Conny von Schumann wurde am 3. Juli 2021 in der Heiliggeistkirche aus dem Dienst des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt Offenbach verabschiedet. Zuletzt leitete er die Notfallseelsorge.
Archiv für khe
Notfallseelsorger verabschiedet

Conny von Schumann wurde am Freitag, 2. Juli 2021, als Leiter der Notfallseelsorge Frankfurt Offenbach von Stadtdekan Achim Knecht in den Ruhestand verabschiedet. Knecht würdigte den Dienst des Leiters aber auch aller Ehrenamtlichen, die an 365 Tagen 24 Stunden lang bereit stehen, um in existentiellen Krisensituationen Menschen zu begleiten. Conny von Schumann arbeitete vier Jahrzehnte bei der evangelischen Kirche, seit 2005 beim Evangelischen Regionalverband Frankfurt Offenbach.
Über die Arbeit der Notfallseelsorge und den Ruhestand spricht Conny von Schumann im Interview:
Katholische Kirche: Ganz Offenbach wird eine Pfarrei
Offenbach lokal
von Kurt-Helmuth Eimuth 25. Juni 2021
Die Herausforderungen der katholischen Kirche ähneln denen der evangelischen: Beide müssen sich auf einen massiven Mitgliederrückgang einstellen, für beide hat dies finanzielle Folgen, und beide leiden unter fehlendem theologischen Nachwuchs, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. In Offenbach zieht die katholische Kirche nun Konsequenzen: Die ganze Stadt wird eine einzige Gemeinde.

Die katholische Kirche Offenbachs hat sich zu einem radikalen Schritt entschlossen: Die ganze Stadt soll eine einzige Pfarrei werden. Die bisherige Position des Stadtdekans von Offenbach wird ersetzt durch einen leitenden Pfarrer. Im November soll ein konkretes Konzept vorliegen. In zehn Arbeitsgruppen unter Beteiligung von hundert Ehrenamtlichen wird es derzeit zu Themen wie Seelsorge, Sozialraum oder auch Finanzen und Gebäudenutzung erarbeitet.
Die neue Stadt-Pfarrei Offenbach soll ein Netzwerk aus den Gemeinden und allen Orten kirchlicher Arbeit, beispielsweise der Caritas, sein. Im Moment gibt es in Offenbach noch elf Pfarreien sowie fünf Pfarreien anderer Muttersprache. „Ziel ist es,“ so der katholische Stadtdekan Andreas Puckel, „dass wir die katholische Kirche fit machen für die Zukunft, also da sind wo die Menschen sind mit ihren Anliegen.“ Man wolle künftig auch professioneller arbeiten: „Die Grundfrage ist: Was brauchen die Menschen? Und bekommen sie das, was sie brauchen, bei uns?“
Insbesondere die Aufgaben des Pfarrers soll sich ändern. „Im Moment ist der Pfarrer ein Allrounder. Das fängt an beim Wechseln der Glühbirnen im Gemeindezentrum, geht über in den hoch komplexen Bereich der Trägerschaft einer Kindertagesstätte bis zur Leitung von zahlreichen Gruppen.“ Der Seelsorger und die Gemeindereferent:innen sollen künftig von diesen „Allroundaufgaben“ entlastet werden. So sollte etwa die Gebäudebewirtschaftung nicht in elf Pfarrbüros geschehen, sondern professionell und zentralisiert. Dadurch würden Ressourcen frei für die Seelsorger:innen, damit diese ihren eigentlichen Aufgaben besser nachkommen können.
„Wir werden die örtliche Nähe beibehalten. Es soll keine leeren Pfarrhäuser mehr geben, sondern wir wollen in den Offenbacher Stadtteilen mit jeweils zwei Seelsorger:innen präsent sein“, sagt Puckel. Aber es werde auch Leute geben, die für die gesamte Stadtpfarrei Aufgaben übernehmen, wie etwa die gemeinsame Firmvorbereitung der Jugendlichen. „Es ist also nicht nur eine Verwaltungsreform, sondern eine inhaltliche Ausrichtung, die näher bei den Menschen sein wird“, fasst Puckel das Ziel zusammen.
Für den Dekan ist es eine besondere Herausforderung, das Engagement der Ehrenamtlichen beizubehalten. Jetzt seien etwa 50 hoch kompetente Verwaltungsräte tätig, dann wären es nur noch elf. „Viele Ehrenamtliche müssen wir ganz anders einbinden.“ Jetzt engagierten sie sich vor Ort. Auch in der großen Pfarrei müssten sie mitgestalten können. „Ob das funktioniert, ist ein Blick in die Glaskugel“, sagt Puckel und strahlt doch Zuversicht aus. Für den Dekan Offenbachs ist dabei die Kommunikation und die Delegation von Entscheidungen nach unten besonders wichtig.
