrt wurde, sondern es gehörte zum allseits akzeptieren Gruppenleben“, so Eimuth. Es war in den Augen der Mitglieder, auch der Eltern, die Erfüllung vom Meister „in die Sexualität eingeführt“ zu werden. Und wenn sich junge Mädchen mit 14 Jahren ihrer Vergewaltigung widersetzten, als sie dem Meister zugeführt werden sollten, so setzten die Gruppenmitglieder dieses Mädchen unter massiven Druck. Die AAO war für Eimuth „eine kriminelle Vereinigung, die systematischen Kindesmissbrauch betrieb“. Aber auch die anderen Formen der sogenannten Erziehung seien bei den Betroffenen nicht spurlos vorbeigegangen. Der ständige Kunkurrenzkampf um ein gutes Ranking, die ständige Verunsicherung, die vermisste soziale Geborgenheit, die fehlende Sicherheit habe die Kinderseelen verletzt.

Wie der Vorsitzende von Sinus, Conny von Schumann, der Versammlung berichtete, würden aus Deutschland heraus Sekten auch in andere europäische Länder expandieren. Dies gelte nach den Beobachtungen der europäischen Anti-Sekteninitiativen vor allem für das Universelle Leben um die selbsternannte Würzburger Prophetin Gabriele Wittek.

Beitrag von truk, veröffentlicht am 18. Mai 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe Web.

Hare-Krishna auf der Zeil

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 4. Mai 2014

Es gibt sie noch, die Krishna-Bewegung. In den 70er und 80er Jahren waren sie häufig missionierend in den Fußgängerzonen anzutreffen. Heute ist dies eine Seltenheit. Aber zur Begeisterung des überraschten Publikums intonierten die in indische Dhotis und Saris gekleideten und zum Teil kahlgeschorenen Jünger und Jüngerinnen auf der Zeil unter Trommelbegleitung das „Hare-Krishna“-Mantra.

Zum Vergnügen der Passanten singen die Anhänger der Krishna-Bewegung ihr Mantra auf der Zeil: „Hare Krishna Hare Krishna Krishn Krishna Hare Hare“. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Das „Chanten“ und Tanzen (sankirtan) gehören zu den zentralen Aktivitäten der Hare-Krishna-Anhänger und sind ein typisches Erkennungszeichen der „Harinams“, der missionarischen Auftritte.

Die Bewegung zeigt sich heute kulturell angepasster. Nach dem Tod ihres Meitsers Prabhupada 1977 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Bewegung. In der Folge gab es eine gewisse Öffnung. Inzwischen hat sich die Gemeinschaft auf dem religiösen Markt etabliert.

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen urteilt: „Die fundamentalistische Auslegung altindischer Schriften, die untergeordnete Rolle der Frau, die Vorstellung eines „spirituellen Kastensystems“, das in einer idealen Gesellschaftsordnung Verwirklichung finden sollte, die teilweise aggressive Werbung und die Entschlossenheit, mit der im engeren Kreis der Devotees das Dienen – auch dem Guru gegenüber – zum Heilsprinzip erklärt wird, bleiben indes Elemente der unorthodoxen Bewegung.“

Der Vorwurf der indischen Exotik, die unvermittelt in die westliche Kultur hineingetragen würde, ist immer wieder erhoben worden; oft waren familiäre Beziehungen durch die Mitgliedschaft einer Zerreißprobe ausgesetzt. So als Element der Straßenmusik hat es sicher den Passanten Spaß gemacht. Als ein Japaner einen Jünger nach dem Musikstil fragte, antwortete dieser: „Es ist indische Musik.“ Wohl wahr, aber doch auch etwas mehr.

Endzeitsekten: Nichts ist schöner als der Tod

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. Dezember 2012

Auch in modernen Zeiten gab es immer wieder Endzeitsekten, die darauf hoffen, dass im Jenseits eine bessere Welt existiert – wobei natürlich nur die eigene Anhängerschaft in den Genuss des Paradieses kommt.

