Archiv für Sekten

Viele kleine Gruppen mit sektenähnlichen Zügen

Neuer Vorstand für Anti-SektenvereinSinus Vorstand

Nach Ansicht des neuen Vorsitzenden des Anti-Sektenvereins SINUS konnte zwar in den letzten Jahren das Wirken der Großsekten eingedämmt werden, aber es seien weiterhin zahlreiche kleine Anbieter von Heilslehren mit sektenhaften Strukturen unterwegs. „Scientology als totalitäres System ist weitgehend eingedämmt aber es gibt eben viele Anbieter, die eher ihr eigenes Wohlergehen als das ihrer Anhänger im Sinn haben“, sagt der Conny von Schumann, Vorsitzender von SINUS- Sekteninformation und Selbsthilfe Hessen e.V. Als Beispiel benannte der Sozialpädagoge die Angebote des Esoterik-Marktes. Die ebenfalls neu gewählte stellvertretende Vorsitzende Marion Eimuth hob die Bedeutung der Beratungsaktivität von SINUS hervor. SINUS gelingt es, Betroffene und deren Angehörige zu beraten. Dies sei um so erstaunlicher, da der Verein seit zwei Jahrzehnten ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement seiner Mitglieder lebe. Marion Eimuth weiß als Pfarrerin im Schuldienst wie wichtig die Informations- und Aufklärungsarbeit ist.

Evangelisches Frankfurt Februar 2012

 

Die fehlende Identitätsbildung bei Kindern und Jugendlichen in Sekten nach Kurt-Helmuth Eimuth

Schlagwort-Archive: Kurt-Helmuth Eimuth

Die fehlende Identitätsbildung bei Kindern und Jugendlichen in Sekten nach Kurt-Helmuth Eimuth

Ein wichtiger Aspekt der psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Sekten ist die fehlende Identitätsbildung. Dieses Entwicklungsdefizit kann innerhalb aller Sekten beobachtet werden.

Kurt – Helmuth Eimuth hat in seinem Buch „Die Sekten-Kinder“ eine Erklärung für die fehlende Identitätsbildung entwickelt. Alle folgenden Zitate stammen aus Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220 -224, auch ist dieser gesamte Text eine gekürzte Darstellung des von Kurt – Helmuth Eimuth entwickelten Erklärungsansatzes und in dem oben genannten Buch in ausführlicher Form zu finden.

Für diesen Erklärungsansatz ist es wichtig die unterschiedlichen religiösen Entwicklungsstufen darzustellen, die in der Regel ein jeder Mensch in seiner Entwicklung durchlebt.

1. Entwicklungsphase (magisch-numinose Phase):

Diese beginnt am Anfang der kindlichen Entwicklung. In dieser Stufe werden die Symbole magisch interpretiert.

„Der Löwe ist eben keine Zeichnung, sondern es ist das angsteinflößende Tier, vor dem man sich unter dem Bett versteckt. Realität und Abbild werden nicht unterschieden.“ (Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

2. Entwicklungsphase (eindimensionales-wörtliches Verstehen):

Diese Phase beginnt etwa mit der Einschulung der Kinder. Dieses Entwicklungsstadium ist gekennzeichnet

„… durch das `wörtliche´ Verständnis religiöser Symbolik… Ein zweiter Sinn, etwa Wasser als Symbol für Leben, wird nicht gefaßt… Allerdings werden schon im Gegensatz zur ersten Phase andere Welten angenommen. Wissenschaftliche Weltbilder sind schon bekannt. Deshalb wohnt Gott jetzt im Weltall und nicht mehr im Firmament, in der Himmelsdecke.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

3. Entwicklungsphase (mehrdimensionales-symbolisches Verstehen):

Leider nennt Kurt-Helmuth Eimuth hier kein Alter. In dieser Phase werden Mehrfachdeutungen von Symbolen zugelassen.

„Symbole werden als solche gesehen und akzeptiert. Aber ihre sinnstiftende Deutung läßt keine Kritik zu.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220)

4. Entwicklungsphase (symbolkritisches Verstehen):

Diese Phase beginnt erst ab 16 Jahren. In dieser Phase können die Symbole von ihrem Inhalt getrennt werden. In dieser Phase gibt der Inhalt den Sinn und nicht mehr die Symbolik.

5. Entwicklungsphase (nachkritisches Verstehen):

Der Mensch kann „… sowohl seine kindlichen magischen-numinosen Anteile zulassen als auch die Entmythologischen in Angriff nehmen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 221)

Die ersten beiden Entwicklungsphasen werden von allen Menschen im Laufe ihrer Entwicklung durchlaufen, jedoch kommen viele Menschen nicht über der Phase des wörtlichen Verständnisses hinaus. Auch viele Gruppen und Sekten sind in diesen beiden Phasen stehengeblieben. Zum Beispiel lassen die Zeugen Jehovas nur das eindimensional-wörtliche Verständnis der Bibel zu.

