Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit

Wenn das Occupy-Camp eines verkörpert hat, dann die tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Bis ins konservative Lager hinein spüren viele, dass der heutige Turbokapitalismus vor allem eines ist: ungerecht. Es hat eine Diskussion begonnen über die Vision einer Gesellschaft: Soll sie sich nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichten? Oder soll sie vor allem gerecht sein?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von “Evangelisches Frankfurt”. Foto: Rolf Oeser 

An vielen Stellen werden Ungerechtigkeiten wieder angeprangert. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel etwa fordert inzwischen einen Verkaufsstopp für den Bio-Sprit E 10: Es gebe einen „Konflikt zwischen Tank und Teller“. Recht hat er, denn der Anbau von Biomasse zur Spritgewinnung treibt die ohnehin steigenden Lebensmittelpreise weiter nach oben und verbreitet den Hunger in der Welt.

Noch so eine Ungerechtigkeit wird die Entwicklungshilfe direkt treffen. Die Finanzkrise hat nämlich ihre Auswirkungen nicht nur im Euro-Raum. Viele EU-Staaten wollen die Ausgaben für Entwicklungshilfe zurückfahren. Spanien und Griechenland haben ihr Budget schon um 30 bis 40 Prozent gekürzt. Noch 2005 hatte die EU versprochen, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bis 2015 in Entwicklungshilfe zu investieren. Deutschland liegt mit 0,39 Prozent weit hinter dieser Marke.

Und noch so eine Ungerechtigkeit wird möglicherweise ins Visier genommen: Die steuerliche Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften im Vergleich zur Ehe. Das Ehegattensplitting ist ohnehin vielen ein Dorn im Auge, schließlich kostet es den Staat 20 Milliarden Euro jährlich und bevorzugt vor allem sehr gut verdienende Haushalte mit nur einem Einkommen – unabhängig davon, ob Kinder im Haushalt leben. Für diese gewaltige Summe kann man sich effektivere Modelle der Familienförderung vorstellen.

Und schließlich ist da noch der Stachel von Hartz IV. Das Modell war ökonomisch erfolgreich, aber es hat einen bitteren Beigeschmack. Denn die Hartz-Gesetze drängten zwar die Arbeitslosigkeit zurück, schufen aber auch Armut trotz Arbeit und führten zu einer Ausweitung des Niedriglohnbereichs. Auch Dank der neuen sozialen Bewegungen hat inzwischen eine Diskussion darüber begonnen, ob etwa ein Grundeinkommen für alle eine Alternative sein könnte.

An vielen Stellen brechen derzeit solche Debatten auf – und das ist gut so. Denn die Idee einer gerechten Gesellschaft ist auch eine im Kern christliche Idee.

Kurt-Helmuth Eimuth, Evangelisches Frankfurt, September 2012

Wertfreie Erziehung gibt es nicht

Immer mehr Menschen sind der Ansicht, Kinder sollten möglichst wertneutral erzogen werden, damit sie sich später selbst für eine Religion oder eine Weltanschauung entscheiden können. Bloß: Eine wertfreie Erziehung ist gar nicht möglich.

„Die religiöse Erziehung von Kindern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die gesunde psychische Entwicklung eines Kindes dar“, schreibt ein Blogger auf der Webseite des „Zukunftsdialoges“ der Bundeskanzlerin und fordert konsequenterweise, dass die „Indoktrination“ von Kindern mit Religion unter Strafe gestellt wird.

Soweit gehen die meisten nicht, aber die Meinung ist doch weit verbreitet, dass Kinder ihre Religion, ihre Kirche, ihre Weltanschauung selbst wählen, also von ihren Eltern dabei möglichst wenig beeinflusst werden sollen. Doch was ist Erziehung, und was ist Indoktrination?

Kinder lernen durch Nachahmung

Kinder lernen zunächst einmal durch Nachahmung. Sie machen einfach das, was die Erwachsenen auch machen. So lernen sie auch ihre Muttersprache, entschlüsseln grammatikalische Gesetzmäßigkeiten und formen den Klang der Silben nach. Das ist eine Leistung, die das menschliche Gehirn in späteren Jahren nicht mehr vollbringt.