Weltuntergangszenarien faszinieren die Menschen. Foto: Ig0rZh / Fotolia.com
Weltuntergangszenarien faszinieren die Menschen. Foto: Ig0rZh / Fotolia.com

Am bekanntesten sind wohl die Zeugen Jehovas. Sie glauben, dass Jesus Christus im Jahr 1914 unsichtbar wiedergekehrt ist und die Herrschaft über das „Königreich Gottes“ im Himmel in Form einer „theokratischen Regierung“ übernommen hat. Die nun angebrochenen „letzten Tage“ sollen eine unbestimmte Zeit andauern und dann in einem globalen, von Gott durch Jesus Christus geführten Endzeitkrieg gipfeln. Sie, die Zeugen stehen in diesem Krieg unter dem besonderen Schutz „Jehovas“.  Als Zeitpunkt wurden die Jahre 1914, 1925 und 1975 genannt – heute nennen die Zeugen Jehovas keine konkreten Jahreszahlen mehr.

Suizid-Übungen im Urwaldcamp

„Wenn man uns nicht in Frieden leben lässt, so wollen wir jedenfalls in Frieden sterben. Der Tod ist nur der Übergang auf eine andere Ebene.“ Mit diesen Worten soll Sekten-Chef Jim Jones den Selbstmord und Mord von 912 Menschen am 18. November 1978 in Guyana begründet haben. Oft hatten es die Anhänger und Anhängerinnen in ihrem Urwald-Camp geprobt – Suizid-Übungen waren üblich. Nachdem die Sekte in die Kritik der Öffentlichkeit gerückt war, machte Jones ernst. Zuerst wurde den Kindern das Gift eingeflößt oder gespritzt, dann tranken die Erwachsenen die Giftbecher. Wer fliehen wollte, wurde von Wachen erschossen.

Ähnliches passierte auch in der Schweiz. Am 5. Oktober 1994 wurden dort 53 Tote gefunden. Fünf weitere Mitglieder der weltweit verbreiteten „Sonnentempler“ wurden in Kanada tot aufgefunden. In den nächsten drei Jahren wurden weitere 21 Menschen ermordet oder nahmen sich das Leben. Die Sektenführer Luc Jouret und Joseph di Mambro predigten ihren Anhängern und Anhängerinnen, dass eine erlösende Reise sie zum Planeten Sirius führen wurde, damit sie dort wiedergeboren werden und eine neue Menschheit begründen. Allerdings schwand die Macht der Sektenführer, als sich herausstellte, dass sie gespendetes Geld für einen aufwändigen Lebensstil veruntreuten und dass sie bei so genannteten „Meister-Erscheinungen“ mit Tricks gearbeitet hatten.

Auch die japanische Aum-Sekte begründete 1995 ihren Terroranschlag auf die Tokoyer U-Bahn mit dem bevorstehenden Weltuntergang. Zwölf Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, über 5000 wurden verletzt.

Zeugen Jehovas Tür nicht schließen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

04.08.2012 ·  Die Zeugen Jehovas haben das Image der Harmlosigkeit. Kurt-Helmuth Eimuth teilt diese Einschätzung nicht. Eimuth ist Diplompädagoge und Gründungsmitglied von Sinus. Das ist eine Selbsthilfeinitiative und Beratungsstelle, die sich in Frankfurt um Sektenaussteiger und ihre Angehörigen kümmert.

Wer wendet sich an Sinus?

In der Regel sind es Angehörige. Sie möchten Informationen und unsere Erfahrungen. Deshalb vermitteln wir Gespräche zu anderen Angehörigen und ehemaligen Sektenmitgliedern. Hilfreich sind auch konkrete Ratschläge, wie man mit Familienmitgliedern, die sich einer Sekte angeschlossen haben, umgehen soll.

Was ist Ihr wichtigster Rat?

Es kommt darauf an, die Türe nicht hinter sich zu schließen. Vorwürfe und Vorhaltungen helfen nicht weiter. Auch wenn es schwerfällt: Verständnis und Zuhören helfen, den Dialogfaden nicht abreißen zu lassen.

Welche Sekten sind heute in Deutschland besonders aktiv?

Sicher sind die Zeugen Jehovas hierzulande die größte Sekte, auch wenn ihre Mitgliederzahl stagniert. Scientology ist weiter aktiv. Und die religiöse Landschaft hat sich weiter differenziert. Heute sind zahlreiche kleine Gruppen tätig, die durchaus sektenhafte Züge tragen. Dies gilt auch für den Psychomarkt und die Esoterik.

Die Zeugen Jehovas haben in Hessen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Wie schätzen Sie diese Gemeinschaft ein? Ist sie überhaupt gefährlich?

Die Lehre der Zeugen Jehovas wirkt vor allem auf Kinder und Jugendliche sozial ausgrenzend, schon im Kindergarten werden sie zu Außenseitern.