In den konzeptionellen Überlegungen spielt auch die gemeinsame Nutzung von Gebäuden durch die evangelische und katholische Kirche eine Rolle. Puckel spricht hier von einer „Ökumene der Gebäude“. So überlege man zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Gebäuden in der Innenstadt oder die Schaffung eines „Ökumenischen Zentrums Stadtkirche“.
Die Wahlperiode des Stadtdekans läuft im kommenden Jahr aus. Schon dann soll wohl in den neuen Modus geschaltet werden, wenngleich erst noch zweigleisig gefahren wird. Bis zur völligen Umsetzung des Konzeptes könne es bis 2030 dauern, sagt Andreas Puckel, der letzte katholische Stadtdekan Offenbachs.
Hinterm Horizont geht’s weiter: Luther und Lindenberg
von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Juni 2021
Udo Lindenberg und Martin Luther sind Brüder im Geiste, meint der Theologe und Autor Uwe Birnstein. Zusammen mit dem Musiker Werner Hucks hat er jetzt ein musikalisches Feature über die beiden herausgebracht.

Beim Theologiestudenten Uwe Birnstein stand in den 1980er Jahren die Musik von Udo Lindenberg ganz oben auf der Playlist. Sobald sich die Gelegenheit bot, interviewte er den Deutschrocker. Lässig mit Whiskyglas in der Hand sei Lindenberg dahergekommen, erzählt Birnstein, und doch überraschte er den jungen Studenten mit Konzentration und Nachdenklichkeit. Und dem berühmten Luther zugeordneten Zitat vom Apfelbäumchen, das er noch pflanzen würde, selbst wenn morgen die Welt unterginge. Es gebe keine Alternative zum Optimismus, war Lindenbergs Interpretation: „Hinterm Horizont geht’s weiter“. Den Hit hat Lindenberg nach dem frühen Tod einer Freundin geschrieben, denn – der Tod hat nicht das letzte Wort.
In seinem Feature zieht Birnstein biographische Verbindungen klug und informativ, wie er es auch schon in Büchern über Leonhard Cohen oder Bob Dylan getan hat. Sein Vortrag ist voll überraschender Perspektiven, die immer wieder ergänzt werden durch das Gitarrenspiel von Werner Hucks, der die alten Melodien und Lindenbergs Songs gekonnt anklingen lässt. Entstanden ist eine Produktion, die zum Nachdenken anregt oder auch einfach zum Genuss der Musik einlädt: „Eine feste Burg“, „Hinterm Horizont“, „Verleih uns Frieden gnädiglich“, „Cello“ oder „Mein Ding“.
In Lindenbergs Song „Mein Ding“ zum Beispiel sieht Birnstein die gleiche Eigensinnigkeit wie bei Luther. Der eine macht sein Ding, der andere steht fest zu seiner Überzeugung und kann nicht anders. Zwei unabhängige Geister, die auch neue Begrifflichkeiten geprägt haben, was Birnstein und Hucks genüsslich vortragen. Auf beide passen Bezeichnungen wie Ketzer, Prediger, Promi, Protestant, Sprücheklopfer, Grenzüberschreiter, Deutschsprecher, Liedermacher, Erneuerer, Reformator, Querkopf oder Wortschöpfer. Ja, diese Aufzählung zeigt schon, dass Luther und Lindenberg doch mehr gemeinsam haben, als man auf den ersten Blick meint.
In seinem von musikalischen Assoziationen unterbrochenen Vortrag beleuchtet Birnstein auch die Kindheit der beiden Protagonisten. Martin sollte Jurist werden und kam aus angesehenem Haus. Oft musste er vor der Rute seines Vaters fliehen. Gewalt und auch der Tod waren ihm nicht fremd. Vier seiner Geschwister starben. 463 Jahre später wurde Udo Lindenberg geboren. Eine andere Zeit. Musikalisch dominiert vom Jazz. Der Zweite Weltkrieg war gerade vorbei. Die Elterngeneration versuchte sich die schrecklichen Bilder im Suff aus dem Kopf zu trinken. Launig erinnert sich Udo, dass er das einzige „Heidenkind“ am Ort gewesen sei, denn Vater Gustav habe sich die Kirchensteuer gespart. Es war damals sehr außergewöhnlich, dass jemand seine Kinder nicht taufen ließ. Der Oma gefiel das auch gar nicht. Also wurde Udo gemeinsam mit seinen Geschwistern im Alter von sieben Jahren doch noch zum Taufbecken geführt. Oma war selig. Trotz evangelischer Kindertagesstätte blieb Udo aber der Kirche gegenüber kritisch. „Lindenberg ist fromm auf seine Art“, bilanziert Birnstein.