Aber nicht nur Wissen und Fertigkeiten werden durch Nachahmung gelernt. Auch Einstellungen und Verhaltensmuster formen sich am Anfang auf diese Weise. Wenn es in einer Familie laut zugeht, wird das Kind auch zum Schreien neigen. Und wenn in einer Familie über „die Ausländer“ gelästert wird, wird das Kind in der Grundschule Ayse und Yussuf mit Vorurteilen begegnen.

Erziehung ist also niemals wertfrei, sondern immer wertevermittelnd. Erziehung ist immer Erziehung zu einem Ziel, beispielsweise dem respektvollen Umgang untereinander. Und Kinder achten akribisch darauf, dass Regeln eingehalten werden. Dies beginnt bei der roten Ampel. Mit Recht rufen Kinder „Rotgänger – Totgänger“, wenn Erwachsene die rote Ampel ignorieren. Und die Schweißperlen auf der Stirn des Vaters kennen viele, wenn bei der Fahrkartenkontrolle im Zug die Tochter bei der Frage nach ihrem Alter schwindeln soll.

Die Vermittlung des Wertekanons erfolgt also nicht so sehr durch Argumente und intellektuelle Auseinandersetzung, sondern in erster Linie über das beispielhafte Verhalten der Eltern. Umso mehr, als die Eltern in den ersten Jahren in den Augen ihrer Kinder unfehlbar sind. Wenn also die Eltern bestimmte Essgewohnheiten haben, sei es aus religiösen und ökologischen Gründen, so sind diese auch für das Kind Gesetz. Es ist unmöglich, Kindern Werte und Verhaltensweisen nahezubringen, die man selbst im konkreten Alltag gar nicht umsetzt und praktiziert.

Das gilt genauso für die Religion. Kinder wachsen in einer Welt auf, die von religiösen Traditionen und Werthaltungen mit geprägt ist. Es ist also unvermeidlich, dass ihnen auch eine bestimmte Einstellung dazu vermittelt wird – nämlich eben jene, die die Eltern vorleben. Wenn das Kind jedes Jahr in der Moschee ein Bayramfest miterlebt, wird dieses Fest ein selbstverständlicher Bestandteil seiner Welt.

Dass Eltern ihre eigenen Überzeugungen und Lebensweisen an die Kinder weitergeben, ist also ein notwendiger Bestandteil der Erziehung und keineswegs eine Form der Indoktrination. Das Kind wird damit auch nicht in der eigenen Freiheit eingeschränkt. Später, in der Pubertät, kann es sich von den Einstellungen der Eltern absetzen und sich zu allen Fragen des Lebens, auch zur Religion, eine eigenständige Meinung bilden.

Grundorientierung gibt Menschen Halt

Als Reaktion auf die Forderung des Verbots zur Indoktrination kommentierte jemand: „Zur Religion gehört unbedingt die Freiheit dazu. Jeder Mensch kann sich immer dafür oder dagegen entscheiden. Und als Jugendlicher möchte man auch den Kinderglauben ablegen und setzt sich im Ganzen ab von der Familie.“

Religion gehört zur kindlichen Erlebniswelt, und es ist daher ganz unmöglich, sie in der Kindheit auszublenden. Notwendig ist es, Kinder in ihrem religiösen Erleben und in ihren Sinnfragen zu begleiten, ihnen Antworten zu geben und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Dass die Überzeugungen und Lebensgewohnheiten der Eltern dabei die Kinder beeinflussen, hat überhaupt nichts mit Indoktrination zu tun, ganz im Gegenteil: Eine solche Grundorientierung gibt Menschen Halt und Haltung für ihr ganzes Leben, sie ist der Grundstein für die späteren eigenverantwortlichen Entscheidungen – egal, wie diese ausfallen mögen.

Beitrag von , veröffentlicht am 10. September 2012 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

Wertfreie Erziehung gibt es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. September 2012

Immer mehr Menschen sind der Ansicht, Kinder sollten möglichst wertneutral erzogen werden, damit sie sich später selbst für eine Religion oder eine Weltanschauung entscheiden können. Bloß: Eine wertfreie Erziehung ist gar nicht möglich.

