Tag Archiv für Kirche

Kirche sucht Perspektiven

„Leuchtfeuer“ sollen in die Gesellschaft ausstrahlen

Die evangelische Kirche will ihre Strukturen und Arbeitsfelder besser den heutigen Herausforderungen anpassen. In der Evangelischen Kirche in Deutschland sorgt vor allem der Vorschlag für Aufregung, die Zahl der Landeskirchen zu verringern. Zudem soll stärker exemplarisch gearbeitet werden, was wohl bedeutet, dass das Geld für eine exzellente Arbeit in der Breite nicht mehr reicht. Durch sogenannte „Leuchtfeuer“, also Arbeit, die weit in die Gesellschaft hinein ausstrahlt, will die evangelische Kirche Kontur gewinnen.

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat einen Prozess „Perspektive 2025“ eingeleitet. In der Frühjahrssynode im April will das Kirchenparlament dazu eine „Richtungsentscheidung“ treffen, so Öffentlichkeitsreferent Dietmar Burkhardt. Insgesamt fühle man sich auf dem eingeschlagenen Reformweg bestätigt. Allerdings sollen sich Stadt und Land künftig unterschiedlich entwickeln können. Bisher gab es gerade zwischen der Metropole Frankfurt und der Landeskirche häufig Streit um die Verwendung der Kirchensteuer.

Ob diese Perspektive aber bedeutet, dass die kirchliche Präsenz in der Großstadt stärker gefördert wird, ist fraglich. Wie die Kirchenstrukturen dem Bedarf einer Volkskirche in der Minderheit angepasst werden, darüber wird wohl auch am Main weiter heftig diskutiert.

Kurt-Helmut Eimuth

Evangelisches Frankfurt April 2007

Mit ihm muss man rechnen

Volker Stein ist als provokanter Mahner auch kirchenpolitisch aktiv

Man kennt ihn in Frankfurt aus der Politik: Volker Stein, Fraktionsvorsitzender der FDP im Römer. Weniger bekannt ist sein jahrzehntelanges Engagement für die evangelische Kirche. Dabei hat der 56-Jährige die klassische Sozialisation durchlaufen: Jungschar, Kindergottesdienst, Heiland-Pfadfinder und dann seit 1973 Mitglied im Kirchenvorstand der Festeburggemeinde in Preungesheim. Er folgte in diesem Amt seinem Vater Paul Stein.

Foto: Oeser

Foto: Oeser

Doch was nach glattem Übergang aussieht, war eher kämpferisch. Die Jugend setzte Volker Stein damals nachträglich in der Gemeindeversammlung auf die Kandidatenliste. Volker Stein ist eben einer, mit dem man rechnen muss. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Die kleine Gemeinde in Preungesheim hat sich unter seiner Führung für die Zukunft fit gemacht. Pfarr- und Gemeindehaus wurden der schwedischen Gemeinde verkauft, um mit dem Erlös einen Anbau für den eigenen Bedarf zu finanzieren. Die Kirche wird man gemeinsam nutzen. „Eine Kirche, die rund um die Uhr genutzt wird, ist mir lieber als eine, die tageweise genutzt wird“, sagt Stein. Auch werde die Kooperation mit der schwedischen Gemeinde nach Steins Einschätzung „unproblematisch sein, da sie aus unserem Kulturkreis kommt“.

Seit nunmehr 15 Jahren gehört Volker Stein – mit Unterbrechung – dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes an und ist seit 1998 dessen stell­ vertretender Vorsitzender. Als gelernter Lehrer mit den Fächern Sport und evangelische Religion unterrichtete er fast zehn Jahre an der Paul-Hindemith-Schule, bevor er beruflich in die Politik wechselte. Seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen will er auch in der Kirche umgesetzt wissen: „Man kann nur das verteilen, was man einnimmt.“

Steins Positionen klingen oft provokativ. Zum Beispiel wenn er sagt: „Die Kirche kann nicht nur für soziale Randgruppen da sein. Als Volkskirche hat sie in allen Generationen und Schichtungen ihren Stellenwert und ihre Aufgabe.“ Es mache keinen Sinn, die einkommensstarken Schichten aus der Kirche herauszudrängen und dann den fehlenden Kirchensteuermitteln nachzuweinen: „Man muss die Bedürftigen vor den Faulen schützen.“ Nicht alle, die sich für bedürftig hielten, seien es auch, meint Stein. Er prangert aber auch die fragwürdigen Praktiken von Unternehmen an. Wenn etwa die Vorstandsgehälter bei Fraport erhöht werden und gleichzeitig den Pensionären das Weihnachtsgeld gestrichen wird, dann ist das für ihn einfach „un­ anständig“. Es sei unabdingbar für den sozialen Frieden, dass Führungspersönlichkeiten mit gutem Beispiel vorangingen.