Udo Lindenberg ist kein Reformator und hat sicher auch nicht die deutsche Sprache so nachhaltig geprägt wie Luther. Aber es lohnt sich, seine CDs mal wieder hervorzukramen. Birnstein hat einen anderen Zugang eröffnet – zu Luther und zu Lindenberg, eben zwei coolen Typen. Ein spannendes Feature für alle theologisch Interessierten, die gelegentlich auch mal Rockmusik hören.
Uwe Birnstein, Werner Hucks: Luther & Lindenberg, CD, 16 Euro, Bezug über komm-webshop.de
Pflegereform: Die pflegenden Angehörigen schauen in die Röhre
von Kurt-Helmuth Eimuth 15. Juni 2021
Während professionelle Pflegekräfte durch die Pflegereform auf mehr Geld hoffen können, gehen Angehörige leer aus: Anders als im Entwurf vorgesehen wird das Pflegegeld für sie doch nicht angehoben. Und, was fast noch schlimmer ist: Auch das versprochene Pflegebudget wird es nicht geben, die Abrechnungsmodalitäten bleiben also weiterhin ein bürokratischer Kraftakt. Das ist zutiefst unsozial.

Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat die regierende große Koalition im Bund doch noch ein Gesetz hinbekommen, das auf eine faire Bezahlung von Pflegekräften abzielt. Allerdings sind von der Öffentlichkeit fast unbemerkt diejenigen Teile des Gesetzesentwurfes gestrichen worden, die die ehrenamtliche Pflegearbeit der Angehörigen gestärkt hätten. Dies betrifft vor allem das Pflegegeld, aber auch die Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten.
Auf Anfrage hin teilte das Bundesgesundheitsministerium zur Begründung mit: „Aufgrund der pandemiebedingten Umstände war es nicht mehr möglich, einen eigenständigen Gesetzgebungsprozess zur Pflegereform in Gang zu setzen.“ Das klingt aber vorgeschoben. Noch wenige Wochen vor der Entscheidung im Bundestag stand ja zumindest eine Anhebung des Pflegegeldes im Entwurf.
Pflegegeld erhalten die Pflegebedürftigen, um damit etwa Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuung auszugleichen. Oft wird es genutzt, um pflegende Angehörigen, die ihren Beruf aufgegeben haben, damit sie die 24-Stunden-Pflege zu Hause stemmen können, zu entschädigen.
Diese Form der Pflege, die häusliche Pflege, ist keine Kleinigkeit, sondern sie ist das Rückgrat unseres Pflegesystems: Rund 2,9 Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig. Davon werden 2,08 Millionen zu Hause versorgt, 1,39 Millionen davon von Angehörigen und Bekannten. Demgegenüber stehen 783 000 Pflegebedürftige, die in Einrichtungen gepflegt werden.
Die pflegende Care-Arbeit zu Hause, meist von Frauen geleistet, wurde also im Kern bei dieser Reform nicht berücksichtigt. Lediglich das Budget für die ambulanten Dienste wurde erhöht, um auch hier Kostensteigerungen, die durch verbesserte Zahlung der Pflegekräfte entstehen, auszugleichen. Die professionelle Hilfe wurde gestärkt, aber der größte Bereich der Pflege ging leer aus. Und dies ist keine Kleinigkeit. Seit Januar 2017 wurde das Pflegegeld nicht erhöht. Die fünfprozentige Steigerung, die im Entwurf noch vorgesehen war, wäre also mehr als angemessen gewesen.
Noch im Koalitionsvertrag hatte man zudem versprochen, verschiedene Leistungen in einem Entlastungsbudget zusammenzufassen. „Damit können wir“ so hieß es im Koalitionsvertrag vor vier Jahren, „erheblich zur Entbürokratisierung in der ambulanten Pflege beitragen, die häusliche Versorgung stärken und pflegende Angehörige entlasten.“ Das wäre schön gewesen.