Einschulungsgottesdienst für Erstklässlerinnen und Erstklässler in Zeilsheim. Er fand in diesem Jahr erstmals in „großer“ Ökumene statt, also nicht nur evangelisch und katholisch, sondern auch muslimisch. Foto: Rolf Oeser
Einschulungsgottesdienst für Erstklässlerinnen und Erstklässler in Zeilsheim. Er fand in diesem Jahr erstmals in „großer“ Ökumene statt, also nicht nur evangelisch und katholisch, sondern auch muslimisch. Foto: Rolf Oeser

„Die religiöse Erziehung von Kindern stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die gesunde psychische Entwicklung eines Kindes dar“, schreibt ein Blogger auf der Webseite des „Zukunftsdialoges“ der Bundeskanzlerin und fordert konsequenterweise, dass die „Indoktrination“ von Kindern mit Religion unter Strafe gestellt wird.

Soweit gehen die meisten nicht, aber die Meinung ist doch weit verbreitet, dass Kinder ihre Religion, ihre Kirche, ihre Weltanschauung selbst wählen, also von ihren Eltern dabei möglichst wenig beeinflusst werden sollen. Doch was ist Erziehung, und was ist Indoktrination?

Kinder lernen durch Nachahmung

Kinder lernen zunächst einmal durch Nachahmung. Sie machen einfach das, was die Erwachsenen auch machen. So lernen sie auch ihre Muttersprache, entschlüsseln grammatikalische Gesetzmäßigkeiten und formen den Klang der Silben nach. Das ist eine Leistung, die das menschliche Gehirn in späteren Jahren nicht mehr vollbringt.

Aber nicht nur Wissen und Fertigkeiten werden durch Nachahmung gelernt. Auch Einstellungen und Verhaltensmuster formen sich am Anfang auf diese Weise. Wenn es in einer Familie laut zugeht, wird das Kind auch zum Schreien neigen. Und wenn in einer Familie über „die Ausländer“ gelästert wird, wird das Kind in der Grundschule Ayse und Yussuf mit Vorurteilen begegnen.

Erziehung ist also niemals wertfrei, sondern immer wertevermittelnd. Erziehung ist immer Erziehung zu einem Ziel, beispielsweise dem respektvollen Umgang untereinander. Und Kinder achten akribisch darauf, dass Regeln eingehalten werden. Dies beginnt bei der roten Ampel. Mit Recht rufen Kinder „Rotgänger – Totgänger“, wenn Erwachsene die rote Ampel ignorieren. Und die Schweißperlen auf der Stirn des Vaters kennen viele, wenn bei der Fahrkartenkontrolle im Zug die Tochter bei der Frage nach ihrem Alter schwindeln soll.

Die Vermittlung des Wertekanons erfolgt also nicht so sehr durch Argumente und intellektuelle Auseinandersetzung, sondern in erster Linie über das beispielhafte Verhalten der Eltern. Umso mehr, als die Eltern in den ersten Jahren in den Augen ihrer Kinder unfehlbar sind. Wenn also die Eltern bestimmte Essgewohnheiten haben, sei es aus religiösen und ökologischen Gründen, so sind diese auch für das Kind Gesetz. Es ist unmöglich, Kindern Werte und Verhaltensweisen nahezubringen, die man selbst im konkreten Alltag gar nicht umsetzt und praktiziert.

Das gilt genauso für die Religion. Kinder wachsen in einer Welt auf, die von religiösen Traditionen und Werthaltungen mit geprägt ist. Es ist also unvermeidlich, dass ihnen auch eine bestimmte Einstellung dazu vermittelt wird – nämlich eben jene, die die Eltern vorleben. Wenn das Kind jedes Jahr in der Moschee ein Bayramfest miterlebt, wird dieses Fest ein selbstverständlicher Bestandteil seiner Welt.

