Sacri Monti – Orte, die die Seele streicheln

Kunst & Kultur

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Januar 2022

Die Sacri Monti sind neun „Heilige Berge“ im Piemont und der Lombardei, im Alpenbogen zwischen Mailand und Turin. Jetzt gibt es erstmals ein Buch darüber in deutscher Sprache.

Georg Blanc: Sacri Monti – dem Himmel so nah. EOS-Verlag, 9,95 Euro
Georg Blanc: Sacri Monti – dem Himmel so nah. EOS-Verlag, 9,95 Euro

Seit 2003 zählen sie zum Unesco-Weltkulturerbe. Zu unterschiedlichen Themen sind dort in Kapellen Szenen biblischer Geschichte oder aus dem Leben des Franz von Assisi mit lebensgroßen Figuren dargestellt. Sie erzählen vom Leben Jesu, von seinem Leiden und Sterben und, gut katholisch, auch von der Geschichte Mariens und den Geheimnissen des Glaubens im Rosenkranz. Im Mittelalter wollte man mit solchen Darstellungen die Bibel „verlebendigen“. Ihren Ursprung hat diese Tradition in der Darstellung der Geburt Jesu an Weihnachten 1223 in Greccio, die auf Franz von Assisi zurückgeht.

Der im Rhein-Main-Gebiet lebende Lehrer und Pastoralreferent Georg Blank hat in den vergangenen zehn Jahren alle Berge mit Schulklassen besucht. In diesem Büchlein gibt er nun zu ausgewählten Figurengruppen Erläuterungen – es ist das erste deutschsprachige Buch über diese einzigartige Tradition. Trotz seiner zahlreichen Fotografien ist es mehr als ein Fotoband und macht Lust auf Reisen und Pilgern.

Die neun Berge liegen in Landschaften von besonderer Schönheit. In der Begründung der Unesco wird auf das Zusammenspiel von Kultur und Landschaft, von Kunst und Umgebung, von Glaube und Geschichte, von Natur und Spiritualität hingewiesen. Alle neun Berge bieten sich als Pilgerroute für einen Tagesausflug an. Man kann gut an den einzelnen Stationen Halt machen. Dabei trübt das spirituelle Erlebnis nicht, dass zahlreiche Figuren stark restaurierungsbedürftig sind.

Ausgangspunkt der Touren von Blank war jeweils das Bungalowdorf des Jugendwerks Brebbia am Lago Maggiore. Die Anlage des Bistums Mainz wird auch für Fortbildungen der evangelischen Kirche genutzt, Individualreisende sind ebenfalls willkommen.

Zu guter Letzt

Die Redaktion des EFO hat für micht persönlich eine eigene, wunderbare Ausgabe gemacht. Vielen Dank liebe Kolleginnen und Kollegen. Unten kann man die Ausgabe runterladen.

Der Muezzin-Ruf gehört wie die Kirchenglocken zu Deutschland

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. November 2021

In Köln dürfen islamische Gemeinden jetzt offiziell einen Muezzin-Ruf zum Freitagsgebet per Lautsprecher senden. Das ist auch richtig so.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Stadt Köln hat islamischen Gemeinden einen Muezzin-Ruf zum mittäglichen Freitagsgebet per Lautsprecher erlaubt. Zehn Gemeinden bekundeten Interesse. In der islamischen Welt kündigt der Ruf des Muezzins vom Minarett, dem Turm der Moschee, die Zeit zum Gebet an. Fünf Gebete Richtung Mekka am Tag schreibt der Koran vor, das Gemeinschaftsgebet der Männer in der Moschee ist nur freitags Pflicht. Eigentlich bedarf es hierzu gar keiner Erlaubnis, da es als Teil der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit angesehen wird.