Die Sekten bieten ihren jeweiligen Anhängern die Möglichkeit, ihre infantile Religiosität zu leben.

„Dabei erhalten die Sektenmitglieder in einem Prozeß der Selbstentledigung…, der Unterordnung unter einem Führer, Gründer, Leitende Körperschaft oder Prophetin, durch Eintauchen und Verschmelzen mit ihrem Ich-Ideal eine neue Identität. Die Sektenidentität läßt sie teilhaben am omnipotenten Führer, Prophetin oder Meister. Dadurch gehören sie zur Elite, die nichts geringeres, als diese vom Untergang bedrohte Welt retten wird.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 221)

Bei den Kindern kann in diesem Bereich auch keine Entwicklung stattfinden, da sie erzogen werden von Erwachsenen, die ihre eigene Identität an die Gruppe abgegeben haben. Den Kindern aus den Sekten werden nicht nur Bildungschancen vorenthalten, der Aufbau der Beziehung zu ihren Eltern erschwert oder gar verwehrt, sondern auch sie werden in ihrer emotionalen Entwicklung behindert. Es kann sein, daß sie über das emotionale Entwicklungsniveau von Grundschulkindern,

„… bei Beibehaltung aller kognitiven Fähigkeiten“ nicht hinaus wachsen. „Dies gilt mit Sicherheit für den religionspsychologischen Aspekt. Ist aber auch für den entwicklungspsychologischen Aspekt anzunehmen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 222)

Die Kinder wachsen in einer Sekte in einem geschlossenen Sozialsystem auf, was die Entwicklung der Kinder zur Autonomie stark verhindert. Bei diesen Kindern hängt das Selbstwertgefühl von der Teilhabe am „kollektiven Ich“, der Sektenidentität, ab. Diese Sektenidentität hängt wiederum von dem Über-Ich ab, das in Sekten verkörpert wird durch den jeweiligen Führer.

Eine Ablösung vom Elternhaus ist nur möglich, wenn sich das Kind bzw. der Jugendliche von der Sekte trennt. Dieses produziert bei dem Jugendlichen eine psychische Konstellation, die zu schweren inneren Konflikten führen kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß die Kinder, die in die Sekte hineingeboren wurden, die 2. Generation, nie ein anderes Leben kennenlernen durfte. Diese Kinder sind zum Teil nicht in der Lage, eine eigene Identität zu bilden. Sie definieren sich ausschließlich über das Kollektiv.

„Bei der zweiten Generation handelt es sich also nicht um einen Prozeß der Selbstentledigung, sondern um einen Prozeß der Verhinderung von Selbstfindung, es handelt sich um eine systematische Kollektivierung dieses Vorgangs, so daß aus einem Indentitätsfindungsprozeß ein `Kollektivfindungsprozeß´ wird. Auf dem Wege zu Identität können diese Kinder oftmals nur die Gruppenidentität finden. Alle anderen Wege bleiben ihnen verschlossen.“

(Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 223f)

Kurt Helmuth Eimuth kommt in seinen Betrachtungen zu folgendem Ergebnis: Die Entwicklungen von „Sekten-Kindern“ zu autonomen Persönlichkeiten darf nicht stattfinden. Diese Kinder werden in ihrer Entwicklung behindert, manipuliert und kontrolliert. Er nennt dieses System eine „Psychische Kindesmißhandlung“. (Vgl. Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 224)

Alle Zitate und Vergleiche aus:

Eimuth, Kurt-Helmuth, Die Sekten-Kinder, 2. Aufl., Freiburg, Basel, Wien, 1997 S. 220 -224

http://kindseininscientology.wordpress.com/tag/kurt-helmuth-eimuth/3.12.2011

Terror und Fundamentalismus

Terror und Fundamentalismus

Schnell waren Erklärungen für die Attentate in Norwegen zur Hand. Zuerst vermuteten viele islamische Terroristen, dann wurde die krude Gedankenwelt von Anders Breivik mit christlichem Fundamentalismus in Verbindung gebracht. Doch auch damit hat er nichts zu tun. Seine Motivation war der Hass vor allem auf Menschen anderer Nationalität und Religion. So kommt Massimo Introvigne, italienischer Soziologe und Experte für neue religiöse Bewegungen, zu dem Schluss: „Wenn man eine Methode in seinem Wahnsinn finden will, so muss man den roten Faden in seinem Denken aufspüren, und das ist in erster Linie seine Islam-Feindlichkeit, die sich im Westen bisher kaum gewaltsam manifestierte.“

Hingegen gab Breivik klare Anleitungen für die Planung und Durchführung von Terroraktionen – von der Weitergabe seiner Sprengstoffkenntnisse bis zu strategischen Überlegungen zur Planung von Terrorakten. Breivik ist also ein Terrorist, der seine Taten mit verworrenen Überzeugungen begründet, die er von religiösen Fundamentalisten übernimmt, weil sie zu seinem Hass auf „Andere“ passen – ähnlich ist es im Übrigen auch bei „islamistischen” Terroristen.