Wodurch?

Es wird zum Beispiel nicht gerne gesehen, wenn sie Geburtstage oder christliche Feste mitfeiern. Schon das Bemalen eines Ostereis kann zu einem Problem für ein dreijähriges Kind werden. Die Einübung in die demokratische Willens- und Meinungsbildung wird vorenthalten. So sollten bis vor einigen Jahren Kinder nicht einmal an Klassensprecherwahlen teilnehmen, weil dies ein Dienst im verhassten System wäre. Wer Kindern und Jugendlichen verbietet, an jeder politischen Willensbildung teilzunehmen, dem muss eine demokratische Grundhaltung abgesprochen werden. Das autoritäre und angsteinflößende Erziehungskonzept der Zeugen Jehovas gefährdet meines Erachtens das Kindswohl, weil es eine Form der psychischen Misshandlung darstellt. Die Anerkennung der Sekte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ändert daran nichts. Die Zeugen Jehovas sind eine gefährliche Sekte.

Was macht den Ausstieg schwierig?

In der Sekte ist alles geregelt. Der Wochen- und Tagesablauf, die Art des Umgangs, die Einteilung der Welt in Gut und Böse. Beim Austritt stehen die Betroffenen von dem Nichts. Die alten Freunde wenden sich von ihnen ab. Es gibt für die Mitglieder innerhalb der Sekte niemanden, der ihnen hilft und in einer Krise beisteht.

Die Fragen stellte Nina Himmer.

Fans von Bruno Gröning missionierten in Offenbach

Fans von Bruno Gröning missionierten in Offenbach

Sie versprechen “geistige Heilung” mit Hilfe von Heilströmen und verehren Bruno Gröning wie einen Messias: Am Sonntag missionierte der “Bruno Gröning-Freundeskreis” in Offenbach.

Ein Altar für Bruno Gröning: Der 1959 verstorbene Heiler wird von seinen Fans bis heute wie ein Messias verehrt. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die Einladungen, in Blau gehalten, liegen oft in Apotheken aus. „Hilfe und Heilung auf geistigem Weg“ steht da in fetten Lettern. Darunter der Zusatz: „Medizinisch beweisbar“. Das macht neugierig. Veranstalter ist der „Kreis für geistige Lebenshilfe“, eine der unzähligen Vereinigungen in der Nachfolge von Bruno Gröning.

Bruno Gröning erfreute sich in den 1950er Jahren in Deutschland großer Beliebtheit. Mit Hilfe von Stanniolkugeln, so behauptete er, könne er seine eigene Heilkraft auf andere Menschen übertragen. 1958 wurde Gröning wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz verurteilt. Sich selbst konnte er nicht heilen: Er starb 1959 in Paris an Magenkrebs.

Die Klinik hat den Veranstaltungsraum wieder gekündigt

Für seine Anhängerinnen und Anhänger ist Gröning an dem starken Heilstrom gestorben, den er für die Menschheit transformiert hat. In mehreren hundert Gruppen treffen sie sich noch heute im „Bruno Gröning-Freundeskreis“, um den Heilstrom zu erfahren. Und sie missionieren. Vertrauenserweckend ist, dass der Vortrag in einer Klinik stattfinden soll. Allerdings wurde dann die Veranstaltung verlegt. Auf Nachfrage erfährt man, dass die Klinikleitung die Vermietung gekündigt hat.

Gut zwei Kilometer weiter dann der viel zu große Saal eines Hotels am Kaiserlei. Gleich vorne in der Mitte, wie auf einem Altar, ein Bildnis von Bruno Gröning. Langsam füllt sich der Saal. Die meisten kennen sich offenbar aus und setzen sich gleich richtig auf den Stuhl: Beine auseinander, Hände mit der geöffneten Handfläche nach oben. Das ist notwendig – wie man später erfährt – damit der Energiestrom fließen kann. „Es geht darum, dass man sagt: ich bin bereit die Kraft zu spüren“, ermahnt die Rednerin. Man müsse es wirklich wollen. Im Klartext: Wenn es mit der Heilung nicht klappt, ist man selber schuld.