In Deutschland leben schätzungsweise über fünf Millionen Muslime. Deshalb ist es sicher ein Zeichen von Toleranz, wenn der Muezzin-Ruf ebenso wie das christliche Glockengeläut ermöglicht wird. Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg weist darauf hin, dass das Bundesgesetz beim Gebetsruf des Muezzin, wie auch bei Kirchenglocken, kein Genehmigungsverfahren vorsieht. Bislang beabsichtige aber wohl keine Moscheegemeinde in Frankfurt, einen Muezzin-Ruf einzuführen. In Offenbach übrigens auch nicht. Nur während des Versammlungsverbotes in der Corona-Pandemie hatten einige Moscheegemeinden um Genehmigung gebeten, manche, unter anderem die in Frankfurt-Hausen, haben den Ruf auch ertönen lassen. Von Beschwerden ist nichts bekannt geworden. „In Frankfurt gibt es ein friedliches und nachbarschaftliches Miteinander – gerade dort, wo sakrale Gebäude stehen“, sagt Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg, die auch Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Auch Kirchenglocken können als störend empfunden werden. Erst kürzlich musste ein Gericht sich mit der Klage einer Nachbarin der evangelischen Kirche in Merzhausen bei Usingen beschäftigen. Sie fühlte sich gestört. Die Glocken dürfen aber weiterhin zum Gottesdienst rufen. Glockengeläut wird von vielen auch als eine Form akustischer Beheimatung empfunden. Wenn sich die 50 Glocken der zehn Frankfurter Innenstadtkirchen im Geläut vereinen, lockt das immer Tausende an. Das Große Stadtgeläut erklingt am Samstag vor dem 1. Advent, 27. November, um 16.30 Uhr, sowie am Heiligen Abend, 24. Dezember, um 17 Uhr.

Wer nicht warten kann, verliert das Gespür fürs Besondere

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. November 2021

Weihnachtskitsch schon Mitte November? Pandemiebedingt beginnen die Adventsmärkte in diesem Jahr teilweise schon Mitte November. Dabei kommt nicht nur das Gedenken am Totensonntag unter dir Räder. Es macht die Märkte auch beliebig.

Lydia Hinton/Unsplash.com
Lydia Hinton/Unsplash.com

Warten, Abwarten ist eine Tugend. Zumindest in England. Bei uns herrscht eher das Gedrängel im Gedrängel. Und klar, an der Kasse nebenan geht es doch schneller.

Uff, und da kommt der Advent daher. Diesmal kalendarisch bedingt schon sehr früh. Am 28. November ist schon der 1. Advent. Der Beginn der Ankunftszeit, sozusagen die letzten vier Wochen der Schwangerschaft. Man fiebert der Geburt entgegen. In diesem Jahr haben wir beim Holzkünstler eine schwangere Maria bestellt. Dass wir all die Jahre darauf nicht kamen? Warten auf das Kind, das noch im Bauch der Mutter ist.

Dieses Warten drücken auch die vier Adventskerzen aus. Ursprünglich hatte Johann Hinrich Wichern 24 Kerzen auf ein großes Wagenrad geklemmt. Man schrieb das Jahr 1839. Für die Kinder im Rauhen Haus in Hamburg, ein Kinderheim, sollte so das Warten erträglicher werden. Den Kranz hängte Wichern im Betsaal des Waisenhauses auf. Er hatte 19 kleine rote und vier dicke weiße Kerzen. Jeden Tag wurde eine neue Kerze angezündet – eine kleine für die Werktage, eine große für die Advents-Sonntage. Die Kinder wussten also immer, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind. Einen netten Nebeneffekt hatte der Kranz auch: Die Kinder lernten wie nebenbei das Zählen.

Die Idee ist so einfach wie genial und eroberte deshalb schnell die Welt. Nur das mit dem Wagenrad war in kleinen Wohnungen doch eher unpraktisch. Vier Adventskerzen für die Sonntage ist schon lange die bei uns übliche Sparversion.

Warten können wir aber trotzdem nicht. Überall müssen viele Lichter her, hoffentlich dem Klima zuliebe in LED-Technik. Und weil uns das Warten so schwerfällt, sollen auch die Weihnachtsmärkte möglichst früh aufmachen. Also zumindest vor dem 1. Advent. In Frankfurt will man immerhin noch den Totensonntag, den Ewigkeitssonntag abwarten, dieses Jahr am 21. November. Doch dann soll es gleich am Montag losgehen. Früher wartete man wenigstens bis zum Mittwoch, denn eigentlich soll die Woche nach dem Totensonntag dem Gedenken gewidmet sein. Aber nach all dem wirtschaftlichen Stillstand wegen der Pandemie soll es möglichst schnell losgehen mit dem Verkauf von Glühwein und Bratwurst, von Engeln und Zuckerwatte.

Während Frankfurt noch halbwegs am christlichen Jahreskreis festhält, ist man in anderen Städten noch forscher. In Offenbach und Darmstadt sollen die Weihnachtsmärkte schon am 15. November öffen, in Gießen am 18. November. Hoffentlich hilft es wenigstens der notleidenden Schausteller-Branche.