Fundamentalismus und pseudoreligiöser Terrorismus ähneln sich zwar im Hinblick auf ihre Intoleranz – man denke nur an den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der mit Blick auf feindliche Länder von einer „Achse des Bösen“ sprach. Oder auch an einen christlich fundamentalistischen Prediger, für den zum Umkreis dämonischer Mächte alle Hochreligionen Asiens und der Islam gehören, ebenso übrigens Homöopathie, Fußzonenreflexmassage und andere alternative Heilmethoden, da sie eine „dämonische Verführung“ darstellen.

Aber während der Fundamentalist diese Auffassungen nur predigt und praktiziert, stellt sich der Terrorist selbst an Gottes Stelle. Er überschreitet „die Schwelle der Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung anderer“, wie es der Psychiater Robert Jay Lifton formuliert. Für Terroristen sind Menschen, die ihrer „Wahrheit“ entgegenstehen, Feinde, die massiv bekämpft werden müssen, wobei alle Mittel erlaubt sind.

Sowohl Terrorismus als auch Fundamentalismus bedienen sich eines Weltbildes, in dem das Gute mit dem Bösen kämpft. Konflikte zwischen Menschen, zwischen Nationen, zwischen Kulturen sind Teil dieses immer währenden Kampfes. Man selbst steht natürlich auf der Seite des Guten. Ob nun islamische Staaten angeblich eine Achse des Bösen bilden oder ob der Islam Norwegen bedroht – das Böse greift an, und man selbst muss das Gute verteidigen.

So gesehen greifen George W. Bush und der Attentäter Breivik durchaus auf ähnliche Denkmuster zurück.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt August 2011

Geistliche Kampfführung

Geistliche Kampfführung
Evangelisches Frankfurt August 2011

Geistliche Kampfführung

In Norwegen verübt ein Terrorist Massenmord und beruft sich dabei auf die christlichen Kreuzritter. In Amerika ruft ein republikanischer Gouverneur zum Mega-Gottesdienst, um die Finanzkrise wegzubeten. Hinter solchen kruden Vorstellungen steht ein Weltbild, in dem das Böse als Teufel oder Satan personifiziert wird.

Pfarrerin Lieve Van den Ameele war erstaunt über die Anfrage, die im Büro der Gemeinde Fechenheim eintraf: Ob sie denn einen „Jesus-Marsch“ unterstützen wolle. Als Veranstalter firmierte eine Bewegung namens „Himmel über Frankfurt“. Auf deren Internetseite heißt es, man sei eine übergemeindliche Bewegung von bibelgläubigen Christen, „die ihrem Herrn Jesus Christus ernsthaft nachfolgen und SEINEN Auftrag erfüllen wollen“. Ziel sei, „den Thron Gottes in Frankfurt aufzurichten und die Stadt mit dem Wort Gottes zu füllen, damit möglichst viele Menschen zu Erkenntnis der Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, kommen.“

Die Sprache klingt etwas merkwürdig, aber auf den ersten Blick hört sich das unverfänglich an. Doch der Jesus-Marsch ist ein Instrument der so genannten „geistlichen Kampfführung“. Mit ihrer Hilfe sollen räumlich begrenzte Gebiete „zurückerobert“ werden. Gemeint ist der Kampf gegen dämonische Mächte, die über bestimmte Nationen, Regionen, Städte und Wohngebiete oder sogar einzelne Häuser und Wohnungen herrschen. Frankfurt mit seiner materialistischen und pluralistischen Kultur steht nach Ansicht dieser Bewegungen unter besonders starkem Einfluss dämonischer Mächte.

Solche Vorstellungen gehen davon aus, dass es einen weltgeschichtlichen Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“ gibt. Engel und Dämonen kämpfen in den Lüften miteinander, und Christinnen und Christen können durch ihr Handeln und Beten den Engeln und damit Gott selbst zum Sieg verhelfen. Dies geschieht meist durch Gebete und offensive Kampfansagen gegen die „Mächte der Finsternis“. Auf diese Weise soll die Herrschaft Satans und seiner Dämonen gebrochen werden.

