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Gangster mit weißem Kragen: Wir müssen uns mehr über den Cum-Ex-Betrug empören

von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Oktober 2018

Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen in ganz Europa ausgeplündert. Wo bleiben eigentlich all die Talkshows und Sondersendungen dazu?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Sicher haben Sie sich auch schon einmal überlegt, was Sie mit einem Lotto-Gewinn von einer Million Euro machen würden: Ein Haus kaufen, den Kindern was geben, Reisen, vielleicht auch einen Teil einem karitativem Zweck spenden. Bliebe vermutlich immer noch was über. Eine Million ist viel Geld. Wenn Sie gut, sehr sehr gut verdienen, dauert es zehn Jahre, bis Sie soviel Geld zusammen haben. Ausgeben dürfen Sie in dieser Zeit leider nichts.

Und nun stellen Sie sich vor, was Sie mit 1.000 Millionen machen würden. Sicher nicht einfach, so viel Geld auszugeben. Da wird man schon lange überlegen müssen, was man damit machen kann. Den europäischen Staaten sind sagenhafte 55.000 Millionen Euro geklaut worden, davon allein Deutschland 31.800 Millionen Euro. Mit dieser unvorstellbaren Summe hätte man jeder Schule hierzulande eine Million Euro zur Verfügung stellen können. Oder etwa alle Dieselautos nachrüsten. Oder man könnte den Hunger in der Welt bekämpfen – denn immerhin leiden auf dieser so reichen Welt 705 Millionen Menschen Hunger.

Aber das Geld ist futsch: Ein Netzwerk aus Anwälten, Investment-Bankern und superreichen Investoren hat mit den sogenannten Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften die Staatskassen auf dem ganzen Kontinent ausgeplündert. Und die Gangster mit weißem Kragen wussten, was sie tun: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch“ – ein Zitat, das so bei einem Meeting von Cum-Ex-Investoren in Frankfurt gefallen sein soll.

Die Vorstellung dieses Diebstahls sprengt offenbar unsere Phantasie. Denn alle Warnzeichen wurden übersehen und überhört. Schon vor 25 Jahren wurden die Finanzpolitiker von einem Staatskommissar gewarnt. Und noch 2017 wurde das wahre Ausmaß des Betruges klein geredet oder nicht gesehen. Rund eine Milliarde sei der Schaden groß wurde in einem Bundestagsausschuss behauptet.

Über den Steuersünder Uli Hoeneß wurde wochenlang öffentlich diskutiert. Dabei sind die von ihm hinterzogenen Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro Peanuts im Vergleich zu diesem Betrug. Immerhin hat Hoeneß sich auch sozial engagiert und schien Reue zu zeigen. Dies ist bei den Herren (vermutlich kaum Damen) der Cum-Ex-Verbrechen kaum zu vermuten. Und doch bleibt die öffentliche Aufregung mau. Im ersten Halbjahr 2018 konnten wir schon neun Talkshows zum Thema „Flüchtlinge“ sehen, aber keine zum größten Betrugsfall der Geschichte.

Auch wenn das Ausmaß kaum fassbar ist, so müssen sich alle, die ein Interesse an einer solidarischen Gesellschaft haben, empören. Ja, etwas Wut gehört auch zur Empörung. Über die, die betrügen, und über die, die es nicht mit aller Macht bekämpfen.

Die katholische Kirche und die Sexualität

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Oktober 2018

In der katholischen Kirche brodelt es. In Sachen Sexualität muss dort nun eine Diskussion nachgeholt werden, die in der evangelischen Kirche schon vor fünfzig Jahren begonnen hat.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Es brodelt in der katholischen Kirche. Auf der einen Seite die Vorschläge des katholischen Stadtdekans Johannes zu Eltz, der sich verheiratete Priester und Frauen im Priesteramt vorstellen kann, auf der anderen die Weigerung Roms, P. Angar Wucherpfennig als Rektor der Hochschule St. Georgen zu bestätigen. Offenbar waren die Aussagen Wucherpfennigs zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare dem Vatikan ein Dorn im Auge.

Dabei hat die katholische Kirche in Deutschland gerade erst begonnen ein neues Verhältnis zur Sexualität des Menschen zu finden. Auch Sexualität ist eine gute Gabe Gottes. Sie ist weder zwangsweise zu unterdrücken, noch darf sie zur Gewalt über andere genutzt werden.

