Nicht Umverteilung muss begründet werden, sondern warum man Ungleichheit akzeptiert

Kurt-Helmuth Eimuth. Foto: Rui Camilo

Plötzlich wird wieder über Gerechtigkeit diskutiert. Kann es gerecht sein, wenn die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen? Wenn höhere Einkommensgruppen von der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland profitieren, während die Realeinkommen der Ärmeren sinken? Wenn Opel-Manager Boni in Millionenhöhe bekommen, aber die Arbeiter um ihre Jobs bangen müssen?
Seit gut zwei Jahrzehnten driftet unsere Gesellschaft auseinander. Über 16 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Doch Menschenwürde, Gleichheit und Gerechtigkeit sind miteinander verwoben. Demokratie hängt davon ab, „dass die Mitglieder einer egalitären Gesellschaft sich wechselseitig das gleiche Recht zugestehen, als Gleiche anerkannt und behandelt zu werden“, wie es der Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach formuliert hat.

Nach christlicher Überzeugung sind alle Menschen Ebenbild Gottes. Das bedeutet auch, dass niemand augeschlossen werden darf von Bildung, Gesundheitsversorgung, Daseinsvorsorge.

Aus dieser Perspektive dreht sich die Rechtfertigungspflicht um: Nicht wer für Umverteilung eintritt, muss das begründen, sondern diejenigen, die politisch nichts dagegen unternehmen, dass die Armutsschere immer weiter auseinander geht. Als Gesellschaft müssen wir begründen, warum Menschen mit Behinderung echte Inklusion verweigert wird, warum 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche mit Hartz IV aufwachsen. Wir müssen begründen, warum arbeitslosen Menschen Beschäftigung vorenthalten wird, und wir müssen pflegebedürftigen und kranken Menschen erklären, warum der Personalschlüssel in Krankenhäusern und Altenheimen so schlecht ist. Denn all das sind nicht „wohltätige“ Hilfen, sondern es geht hier um Rechte.

Übrigens scheinen egalitär eingestellte Gesellschaften ein Gewinn für alle zu sein. Der kürzlich erschienene „Weltglücksbericht“ jedenfalls sieht skandinavische Länder, angeführt von Norwegen, ganz vorne.

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