Die Mittel, derer man sich bedienen soll, sind hauptsächlich Fürbitte und offensives Gebieten „im Namen Jesu“ sowie Lobpreis und Anbetung. Hierzu gibt es eine genaue Strategie. Zunächst wählt man eine geographische Einheit aus. Die Gläubigen sollen sich einer persönlichen „Reinigung“ unterziehen. Buße, Fasten und Gebet sollen die „geistliche Optik“ schärfen und dem „Feind“ jegliche Angriffspunkte entziehen. Die Anwesenden stellen sich unter den „Schutz des Blutes Jesu“.

Ferner soll die Region aus religionsgeschichtlicher Perspektive untersucht werden. Da praktisch alle nichtchristlichen Religionen als dämonisch gelten (außer dem Judentum), findet sich hier immer ein Ansatzpunkt. Auch wird nach den in einer Region vorherrschenden Sünden gesucht. In Frankfurt gelten zum Beispiel das Rotlichtviertel und die Bankniederlassungen – als Anhaltspunkte für einen Geist der sexuellen Unzucht beziehungsweise der Habgier – als besonders belastet. Manche gehen dabei so weit, dass sie Landkarten in einzelne Territorien zerlegen, über die jeweils ein bestimmter Dämon herrscht, um gezielt für geistliche Befreiung beten zu können. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als „spiritual mapping“. Für eine erfolgreiche geistliche Kriegsführung ist die „Geisterunterscheidung“ bedeutsam. Die Geister und ihre Namen müssen identifiziert werden, damit man sie vertreiben kann.

Die Vertreibung Satans und der Dämonen geschieht durch Lobpreis und durch die Proklamierung des Namens Jesu. Dahinter steht letztlich ein magisches Verständnis von Gebet: Man glaubt, dass das Beten und Rufen des Namens Jesu bewirkt, dass die dämonischen Mächte verschwinden. Solche „Wirkautomatismen“ sind im Prinzip ein in christlicher Verkleidung daher kommender Okkultismus. Denn nach der christlichen Lehre hat eben nicht der Mensch, sondern allein Gott die Wirkung eines Gebetes in der Hand.
Abschied vom Teufelsglauben

Christinnen und Christen, die sich das Böse als personifizierten Teufel oder Satan vorstellen, stoßen an eine gedankliche Grenze. Denn nach christlicher Überzeugung hat Gott ja die ganze Welt geschaffen – also auch den Teufel. Ein allmächtiger Gott kann nicht im Kampf mit dem Teufel stehen.

Um diesem logischen Widerspruch zu entgehen, wird der Teufel oft als gefallener Bote Gottes gesehen. Das heißt, der Teufel übt zwar Macht aus, aber grundsätzlich könnte Gott diese Macht jederzeit zurückfordern. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum Gott den Teufel gewähren lässt.

Die moderne protestantische Theologie verzichtet gänzlich auf personalisierte Teufelsvorstellungen. Die menschliche Freiheit besteht darin, sich für oder gegen etwas entscheiden zu können. Das Böse kommt nicht von außen, sondern ist Teil des menschlichen Denkens und Handelns.

Krieg und Terror, Finanzkrisen und Ungerechtigkeiten sind zwar sicherlich böse, aber sie werden von Menschen angezettelt und ausgeführt. Deshalb hilft dagegen auch keine Teufelsaustreibung – sondern nur Umkehr und Buße.
Kurt-Helmuth Eimuth

Geistliche Kampfführung: Das krude Weltbild der Fundamentalisten

von Kurt-Helmuth Eimuth 26. August 2011

In Norwegen verübt ein Terrorist Massenmord und beruft sich dabei auf die christlichen Kreuzritter. In Amerika ruft ein republikanischer Gouverneur zum Mega-Gottesdienst, um die Finanzkrise wegzubeten. Hinter solchen kruden Vorstellungen steht ein Weltbild, in dem das Böse als Teufel oder Satan personifiziert wird.

Die Schuldenkrise wegbeten: Tausende folgten dem Aufruf von Rick Perry, Gouverneur von Texas und möglicher Präsidentschaftskandidat der USA, zu einem Mega-Gottesdienst in Houston. Foto: Brandon Thibodeaux/Getty Images/AFP
Die Schuldenkrise wegbeten: Tausende folgten dem Aufruf von Rick Perry, Gouverneur von Texas und möglicher Präsidentschaftskandidat der USA, zu einem Mega-Gottesdienst in Houston. Foto: Brandon Thibodeaux/Getty Images/AFP