Bei aller Kritik und Auseinandersetzung sagt Stein: „Ich bin stolz auf meine Kirche.“ Und ist schon beim nächsten Thema: „Als Kirche haben wir uns immer mehr zurückgenommen. Wir haben gefragt, ob Mission im eigenen Land denn sein dürfe. Ich sage Ja. Und die katholische Kirche, die islamischen Glaubensgemeinschaften und auch Sekten praktizieren dieses seit Jahren.“ Stein formuliert schnell, markant und provokant. Aber es gibt auch die andere, die fürsorgliche Seite. Wenn seine siebenjährigen Zwillinge auf dem Fußballplatz Beistand benötigen, ist er da. „Dann sage ich auch schon mal offizielle Termine ab.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Nov 2006

Die Kirche braucht Streit

Kommentar

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Da rieben sich manche verwundert die Augen: Ungeschminkt und völlig undiplomatisch benannte die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt, Pfarrerin Esther Gebhardt, Kritik an der Vorgehensweise der Kirchenleitung bei der Kürzung der Gemeindepädagogenstellen. Wohlgemerkt: Es ging nicht darum, dass gespart werden muss, es ging um das Wie: Hier eine Stadtkirche, die in demokratisch gewählten Gremien Prozesse zur Umsetzung notwendiger Sparbeschlüsse einleitet, und dort eine Kirchenverwaltung, die quasi per Dekret im Amtsblatt verlauten lässt, in welchem Dekanat wie viele Stellen übrig bleiben.

Kommentatoren, die selbst in der Versammlung gar nicht anwesend waren, wussten daraufhin von einer „Brandrede“ und von „schriller Tonlage“ zu berichten. Sollte denn nicht wenigstens in der Kirche Friede und Harmonie herrschen? Jetzt streiten sogar die Pfarrersleut’, lautete der Vorwurf. Und so mancher sehnt sich nach einer katholischen Struktur: Da kann der Bischof mit wenigen Sachverständigen übers Wochenende die Struktur einer ganzen Stadtkirche verändern. Oder es löst sich eine Gemeinde „auf Bitten des Bischofs“ ohne Widerspruch auf. Diskussionen halten sich in Grenzen, gewünschte Effekte können zeitnah ihre Wirkung erzielen. Zugegeben: In Zeiten großer Veränderungserfordernisse ist das eine verführerische Vorstellung.

Doch die evangelische Kirche hat eine andere Philosophie. Sie geht von der Gleichrangigkeit aller Gläubigen aus. Das „Priestertum aller Gläubigen“ meint, dass keiner einfach das Sagen hat. Auf diese Errungenschaft der Reformation waren die Protestantinnen und Protestanten lange stolz. Und so gehört eine offene und ehrliche Streitkultur zum Leitbild evangelischer Kirche.

Natürlich geht es zunächst ganz weltlich ums liebe Geld. Doch im Hintergrund geht es auch um die missionarische Strategie. Soll eine Frankfurter Gemeinde genauso behandelt werden wie eine Gemeinde in einem Dorf im Odenwald? Ist es sinnvoll, eine Stelle zu streichen, obgleich sie überwiegend von der Kommune bezahlt wird? Es wird von der gewählten Vertretung aller Gemeinden, von der Synode, zu entscheiden sein, ob dies wirklich das richtige Konzept ist. Bis dahin darf nicht nur, sondern muss in guter protestantischer Tradition die Vertretung der sechzig Frankfurter Gemeinden ihren Unmut über die Art und Weise des Umgangs und über die Bevormundung von Seiten der Zentrale lautstark artikulieren. Demokratie ist nun mal ohne Streit nicht zu haben – auch in der Kirche nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt November 2006

Über uns

„Evangelisches Frankfurt wird nicht einseitig sein und sich nicht allein um den kirchlichen Nabel drehen“ – das versprach die Redaktion, als Ende 1976 die erste Ausgabe der neuen Mitgliederzeitung der Frankfurter Kirche erschien.