Dass Eltern ihre eigenen Überzeugungen und Lebensweisen an die Kinder weitergeben, ist also ein notwendiger Bestandteil der Erziehung und keineswegs eine Form der Indoktrination. Das Kind wird damit auch nicht in der eigenen Freiheit eingeschränkt. Später, in der Pubertät, kann es sich von den Einstellungen der Eltern absetzen und sich zu allen Fragen des Lebens, auch zur Religion, eine eigenständige Meinung bilden.

Grundorientierung gibt Menschen Halt

Als Reaktion auf die Forderung des Verbots zur Indoktrination kommentierte jemand: „Zur Religion gehört unbedingt die Freiheit dazu. Jeder Mensch kann sich immer dafür oder dagegen entscheiden. Und als Jugendlicher möchte man auch den Kinderglauben ablegen und setzt sich im Ganzen ab von der Familie.“

Religion gehört zur kindlichen Erlebniswelt, und es ist daher ganz unmöglich, sie in der Kindheit auszublenden. Notwendig ist es, Kinder in ihrem religiösen Erleben und in ihren Sinnfragen zu begleiten, ihnen Antworten zu geben und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Dass die Überzeugungen und Lebensgewohnheiten der Eltern dabei die Kinder beeinflussen, hat überhaupt nichts mit Indoktrination zu tun, ganz im Gegenteil: Eine solche Grundorientierung gibt Menschen Halt und Haltung für ihr ganzes Leben, sie ist der Grundstein für die späteren eigenverantwortlichen Entscheidungen – egal, wie diese ausfallen mögen.

Presseempfang Stadt Frankfurt

Evangelisches Frankfurt 29. August 2012

Unser Redaktionsleiter Kurt-Helmuth Eimuth war heute beim Presseempfang der Stadt Frankfurt im Städel. Dabei betonte der neue Oberbürgermeister Peter Feldmann (Mitte) die
Bedeutung der Medien für die Demokratie. Der Leiter des Presseamtes Nikolaus Münster (am Pult) verwies auf die Zufriedenheit der Bürger, wie eine neue Untersuchung zeige. Die Attraktivität Frankfurt zeige sich auch in den Events der letzten Wochen vom Museumsuferfest bis zur Errichtung der Osthafenbrücke. Links Städeldirektor Max Hollein und Arnd Festerling, Chefredakteur der Lokalredaktion der Frankfurter Rundschau). Foto: EimuthPresseempfang

Klezmers Techter virtuos in Griesheim

Virtuos am Instrument, vielseitig in den Arrangements und mit großer Lebensfreude präsentierten sich gestern Abend „Klezmers Techter“ in der vollbesetzten Griesheimer Segenskirche.

Klezmers Töchter begeisterten in der Griesheimer Segenskirche. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth 

Im Rahmen des Griesheimer Musiksommers brachten die drei Musikerinnen die einst in Deutschland von den Nazis ausgerottete Klezmermusik wieder zurück, so die Initiatorin des Griesheimer Musiksommers, Brigitte Babbe. Aber mehr noch: Gabriele Kaufmann, Nina Hacker und Almut Schwab nahmen deutlich auch Elemente anderer Stilrichtungen auf, selbst Mainzer Karnevalsmusik schimmerte im Stück “Massel tov” durch.

Tanzen mit zwölf Kilo schwerem Akkordeon

Kein Wunder: Wurde doch die Instrumentierung von der gebürtigen Mainzerin Almut Schwab arrangiert. Klezmermusik stammt aus dem jiddischsprachigen Osteuropa und war von jeher beeinflusst von nicht-jiddischer Musik der jeweiligen Region. Nach den ersten Auswanderungswellen gelangte sie nach Amerika und verband sich dort auch mit dem swingenden Jazz. Diese Tradition setzt das Trio fort.

Die Künstlerinnen beeindruckten durch ihre Vielseitigkeit an den Instrumenten, wozu auch Bassklarinette, Querflöte und Hackbrett gehören. Unnachahmlich wie Almut Schwab trotz des von ihr gespielten zwölf Kilogramm schweren Arkodeons über die Bühne tanzte und den Dialog mit ihren Mitspielerinnen und mit dem Publikum suchte.