Für die Angehörigen ist es oft ein Ritt durch Instanzen und Verordnungen. Ein kleines Beispiel: Der Bund beschließt einen monatlichen Betrag für ambulante Pflege von 125 Euro. Die Ausführungsbestimmungen überlässt er den Ländern. Das heißt, es gibt 16 verschiedene Ausführungsbestimmungen. In Hessen lässt man sich Zeit. Es dauert fast zwei Jahre, bis die Ausführungsbestimmungen kommen, erst dann können Angehörige das Geld bekommen. Zu Pandemiezeiten wird in Hessen per Verordnung die Möglichkeit des Zugriffes erweitert, wenn man nachweist, dass man einen Hol- und Bringdienst bezahlt. Nur wer informiert die Angehörigen? Das Hessische Sozialministerium verweist auf die Internetseite und schreibt auf Anfrage: „Auf dieser Plattform wird beispielsweise auch informiert, dass das Leistungsangebot der Unterstützungsleistungen im Alltag bis zum 30.06.2021 um die sogenannten „Dienstleistungen bis zu Haustür“ erweitert wurde.“
Interessehalber habe ich selbst das einmal ausprobiert und diese Dienstleistung abgerechnet: Weder die Krankenkasse noch die Beihilfe kannten offenbar diese Erweiterung und verweigerten die Zahlung. Diese Erfahrung machen pflegende Angehörige immer wieder: Bevor sie Geld, das ihnen rechtlich zusteht, auch bekommen, müssen sie ein langes Procedere absolvieren mit Einspruch, Begründung und viel Geduld.
In der Tat hätte das in der Pflegereform ursprünglich versprochene Entlastungsbudget, dessen Ziel es war, das alles zu vereinfachen, viel Geld gekostet. Aber nicht, weil neue Leistungen hinzugekommen wären, sondern weil mehr Menschen die Hilfen, die ihnen zustehen, auch in Anspruch genommen hätten. 2016 gab man für solche Leistungen 2,6 Milliarden Euro aus. Würde nur ein Viertel der Anspruchsberechtigen die Leistungen des einst anvisierten Entlastungsbudget abrufen, würde es zehn Milliarden Euro kosten.
Es beschleicht einen der Verdacht, dass die bürokratischen Hürden auch dazu dienen, Geld zu sparen. Oder ist das zu einfach gedacht? Mitnichten. Auf eine Anfrage unsererseits im Jahr 2018 teilte das Gesundheitsministerium genau das mit: Eine pauschale Abrechnung sei nicht möglich, weil das den Finanzrahmen sprengen würde.
Der derzeitige bürokratische Pflegedschungel ist also gewollt oder, wie die Jurist:innen sagen, er wird billigend in Kauf genommen. Aber er ist zutiefst unsozial. Denn es können sich nur diejenigen zu ihrem Recht verhelfen, die neben der eigentlich Pflegearbeit sich auch noch Woche für Woche viele Stunden Zeit haben, und die nötige bürokratische Kompetenz, um sich mit Krankenkassen, Pflegekassen und Abrechnungsvorschriften und dergleichen auseinanderzusetzen.
Trotz einiger Verbesserungen im professionellen Care-Bereich, die bei den Pflegekräften hoffentlich auch ankommen, sind der Bundesgesundheitsminister und die Große Koalition mit diesem Gesetzentwurf ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden. In die Röhre schauen die pflegenden Angehörigen.
Weniger Pfarrstellen, mehr Teamarbeit: die Kirche in 2030 – Das Interview

von Kurt-Helmuth Eimuth 28. Mai 2021
Bis zum Jahr 2030 wird die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) laut aktuellen Prognosen 300.000 Mitglieder verlieren, das ist ein Fünftel ihrer derzeitigen Stärke. Ein Reformprozess unter der Überschrift „ekhn 2030“ will nun die Strukturen entsprechend anpassen.
Noch im laufenden Jahrzehnt sollen die Ausgaben der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) von derzeit 700 Millionen Euro im Jahr auf 560 Millionen reduziert werden. Aber wo sparen? Es gelte, gemeinsam herauszufinden, „was wir weiter tun wollen, was wir neu beginnen wollen und was seine Zeit gehabt hat und nicht mehr weitergeführt werden soll“, sagt Kirchenpräsident Volker Jung.
Geld ist dabei aber nicht das einzige Problem. Die Zahl der Pfarrstellen wird bis 2030 sogar überproportional schrumpfen, von derzeit 1.600 auf 1.000, was vor allem an einer großen bevorstehenden Pensionierungswelle und fehlendem Nachwuchs liegt. Unter dem Stichwort „Professionenmix“ sollen daher in Zukunft auch andere Berufe eine stärkere kommunikative Rolle übernehmen, etwa Pädagogen und Kirchenmusikerinnen. Die Zeit der „traditionellen Pfarrherrlichkeit“ sei ohnehin vorbei, sagt Propst Oliver Albrecht.
Sparen allein reicht nicht, man braucht auch eine Vision

von Kurt-Helmuth Eimuth 28. Mai 2021
Wie soll gespart werden? Und wie setzt man Prioritäten? Beim Strategie-Projekt „ekhn 2030“ ist die Vision bisher noch unklar.