Antje Schrupp, Ralf Bräuer, Stephanie von Selchow, Kurt-Helmuth Eimuth, Gunda Höppner, Wilfried Steller - v.l.n.r. | Foto: Oeser

Antje Schrupp, Ralf Bräuer, Stephanie von Selchow, Kurt-Helmuth Eimuth, Gunda Höppner, Wilfried Steller – v.l.n.r.
Foto: Oeser

Und so war es dann auch: Sachkenntnis, Meinungsvielfalt, der Kontakt zur Stadt und ein Gespür für aktuelle religiöse Themen kennzeichnen „Evangelisches Frankfurt“ bis heute. Die Redaktion nimmt sich bei ihren wöchentlichen Treffen viel Zeit für engagierte Diskussionen. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage: Was interessiert unsere Leserinnen und Leser?

  • Information: Wer Kirchensteuern bezahlt, hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit diesem Geld geschieht. Daher gibt es immer wieder Berichte über neue Einrichtungen, Projekte und Initiativen der Frankfurter Kirche.
  • Sachkenntnis: Journalistinnen, Pfarrer und kirchliche Medienexperten arbeiten in der Redaktion zusammen. Professionalität beim Zeitungsmachen ist daher genauso garantiert wie eine genaue Kenntnis kirchlicher Strukturen und theologischer Hintergründe.
  • Meinungsvielfalt: Heiße Eisen sind kein Tabu. „Evangelisches Frankfurt“ diskutiert aktuelle Themen kontrovers – hier kommen die verschiedenen Argumente zu ihrem Recht. Zum Beispiel auf der regelmäßigen Seite „Pro und Contra“.
  • Regionalbezug: Kirchliches Leben wird dort konkret, wo die Menschen leben, in der Stadt, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde. Kommunalpolitik, Stadtteilinitiativen und aktuelle Frankfurter Ereignisse sind daher wichtige Bezugspunkte für „Evangelisches Frankfurt“.

    Zahlen und Fakten

  • „Evangelisches Frankfurt“ erscheint sieben Mal im Jahr in einer Auflage von 120.000 Exemplaren.
  • „Evangelisches Frankfurt“ wird per Post an alle Haushalte verschickt, in denen mindestens ein Mitglied evangelisch ist, sowie an alle anderen Interessierten, die die Zeitung beziehen möchten. Außerdem liegt es an verschiedenen Stellen aus, zum Beispiel im Foyer des Dominikanerklosters oder in der Katharinenkirche.
  • „Evangelisches Frankfurt“ kostet, inklusive Druck, Porto und Redaktionskosten, nur rund 1,60 Euro pro Jahr und Kirchenmitglied – eine Investition, die sich lohnt.

vangelisches Frankfurt Okt 2006

„Kirchlicher Beitrag unverzichtbar“

Horst Hemzal übernimmt im neuen Magistrat das Amt des Kirchendezernenten – wie auch schon in der vergangenen Legislaturperiode. Das Amt hat in Frankfurt historische Wurzeln. „Evangelisches Frankfurt“ befragte den CDU-Politiker zu seinen Aufgaben.

Herr Hemzal, Sie sind Stadtkämmerer und Kirchendezernent. Sind die beiden Ämter in einer Person vereinigt, weil die Kirchen Geld brauchen?

Horst Hemzal

Horst Hemzal

Oberbürgermeisterin Petra Roth übertrug mir die Aufgaben des Kirchendezernenten 1999 zeitgleich mit den Aufgaben des Sozialdezernenten. Die Koppelung der Funktionen Stadtkämmerer und Kirchendezernent ist also nicht zwangsläufig. Aufgabe des Kirchendezernenten ist die Erfüllung der Pflichten der Stadt aus den Dotationsurkunden von 1829/ 1830. Mit den Zugeständnissen in diesen Urkunden sicherte die damalige Freie Reichsstadt Frankfurt die Überlebensfähigkeit von evangelischer und katholischer Kirche, die nach der Säkularisation den größten Teil ihres Vermögens verloren hatten. Den heutigen Geldbedarf der Kirchen deckt das bei weitem nicht.