Unzählige Facetten menschlicher Gefühle

Klezmermusik drückt unzählige Facetten menschlicher Gefühle aus. Etwa beim Stück „Friling“, geschrieben nach dem Tod der Ehefrau des Komponisten im Konzentrationslager. Hier überzeugt das Trio auch durch leise Töne und den stampfenden Rhythmus, den Nina Hacker mit dem Bass vorgibt. Klezmers Techter sind eine Entdeckung für die Kirchenmusik-Szene.

Kurt-Helmuth Eimuth Evangelisches Frankfurt Internet 5.8.12

Zeugen Jehovas Tür nicht schließen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

04.08.2012 ·  Die Zeugen Jehovas haben das Image der Harmlosigkeit. Kurt-Helmuth Eimuth teilt diese Einschätzung nicht. Eimuth ist Diplompädagoge und Gründungsmitglied von Sinus. Das ist eine Selbsthilfeinitiative und Beratungsstelle, die sich in Frankfurt um Sektenaussteiger und ihre Angehörigen kümmert.

Wer wendet sich an Sinus?

In der Regel sind es Angehörige. Sie möchten Informationen und unsere Erfahrungen. Deshalb vermitteln wir Gespräche zu anderen Angehörigen und ehemaligen Sektenmitgliedern. Hilfreich sind auch konkrete Ratschläge, wie man mit Familienmitgliedern, die sich einer Sekte angeschlossen haben, umgehen soll.

Was ist Ihr wichtigster Rat?

Es kommt darauf an, die Türe nicht hinter sich zu schließen. Vorwürfe und Vorhaltungen helfen nicht weiter. Auch wenn es schwerfällt: Verständnis und Zuhören helfen, den Dialogfaden nicht abreißen zu lassen.

Welche Sekten sind heute in Deutschland besonders aktiv?

Sicher sind die Zeugen Jehovas hierzulande die größte Sekte, auch wenn ihre Mitgliederzahl stagniert. Scientology ist weiter aktiv. Und die religiöse Landschaft hat sich weiter differenziert. Heute sind zahlreiche kleine Gruppen tätig, die durchaus sektenhafte Züge tragen. Dies gilt auch für den Psychomarkt und die Esoterik.

Die Zeugen Jehovas haben in Hessen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Wie schätzen Sie diese Gemeinschaft ein? Ist sie überhaupt gefährlich?

Die Lehre der Zeugen Jehovas wirkt vor allem auf Kinder und Jugendliche sozial ausgrenzend, schon im Kindergarten werden sie zu Außenseitern.

Wodurch?

Es wird zum Beispiel nicht gerne gesehen, wenn sie Geburtstage oder christliche Feste mitfeiern. Schon das Bemalen eines Ostereis kann zu einem Problem für ein dreijähriges Kind werden. Die Einübung in die demokratische Willens- und Meinungsbildung wird vorenthalten. So sollten bis vor einigen Jahren Kinder nicht einmal an Klassensprecherwahlen teilnehmen, weil dies ein Dienst im verhassten System wäre. Wer Kindern und Jugendlichen verbietet, an jeder politischen Willensbildung teilzunehmen, dem muss eine demokratische Grundhaltung abgesprochen werden. Das autoritäre und angsteinflößende Erziehungskonzept der Zeugen Jehovas gefährdet meines Erachtens das Kindswohl, weil es eine Form der psychischen Misshandlung darstellt. Die Anerkennung der Sekte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ändert daran nichts. Die Zeugen Jehovas sind eine gefährliche Sekte.

Was macht den Ausstieg schwierig?

In der Sekte ist alles geregelt. Der Wochen- und Tagesablauf, die Art des Umgangs, die Einteilung der Welt in Gut und Böse. Beim Austritt stehen die Betroffenen von dem Nichts. Die alten Freunde wenden sich von ihnen ab. Es gibt für die Mitglieder innerhalb der Sekte niemanden, der ihnen hilft und in einer Krise beisteht.

Die Fragen stellte Nina Himmer.

Kindeswohl vor Religionsfreiheit: Ja bitte!