Richtigerweise stellen Pfarrer der Frankfurter katholischen Gemeinden fest, dass „dass auch der pathologische Umgang der Kirche mit dem Thema (Homo-)Sexualität sexualisierte Gewalt begünstigt.“

Johannes zu Eltz fordert im Interview mit Evangelisches Frankfurt einen offenen Diskussionsprozess zu Zölibat und Priesteramt für Frauen. Ein Diskussionsverbot sei „total unsinnig und unbiblisch.“

Die katholische Kirche wird jetzt eine Diskussion nachholen müssen, die die evangelische Kirche vor fünfzig Jahren geführt hat und heute immer noch führt. Denn auch hier wurden verheiratete Frauen erst spät im 20. Jahrhundert zum Pfarramt zu gelassen, und die Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs, beispielsweise in evangelischen Kinderheimen, hat erst vor wenigen Jahren so richtig begonnen.

Es ist für die katholische Kirche zu hoffen, dass der begonnene Diskussionsprozess auch in Rom nachvollzogen wird, und dass der Frankfurter Stadtdekan Recht behält, wenn er im Interview sagt: „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Die Sonntagsruhe ist seit Jahrhunderten umstritten

von Kurt-Helmuth Eimuth 19. September 2018

Dieses Jahr gibt es in Frankfurt keine verkaufsoffenen Sonntage. Gewerkschaften und die katholische Arbeitnehmerbewegung haben gegen entsprechende Pläne erfolgreich geklagt.

Spaziergang statt Shopping? Der freie Sonntag ist alte Tradition. | Foto: Rolf Oeser
Spaziergang statt Shopping? Der freie Sonntag ist alte Tradition. | Foto: Rolf Oeser

Der Einzelhandel ist gebeutelt. Die Konkurrenz aus dem Netz ist groß, dort kann man rund um die Uhr nach Lust und Laune Waren bestellen. Es wird immer schwerer, Kundschaft in die Geschäfte zu locken, wenn die nicht grade mitten auf der Zeil liegen. Und sonntags, wenn die ganze Familie mal Zeit fürs gemeinsame Shoppen hätte, darf man nicht öffnen.

Ein verkaufsoffener Sonntag war in Frankfurt immer ein Garant für hohen Umsatz. In diesem Jahr aber bleiben die Geschäfte an allen Sonntagen geschlossen. Die Gewerkschaften und die katholische Arbeitnehmerschaft hatten gegen Öffnungspläne geklagt. Und in der Tat stellten die Gerichte fest, dass die gesetzlichen Auflagen zur Sonntagsöffnung nicht eingehalten wurden. Eigentlich dürfen Kommunen in Hessen bis zu vier verkaufsoffene Sonntage genehmigen, aber nur aus besonderem Anlass. Um nicht wieder in die juristische Bredouille zu kommen, hat der Dachverband der Gewerbevereine in diesem Jahr ganz auf eine Sonntagsöffnung verzichtet.

Die Härte der Auseinandersetzung zwischen den Unternehmen auf der einen und den Gewerkschaften und Kirchen auf der anderen Seite zeigt, dass es in diesem Konflikt um etwas Grundsätzliches geht. „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ So steht es bereits in der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Wörtlich wurde diese Feststellung dann später in das Grundgesetz übernommen.

Das Gesetz schreibt eine fast 2000 Jahre alte Tradition fest. Bereits im Jahr 321 ordnete der römische Kaiser Konstantin die christliche Sonntagsruhe an und verbot jegliche Arbeit außer der Feldarbeit. Mit dem Ende des weströmischen Reiches ungefähr ab dem Jahr 480 und den daran anschließenden Machtkämpfen verlor jedoch der Sonntag in Mitteleuropa seine Bedeutung als arbeitsfreier Tag wieder. Im Frühmittelalter gab es keine Sonntagsruhe.

Erst im Mittelalter wurden die kirchlichen Gebote wieder stärker beachtet und auch der Sonntag als Ruhetag befolgt. Martin Luther war der Sonntag als Ruhetag deshalb wichtig, weil sich die Menschen an diesem Tag mit dem Glauben beschäftigen konnten.

Bis ins 18. Jahrhundert wurde der Sonntag allgemein beachtet. Im Zuge der Industrialisierung jedoch geriet der arbeitsfreie Tag aus wirtschaftlichen Gründen erneut unter Druck: Die teuren Maschinen sollten weiterlaufen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Arbeitsgesetze eingeführt, die den Sonntag als arbeitsfreien Tag festschrieben.