„Den traditionellen Pfarrherrn gibt es nicht mehr, Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten heute lieber in Teams. Aufgaben werden nicht mehr starr nach Zuständigkeiten zugeteilt, sondern nach Gaben und Kompetenzen in Absprache aufgeteilt“ – so entwirft der Propst für Rhein-Main, Oliver Albrecht, Perspektiven für die Zukunft der Kirchengemeinden.
Auf den ersten Blick klingt der geplante „Professionenmix“, den das Strategie-Projekt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau entwirft, gut. Verwaltungsleute, Pfarrpersonen, Pädagoginnen und Kirchenmusiker, die eng und gemeindeübergreifend zusammenarbeiten: Das ist eine schöne Vorstellung. Aber wird es klappen? Wie viel Zeit und Energie wird dann wieder verbraucht für Absprachen und Koordination, Zeit, die woanders fehlt?
Es ist wahrlich eine Herkulesaufgabe, die angesichts der zurückgehenden Mitgliederzahlen vor der Kirche liegt. Wo soll man den Rotstift ansetzen? Überall ein bisschen? Die Erfahrung zeigt, dass das Gießkannenprinzip nicht hilft und die Arbeit eher schwächt. Die Alternative ist Prioritätensetzung. Aber genau damit tun sich Synoden, die Kirchenparlamente, schwer. Ein Beispiel ist das Frankfurter Bibelhaus, wo man sich nicht recht entscheiden kann, ob man es nun erhalten oder schließen will: Vorläufig soll es weiter Zuschüsse bekommen, aber weniger als bisher. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes.
Ein anderes Thema ist die hochgradige Fremdfinanzierung bestimmter kirchlicher Arbeitsfelder. Kindertagesstätten etwa werden heute zu mindestens 85 Prozent aus staatlichen Geldern und Elternbeiträgen refinanziert. Wer eine Million an Eigenmitteln kürzt, muss also insgesamt sieben Millionen einsparen. Oder man strebt eine vollständige Fremdfinanzierung an. Als die Kirche im 19. Jahrhundert Krankenpflege und Kindergärten gründete, war das etwas Neues. Heute aber sollten diese Aufgaben von der öffentlichen Hand finanziert werden.
Bei allen Konzepten ist auch zu bedenken, dass nicht in erster Linie eigene Fehler verantwortlich für den Bedeutungsverlust der Kirchen sind, sondern der religiöse Traditionsabbruch in den Familien. Wer nicht von klein auf in eine christliche Kultur eingeübt ist, knüpft auch weniger Beziehungen zu einer Gemeinde – egal, was diese leistet oder anbietet.
Das einzige, was da hilft, ist Beziehungsarbeit. Die große Stärke der Kirche liegt darin, dass sie immer noch in allen Stadtteilen präsent ist. Warum überlässt man es nicht den Gemeinden, sich stärker selbst zu verwalten? Schließlich wird auch jeder Sportverein mit Vereinsheim und Sportanlagen ehrenamtlich geführt. Passende Lösungen können nur lokal gefunden werden.
Schaut auf die Bildschirme!

von Kurt-Helmuth Eimuth 16. Mai 2021
„Schaut hin“ hieß das Motto des Ökumenischen Kirchentags. Und wir haben geschaut! TV. Den ganzen Samstag und natürlich auch an den anderen Tagen. Und in der Stadt unterwegs waren wir außerdem.
Der 3. Ökumenische Kirchentag sollte das Stadtbild Frankfurts an diesen Tagen beherrschen. Überall fröhliche Menschen, die in den U-Bahnen singen und an den Straßenecken die Posaunen erklingen lassen. So war die Erwartung. Es kam bekanntermaßen anders.
Man war schon froh, dass man einige Tage zuvor die Fahnen des Kirchentages auf dem Römerberg sah. Und dann die Aktion mit den überdimensionalen Tischen an der Hauptwache. Als wir davor standen, kam ein leichtes Kribbeln auf. Jetzt geht es los, jetzt wird Kirche sichtbar, und bekannte Gesichter sah man auch. Der Kirchentag war nicht nur digital und dezentral, sondern in diesem Moment ganz analog vor Ort.
Und die einzelnen Buchstaben des Mottos „Schaut hin“, verstreut in der City. Genial. Wir fuhren die Orte mit dem Fahrrad ab, machten halt an der Hauptwache, konnten im Gespräch mit einem Pfadfinder einen dieser Schals abstauben und uns sodann, passend gekleidet, zum nächsten Buchstaben aufmachen. Gut, als Frankfurter kennt man all die Orte. Aber so eine Art Kirchentags-Caching macht doch Spaß. Zumal der Weg an der Weseler Werft vorbeiführte. Da wurde schon die Bühne für den Schlussgottesdienst aufgebaut. Das ist der richtige Ort, um Frankfurt in Szene zu setzen.