An die Heilkraft muss man glauben – nur dann soll es klappen

Klassische Musik wird eingespielt, dann kommt Doktor Wolfgang Vogelsberger. Die Heilungen seien wissenschaftlich bewiesen, versichert er. Bei jeder zweiten Veranstaltung geschähen Heilungen, insgesamt 75.000 Heilungen seien bereits dokumentiert. Dabei gehe es vor allem um den Glauben, ganz unabhängig von der Religion: „Was wir brauchen, ist eine spirituelle Medizin neben der Naturheilkunde und der traditionellen Medizin.“

Anschließend berichten drei Kronzeugen von ihrer Heilung: Ein Loch im Trommelfell, eine chronische Hautkrankheit, dauernde Kreuzschmerzen – alles wurde „geregelt“, so der hier übliche Ausdruck für Heilung.

Weltweit sollen 60.000 Menschen dieser Heilserwartung folgen. Zur Werbung haben sie eine gut organisierte Maschinerie entwickelt. Dabei spielt auch die Grete-Häusler GmbH eine Rolle, die Filme und Bücher über Gröning vertreibt.

Konservative Lebenswelt wie in den Fünfzigern

Ehemalige Mitglieder berichten von sektentypischer Dynamik: Je mehr man sich engagiere, desto weniger habe man Freunde außerhalb der Gruppe. Man lebe dann völlig in einem sehr eigenen, konservativ geprägten persönlichen Umfeld, mit einem Frauenbild aus den 1950er Jahren. Enge Kleidung sei nicht gewünscht, die Gemeinschaften pflegen Volkstanz, Popmusik und Alkohol werden eher der satanischen Welt zugeordnet.

„Der Bruno Gröning-Freundeskreis steht in der Gefahr, die Grenzen zur Therapie zu verschleiern“, warnt der Vorsitzende der Sekten- und Selbsthilfeinformation Hessen, Conny von Schumann. Dies bedeute eine echte Gefahr, wenn dadurch andere, wirksame ärztliche Behandlungen unterblieben.

Beitrag von , veröffentlicht am 30. April 2012 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Viele kleine Gruppen mit sektenähnlichen Zügen

Neuer Vorstand für Anti-SektenvereinSinus Vorstand

Nach Ansicht des neuen Vorsitzenden des Anti-Sektenvereins SINUS konnte zwar in den letzten Jahren das Wirken der Großsekten eingedämmt werden, aber es seien weiterhin zahlreiche kleine Anbieter von Heilslehren mit sektenhaften Strukturen unterwegs. „Scientology als totalitäres System ist weitgehend eingedämmt aber es gibt eben viele Anbieter, die eher ihr eigenes Wohlergehen als das ihrer Anhänger im Sinn haben“, sagt der Conny von Schumann, Vorsitzender von SINUS- Sekteninformation und Selbsthilfe Hessen e.V. Als Beispiel benannte der Sozialpädagoge die Angebote des Esoterik-Marktes. Die ebenfalls neu gewählte stellvertretende Vorsitzende Marion Eimuth hob die Bedeutung der Beratungsaktivität von SINUS hervor. SINUS gelingt es, Betroffene und deren Angehörige zu beraten. Dies sei um so erstaunlicher, da der Verein seit zwei Jahrzehnten ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement seiner Mitglieder lebe. Marion Eimuth weiß als Pfarrerin im Schuldienst wie wichtig die Informations- und Aufklärungsarbeit ist.

Evangelisches Frankfurt Februar 2012

 

Die fehlende Identitätsbildung bei Kindern und Jugendlichen in Sekten nach Kurt-Helmuth Eimuth

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Die fehlende Identitätsbildung bei Kindern und Jugendlichen in Sekten nach Kurt-Helmuth Eimuth

Ein wichtiger Aspekt der psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sekten ist die fehlende Identitätsbildung. Dieses Entwicklungsdefizit kann innerhalb aller Sekten beobachtet werden.

Kurt – Helmuth Eimuth hat in seinem Buch „Die Sekten-Kinder“ eine Erklärung für die fehlende Identitätsbildung entwickelt. Alle folgenden Zitate stammen aus Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220 -224, auch ist dieser gesamte Text eine gekürzte Darstellung des von Kurt – Helmuth Eimuth entwickelten Erklärungsansatzes und in dem oben genannten Buch in ausführlicher Form zu finden.

Für diesen Erklärungsansatz ist es wichtig die unterschiedlichen religiösen Entwicklungsstufen darzustellen, die in der Regel ein jeder Mensch in seiner Entwicklung durchlebt.

1. Entwicklungsphase (magisch-numinose Phase):

Diese beginnt am Anfang der kindlichen Entwicklung. In dieser Stufe werden die Symbole magisch interpretiert.