Nur etwa jeder zweite Frankfurter gehört einer christlichen Kirche an. Braucht die Stadt da einen Kirchendezernenten?

Dass nur noch wenig mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung einer christlichen Kirche angehören, hat keine Auswirkung auf die Aufgaben des Kirchendezernenten. Der Kirchendezernent ist in erster Linie verantwortlich für die Bauunterhaltung der im städtischen Eigentum befind­ lichen Dotationskirchen. Diese sind – ich nenne die evangelischen Kirchen zuerst – die Alte Nikolaikirche, Dominikanerkloster mit Heiliggeistkirche, Dreikönigskirche, St. Katharinenkirche und St. Peters­ kirche. Die katholischen Dotationskirchen sind St. Bartholomäusdom, St. Leonhardskirche und Liebfrauenkirche. In den schon erwähnten Urkunden hat sich die Stadt unter anderem verpflichtet, diese Kirchengebäude – einschließlich Glocken und Orgeln – dauerhaft in gutem Zustand zu er­ halten und den jeweiligen Gemeinden zum kostenlosen Gebrauch zu überlassen. Für die Kirchen ist es nach meinem Eindruck sehr angenehm, einenfesten Gesprächspartner im Magistrat zu haben.

Worin sehen Sie den Beitrag der Kirchen zu einer bürgerlichen Gesellschaft?

Die bürgerliche Gesellschaft hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts sehr verändert. Vorbei ist die Zeit, in der bürgerliche Gemeinde und kirchliche Gemeinde praktisch identisch waren. Die heutige Gesellschaft ist geprägt durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft. In Frankfurt leben derzeit Menschen, die etwa 170 Nationalitäten und mehr als 140 verschiedenen Religionsgesellschaften angehören. Den kirchlichen Beitrag zum friedlichen Miteinander und zur Integration dieser Menschen halte ich für unverzichtbar und für eine großartige Leistung.

Was bedeutet Ihnen persönlich dieses Amt?

Ich bin ein religiöser Mensch. Die Übernahme der Funktion des Kirchendezernenten war mir Freude und nicht Belastung. Ich nehme immer wieder an großartigen kirchlichen Veranstaltungen teil und kann so Eindrücke von der Qualität der Arbeit in einzelnen Gemeinden erlangen. Außerdem treffe ich häufig interessante Menschen aus dem kirchlichen Umfeld, was mir stets eine willkommene Bereicherung ist.

Fragen: Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Sept 2006

Dabeisein ist nicht alles

Es gibt viele Gründe, sich über die Fußball-Weltmeisterschaft zu freuen. Da wird es spannende Spiele geben, da werden die Apfelweinlokale in Sachsenhausen überlaufen. „Zu Gast bei Freunden“ heißt das ambitionierte Motto, und es schließt auch die Geschäftstüchtigkeit der Gastgeber mit ein. Jeder will mit verdienen oder doch wenigstens mit dabei sein. Auch die Kirche. Manche Aktion schießt dabei jedoch über das Ziel hinaus.

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Laufwunder, Himmelsstürmerin, Kabinenprediger: Die Aufschriften auf den T-Shirts des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik ziehen augenzwinkernd eine Parallele zwischen Fußball und Religion. – Foto: Hansisches Druck- und Verlagshaus