Der Eröffnungsgottesdient. Schöne Predigt. Aber die Musik!
Das Dach des Parkhauses an der Konstablerwache, dem Ort des Himmelfahrtsgottesdienstes, überzeugte indes nicht. Nur 1 B-Lage. Immer wieder musste die Kamera mühsam die Skyline ins Bild setzen. Die Häuserzeile der Zeil als unvermeidlicher Hintergrund kann da natürlich nicht punkten. Und noch etwas war bei diesem strahlenden Sonnenschein auffällig. Palmen, Sand und gar ein Boot als Kulisse. Mediterranes Flair am Main? In der Tat tobt hier im Sommer eine Beach Party. Okay ein paar wirklich schöne Bilder gab es.
Aber die Musik! Es ist die Musik meiner Generation, also 60 plus, aber vorgetragen in einem – Tempo ist hier der falsche Ausdruck – in einer Beschaulichkeit, die selbst das in die Jahre gekommene Liedgut nicht verdient hat. Einzig die Predigt von Frère Alois, dem Prior der Gemeinschaft von Taizé, ragte heraus. Und er gab gleich die Richtung für das Christ:innentreffen vor: „Auf keinen Fall dürfen wir uns mit dem Skandal unserer Spaltungen abfinden. Unsere Kirchen können noch nicht alle Glaubensschätze miteinander teilen. Aber Christus ist nicht geteilt. Er ist unsere Einheit.“
Die Tücken der Technik
War der in der ARD übertragene Himmelfahrtsgottesdienst so etwas wie die inoffizielle Eröffnung, so wurde am Freitag die offizielle aus der Messe gestreamt. Mit aller Prominenz, etwas Musik und unaufgeregt. Aufregender war allerdings der Umgang mit der Technik. Immer wieder brach die Verbindung ab. Ob die Planer:innen kleingläubig waren und nicht mit so vielen Zugriffen gerechnet hatten?

Die technischen Probleme bekamen sie nie in den Griff. Auch schienen die Zugänge zu den Veranstaltungen zu kompliziert. Vor allem, wenn es hakte. Und warum Workshops ausgebucht waren und man somit keinen Zutritt mehr erhielt, blieb ein Geheimnis. Denn passives Zuschauen, also ohne Fragerecht, hätte doch möglich sein können!
Überhaupt die Plattform. Hier muss man sich noch einmal Gedanken machen. Viele haben Youtube ihrem TV-Gerät voreingestellt. Wäre das eine Alternative? So war der Kunstgenuss für das opulente Oratorium Eins, technisch bedingt, gestört. Doch es war sicher ein Höhepunkt und mit 40.000 Menschen im Stadion, wie es sich einer der Texter, Eugen Eckert, gewünscht hatte, wäre es ein nachhaltiges Erlebnis gewesen.
Kässmann, Hirschhausen und Co.: die Bibelarbeiten
Blieben noch die fast hundert Veranstaltungen am Samstag. Voran die Bibelarbeiten. Wie immer lehrreich und unterhaltsam Margot Käßmann in ihrem kurzen Beitrag, wenn auch mediendidaktisch optimierbar. Die Aufnahme von Medienprofi Eckhart von Hirschhausen, hergestellt im eigenen Studio, war hingegen so perfekt wie die lässige Unterhaltung mit Gräfin Fernanda Wolff Metternich, Referentin bei der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“, einer Hirschhausen Stiftung. Sie ließen keinen Zweifel, dass die Klimafrage noch bedeutender als die Corona-Pandemie ist. Lehrreich und unterhaltsam. Und da war doch noch was. Wie kriegt er nur die Kurve? Hirschhausen singt gerne und zum Schluss in der Regel mit dem gesamten Publikum. Mir unvergessen, der Gesang eines umgetexteten Beatles-Klassikers in der Dresdner Messehalle. Aber selbst online animiert der Moderator zum Singen. Karaoke zum Ermutigen. Ein Lied, dass an die Schönheit der Welt erinnert. Er lässt den Text und die Musik des Klassikers von Louis Armstrong „What a wonderful world“ als Einladung zum Mitsingen über den Bildschirm flimmern. Da kann man nur mit der letzten Liedzeile ausrufen „Ohh yeah“.
Wunderbar ist die Möglichkeit, viele Bibelarbeiten, die sonst ja parallel stattfinden, in der Mediathek später anzuschauen. Da findet sich das auf den ersten Blick kuriose Dialoggespann zweier Ministerpräsidenten. Bodo Ramelow, Die Linke, seit vielen Jahren Gast auf Kirchentagen und Volker Bouffier, CDU. Doch man erfährt, die beiden kennen und schätzen sich seit ihrer Studentenzeit.