Beim Streit um den Sonntag ging es also meist um die Gewichtung zwischen wirtschaftlichen
Interessen und Lebensqualität. Wenn die Wirtschaft auch am Sonntag brummt, sei es in der Produktion oder im Handel, steigt das Bruttosozialprodukt. Dem halten die Gewerkschaften und die Kirchen die soziale Qualität des Sonntags entgegen: Man fürchtet, dass der Sonntag als Tag der Ruhe, der Familie, der Freizeit und auch der Gottesdienste ausgehöhlt wird. Will man darauf im 21. Jahrhundert wirklich wieder verzichten?

Sonntagsruhe: Eine Gesellschaft braucht Rhythmus.

von Kurt-Helmuth Eimuth 22. August 2018

Unser Leben ist Rhythmus. Von Beginn an. Einatmen und Ausatmen, der Rhythmus des Lebens. Nicht nur die einzelnen Menschen, auch Gesellschaften brauchen einen Rhythmus: Warum wir den Sonntag als freien Tag nicht aufgeben sollten. Ein Kommentar. 

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Unser Leben ist Rhythmus. Von Beginn an. Einatmen und Ausatmen, der Rhythmus des Lebens. Wir folgen dem Rhythmus von Tag und Nacht und erleben den Kreislauf der Jahreszeiten. 

Die Natur kennt nur rhythmische Verläufe. Die Sterne, die Sonne, ja das ganze Universum basiert auf einem Rhythmus. Die Rhythmen sind geprägt von einer Polarität, einer Spannung zwischen Aus- und Einatmen; dazwischen eine kurze Phase der Ruhe. Der Umkehrpunkt ist auch ein Punkt des Ausgewogenseins. In der Polarität des Rhythmus ist das Innehalten verankert. Der Rhythmus trägt die Idee der Pause in sich.

Und so wie der Rhythmus Symbol für alles Lebendige ist, ist er auch Symbol dafür, dass das Leben ohne Ruhen nicht existieren kann. Der Takt zwischen Ein- und Ausatmen eröffnet Raum für Anderes.

Dies gilt nicht nur für das Individuum, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes. Der Takt braucht die Unterbrechung, sonst ist er nicht zu erkennen. Und so sehr wir uns über volle Straßenbahnen und Busse im Berufsverkehr ärgern, so sind sie doch Zeichen dafür, dass es einen gesellschaftlichen Rhythmus gibt: Tagsüber wird gearbeitet, dann gibt es Privatleben, dann Nachtruhe, und dann geht es wieder los.

Auch der Wochenryhthmus ist ein Takt, der ein gesellschaftliches Innehalten ermöglicht. Treffen, Verabredungen und Veranstaltungen können gut organisiert werden, wenn alle zur selben Zeit „frei“ haben. Doch wir geraten immer mehr aus dem Takt. Die Technik macht‘s möglich: Online wird rund um die Uhr eingekauft, und der moderne Mensch arbeitet auch mal am Wochenende zwischendurch am Computer. Mails, nicht nur private, werden dauernd gecheckt.

Und dann kommt der Aufschrei nach der Work-Life-Balance, nach dem Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem. Aber die Technik lässt diese Bereiche ineinanderfließen. Arbeit und Privates ist in vielen Bereichen nicht zu trennen. Insbesondere wenn die Arbeit Spaß macht oder Teil des eigenen Lebenswerks ist.

Hier braucht es neue Formen des Rhythmus, hier braucht es einen anderen Takt. Vielleicht war es ja eine gute Idee, als Stadtkirchenpfarrer Jeffrey Myers vor ein paar Jahren anbot, Smartphones während des Urlaubs sicher zu verwahren. Die besten Möglichkeiten und Formen, für sich einen Rhythmus zu finden, muss jeder und jede suchen.

Doch keineswegs sollten wir den Wochenrhythmus mit einem arbeitsfreien Sonntag als Gesellschaft aufgeben. Er ist eine Form von Lebensqualität, ganz egal ob man religiös oder ist oder nicht.