„Der Löwe ist eben keine Zeichnung, sondern es ist das angsteinflößende Tier, vor dem man sich unter dem Bett versteckt. Realität und Abbild werden nicht unterschieden.“ (Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

2. Entwicklungsphase (eindimensionales-wörtliches Verstehen):

Diese Phase beginnt etwa mit der Einschulung der Kinder. Dieses Entwicklungsstadium ist gekennzeichnet

„… durch das `wörtliche´ Verständnis religiöser Symbolik… Ein zweiter Sinn, etwa Wasser als Symbol für Leben, wird nicht gefaßt… Allerdings werden schon im Gegensatz zur ersten Phase andere Welten angenommen. Wissenschaftliche Weltbilder sind schon bekannt. Deshalb wohnt Gott jetzt im Weltall und nicht mehr im Firmament, in der Himmelsdecke.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

3. Entwicklungsphase (mehrdimensionales-symbolisches Verstehen):

Leider nennt Kurt-Helmuth Eimuth hier kein Alter. In dieser Phase werden Mehrfachdeutungen von Symbolen zugelassen.

„Symbole werden als solche gesehen und akzeptiert. Aber ihre sinnstiftende Deutung läßt keine Kritik zu.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

4. Entwicklungsphase (symbolkritisches Verstehen):

Diese Phase beginnt erst ab 16 Jahren. In dieser Phase können die Symbole von ihrem Inhalt getrennt werden. In dieser Phase gibt der Inhalt den Sinn und nicht mehr die Symbolik.

5. Entwicklungsphase (nachkritisches Verstehen):

Der Mensch kann „… sowohl seine kindlichen magischen-numinosen Anteile zulassen als auch die Entmythologischen in Angriff nehmen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 221)

Die ersten beiden Entwicklungsphasen werden von allen Menschen im Laufe ihrer Entwicklung durchlaufen, jedoch kommen viele Menschen nicht über der Phase des wörtlichen Verständnisses hinaus. Auch viele Gruppen und Sekten sind in diesen beiden Phasen stehengeblieben. Zum Beispiel lassen die Zeugen Jehovas nur das eindimensional-wörtliche Verständnis der Bibel zu.

Die Sekten bieten ihren jeweiligen Anhängern die Möglichkeit, ihre infantile Religiosität zu leben.

„Dabei erhalten die Sektenmitglieder in einem Prozeß der Selbstentledigung…, der Unterordnung unter einem Führer, Gründer, Leitende Körperschaft oder Prophetin, durch Eintauchen und Verschmelzen mit ihrem Ich-Ideal eine neue Identität. Die Sektenidentität läßt sie teilhaben am omnipotenten Führer, Prophetin oder Meister. Dadurch gehören sie zur Elite, die nichts geringeres, als diese vom Untergang bedrohte Welt retten wird.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 221)

Bei den Kindern kann in diesem Bereich auch keine Entwicklung stattfinden, da sie erzogen werden von Erwachsenen, die ihre eigene Identität an die Gruppe abgegeben haben. Den Kindern aus den Sekten werden nicht nur Bildungschancen vorenthalten, der Aufbau der Beziehung zu ihren Eltern erschwert oder gar verwehrt, sondern auch sie werden in ihrer emotionalen Entwicklung behindert. Es kann sein, daß sie über das emotionale Entwicklungsniveau von Grundschulkindern,

„… bei Beibehaltung aller kognitiven Fähigkeiten“ nicht hinaus wachsen. „Dies gilt mit Sicherheit für den religionspsychologischen Aspekt. Ist aber auch für den entwicklungspsychologischen Aspekt anzunehmen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 222)

Die Kinder wachsen in einer Sekte in einem geschlossenen Sozialsystem auf, was die Entwicklung der Kinder zur Autonomie stark verhindert. Bei diesen Kindern hängt das Selbstwertgefühl von der Teilhabe am „kollektiven Ich“, der Sektenidentität, ab. Diese Sektenidentität hängt wiederum von dem Über-Ich ab, das in Sekten verkörpert wird durch den jeweiligen Führer.

Eine Ablösung vom Elternhaus ist nur möglich, wenn sich das Kind bzw. der Jugendliche von der Sekte trennt. Dieses produziert bei dem Jugendlichen eine psychische Konstellation, die zu schweren inneren Konflikten führen kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß die Kinder, die in die Sekte hineingeboren wurden, die 2. Generation, nie ein anderes Leben kennenlernen durfte. Diese Kinder sind zum Teil nicht in der Lage, eine eigene Identität zu bilden. Sie definieren sich ausschließlich über das Kollektiv.