Pfarrerin Lieve Van den Ameele war erstaunt über die Anfrage, die im Büro der Gemeinde Fechenheim eintraf: Ob sie denn einen „Jesus-Marsch“ unterstützen wolle. Als Veranstalter firmierte eine Bewegung namens „Himmel über Frankfurt“. Auf deren Internetseite heißt es, man sei eine übergemeindliche Bewegung von bibelgläubigen Christen, „die ihrem Herrn Jesus Christus ernsthaft nachfolgen und SEINEN Auftrag erfüllen wollen“. Ziel sei, „den Thron Gottes in Frankfurt aufzurichten und die Stadt mit dem Wort Gottes zu füllen, damit möglichst viele Menschen zu Erkenntnis der Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, kommen.“

Die Sprache klingt etwas merkwürdig, aber auf den ersten Blick hört sich das unverfänglich an. Doch der Jesus-Marsch ist ein Instrument der so genannten „geistlichen Kampfführung“. Mit ihrer Hilfe sollen räumlich begrenzte Gebiete „zurückerobert“ werden. Gemeint ist der Kampf gegen dämonische Mächte, die über bestimmte Nationen, Regionen, Städte und Wohngebiete oder sogar einzelne Häuser und Wohnungen herrschen. Frankfurt mit seiner materialistischen und pluralistischen Kultur steht nach Ansicht dieser Bewegungen unter besonders starkem Einfluss dämonischer Mächte.

Solche Vorstellungen gehen davon aus, dass es einen weltgeschichtlichen Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“ gibt. Engel und Dämonen kämpfen in den Lüften miteinander, und Christinnen und Christen können durch ihr Handeln und Beten den Engeln und damit Gott selbst zum Sieg verhelfen. Dies geschieht meist durch Gebete und offensive Kampfansagen gegen die „Mächte der Finsternis“. Auf diese Weise soll die Herrschaft Satans und seiner Dämonen gebrochen werden.

Die Mittel, derer man sich bedienen soll, sind hauptsächlich Fürbitte und offensives Gebieten „im Namen Jesu“ sowie Lobpreis und Anbetung. Hierzu gibt es eine genaue Strategie. Zunächst wählt man eine geographische Einheit aus. Die Gläubigen sollen sich einer persönlichen „Reinigung“ unterziehen. Buße, Fasten und Gebet sollen die „geistliche Optik“ schärfen und dem „Feind“ jegliche Angriffspunkte entziehen. Die Anwesenden stellen sich unter den „Schutz des Blutes Jesu“.

Ferner soll die Region aus religionsgeschichtlicher Perspektive untersucht werden. Da praktisch alle nichtchristlichen Religionen als dämonisch gelten (außer dem Judentum), findet sich hier immer ein Ansatzpunkt. Auch wird nach den in einer Region vorherrschenden Sünden gesucht. In Frankfurt gelten zum Beispiel das Rotlichtviertel und die Bankniederlassungen – als Anhaltspunkte für einen Geist der sexuellen Unzucht beziehungsweise der Habgier – als besonders belastet. Manche gehen dabei so weit, dass sie Landkarten in einzelne Territorien zerlegen, über die jeweils ein bestimmter Dämon herrscht, um gezielt für geistliche Befreiung beten zu können. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als „spiritual mapping“. Für eine erfolgreiche geistliche Kriegsführung ist die „Geisterunterscheidung“ bedeutsam. Die Geister und ihre Namen müssen identifiziert werden, damit man sie vertreiben kann.

Die Vertreibung Satans und der Dämonen geschieht durch Lobpreis und durch die Proklamierung des Namens Jesu. Dahinter steht letztlich ein magisches Verständnis von Gebet: Man glaubt, dass das Beten und Rufen des Namens Jesu bewirkt, dass die dämonischen Mächte verschwinden. Solche „Wirkautomatismen“ sind im Prinzip ein in christlicher Verkleidung daher kommender Okkultismus. Denn nach der christlichen Lehre hat eben nicht der Mensch, sondern allein Gott die Wirkung eines Gebetes in der Hand.

Abschied vom Teufelsglauben

Christinnen und Christen, die sich das Böse als personifizierten Teufel oder Satan vorstellen, stoßen an eine gedankliche Grenze. Denn nach christlicher Überzeugung hat Gott ja die ganze Welt geschaffen – also auch den Teufel. Ein allmächtiger Gott kann nicht im Kampf mit dem Teufel stehen.

Um diesem logischen Widerspruch zu entgehen, wird der Teufel oft als gefallener Bote Gottes gesehen. Das heißt, der Teufel übt zwar Macht aus, aber grundsätzlich könnte Gott diese Macht jederzeit zurückfordern. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum Gott den Teufel gewähren lässt.

Die moderne protestantische Theologie verzichtet gänzlich auf personalisierte Teufelsvorstellungen. Die menschliche Freiheit besteht darin, sich für oder gegen etwas entscheiden zu können. Das Böse kommt nicht von außen, sondern ist Teil des menschlichen Denkens und Handelns.