Die Polit-Prominenz auf den Podien
Die Podien waren wie die Talkrunden, die man sonst so kennt. Angela Merkel versteht die Ungeduld der Jugend in Sachen Klima und verweist auf die Spielregeln der Demokratie und des Rechtsstaates. Jede neue Stromtrasse müsse erst durchgeklagt werden. Und ihr Vize Olaf Scholz betont, dass die Kosten der Pandemie bezahlbar sind und die Starken eben etwas mehr schultern müssten. Nett und gut, dass man hierfür nicht eine Stunde Anfahrt hatte, um dann vielleicht doch vor einer überfüllten Halle zu stehen. Hier ist der digitale Kirchentag klar im Vorteil. Und es wundert nicht, dass die Planungen für die weiteren Veranstaltungen eben auch digitale Formate einbeziehen. Da war man sich auf der Abschlusspressekonferenz einig.
Ein Gefühl von Kirchentagsstimmung kam bei der Übertragung des Abschlussgottesdienstes auf. Da übertrug sich die Fröhlichkeit bei schwungvoller Musik auch ins heimische Wohnzimmer. Und Frankfurt präsentierte sich trotz einiger Regentropfen von seiner besten Seite. Wie sagte doch Peter Feldmann zum Abschluss: „Als Frankfurter Oberbürgermeister bin ich stolz, dass wir Gastgeber dieses ganz besonderen Kirchentages sein durften.“ Übrigens war Feldmann an allen Tagen außerordentlich präsent, auch bei der Podiumsdiskussion über Antisemitismus.
Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier braucht es solche Veranstaltungen. Er setzt auf ihre versöhnende Kraft: „Wir müssen Wunden heilen, die Corona in unserer Gesellschaft geschlagen hat.“ Die zunehmende Entfremdung der Menschen im Blick, fügte er hinzu: „Die Zukunft gewinnen wir nicht im Streit miteinander. Wir müssen Brücken bauen, zwischen Menschen und Gruppen, die die Pandemie verfeindet hat. Wir müssen nicht einer Meinung sein, aber wir brauchen einander.“ Doch eine Botschaft ging unbestritten von Frankfurt aus: Das ökumenische Miteinander ist selbstverständlicher geworden.
Doch es bleibt dabei: Kirchentage sind Orte der Begegnung. Meine Highlights waren deshalb auch analog. Der Besuch der Installation an der Hauptwache und die Buchstabentour durch die City. Da lag der Zauber eines Kirchentages in der Luft. Der 3. ÖKT war ein Kirchentag zum Nachdenken, sozusagen geistliche und geistige Nahrung. Das ist ja keineswegs wenig.
Evangelisches Frankfurt Offenbach
Riesen-Tisch zum Kirchentag

Perspektivenwechsel sind führen gelegentlich weiter. Sie helfen andere zu verstehen, Sie eröffnen neue Sichtachsen, neue Winkel und erweitern so den eigenen Blick. Gemäß dem Motto des 3. Ökumenischen Kirchentages, der am Donnerstag in Frankfurt beginnt, „Schaut hin“ hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und das Bistum Limburg eine Installation von überdimensionierten Tischen und Stühlen an der Hauptwache aufgebaut.
Der Entwurf zu dem Kommunikationsprojekt stammt vom Berliner Grafiker und Designer Philip Wilson. Die blaue Farbe der Installation soll an den Himmel erinnern. Das Kunstwerk mit seinen vier verschieden großen Tischen und den 13 entsprechend angepassten Stühlen, eröffnet neue Räume. Auf ihnen kann gemäß den Hygienevorschriften auch Platz genommen werden kann. So entstehen immer wieder überraschende Perspektiven, auf denen sich ein überhöhter oder zerklüfteter Tisch oder eine ebene und erreichbare Tafel sehen lässt. Die blaue Installation spielt dabei auch auf die Dimensionen des Himmels an, in dem nach christlichem Verständnis Größenverhältnisse und Hierarchien keine Rolle mehr spielen, so die Initiatoren.
Der Hotel- und Gastronomieverband Hessen. Er will am Dienstag (11. Mai) ab 14 Uhr mit verschiedenfarbigen Tischdecken auf die bedrückende Situation des Gast-Gewerbes in der Corona-Pandemie aufmerksam machen. Die Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit hat angekündigt, am Donnerstag (13. Mai) von 9 bis 14 Uhr einen Berg voll Geld auf dem Tisch anzuhäufen. Die katholische Basisinitiative Maria 2.0 will die Tafel am Samstag (15. Mai) von 9 bis 14 Uhr unter anderem mit einer überdimensionalen „Mitra“, einer päpstlichen Kopfbedeckung, schmücken. Aktionen am Tisch finden vom 9 bis 19 Uhr statt. Die Installation ist ganztägig zugänglich.