Frankfurt wird immer voller

Frankfurt wächst und wächst, und alle finden es super. Schon 2030 sollen hier 800.000 Menschen wohnen. Und doch ist es höchste Zeit, auch nach den Grenzen des Wachstums zu fragen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Redakteur von Evangelisches Frankfurt. | Foto: Tamara Jung

Man muss nicht samstags auf die Zeil gehen, um es zu spüren: Die Stadt ist voller geworden. Überall wird es eng, ob in Cafés oder auf dem Markt, auf der Straße oder im S-Bahn-Tunnel. Neue Stadtteile sollen entstehen, viele Baulücken sind bereits geschlossen, die Verdichtung schreitet voran.

Frankfurt ist attraktiv. Bis zum Jahr 2030, so die Prognose, sollen hier 800 000 Menschen wohnen. Aber schon jetzt stapeln sich auf den Schulhöfen die Klassenzimmer-Container und wird die Suche nach Standorten für neue Kitas und Horte immer schwieriger. Der öffentliche Nahverkehr, der eigentlich die Städte vom Feinstaub der Autos befreien soll, ist überlastet. Zusätzliche U-Bahn-Wagen, neue Tramlinien und Gelenkbusse sind geplant. Aber so viel Wachstum ist nicht zum Nulltarif zu bekommen.

Der Kämmerer hat für die nächsten Jahre tiefrote Zahlen prognostiziert. Trotzdem scheinen sich alle Fraktionen im Römer über das Wachstum zu freuen: Frankfurt, eine der Metropolregionen Deutschlands, wenn nicht der Welt!

Kaum jemand fragt aber, ob es auch Grenzen des Wachstums gibt. Wie die geschätzt 5000 Bankangestellten aus London die Gentrifizierung im Westend, in Sachsenhausen und im Nordend beschleunigen werden. Was diese Entwicklung für die soziale Durchmischung Frankfurts bedeutet, auf die man einst so stolz war.

Eine Vision davon, wie Frankfurt in zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll, hat im Oberbürgermeister-Wahlkampf gefehlt. Dabei zeichnen sich die Konturen längst ab: Es wird mehr Hochhäuser, mehr Neubaugebiete, mehr Verdrängung der nicht so reichen Bevölkerung geben. Wer das nicht will, muss eine städtebauliche Ausrichtung hin zu einer Stadt für alle vornehmen. Es braucht Parks und Wiesen, Schulen mit Platz und Sonne, einen öffentlichen Nahverkehr, den man gerne nutzt. Und vor allem braucht es bezahlbaren Wohnraum auch in attraktiven Lagen.

Kann sein, dass man dafür auf die eine oder andere Arbeitsplatzansiedlung am Main verzichten muss.

Kirche muss ein Ort des Dialogs sein – auch mit den Gedanken der AfD

von Kurt-Helmuth Eimuth 13. Januar 2018

Die Kirchen versammeln ein breites Spektrum gesellschaftlicher Milieus in ihren Reihen. Daher haben sie eine besondere Verantwortung dafür, den demokratischen politischen Diskurs auch über politische Gräben hinweg zu führen. 

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Diskussion hört nicht auf. Die AfD sitzt mit 94 Abgeordneten, meist Männern, im Bundestag. Ein Ergebnis der GroKo, der Großen Koalition, so lauten viele Erklärungsversuche. Wenn die Parteien in der Mitte kaum noch zu unterscheiden seien, stärke dies die Ränder, so die These. Doch stimmt das?

Selbstkritisch fragt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), ob in den Gemeinden die Fragen und Ängste aller 23 Millionen Protestantinnen und Protestanten Platz haben. In einem Impulspapier zum Thema Konsens und Konflikt stellt sie fest: „Als Kirchen können wir nur dann als politische Akteure für die Stärkung des demokratischen Gemeinwesens ernst genommen werden, wenn wir berücksichtigen, dass auch in unserer Mitte die Ängste vor dem Wandel und die Versuchung zur Abgrenzung anzutreffen sind. Die evangelische Kirche mit ihren knapp 23 Millionen Mitgliedern ist ein Spiegel der pluralistischen Gesellschaft.“  

Den klaren Positionierungen der kirchenleitenden Personen und Gremien, dem  Engagement vieler Gemeinden und Verbände für die Aufnahme geflüchteter Menschen stehe bei einem beachtlichen Teil der Kirchenmitglieder Skepsis hinsichtlich der wachsenden Vielfalt und des sozialen Wandels gegenüber. 