Man stelle sich vor: Hunderte von Schlachtenbummlern kommen in Trikots in die Stadien. Nein, nicht in Trikots ihrer Lieblingsmannschaft, sondern in weißen T-Shirts mit Aufschriften wie „Himmelsstürmerin“, „Laufwunder“ oder gar „Kabinenprediger“. Und damit man auch erkennt, dass sie alle zusammengehören, tragen sie nach dem Willen des solche Utensilien feilbietenden Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik auch noch eine Kappe mit der Aufschrift „Fangemeinde“.
Gemeinsam mit dem Magazin „Chrismon“ versucht die Evangelische Kirche in Deutschland auf den WM-Zug aufzuspringen und hat dafür unter www.fangemeinde-ekd.de sogar eine eigene Internetseite inklusive Online-shop eingerichtet. Weitere Fußballprodukte von Tassen bis zum Fußballmagnetspiel werden angeboten. Besonders praktisch und ganz ohne religiöse Doppeldeutigkeit ist etwa der „Soccer-Hocker“: Damit wird angeblich jeder Bierkasten zur „komfortablen Sitzgelegenheit“.
Fußball und Religion. Sie haben in der Tat ja so manches gemeinsam. Da sind vor allem die Rituale. Für manchen Fan beginnt der Spieltag mit dem feierlichen Anlegen der Kluft, die er aus einer Art Schrein holt. So gewandet schreitet er unter Absingen „heiliger“ Lieder quasi prozessionsartig in die Kathedrale des Sports, das nagelneue WM-Stadion.
Aber kann man daraus wirklich, wenn auch ironisch augenzwinkernd, auf inhaltliche Parallelen schließen? Zahlreiche Soziologen haben die Gemeinsamkeiten von Fußball und Religion beschrieben. Die Analyse ist eindeutig. Fußball ist eine Art Pseudoreligion. Pseudo deshalb, weil dem Fußball – anders als den echten Religionen – die befreiende Heilsbotschaft fehlt. Der Mainzer Weltanschauungsbeauftragte Eckhard Türk drückt es in einem Beitrag für „Publik Forum“ so aus: „Wirkliche Religionen wollen den Menschen mit einer ihn und die Welt restlos übersteigenden und unüberbietbaren Wirklichkeit in Beziehung bringen, die das wirkliche Heil für den Menschen bedeutet.“ Beim Fußball ist das aber anders. Bei diesem Kult geht es nicht darum, sich mit einer höheren Macht in Verbindung zu setzen. Vielmehr muss man das Heil erst selbst herstellen, um dann auf dieses zu vertrauen. Nur wer Tore schiesst, wird hier als Held gefeiert.
In der überschäumenden Freude auf die Weltmeisterschaft und angetrieben von dem Wunsch, bei diesem Mega-Event auch dabei zu sein, scheinen einige in der Kirche ihre eigene Heilsbotschaft aus den Augen und das rechte Maß verloren zu haben. So wird auf der Internetseite des hessen-nassauischen WM-Pfarrers, der für ein ganzes Jahr von seinen Gemeindepflichten frei gestellt wurde, das (Facetten-)Kreuz in einen Fußball eingepasst, ganz so, wie die Telekom den Berliner Funkturm als magentafarbenen Fußball hat dekorieren lassen. Und auch nur bedingt lustig ist das Wörterbuch auf der Startseite von www.kirche-spielt-mit.de: Da wird die Vereinshymne zum Choral, die Fans werden zu Gemeindemitgliedern und das Gebet zur Kommunikation mit höheren Mächten vor einem Elfmeter.
So werden die eigenen Inhalte banalisiert. Im Fußball heisst das Eigentor.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Mai 2006

Ausgegrenzt und ausgelacht

Tatort Büro: Immer mehr Menschen klagen darüber, dass die Arbeit sie krank macht - nicht wegen Überlastung, körperlicher Anstrengung oder sonstiger Gefahren, sondern wegen der schlechten Atmosphäre, weil sie sich von Kolleginnen und Kollegen oder auch vom Chef "gemobbt" fühlen.

