Schaut auf die Bildschirme!

Manchmal schien auch strahlend die Sonne: Kirchentags-Buchstabe an der Alten Oper. | Foto: Rolf Oeser
Manchmal schien auch strahlend die Sonne: Kirchentags-Buchstabe an der Alten Oper. | Foto: Rolf Oeser

von Kurt-Helmuth Eimuth 16. Mai 2021

„Schaut hin“ hieß das Motto des Ökumenischen Kirchentags. Und wir haben geschaut! TV. Den ganzen Samstag und natürlich auch an den anderen Tagen. Und in der Stadt unterwegs waren wir außerdem.

Der 3. Ökumenische Kirchentag sollte das Stadtbild Frankfurts an diesen Tagen beherrschen. Überall fröhliche Menschen, die in den U-Bahnen singen und an den Straßenecken die Posaunen erklingen lassen. So war die Erwartung. Es kam bekanntermaßen anders.

Man war schon froh, dass man einige Tage zuvor die Fahnen des Kirchentages auf dem Römerberg sah. Und dann die Aktion mit den überdimensionalen Tischen an der Hauptwache. Als wir davor standen, kam ein leichtes Kribbeln auf. Jetzt geht es los, jetzt wird Kirche sichtbar, und bekannte Gesichter sah man auch. Der Kirchentag war nicht nur digital und dezentral, sondern in diesem Moment ganz analog vor Ort.

Und die einzelnen Buchstaben des Mottos „Schaut hin“, verstreut in der City. Genial. Wir fuhren die Orte mit dem Fahrrad ab, machten halt an der Hauptwache, konnten im Gespräch mit einem Pfadfinder einen dieser Schals abstauben und uns sodann, passend gekleidet, zum nächsten Buchstaben aufmachen. Gut, als Frankfurter kennt man all die Orte. Aber so eine Art Kirchentags-Caching macht doch Spaß. Zumal der Weg an der Weseler Werft vorbeiführte. Da wurde schon die Bühne für den Schlussgottesdienst aufgebaut. Das ist der richtige Ort, um Frankfurt in Szene zu setzen.

Der Eröffnungsgottesdient. Schöne Predigt. Aber die Musik!

Das Dach des Parkhauses an der Konstablerwache, dem Ort des Himmelfahrtsgottesdienstes, überzeugte indes nicht. Nur 1 B-Lage. Immer wieder musste die Kamera mühsam die Skyline ins Bild setzen. Die Häuserzeile der Zeil als unvermeidlicher Hintergrund kann da natürlich nicht punkten. Und noch etwas war bei diesem strahlenden Sonnenschein auffällig. Palmen, Sand und gar ein Boot als Kulisse. Mediterranes Flair am Main? In der Tat tobt hier im Sommer eine Beach Party. Okay ein paar wirklich schöne Bilder gab es.

Aber die Musik! Es ist die Musik meiner Generation, also 60 plus, aber vorgetragen in einem – Tempo ist hier der falsche Ausdruck – in einer Beschaulichkeit, die selbst das in die Jahre gekommene Liedgut nicht verdient hat. Einzig die Predigt von Frère Alois, dem Prior der Gemeinschaft von Taizé, ragte heraus. Und er gab gleich die Richtung für das Christ:innentreffen vor: „Auf keinen Fall dürfen wir uns mit dem Skandal unserer Spaltungen abfinden. Unsere Kirchen können noch nicht alle Glaubensschätze miteinander teilen. Aber Christus ist nicht geteilt. Er ist unsere Einheit.“

Die Tücken der Technik

War der in der ARD übertragene Himmelfahrtsgottesdienst so etwas wie die inoffizielle Eröffnung, so wurde am Freitag die offizielle aus der Messe gestreamt. Mit aller Prominenz, etwas Musik und unaufgeregt. Aufregender war allerdings der Umgang mit der Technik. Immer wieder brach die Verbindung ab. Ob die Planer:innen kleingläubig waren und nicht mit so vielen Zugriffen gerechnet hatten?

Kirchentag im Wohnzimmer. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Kirchentag im Wohnzimmer. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Die technischen Probleme bekamen sie nie in den Griff. Auch schienen die Zugänge zu den Veranstaltungen zu kompliziert. Vor allem, wenn es hakte. Und warum Workshops ausgebucht waren und man somit keinen Zutritt mehr erhielt, blieb ein Geheimnis. Denn passives Zuschauen, also ohne Fragerecht, hätte doch möglich sein können!

Überhaupt die Plattform. Hier muss man sich noch einmal Gedanken machen. Viele haben Youtube ihrem TV-Gerät voreingestellt. Wäre das eine Alternative? So war der Kunstgenuss für das opulente Oratorium Eins, technisch bedingt, gestört. Doch es war sicher ein Höhepunkt und mit 40.000 Menschen im Stadion, wie es sich einer der Texter, Eugen Eckert, gewünscht hatte, wäre es ein nachhaltiges Erlebnis gewesen.