Krieg und Terror, Finanzkrisen und Ungerechtigkeiten sind zwar sicherlich böse, aber sie werden von Menschen angezettelt und ausgeführt. Deshalb hilft dagegen auch keine Teufelsaustreibung – sondern nur Umkehr und Buße.

Terror und Fundamentalismus

Schnell waren Erklärungen für die Attentate in Norwegen zur Hand. Zuerst vermuteten viele islamische Terroristen, dann wurde die krude Gedankenwelt von Anders Breivik mit christlichem Fundamentalismus in Verbindung gebracht. Doch auch damit hat er nichts zu tun. Seine Motivation war der Hass vor allem auf Menschen anderer Nationalität und Religion. So kommt Massimo Introvigne, italienischer Soziologe und Experte für neue religiöse Bewegungen, zu dem Schluss: „Wenn man eine Methode in seinem Wahnsinn finden will, so muss man den roten Faden in seinem Denken aufspüren, und das ist in erster Linie seine Islam-Feindlichkeit, die sich im Westen bisher kaum gewaltsam manifestierte.“

Hingegen gab Breivik klare Anleitungen für die Planung und Durchführung von Terroraktionen – von der Weitergabe seiner Sprengstoffkenntnisse bis zu strategischen Überlegungen zur Planung von Terrorakten. Breivik ist also ein Terrorist, der seine Taten mit verworrenen Überzeugungen begründet, die er von religiösen Fundamentalisten übernimmt, weil sie zu seinem Hass auf „Andere“ passen – ähnlich ist es im Übrigen auch bei „islamistischen” Terroristen.

Fundamentalismus und pseudoreligiöser Terrorismus ähneln sich zwar im Hinblick auf ihre Intoleranz – man denke nur an den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der mit Blick auf feindliche Länder von einer „Achse des Bösen“ sprach. Oder auch an einen christlich fundamentalistischen Prediger, für den zum Umkreis dämonischer Mächte alle Hochreligionen Asiens und der Islam gehören, ebenso übrigens Homöopathie, Fußzonenreflexmassage und andere alternative Heilmethoden, da sie eine „dämonische Verführung“ darstellen.

Aber während der Fundamentalist diese Auffassungen nur predigt und praktiziert, stellt sich der Terrorist selbst an Gottes Stelle. Er überschreitet „die Schwelle der Zu- und Aberkennung der Existenzberechtigung anderer“, wie es der Psychiater Robert Jay Lifton formuliert. Für Terroristen sind Menschen, die ihrer „Wahrheit“ entgegenstehen, Feinde, die massiv bekämpft werden müssen, wobei alle Mittel erlaubt sind.

Sowohl Terrorismus als auch Fundamentalismus bedienen sich eines Weltbildes, in dem das Gute mit dem Bösen kämpft. Konflikte zwischen Menschen, zwischen Nationen, zwischen Kulturen sind Teil dieses immer währenden Kampfes. Man selbst steht natürlich auf der Seite des Guten. Ob nun islamische Staaten angeblich eine Achse des Bösen bilden oder ob der Islam Norwegen bedroht – das Böse greift an, und man selbst muss das Gute verteidigen.

So gesehen greifen George W. Bush und der Attentäter Breivik durchaus auf ähnliche Denkmuster zurück.

SINUS Ehrung von Lutz Lemhöfer am 7. März 2011

Unter strengen Regeln

Blick hinter die Kulissen der Zeugen Jehovas
Evangelisches Frankfurt Dezember 2010

Einen Blick hinter die Kulissen der Zeugen Jehovas vermittelt das Buch „Mara im Kokon“, das die Selbsthilfeinitiative „Sinus“ gemeinsam mit der Autorin Barbara Kohout in Frankfurt vorstellte. Sechzig Jahre lang war Kohout Mitglied der „Wachturmgesellschaft“. Sie beschreibt, wenn auch erzählerisch verfremdet, den Alltag in der Sekte.

So verhinderte sie die Freundschaft ihrer Tochter mit einer Klassenkameradin: „Es waren ‚Weltmenschen‘ und somit also schlechter Umgang.“ Als die Tochter einen jungen Mann kennenlernte, der kein Zeuge Jehovas war, und es zu angeblichen „sexuellen Verfehlungen“ kam, denunzierte die Mutter das eigene Kind bei den Ältesten. Die Jugendliche musste sich vor dem Rechtskomitee der Zeugen Jehovas verantworten.

Heute spricht kein Zeuge Jehova mehr mit Barbara Kohout. „Ich werde tot geschwiegen.“ Selbst das eigene Enkelkind, noch in der Sekte, mochte die Großmutter bei Facebook nicht als „Freundin“ akzeptieren. „Gemeinschaftsentzug“ nennt man diese Praxis.