Text und Fotos: Kurt-Helmuth Eimuth

Notbetrieb als Normalfall: Kita-Regelungen stiften viele Unklarheiten
von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Mai 2021
Normalbetrieb, Notbetreuung, Ausnahmereglungen – der Betrieb von Kindertagesstätten unter Pandemiebedigungen bleibt weiter kompliziert. Auch im „Notbetrieb“ sind die meisten Einrichtungen voll. Zuhause bleiben meist diejenigen Kinder, für die es besonders wichtig wäre, zu kommen.

Langsam haben sich Eltern und Erzieher:innen an einen Kindergartenbetrieb unter Pandemiebedingungen gewöhnt. In der zweiten Woche der erneuten Schließung von Kitas nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz werden die Regelungen klarer: Eltern müssen über ihre Berufstätigkeit eine Bescheinigung mitbringen. Und doch, so die Leiterin der Ökumenischen Kindertagesstätte Kaleidoskop, Birte Hansen, „ist das Haus nahezu voll“. Hansen vermisst klare Kriterien für die Ausnahmetatbestände für die Notbetreuung. „Es trifft dann immer die gleichen Familien, die solidarisch sind.“
Auch Sabine Herrenbrück, die Leiterin des Fachbereichs Kindertagesstätten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), teilt diese Einschätzung: „Es ist zu beobachten, dass die Kinder, für die der Besuch der Kita besonders wichtig wäre, oft nicht mehr kommen.“
Mit den veränderten Rahmenbedingungen in den Einrichtungen können die meisten Kinder recht gut umgehen, zum Beispiel damit, dass die Erzieher:innen Masken tragen. Aber auch hier zeigt sich, dass die Regelungen nicht klar sind. „Früher konnten die Erzieher:innen selbst entscheiden, ob sie Maske tragen. Jetzt sind sie dazu verpflichtet, können aber im Einzelfall begründet entscheiden, es nicht zu tun.“ Das führt aber nur zu Verunsicherung. Und ist ein Beispiel dafür, wie staatliche Anweisungen häufig nur scheinbar eindeutig sind, in Wirklichkeit aber doch die Verantwortung nach unten abschieben.
Konflikte sind dann fast zwangsläufig. „Die einen Eltern drohen mit Klage, weil Maske getragen wird, die anderen wollen, dass sie unbedingt getragen wird“, berichtet Herrenbrück. Hinzu kommt das, was sie „Appell-Lösungen“ nennt. Etwa wenn es im Schreiben des Sozialministeriums heißt: „Ich appelliere daher erneut, Betreuungsangebote nur zu nutzen, wenn es absolut notwendig ist.“ Appelle sind aber wenig hilfreich, denn sie führen dazu, dass es in die Verantwortung der Einzelnen gestellt wird, ob sie ihre Kinder zuhause betreuen. Inzwischen ist der Kriterienkatalog für den Anspruch auf Notbetreuung so umfangreich, dass praktisch jede Familie irgendwie darunter fallen kann, wenn sie will. Entsprechend gefüllt sind die Kitas trotz formaler „Schließung“, und eben nicht unbedingt mit denjenigen Kindern, die die pädagogische Unterstützung am dringendsten brauchen.
Zur Entspannung hat immerhin beigetragen, dass die Mitarbeiter:innen nun zweimal die Woche getestet werden, bei Birte Hansen im Mertonviertel sogar dreimal. „Das gibt dem Team Sicherheit“, so Hansen. Auch die Impfquote im Kita-Personal ist zumindest in Frankfurt hoch. 75 Prozent der Angestellten in den evangelischen Kitas sind inzwischen wenigstens einmal geimpft.
Trotzdem ist die Belastung für das Personal weiterhin enorm. Das liegt nicht nur an den besonderen Anforderungen. „Die ständigen Wechsel. Kinder rein, Kinder raus. Wie oft mussten die Kitas schon ihre Abläufe umstellen“, kritisiert Herrenbrück, und fügt bedauernd hinzu: „Wir von Trägerseite können ihnen nichts von den Schultern nehmen, da die Vorgaben woanders gemacht werden.“
Unter der derzeitigen Situation litten alle, berichtet Herrenbrück. „Die Kinder leiden unter der Anspannung ihrer Eltern, und bei den Eltern ist die Haut dünner geworden“. Da bleibt nur die Hoffnung auf ein Absinken der Inzidenzzahlen.