Aber es geht eben auch etwas verloren. Wer das Besondere, den Festtag, zum Alltäglichen macht, spürt nicht mehr die Freude auf diesen einen Tag. Dann wird eben auch der Weihnachtsmarkt nur noch ein Markt neben vielen anderen Märkten sein. Das Besondere braucht die Einzigartigkeit, auf die man sich beim Warten freuen kann. Das ist immer so, egal ob es aus religiösen oder traditionellen Gründen geschieht.

Denkanstöße: Drei Minuten, die sich lohnen

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. November 2021

Die Texte des Frankfurter Pfarrers Helwig Wegner-Nord geben kurzweilige Denkanstöße zu unterschiedlichen Themenkomplexen.

Helwig Wegner-Nord: Ohne Himmel ist die Erde ziemlich grau. Denkanstöße - Hoffnungstexte - Glaubenswelten. Verlagshaus Speyer, 11,90 Euro.
Helwig Wegner-Nord: Ohne Himmel ist die Erde ziemlich grau. Denkanstöße – Hoffnungstexte – Glaubenswelten. Verlagshaus Speyer, 11,90 Euro.

Es gibt ja zahlreiche christliche Lebenshilfebücher. Gerne auch zu einem Anlass, wie runde Geburtstage oder Krankheit. Meist mit eindringlichen Bildern, die die Schönheit der Natur sinnlich abbilden. Nichts von dem hat das Buch des Frankfurter Pfarrers Helwig Wegner-Nord. Es setzt ganz auf das Wort. In 130 engbedruckten Seiten sind seine Denkanstöße, oder wie er es nennt, „Hoffnungstexte“, gebündelt.

Man merkt den Beiträgen an, dass sie ursprünglich für das Radio oder das Fernsehen konzipiert waren. Der Autor war lange als Sprecher des „Wortes am Sonntag“ in der ARD tätig. So entstand ein Buch, das man keineswegs am Stück durchlesen muss, auch wenn es Spaß macht, die vielen unerwarteten theologisch-philosophischen Wendungen zu entdecken. In sieben Themenblöcke gegliedert finden sich Einzeltexte, die gut als Denkanstoß für den Tag genutzt werden können. Mit Wegner-Nord durch das Jahr wäre nicht die schlechteste Idee.

Es sind vor allem unverhoffte Wendungen und unbekannte Hintergründe, die Wegner-Nord in durchaus humorvoller Weise darbietet. Etwa wenn er darauf hinweist, dass der biblische Adler eigentlich doch ein Geier gewesen sei, und warum er doch lieber beim Bild des Adlers bleibt. Wie frei der Autor in seinen Gedanken ist, zeigt etwa der Wunsch, der Bibel noch ein Kapitel hinzuzufügen. Ein Kapitel vom weinenden Gott, denn ein weinender Gott sei ein starker Gott. Aber es geht auch um aktuelle Ereignisse: Um Pandemie, um Rassismus, um Erziehung oder auch Qualitätsmanagement.

Selbst beim Thema Tod findet der Autor einen leichten Zugang, wenn er von dem Selbstbau-Sarg erzählt, den man zunächst auch als Schrank nutzen könne. Es sind diese überraschenden Verknüpfungen, die den Reiz des Buches ausmachen. Man ahnt gelegentlich, welche Mühe hinter mancher Recherche steckt. Etwa wenn er von der Jesus-Christus-Echse erzählt, die tatsächlich so heißt, weil sie übers Wasser laufen kann.

Fazit: Ein Buch mit zahlreichen äußerst kurzweiligen Denkanstößen zu unterschiedlichen Themenkomplexen. Drei Minuten reichen hierfür aus. Drei Minuten, die sich lohnen.

Im Alter kann man sich noch verlieben

von Kurt-Helmuth Eimuth 19. Oktober 2021

Nach vierzig Jahren hat Margot Käßmann einen alten Jugendfreund wiedergefunden. Inzwischen sind die beiden ein Paar und haben gemeinsam ein Buch über ihre Lebenserinnerungen geschrieben.

Margot Käßmann, Andreas Helm: Mit mutigem Schritt zurück zum Glück. 187 Seiten, bene! 2021, 20 Euro
Margot Käßmann, Andreas Helm: Mit mutigem Schritt zurück zum Glück. 187 Seiten, bene! 2021, 20 Euro

Sie ist die bekannteste Theologin Deutschlands. An ihrem Schicksal nehmen Millionen Teil, ob zweimalige Krebserkrankung, Scheidung oder jene unglückliche Alkoholfahrt, die sie das Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland kostete. Seit Jahren lässt Margot Käßmann die Menschen teilhaben an ihren Herausforderungen, aber auch an ihrem Glück.