Hier mahnt die EKD: „Unbeschadet des klaren und richtigen Eintretens für die Rechte von Minderheiten und Geflüchteten müssen wir wahrnehmen, dass die Sorge angesichts des Wandels und der Herausforderungen, die eine pluraler werdende Gesellschaft und gerade auch die technologisch-ökonomischen Veränderungen mit sich bringen, bis in die Leitungsebenen der evangelischen Kirchen hineinreicht.“

Die Botschaft des Evangeliums ist eminent politisch. Der erste und vornehmste Ort dieser politischen Praxis der Kirchen ist das Miteinander sehr unterschiedlicher Menschen in den Gemeinden. Die Kirchen mit ihrer tiefen und breiten sozialen Verankerung sollen und wollen damit Foren sein, auf denen Konflikte ausgetragen werden, Ängste gehört und bearbeitet werden. Denn die Kirche ist „mitverantwortlich für die politische Kultur unseres Landes und für die Gestaltung unseres Gemeinwesens“, wie die EKD richtigerweise schreibt.

Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform: Sie beschreibt, wie Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Interessen und Freiheiten mit den Vorstellungen anderer in einen für alle förderlichen Ausgleich bringen können. Deshalb ist eine Demokratie nur stabil, wenn sie eingebettet ist in eine politische Kultur, in der alle sich gegenseitig als Freie und Gleiche anerkennen und achten.

Kirchengemeinden haben hier eine besondere Chance, aber auch einen Auftrag.

Dieses Jahr ist der 31. Oktober gesetzlicher Feiertag. Warum eigentlich nicht immer?

Luther hat in Deutschland vieles verändert. Ohne ihn würde es so schöne Worte wie „Lästermaul“ oder „Geizhals“ nicht geben. Nun beschert er uns noch einen Feiertag.

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Der Reformationstag am 31. Oktober ist aus Anlass des 500. Jubiläums der Reformation in ganz Deutschland arbeitsfrei. Und zudem ein wunderbarer Brückentag. Er soll allerdings eine einmalige Sache bleiben.

Warum nicht den Reformationstag dauerhaft zum gesetzlichen Feiertag machen? Ökonomen schätzen, dass ein arbeitsfreier Tag die Jahres-Wirtschaftsleistung um ungefähr 0,1 Prozent verringert. Es geht also um mehr als zehn Milliarden Euro. Ist es uns das wert?

In einer Gesellschaft, die geprägt ist von ständiger Veränderung, ist eine Feiertags- und Erinnerungskultur unbezahlbar. Allerdings, wenn ich zu entscheiden hätte, würden wir erst einmal den Buß- und Bettag wieder einführen, der 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft wurde.

Nicht Umverteilung muss begründet werden, sondern warum man Ungleichheit akzeptiert

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Plötzlich wird wieder über Gerechtigkeit diskutiert. Kann es gerecht sein, wenn die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen? Wenn höhere Einkommensgruppen von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland profitieren, während die Realeinkommen der Ärmeren sinken? Wenn Opel-Manager Boni in Millionenhöhe bekommen, aber die Arbeiter um ihre Jobs bangen müssen?
Seit gut zwei Jahrzehnten driftet unsere Gesellschaft auseinander. Über 16 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Doch Menschenwürde, Gleichheit und Gerechtigkeit sind miteinander verwoben. Demokratie hängt davon ab, „dass die Mitglieder einer egalitären Gesellschaft sich wechselseitig das gleiche Recht zugestehen, als Gleiche anerkannt und behandelt zu werden“, wie es der Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach formuliert hat.

Nach christlicher Überzeugung sind alle Menschen Ebenbild Gottes. Das bedeutet auch, dass niemand augeschlossen werden darf von Bildung, Gesundheitsversorgung, Daseinsvorsorge.

Aus dieser Perspektive dreht sich die Rechtfertigungspflicht um: Nicht wer für Umverteilung eintritt, muss das begründen, sondern diejenigen, die politisch nichts dagegen unternehmen, dass die Armutsschere immer weiter auseinander geht. Als Gesellschaft müssen wir begründen, warum Menschen mit Behinderung echte Inklusion verweigert wird, warum 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche mit Hartz IV aufwachsen. Wir müssen begründen, warum arbeitslosen Menschen Beschäftigung vorenthalten wird, und wir müssen pflegebedürftigen und kranken Menschen erklären, warum der Personalschlüssel in Krankenhäusern und Altenheimen so schlecht ist. Denn all das sind nicht „wohltätige“ Hilfen, sondern es geht hier um Rechte.