Mobbing wird definiert als eine Häufung von „negativen kom- munikativen Handlungen am Arbeitsplatz, die systematisch und zielgerichtet betrieben werden, wobei über den oder die Angegriffene tiefer liegende, betriebliche Probleme ausgetragen werden.“ 1,5 Millionen Fälle soll es in Deutschland bereits geben – Grund genug für die Kirche, sich des Problems anzunehmen. Schließlich trägt sie nicht nur ethische und seelsorgerliche Verantwortung, sondern ist auch selbst ein großer Arbeitgeber.
Es begann ganz harmlos. Die einst geachtete Kollegin B. sitzt plötzlich immer alleine am Tisch in der Kantine. Das scheint sich ganz von selbst, wie von Geisterhand gelenkt, so zu ergeben. Sie merkt, dass sie über dienstliche Angelegenheiten nicht mehr informiert wird. Die Folge sind Konflikte mit Vorgesetzten, da sie bestimmte Aufgaben nicht mehr erfüllt. Anfangs bemüht sich Kollegin B. noch redlich. Selbst wenn es beim Geburtstagsumtrunk im Nachbarbüro hoch her geht, arbeitet sie. Sie hat sich schon lange damit abgefunden, dass sie zu solchen Anlässen nicht mehr eingeladen wird. Eine solche Ausgrenzung am Arbeitsplatz steckt auf Dauer niemand so einfach weg. Kollegin B. ist inzwischen wegen ihrer chronischen Magenbeschwerden häufig krank geschrieben.
Frau B. ist ein typisches Mobbingopfer. Mobbing leitet sich aus dem englischen Verb „to mob“ ab, was so viel heißt wie belästigen, anpöbeln oder auch manipulieren. Unter Mobbing wird ein längere, systematische Ausgrenzung eines Kollegen oder einer Kollegin verstanden. Allein in Deutschland sollen 1,5 Millionen Menschen Opfer solcher Verhaltensweisen sein. Krankheit und Kündigung sind oftmals die Folge. Die Kosten für die Wirtschaft sind enorm. Nicht nur die krankheitsbedingten Fehltage belasten die Unternehmen. Mobbing-Opfer leisten auch deutlich weniger. So fand eine deutsche Untersuchung heraus, dass Mobbing-Betroffene anfangs zwar mit erhöhter Leistung reagierten, dann aber, wenn sie die Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen einsehen, die „innere Kündigung“ vollziehen.
Nun ist natürlich nicht jeder Konflikt mit dem Vorgesetzten, jede Dienstanweisung oder jede Versetzung gleich ein Fall von Mobbing. Erst wenn Konflikte nicht mehr offen benannt und einer Lösung zugeführt werden, ist der Nährboden für Mobbing gelegt. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) will solchem Verhalten vorbeugen. In einer kürzlich erschienenen Handreichung zeigt sie Wege auf, wie mit dem Thema Mobbing offen umgegangen werden kann. Die regelmäßige Information der Mitarbeiterschaft ist ebenso notwendig wie die Schulung und Ausweisung qualifizierter Konfliktbeauftragter. Ob und in welchem Ausmaß allerdings der Arbeitsplatz Kirche selbst auch ein Ort ist, an dem gemobbt wird, vermochte die zuständige Referentin der Kirchenverwaltung nicht zu quantifizieren.
Kurt-Helmuth Eimuth

Die kirchliche Handreichung zum Thema Mobbing kann bei der EKHN, Paulusplatz 1, 64285 Darmstadt, Telefon 06151/405420 angefordert werden. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) bietet in Frankfurt jeden Freitag von 8 bis 10 Uhr Telefonberatung für Betroffene unter der Nummer 71911613. Informationen rund um das Thema Mobbing gibt’s im Internet unter www.mobbing-net.de oder unter www.sozialnet-hessen.de/mobbing, dort wird von der DAG jeden Mittwoch von 18 bis 20 Uhr ein Chat für Betroffene angeboten. Um die Frage „Mobbing – ernstes Thema oder nur ein Modetrend?“ geht es auch beim nächsten Pro- und Contra-Chat von „Evangelisches Frankfurt“ am Donnerstag, 5. April, von 18 bis 19 Uhr.

Evangelisches Frankfurt, Ausgabe April 2001 · 25. Jahrgang · Nr. 2

Gerechtigkeit ist Leben

Andacht, Kirchentag

30. 6. 1997

Lied: EG 445, 1, 2, 5

Votum:

Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.

Mit diesem Wochenspruch aus dem Epheserbrief, Kapitel 2, Vers 8 begrüße ich Sie herzlich zur heutigen Andacht, die wir feiern im Namen Gottes des Vater, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Psalm 73, Nr. 733

Lied: EG 632, 1-3

Ansprache:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der 27. Deutsche Evangelische Kirchentag ging vor gut einer Woche zu Ende. Leipzig war geprägt, trotz Regens, von den vielen fröhlichen Besuchern und Besucherinnen. Das Bild kennen wir ja. Und doch war dieses Mal das Kirchentagsthema etwas sperriger. Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben, so das Motto des viertägigen Treffens ist angesichts der deutlichen Widersprüche die der Besucher und die Besucherin selbst bei der Straßenbahnfahrt wahrnimmt augenfällig.

Da stehen postmoderne Bürogebäude neben Häusern, die an das Nachkriegsdeutschland erinnern. Soziale Gegensätze prallen hier aufeinander in einer Schärfe, wie wir sie uns kaum vorstellen. Und dann dieses programmatische und prophetische Wort: Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben. Ungerechtigkeit ist Tod. Ungerechtigkeit vernichtet. Ungerechtigkeit macht perspektivlos.