Und nun? Ruhestand, Enkel und hie und da eine Fernsehpredigt? Nein, nicht bei Käßmann. Hollywood hätte es sich nicht besser ausdenken können: Ihr alter Jugendfreund, Andreas Helm, traf sie, sprach sie vor acht Jahren an, und die beiden entdeckten, dass sie sich noch nahe sind. Erstaunlich ähnlich sind ihre Leben verlaufen: Beide geschieden, beide haben jeweils vier Kinder, teils mit den gleichen Namen.

Heute sind Margot Käßmann und Andreas Helm ein Paar. In einem dialogisch angelegten Buch beschreiben sie ihr neues gemeinsames Leben. Spannend wird es aber für den Leser und die Leserin, wenn von den gemeinsamen Erfahrungen berichtet wird. Von der großen Demonstration gegen den Nato-Doppelbeschluss oder der kritischen Haltung zur Atomkraft. Und sie lassen diejenigen von uns, die ebenfalls in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts geboren sind, teilhaben an ihren Erinnerungen: „Ja, die Jahre des Lebens verändern uns. Aber wir beide haben den Eindruck, der Wesenskern eines Menschen verändert sich auch in 40 Jahren nicht, selbst wenn es ein bisschen gedauert hat, bis wir uns erzählt hatten, was in dieser Zeitspanne passiert war.“

Sie erzählen es sich und uns, die wir es mit unseren eigenen Biografien vergleichen. Wie war das bei mir, wie war das bei dir? Gerade wenn man selbst eine Sozialisation in der evangelischen Kirche erlebt hat, wird vieles wieder lebendig. Die Partys im Jugendkeller, die Fahrten mit der Gemeindejugend, auch die Musik. Es war eine Zeit des Aufbruchs in Kirche und Gesellschaft.

Käßmann und Helm leben ihr Leben weiter, haben keine gemeinsame Wohnung und sind doch oft zusammen. Ein Buch über eine gelungene Partnerschaft, deren Wurzel in der Jugend gelegt wurde und die sich doch erst im Alter wirklich zusammenfand. „Es braucht manchmal Kraftanstrengungen, einen neuen Aufbruch und Offenheit, um Beziehung zu wagen.“ Das geht auch noch mit 60 Jahren.

Doch die beiden verschließen nicht die Augen vor dem Alter und einer möglichen Pflegebedürftigkeit. „Sollte eine/r von uns pflegebedürftig werden, müssen wir neu schauen, wie wir unser Leben dann miteinander gestalten.“ Es ist kein theologisches Buch, aber es ist ein Buch über die Meisterung des Lebens in Gottvertrauen. Mehr Theologie geht doch eigentlich nicht.

Margot Käßmann/Andreas Helm: Mit mutigem Schritt zurück zum Glück, 187 Seiten, bene!, 20 Euro.

Gerd Müller: „Wissen und Technologie für eine Welt ohne Hunger sind vorhanden“

von Kurt-Helmuth Eimuth 30. September 2021

Wie steht es weltweit um die Versorgung mit Lebensmitteln? Fragen an Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU).

Foto: MBZ Pool/Janine Schmitz/photothek.net
Foto: MBZ Pool/Janine Schmitz/photothek.net

Herr Müller, welchen Bedarf an Nahrungsmitteln gibt es weltweit?

Wir müssen uns klar machen: Die Weltbevölkerung wächst jedes Jahr um 80 Millionen Menschen – das ist die Größe Deutschlands. Afrikas Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln. Das zeigt die gewaltige Herausforderung, eine Welt ohne Hunger zu schaffen. Beim Kampf gegen den weltweiten Hunger waren wir auf einem guten Weg: Seit 1990 sank die Zahl der Hungernden um 200 Millionen, obwohl zwei Milliarden Menschen neu auf die Welt gekommen sind. Ein großer Erfolg. Aber in den letzten Jahren nimmt der Hunger wieder zu. Durch die Folgen der Corona-Pandemie fallen 130 Millionen Menschen zusätzlich in Hunger und Armut zurück. Das sind mehr Menschen als die Bevölkerung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zusammen! Wir müssen diese Trendwende zum Negativen stoppen. Eigentlich müsste Welternährung das globale Top-Thema Nummer eins sein.


Welche Möglichkeiten sehen Sie, diesen Bedarf zu decken?