Übrigens scheinen egalitär eingestellte Gesellschaften ein Gewinn für alle zu sein. Der kürzlich erschienene „Weltglücksbericht“ jedenfalls sieht skandinavische Länder, angeführt von Norwegen, ganz vorne.

Nicht Umverteilung muss begründet werden, sondern warum man Ungleichheit akzeptiert

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Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Plötzlich wird wieder über Gerechtigkeit diskutiert. Kann es gerecht sein, wenn die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen? Wenn höhere Einkommensgruppen von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland profitieren, während die Realeinkommen der Ärmeren sinken? Wenn Opel-Manager Boni in Millionenhöhe bekommen, aber die Arbeiter um ihre Jobs bangen müssen?

Seit gut zwei Jahrzehnten driftet unsere Gesellschaft auseinander. Über 16 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Doch Menschenwürde, Gleichheit und Gerechtigkeit sind miteinander verwoben. Demokratie hängt davon ab, „dass die Mitglieder einer egalitären Gesellschaft sich wechselseitig das gleiche Recht zugestehen, als Gleiche anerkannt und behandelt zu werden“, wie es der Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach formuliert hat.

Nach christlicher Überzeugung sind alle Menschen Ebenbild Gottes. Das bedeutet auch, dass niemand augeschlossen werden darf von Bildung, Gesundheitsversorgung, Daseinsvorsorge.

Aus dieser Perspektive dreht sich die Rechtfertigungspflicht um: Nicht wer für Umverteilung eintritt, muss das begründen, sondern diejenigen, die politisch nichts dagegen unternehmen, dass die Armutsschere immer weiter auseinander geht. Als Gesellschaft müssen wir begründen, warum Menschen mit Behinderung echte Inklusion verweigert wird, warum 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche mit Hartz IV aufwachsen. Wir müssen begründen, warum arbeitslosen Menschen Beschäftigung vorenthalten wird, und wir müssen pflegebedürftigen und kranken Menschen erklären, warum der Personalschlüssel in Krankenhäusern und Altenheimen so schlecht ist. Denn all das sind nicht „wohltätige“ Hilfen, sondern es geht hier um Rechte.

Übrigens scheinen egalitär eingestellte Gesellschaften ein Gewinn für alle zu sein. Der kürzlich erschienene „Weltglücksbericht“ jedenfalls sieht skandinavische Länder, angeführt von Norwegen, ganz vorne.

Demokratie braucht eine sachliche Streitkultur

Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf war von Niveaulosigkeit in politischen Debatten geprägt. Doch Demokratie braucht faires Streiten.

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Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Niveauloser als der Präsidentschaftswahlkampf in den USA kann eine politische Auseinandersetzung wohl kaum werden. Und das ist ein Problem, denn: Demokratie braucht Streit. Nur in der Auseinandersetzung mit anderen Ansichten entsteht ein Ringen um die beste Lösung. Ohne Streit gibt es keine echte Entwicklung, keine Innovation.

Dass man inhaltliche Unterschiede bei den etablierten Parteien kaum noch erkennen kann, ist eine Ursache für Populismus. Und das liegt auch daran, dass nicht mehr gestritten wird. Oder gibt es tatsächlich keine Unterschiede? Mag sein, dass komplexe Sachverhalte sich nicht so gut zum öffentlichen Disput eignen. Aber das Wahlvolk einfach von der Diskussion über die verschiedenen Lösungsoptionen auszuschließen, die es bei einem bestimmten Thema gibt, ist auch kein Weg. Denn genau auf diese Weise fördert man den Zulauf zu populistischen Bewegungen.

Politiker wie der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt haben es ja auch geschafft, der Bevölkerung zum Beispiel die Mechanismen und Auswirkungen des internationalen Währungsgefüges zu erklären. Das Wort „floating“ (für das freie Schwanken der Wechselkurse) fand sogar Eingang in den Duden.

Zu Zeiten von Strauß, Wehner und Schmidt wurde im Bundestag jedenfalls noch heftig gestritten. Nicht ohne Grund bezeichnete man ihre Debatten auch als „Redeschlachten“. Sie haben sich nicht mit Samthandschuhen angefasst, denn engagiertes Streiten braucht Gefühl und Emotionalität. Aber im Großen wie im Kleinen gilt: Streit muss sachlich bleiben und darf nicht persönlich verletzend sein.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 24. November 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe 2016/6 – Dezember.