Doch so sehr wir alle uns Gerechtigkeit wünschen, so schwierig ist es immer klar zu sagen was gerecht ist. Im heutigen Lehrtext heißt es im 1. Johannesbrief, Kapitel 1, Vers 8: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.

Wir Menschen müssen um diese Wahrheit ringen, immer wissend, daß wir auch irren können. Doch wir sind aufgefordert eben sie zu suchen, uns für sie einzusetzen und Position zu beziehen. Darum muß sich auch unsere Kirche für die Wahrheit engagieren. Wahr ist: Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben. Wenn wir diese Wahrheit teilen, müssen wir uns für eine gerechte Welt einsetzen. Keine leichte Aufgabe, weder für den Einzelnen noch für unsere Kirche. Dorothee Sölle hat es in der ihr eigenen Weise in einer Bibelarbeit in Leipzig auf den Punkt gebracht.

„Einer der vielen Gründe, warum es die Kirche heute nicht gerade leicht hat, ist ein sehr ehrenvoller: die unaufgebbare Perspektive der Verlierer, der Loser. Der biblische Gott hat eine merkwürdige Vorliebe für die, die zu kurz kommen, für die kein Platz da ist, die Unterlegenen. Wo gesiegt wird, da wird auch unterworfen; wo heute Waffen exportiert werden, da werden morgen Frauchen vergewaltigt; wo gewonnen wird, da gibt es Verlierer; wo Globalisierung Platz greift, da wird die Subsistenzwirtschaft zerstört; wo Arbeit abgeschafft wird, um schneller und problemloser zu den Winnern zu gehören, da sollten wir diese andere Perspektive mitsehen. ‚Wer verliert dabei?‘ sollten wir bei jeder wirtschaftspolitischen Neuerung, wie zum Beispiel der Abschaffung der Vermögenssteuer, laut und deutlich fragen. Wer sind die Verlierer bei der globalen Weltaneignung?

Und wer gewinnt, wenn Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden? Die Aktien steigen, wenn mehr Menschen ins Unglück gestürzt werden.

Ich frage mich manchmal, was ich der Kirche, meiner Kirche, wünsche, wie sie ohne Selbstbeschädigung und Selbsterübrigung durch diese Zeiten käme. Ich möchte, daß sie nicht nur zählt und sich selber im Zählen erstickt. Es gibt Loser, die haben nichts anderes im Kopf als die Winner. So sollte es bei uns nicht sein. Ich wünsche mir, daß diese Erzählgemeinschaft namens Kirche mit störrischer Geduld Jesaja und Christus weitererzählt, Geschichten, die nicht von Winnern handeln. Ich wünsche mir, daß sich die Kirche nicht der Sprache der Gerechtigkeit schämt. Daß sie dieses überflüssige Globalisierungshemmnis namens Gerechtigkeit noch erinnert. Daß sie es analysiert und einklagt, betet und singt.

Lied: EG: 632, 4 + 5

Mitteilungen:

Gebet:

Du Schöpfer dieser Welt.

Wir leben von deiner Güte und Weisheit.

Uns Menschen ist viel Macht gegeben.

Was deine Weisheit geschaffen hat,

ist uns unweisen Menschen anvertraut.

Was du gegeben hast, damit wir leben können,

ist Gefahr geworden für unser aller Leben.

Wir möchten dir danken für deine Welt.

Wir möchten einander schützen

vor Gewalt und Haß.

Wir möchten deine Gaben behüten:

die Menschen und ihr Glück

und das Leben der ganzen Erde.

Wir bitten dich, bewahre uns den Frieden

und bewahre uns davor,

den Frieden anderer zu gefährden:

den Frieden unserer Kinder, Freunde und Nachbarn

und aller, denen wir begegnen.

Wir bitten dich, Schöpfer dieser Welt,

hilf uns und gib Gelingen.

mit den Worten die Christus uns gelehrt hat:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen:

Geht in diesen Tag, in diese Woche mit dem Frieden

unseres Gottes:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir

und sei dir gnädig.

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und

gebe dir Frieden. Amen.

Lied: EG 421 (1)