Das Wissen und die Technologie ist vorhanden, um eine Welt ohne Hunger zu schaffen. Was notwendig ist, sind der politische Wille und ein stärkeres Commitment der Industrieländer. Für eine Welt ohne Hunger bedarf es Investitionen von zusätzlich 40 Milliarden Euro pro Jahr durch die Weltgemeinschaft bis 2030. Das klingt viel, ist aber machbar. Für Rüstung und Militär geben die Staaten jedes Jahr 2000 Milliarden Euro weltweit aus. Leider gibt es Länder, auch europäische, die ihre Gelder für Entwicklungszusammenarbeit reduzieren. Auch die EU hat ihre Mittel gekürzt. Das ist inakzeptabel und kurzsichtig. Denn der Kampf gegen Hunger ist auch die beste Friedenspolitik.


Können lokale Initiativen wie Lebensmittelrettung einen Beitrag leisten?

Absolut. Ein Drittel aller Lebensmittel, die weltweit produziert werden, erreichen den Verbraucher nicht, während Millionen von Menschen in der Welt hungern! Mit lokalen Initiativen können auch wir in Deutschland einen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung und für eine gesunde Ernährung leisten. Vor allem ist entscheidend, dass wir jetzt den politischen Mut aufbringen, auch die Reformen für eine Welt ohne Hunger anzugehen: Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft weltweit sowie faire Handelsbeziehungen und faire Lieferketten insbesondere im Agrarbereich.

Corona und die Schulen: Kompliment an die Lehrkräfte

von Kurt-Helmuth Eimuth 15. Oktober 2021

Neulich auf dem Schulhof: In vielen Klassen findet der Musikunterricht wegen Corona zurzeit im Freien statt. So hat die ganze Nachbarschaft was davon. Unseren Kolumnisten freut’s.

Erfreuen die Nachbarschaft: Musikunterricht im Freien auf dem Hof der Musterschule. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Erfreuen die Nachbarschaft: Musikunterricht im Freien auf dem Hof der Musterschule. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Neulich blickte ich mal wieder vom Schreibtisch auf, direkt in den Schulhof in der Nachbarschaft. Die Szene hat schon so etwas von den idyllischen Bildern auf den Adventskalendern. Kinder jeden Alters toben und springen in den Pausen. Nur die Gesichtsmasken erinnern daran, dass doch eigentlich Pandemie ist.

Nach Ablauf der Pause hat meistens irgendeine Klasse Musikunterricht. Ein Highlight für mich als Nachbarn! Da stehen sie im Kreis und tanzen zu einem Song, den die Lehrerin auf der Gitarre begleitet. Oder der Chor singt. Oft sind es die alten Pop-Songs der 70er und 80er Jahre. Gerne öffne ich das Fenster einen Spalt und höre zu, wie ein vielstimmiger Kinderchor „All you need is love“ intoniert. Unter dem Vordach steht ein Klavier und gibt dem Gesang Halt. Im großen Abstand und mit dicken Jacken ausgestattet erklingen die fröhlichen Melodien. Und wenn erst einmal die Brass-Band probt, ist es vollends ein Genuss für die Nachbarschaft.

So kann und soll Schule sein. Dieses Bild einer behüteten Kindheit steht im krassen Gegensatz zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die psychische Belastung der Kinder durch Corona. Studien zeigen vor allem im Bereich der Essstörungen, des Übergewichts, der mangelnden Bewegung und einer starken Mediennutzung die Problemzonen auf. So ist die durchschnittliche Mediennutzung pro Tag bei den 12- bis 19Jährigen von 205 auf 258 Minuten gestiegen. Dagegen ist die Zahl der Kinder, die in einem Sportverein angemeldet sind, 2020 deutlich zurückgegangen.

Umso wichtiger ist in der Schule der kreative Umgang mit den Möglichkeiten, die trotz Corona umgesetzt werden können. Als Nachbar der Musterschule freue ich mich schon auf Adventslieder, gesungen von Kindern, die dick in ihre Mäntel und Jacken eingepackt sind. Kompliment an die Lehrkräfte.

Bundestagswahl:

Auch Politsekten treten am Sonntag an

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. September 2021

Religiöse Grundüberzeugungen spielen auch in Parteien eine Rolle. So tragen CDU und die CSU ihre religiöse Orientierung schon im Namen: das große C steht für Christlich. Aber auch Fundamentalisten und eine Politsekte finden sich auf der langen Liste der 40 zur Wahl stehenden Parteien.