Ein Kommentar von Kurt-Helmuth Eimuth

Zugegeben, es ist eine belastete Diskussion, die nach dem Kölner Urteil zur Beschneidung entbrannte. Kulturelle Traditionen und Jahrhunderte alte Verletzungen und Vorurteile werden wieder in Erinnerunng gerufen.

Ohne Zweifel ist die Beschneidung Teil einer religiösen Identität. Dies ist zu beachten und zu respektieren. Es steht auch niemandem zu, dies religiös zu bewerten.

Doch haben alle Menschen, gleich welchen Alters, nach unserem Grundgesetz das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Eine Erkenntnis, die sich erst langsam in unserer Gesellschaft durchsetzt. Denkt man etwa daran, dass es über fünfzig Jahre dauerte, bis das Schlagen von Kindern gesetzlich auch den Erziehungsberechtigten verboten wurde.

Eine Beschneidung ist irreversibel, bereitet zudem Schmerzen. Nach unserem Rechtsverständnis haben auch Eltern nicht das Recht solches ihren Kindern anzutun. Die Motive der Eltern – und seien sie noch so ehrenwert – dürfen da keine Rolle spielen.

Vieleicht ist es ja ein Ausweg, die Beschneidung an die Religionsmündigkeit zu koppeln. Wer mit 14 Jahren ja zu seiner Religion sagt, mag sich dann in eigener Verantwortung beschneiden lassen.

Die derzeitige Diskussion allerdings gleicht eher einem Kulturkampf. Dies führt nicht weiter.

Im Vordergrund muss das Kindeswohl stehen. In der Diskussion vermisse ich die Stimme all derer, die dieses verteidigen. Wo bleiben die Voten der Konderschutzbeauftragten und Pädagoginnen und Pädagogen?

Evangelisches Frankfurt online 3. Juli 2012

Ein Stück Zuhause zwischen Gittern

FR 10. Juli 2012

Die evangelische Krabbelstube Moses will den Kindern eine Umgebung schaffen, in der sie sich geborgen fühlen – dabei spielen Transparenz und hölzerne Abtrennungen eine wichtige Rolle