Das Buch „Mara im Kokon“ (Engelsdorfer Verlag, 14,95 Euro) sei „ein leidenschaftliches Plädoyer für Gewissensfreiheit“, sagte der Weltanschauungsbeauftragte des Bistums Limburg, Lutz Lemhöfer. Die Wachturmgesellschaft hat in Deutschland etwa 160 000 Mitglieder und ist in einigen Bundesländern, darunter auch Hessen, als Körperschaft des Öffentlichen Rechts anerkannt.

Kurt-Helmuth Eimuth

Fundamentalismus in Familien

Evangelisches Frankfurt Mai 2010

Fachtagung: Religiös-totalitäre Minigruppen schaden Kindern

Rund hunderttausend Kinder und Jugendliche sind nach Schätzung von Kurt-Helmuth Eimuth in Deutschland „totalitären Erziehungssystemen“ ausgesetzt, die unter dem Deckmantel von Religion auftreten. Für die „Gefährdung des Kindeswohls durch Sekten und christlichen Fundamentalismus“ wollte eine von „Sinus“, der hessischen Sekteninformations- und Selbsthilfe-Initiative, organisierte Tagung in Frankfurt sensibilisieren. Eingeladen waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern, Kitas sowie Kinder- und Jugendberatungsstätten.

Waren religiös-totalitäre Erziehungsmethoden früher haupt-sächlich in klassischen Großsekten wie den Zeugen Jehovas oder Scientology zu finden, so habe man es heute mit einer Vielzahl kleiner Gruppen zu tun, berichtete Eimuth, der beim Diakonischen Werk für Frankfurt den Arbeitsbereich Kindertagesstätten leitet. In dem „fast undurchschaubaren Dickicht“ wisse man nicht, welche Gruppierung unschädlich und welche bedrohlich ist. Daher müsse jeder Einzelfall genau geprüft werden.

Wenn sich die Betroffenen unter Druck gesetzt fühlen, wanderten sie nicht selten ab, so Eimuth. Die Mutter, die mit Kind ihrem Guru ins Ausland gefolgt ist, sei kein Einzelfall. Aufsehen erregte ein Fall aus Baden-Württemberg, wo Eltern ihre fünf Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schicken wollten und in den USA Asyl erhielten.

Harald Achilles, Referent für Schulrechtsangelegenheiten im Hessischen Kultusministerium, sieht darin eine neue Wendung. Differenzen zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und elterlichem Erziehungsrecht sind nach Erfahrung des Juristen immer eine Gratwanderung. Das schulgesetzlich verbriefte Toleranzgebot verlange schließlich, auf weltanschauliche Hintergründe Rück- sicht zu nehmen. „Wir können die Sekten nicht abschaffen“, sagte Achilles, „sollten aber für ein Bewusstsein der Problematik sorgen“.

Das gehört sozusagen zum Alltagsgeschäft von Jürgen Zillikens. Der Rechtsanwalt und Vizepräsident des Vereins „Kids“ („Kinder in destruktiven Sekten“) glaubt, dass sich der Zug zu solchen Gruppen in Zukunft noch verstärken wird. In einer Gesellschaft, die „immer kälter wird“, würden Menschen in sektenartigen Zusammenschlüssen Halt, Wärme und soziale Kontakte suchen.

Auch Frauke Zahradnik, die Leiterin des Kinderbüros der Stadt Karlsruhe, geht davon aus, dass das Thema sich nicht so schnell erledigt. Sie verfolgt, „wenn wieder eine dubiose Gruppe auf dem Markt erscheint“, und berät päda­gogische Einrichtungen. Gleichwohl warnte sie vor überzogener Angst: „Nicht jede Sektenmitgliedschaft gefährdet gleich das Kindeswohl.“ Zudem dürfe man nicht vergessen, dass auch Armut oder zerrüttete Familien Kindern erheblichen Schaden zufügen können.

Doris Stickler

Richard Dawkins’ Kampf gegen die Götter und das Übernatürliche

Das Buch steht zur Zeit ganz oben auf den internationalen Bestseller-Listen: „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins. Es handelt sich um das leidenschaftliche Plädoyer eines Atheisten gegen die Religion. Zitat: „Ich greife nicht eine bestimmte Version von Gott oder Göttern an. Ich wende mich gegen alle Götter, alles Übernatürliche.“

Dawkins meint, Religion sei eine Art Virus, der sich in den Köpfen der Menschen vermehre, sozusagen eine fehlgeleitete Spielart der Evolution. „Wir können nicht beweisen, dass es Gott nicht gibt, aber das macht ihn trotzdem nicht sehr wahrscheinlich“, argumentiert Dawkins – allerdings geht es bei der Religion ja auch um Glauben und nicht um Wissen. Für einen Wissenschaftler ist seine Generalabrechnung mit der Religion oft erstaunlich unredlich. So findet er die Bibel „in großen Teilen einfach nur grotesk. Nichts anderes erwartet man von einer chaotisch zusammengestoppelten Anthologie, die von Hunderten anonymer Autoren, Herausgebern und Kopisten verfasst, umgearbeitet, übersetzt und verfälscht wurde.“