Foto: Mika Baumeister/unsplash.com
Foto: Mika Baumeister/unsplash.com

Da wäre zum Beispiel die Partei „Bündnis C – Christen für Deutschland“ (Bündnis C). Sie entstand im Frühjahr 2015 durch den Zusammenschluss der christlich-fundamentalistisch orientierten Parteien „Partei Bibeltreuer Christen“ (PBC) und „AUF – Partei für Arbeit, Umwelt und Familie – Christen für Deutschland“ (AUF). Nach eigenen Angaben orientieren sie sich am biblischen Menschenbild und christlichen Grundsätzen, wobei dahinter ein sehr fundamentalistisches Bibelverständnis steht. Konkret steht die Partei für eine Förderung traditioneller Familienformen: In der Familien- und Sozialpolitik setzt sie sich für eine stärkere finanzielle Unterstützung von Familien aus, die aus Mutter, Vater und Kindern bestehen. So soll etwa ein „Erziehungsgehalt“ für betreuende Eltern gezahlt werden. Die Partei tritt außerdem für ein Verbot von Abtreibungen sowie Leihmutterschaft ein und lehnt Sterbehilfe ab. Die Partei sagt, sie möchte die Umwelt als Gottes Schöpfung bewahren. Zudem unterstützt das Bündnis C die Unterstützung Deutschlands für den Staat Israel und fordert eine Verlegung der deutschen Botschaft nach Jerusalem, was die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels bedeutet. Außerdem will sie den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Das Bündnis C möchte zwar das Asylrecht behalten, spricht sich aber für die Kontrolle der Außengrenzen der EU aus.

Als Psychokult wurde hin und wieder die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) eingestuft. Mit ihrer Spitzenkandidatin Helga Zepp-LaRouche ist sie eine alte Bekannte bei Wahlen, auch wenn ihr Stimmenanteil nie über 0,5 Prozent hinauskam. Die BüSo entstand 1992 in inhaltlicher und personeller Kontinuität aus ihren Vorläufern der „Patrioten für Deutschland“ und der „Europäischen Arbeiter-Partei“. Von kirchlichen Sektenbeauftragten wurde sie im extremistischen Parteienspektrum verortet und ebenso wie die LaRouche-Bewegung als Psycho-Kult bzw. Politsekte eingeschätzt, weil sie Endzeitvisionen hege und einen radikalen Gesellschaftsumbau anstrebe. Hinzu komme die für Sekten typische rigide Kontrolle der Mitglieder und der Personenkult um das Ehepaar LaRouche. Die BüSo warnt vor dem Zusammenbruch des globalen Finanzsystems, das nur durch eine neue Weltwirtschaftsordnung mit regierungskontrollierten Nationalbanken gerettet werden kann. Für Deutschland fordert BüSo die Kündigung der EU-Verträge und die Wiedereinführung der D-Mark.

Vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingeschätzt wird die Partei „Der Dritte Weg“. Sie ist geprägt von Antisemitismus, Rassismus und einem völkischen Menschenbild. Uwe Becker, Anitsemitismusbeauftragter des Landes Hessen und bis vor kurzem Frankfurts Bürgermeister, ist angesichts einer „Wahlwerbung“ dieser Partei, die zur Hinrichtung der politischen Gegner aufruft, ganz klar: „Der Dritte Weg ist ein rechtsextremistischer und nationalsozialistischer Mob und gehört verboten“.

Trauern, in dem man das Leben feiert

Oeder Weg Foto Eimuth

March for Hope auf dem Oeder Weg

Es war ein ungewöhnlicher Zug von einhundert Menschen, der am Donnerstag, 16. September, den Oeder Weg unter Dixieland-Musik entlang kam. Angeführt von der 8n schwarz gekleideten Band  „All that Jazz“ führte die Parade von der Frankfurter Hauptwache zum Hauptfriedhof. Bewusst knüpfte man an die Tradition der Trauerzüge in New Orleans an.

Das katholische Zentrum für Trauerseelsorge St. Michael und andere Organisationen hatten zu dieser beschwingten Corona-Trauerparade aufgerufen. Man wollte all derer gedenken, die Verluste erlitten haben, aber man wollte auch das Leben feiern. Es gehe darum  Hoffnung, Mut und Zuversicht zu vermitteln. „Rituale mit partizipativem Ansatz helfen dabei, Belastungen zu reduzieren und das Erlebte zu teilen und so gemeinsam zu tragen“, schreiben die Veranstalter. Für viele war es eine schöne Möglichkeit ihrer ganz privaten Trauer Ausdruck zu geben.