Kässmann, Hirschhausen und Co.: die Bibelarbeiten

Blieben noch die fast hundert Veranstaltungen am Samstag. Voran die Bibelarbeiten. Wie immer lehrreich und unterhaltsam Margot Käßmann in ihrem kurzen Beitrag, wenn auch mediendidaktisch optimierbar. Die Aufnahme von Medienprofi Eckhart von Hirschhausen, hergestellt im eigenen Studio, war hingegen so perfekt wie die lässige Unterhaltung mit Gräfin Fernanda Wolff Metternich, Referentin bei der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“, einer Hirschhausen Stiftung. Sie ließen keinen Zweifel, dass die Klimafrage noch bedeutender als die Corona-Pandemie ist. Lehrreich und unterhaltsam. Und da war doch noch was. Wie kriegt er nur die Kurve? Hirschhausen singt gerne und zum Schluss in der Regel mit dem gesamten Publikum. Mir unvergessen, der Gesang eines umgetexteten Beatles-Klassikers in der Dresdner Messehalle. Aber selbst online animiert der Moderator zum Singen. Karaoke zum Ermutigen. Ein Lied, dass an die Schönheit der Welt erinnert. Er lässt den Text und die Musik des Klassikers von Louis Armstrong „What a wonderful world“ als Einladung zum Mitsingen über den Bildschirm flimmern. Da kann man nur mit der letzten Liedzeile ausrufen „Ohh yeah“.

Wunderbar ist die Möglichkeit, viele Bibelarbeiten, die sonst ja parallel stattfinden, in der Mediathek später anzuschauen. Da findet sich das auf den ersten Blick kuriose Dialoggespann zweier Ministerpräsidenten. Bodo Ramelow, Die Linke, seit vielen Jahren Gast auf Kirchentagen und Volker Bouffier, CDU. Doch man erfährt, die beiden kennen und schätzen sich seit ihrer Studentenzeit.

Die Polit-Prominenz auf den Podien

Die Podien waren wie die Talkrunden, die man sonst so kennt. Angela Merkel versteht die Ungeduld der Jugend in Sachen Klima und verweist auf die Spielregeln der Demokratie und des Rechtsstaates. Jede neue Stromtrasse müsse erst durchgeklagt werden. Und ihr Vize Olaf Scholz betont, dass die Kosten der Pandemie bezahlbar sind und die Starken eben etwas mehr schultern müssten. Nett und gut, dass man hierfür nicht eine Stunde Anfahrt hatte, um dann vielleicht doch vor einer überfüllten Halle zu stehen. Hier ist der digitale Kirchentag klar im Vorteil. Und es wundert nicht, dass die Planungen für die weiteren Veranstaltungen eben auch digitale Formate einbeziehen. Da war man sich auf der Abschlusspressekonferenz einig.

Ein Gefühl von Kirchentagsstimmung kam bei der Übertragung des Abschlussgottesdienstes auf. Da übertrug sich die Fröhlichkeit bei schwungvoller Musik auch ins heimische Wohnzimmer. Und Frankfurt präsentierte sich trotz einiger Regentropfen von seiner besten Seite. Wie sagte doch Peter Feldmann zum Abschluss: „Als Frankfurter Oberbürgermeister bin ich stolz, dass wir Gastgeber dieses ganz besonderen Kirchentages sein durften.“ Übrigens war Feldmann an allen Tagen außerordentlich präsent, auch bei der Podiumsdiskussion über Antisemitismus.

Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier braucht es solche Veranstaltungen. Er setzt auf ihre versöhnende Kraft: „Wir müssen Wunden heilen, die Corona in unserer Gesellschaft geschlagen hat.“ Die zunehmende Entfremdung der Menschen im Blick, fügte er hinzu: „Die Zukunft gewinnen wir nicht im Streit miteinander. Wir müssen Brücken bauen, zwischen Menschen und Gruppen, die die Pandemie verfeindet hat. Wir müssen nicht einer Meinung sein, aber wir brauchen einander.“ Doch eine Botschaft ging unbestritten von Frankfurt aus: Das ökumenische Miteinander ist selbstverständlicher geworden.

Doch es bleibt dabei: Kirchentage sind Orte der Begegnung. Meine Highlights waren deshalb auch analog. Der Besuch der Installation an der Hauptwache und die Buchstabentour durch die City. Da lag der Zauber eines Kirchentages in der Luft. Der 3. ÖKT war ein Kirchentag zum Nachdenken, sozusagen geistliche und geistige Nahrung. Das ist ja keineswegs wenig.

Evangelisches Frankfurt Offenbach

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