Unbestritten gibt es Perversionen des Glaubens, etwa wenn Menschen im Namen Gottes ihre Kinder züchtigen oder gar missbrauchen. Allerdings stellt sich durchaus die Frage, wer hier Gewalt verharmlost, wenn Dawkins schreibt, sexueller Missbrauch sei zwar etwas Entsetzliches, aber der dadurch verursachte langfristige psychische Schaden nachweislich geringer als der, den eine katholische Erziehung anrichte.

Es war der Frankfurter Psychologe Erich Fromm, der zwischen humanistischer und autoritärer Religion unterschied. Die autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung, aber auch auf Gehorsam habe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine Macht jenseits des Menschen. Allerdings könne diese Macht auch von einem Führer direkt ausgeübt werden.

Die humanistische Religion hingegen beschreibt Fromm so: „Das religiöse Erlebnis innerhalb dieser Art der Religion besteht in der Empfindung des Einsseins mit dem All, gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen. „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“

Offenbar müssen sich aber immer wieder Autoren an der autoritären Religion abarbeiten. Nach Tilmann Mosers „Gottesvergiftung“ nun eben der „Gotteswahn“. Was dabei auf jeden Fall nachgewiesen werden kann: Es nützt dem Buchgeschäft.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt November 2007

Der Reiz der Verschwörung

Oder: Warum die Frauen Weltmeisterinnen wurden…

Während draußen auf dem Römerberg Tausende die deutschen Fußballweltmeisterinnen feierten, fand doch annähernd eine halbe Hundertschaft den Weg in die Evangelische Stadtakademie „Römer 9“, um über so etwas Sperriges wie „Verschwörungstheorien“ zu diskutieren.

Lutz Lemhöfer, Weltanschauungsbeauftragter des Katholischen Bistums Limburg, definierte Verschwörungstheorien „als Denkmuster, deren Anhänger davon ausgehen, dass alles, was geschieht, von Verschwörern angezettelt und durchgeführt wird.“ Verschwörungstheorien reduzierten die Komplexität von Wirklichkeit und schafften eine einfache Struktur im Kopf. „Da man den Feind kennt, kann und muss man ihn bekämpfen“, führte Lemhöfer aus. Diesen Mechanismus verglich er mit dem klassischen Exorzismus. „Ein unerklärliches, zugleich Angst erzeugendes Verhalten eines Menschen wird als ‚Besessenheit’ gedeutet.“ Der Exorzist hat die Aufgabe, die Dämonen zu benennen. „Erst der mit Namen ansprechbare Dämon konnte erfolgreich ausgetrieben werden.“

Die Tageszeitung „taz“ hat eine Hitliste der besten Veschwörungstheorien zusammengestellt. Ganz oben auf der Liste steht die Überzeugung, dass die NASA die Mondlandung nur vorgetäuscht habe. Rang zwei belegt die Überzeugung, dass die Krankheit Aids
in Laboren der CIA entwickelt wurde, um in den USA ethnische Gruppen wie Afroamerikaner oder Minderheiten wie Homosexuelle auszurotten. Auf Rang drei steht schließlich die Überzeugung, dass eine geheime jüdische Organisation die Weltherrschaft anstrebt und deshalb allerlei Entscheidungen in der Weltpolitik manipuliert.

Solche Denkmuster seien nicht einfach spinnert, sondern überaus gefährlich, betonte Lemhöfer: „Die Anhänger solcher Theorien können eine Pogromstimmung erzeugen, die für andere lebensgefährlich wird.“ Um die Denkmuster von Verschwörungstheorien zu bekämpfen, setzte Peter Scherle vom Theologischen Seminar Herborn auf Bildung. Und Roberto Fabian von der Jüdischen Volkshochschule beklagte, dass „der Geist der Aufklärung verloren gegangen ist“. Um nicht in solche Muster zu verfallen, wünschte sich Naime Cakir, die Frauenbeauftragte der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen, eine größere Differenzierung in der Auseinandersetzung mit dem Islam.

Offen blieb an diesem Abend, ob nicht die Frauen nur deshalb Fußballweltmeisterinnen geworden sind, damit verhindert werden konnte, dass das Denkmuster der Verschwörungstheorie entlarvt würde. Denn wie sonst könnte der unterschiedliche Zuspruch dieser beiden Veranstaltungen erklärt werden?

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt November 2007