„Bei der zweiten Generation handelt es sich also nicht um einen Prozeß der Selbstentledigung, sondern um einen Prozeß der Verhinderung von Selbstfindung, es handelt sich um eine systematische Kollektivierung dieses Vorgangs, so daß aus einem Indentitätsfindungsprozeß ein `Kollektivfindungsprozeß´ wird. Auf dem Wege zu Identität können diese Kinder oftmals nur die Gruppenidentität finden. Alle anderen Wege bleiben ihnen verschlossen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 223f)

Kurt Helmuth Eimuth kommt in seinen Betrachtungen zu folgendem Ergebnis: Die Entwicklungen von „Sekten-Kindern“ zu autonomen Persönlichkeiten darf nicht stattfinden. Diese Kinder werden in ihrer Entwicklung behindert, manipuliert und kontrolliert. Er nennt dieses System eine „Psychische Kindesmißhandlung“. (Vgl. Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 224)

Alle Zitate und Vergleiche aus:

Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220 -224

http://kindseininscientology.wordpress.com/tag/kurt-helmuth-eimuth/3.12.2011

Vom Keltenritual zum Massenspektakel – Halloween

Kirche Intern November 2011

Terror und Fundamentalismus

Terror und Fundamentalismus

Schnell waren Erklärungen für die Attentate in Norwegen zur Hand. Zuerst vermuteten viele islamische Terroristen, dann wurde die krude Gedankenwelt von Anders Breivik mit christlichem Fundamentalismus in Verbindung gebracht. Doch auch damit hat er nichts zu tun. Seine Motivation war der Hass vor allem auf Menschen anderer Nationalität und Religion. So kommt Massimo Introvigne, italienischer Soziologe und Experte für neue religiöse Bewegungen, zu dem Schluss: „Wenn man eine Methode in seinem Wahnsinn finden will, so muss man den roten Faden in seinem Denken aufspüren, und das ist in erster Linie seine Islam-Feindlichkeit, die sich im Westen bisher kaum gewaltsam manifestierte.“

Hingegen gab Breivik klare Anleitungen für die Planung und Durchführung von Terroraktionen – von der Weitergabe seiner Sprengstoffkenntnisse bis zu strategischen Überlegungen zur Planung von Terrorakten. Breivik ist also ein Terrorist, der seine Taten mit verworrenen Überzeugungen begründet, die er von religiösen Fundamentalisten übernimmt, weil sie zu seinem Hass auf „Andere“ passen – ähnlich ist es im Übrigen auch bei „islamistischen” Terroristen.

Fundamentalismus und pseudoreligiöser Terrorismus ähneln sich zwar im Hinblick auf ihre Intoleranz – man denke nur an den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der mit Blick auf feindliche Länder von einer „Achse des Bösen“ sprach. Oder auch an einen christlich fundamentalistischen Prediger, für den zum Umkreis dämonischer Mächte alle Hochreligionen Asiens und der Islam gehören, ebenso übrigens Homöopathie, Fußzonenreflexmassage und andere alternative Heilmethoden, da sie eine „dämonische Verführung“ darstellen.

Aber während der Fundamentalist diese Auffassungen nur predigt und praktiziert, stellt sich der Terrorist selbst an Gottes Stelle. Er überschreitet „die Schwelle der Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung anderer“, wie es der Psychiater Robert Jay Lifton formuliert. Für Terroristen sind Menschen, die ihrer „Wahrheit“ entgegenstehen, Feinde, die massiv bekämpft werden müssen, wobei alle Mittel erlaubt sind.

Sowohl Terrorismus als auch Fundamentalismus bedienen sich eines Weltbildes, in dem das Gute mit dem Bösen kämpft. Konflikte zwischen Menschen, zwischen Nationen, zwischen Kulturen sind Teil dieses immer währenden Kampfes. Man selbst steht natürlich auf der Seite des Guten. Ob nun islamische Staaten angeblich eine Achse des Bösen bilden oder ob der Islam Norwegen bedroht – das Böse greift an, und man selbst muss das Gute verteidigen.

So gesehen greifen George W. Bush und der Attentäter Breivik durchaus auf ähnliche Denkmuster zurück.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt August 2011