Von Sabine Hamacher

Wann fühlen sich Kinder, die maximal einen Meter groß sind, in einem Raum geborgen? Wie kriegt man Beheimatung hin? Für Kurt-Helmuth Eimuth, Leiter des Arbeitsbereichs Kindertagesstätten der Diakonie, sind das die entscheidenden Fragen. „Es muss Rückzugsmöglichkeiten geben“, ergänzt Melanie Neusitzer, Leiterin der Krabbelstube Moses, „die Kinder müssen sich Höhlen bauen können“. Wie groß der Raum in Quadratmetern gemessen ist, finden beide nachrangig. 40 plus 20 lautet die Formel für die Kitas des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt, zu denen auch die der Diakonie gehören: ein Gruppenraum von 40 Quadratmetern und dazu ein 20 Quadratmeter großer sogenannter Intensivraum. In der Krabbelstube Moses in Bockenheim ist das ein Schlafraum mit lauter niedrigen Holzbettchen; dazu gibt es ein Bad mit winziger Toilette und zwei Waschbecken, die etwa in Kniehöhe eines Erwachsenen an der Wand angebracht sind. Alles ist neu hier; die Kita, die drei Gruppen mit jeweils maximal elf Kleinkindern beherbergt, hat erst im November eröffnet. Sie liegt in einem Hinterhof in der Großen Seestraße. Das Gebäude gehört einer Haustechnik-Firma und war früher eine Werkstatt. Die Räume im Erdgeschoss samt Keller hat die Diakonie gemietet. Die Böden wurden mit Kautschuk ausgelegt („weich und warm“, sagt Eimuth), die Wände halbhoch mit Holz verkleidet. Wenn sich Eltern eine Kita anschauen, achten sie darauf, dass sie hell und freundlich wirkt, erzählt Leiterin Neusitzer. Nach den Quadratmetern werde nicht gefragt. Von denen hätten die Kinder sowieso nicht so viel, glaubt Eimuth, „aber von gut ausgebildeten Erzieherinnen, die in sich ruhen und nicht so hoch arbeitsbelastet sind“. Immer zwei Betreuerinnen kümmern sich um eine Gruppe, die Kinder sind vier Monate bis drei Jahre alt. Ab 7.30 Uhr werden die ersten gebracht, um 17 Uhr schließt die Krabbelstube. Dazwischen haben die Kleinen viel Zeit, „sich die Räume anzueignen“, wie Neusitzer es nennt. Im Bewegungsraum – in der Kita Moses ein Flur – lassen sich die schwungvollen Linien auf dem Boden mit dem Bobbycar wunderbar nachfahren. Dabei können die „Kollegen“ aus den Gruppenräumen zuschauen: Zum Flur hin haben alle Räume ein schmales Fenster: „Die Kinder sollen durchblicken können“, sagt Eimuth. Überhaupt: Transparenz. Das ist ein ganz wichtiges Stichwort und geht auf Emmi Pikler zurück. An der ungarischen Ärztin, die sich vor etwa hundert Jahren dafür einsetzte, die Bedürfnisse der Kinder zu akzeptieren und ihnen mit Wertschätzung zu begegnen, orientiert sich die Einrichtung bis ins Detail. „Sie wollte, dass man den Kindern eine vorbereitete Umgebung schafft, die sie sich dann erschließen können“, sagt Neusitzer. Die Pikler-Ideen sind Standard in den Kitas der Diakonie; die Konzepthoheit wird allerdings den Gemeinden überlassen. Pikler entwickelte auch den Ansatz der „beziehungsvollen Pflege“: Das Kind wird nur gewickelt, wenn es selbst will, und auch nur von der Erzieherin, die es sich dazu aussucht. Die Wickeltische für diesen Vorgang, der „sprachlich begleitet“ werden soll, lässt die Diakonie eigens anfertigen. Sie haben eine ausfahrbare Treppe, damit die Kinder ganz allein hochklettern können. Wie die Gruppenräume genutzt werden, geben die Spielgitter aus Holz vor, die an einer Wand befestigt sind und verschoben werden können. So wird der Raum strukturiert und ein Essbereich abgetrennt. „Im Alter von null bis drei kriegen die Kinder sonst Angst und sind überfordert“, sagt Neusitzer. Schon um 11 Uhr wird Mittagessen verteilt, die Kleinen haben früh Hunger. Sie sitzen auf Bänkchen, die fest mit dem Tisch davor verschraubt sind, essen von richtigen Tellern und trinken aus Gläsern. Kunststoffbecher gibt es nicht, auch das geht auf Pikler zurück: Das Getränk soll sichtbar sein. Ab 11.30 Uhr ist Zeit für den Mittagsschlaf. „Wenn ein Kind erst um zwei müde wird, ist das auch in Ordnung“, sagt Neusitzer, und Eimuth ergänzt: „Kleine Kinder haben einen eigenen Rhythmus, die können wir nicht in ein Gruppenschema zwängen.“ Neben der Achtung vor der persönlichen Tagesstruktur ist für Neusitzer etwas anderes sehr wichtig: dass sich die sichere Bindung, die die Kinder zu ihren Eltern aufgebaut haben, auf eine Erzieherin überträgt, „dass sie hier auch noch ein Stück Zuhause haben“. „Kinder haben ein unglaubliches Urvertrauen. Das wollen wir aufgreifen und nicht enttäuschen“, sagt Eimuth und nennt das „die evangelische Basis“: Vertrauen haben, dass man in der Welt besteht, von Gott angenommen ist. „Es kommt aufs Konzept an“, betont er. „Wir sind davon überzeugt, dass das in unseren Raumstandards gut möglich ist.“

Spielgitter teilen in der Kita Moses einen gepolsterten Krabbelraum und einen Essbereich mit Holzbänkchen ab. Ein zu großer Raum überfordere die Kinder und mache ihnen Angst, sagt die Leiterin. Andreas Arnold (3)

 

DEBATTE ÜBER DIE RAUMGRÖSSE

Knapp 100 Kitas betreibt der Evangelische Regionalverband Frankfurt: 80 davon gehören zum Trägerverbund der evangelischen Kirche und 19 zur Diakonie, die ihrerseits eine Einrichtung des Regionalverbands ist.

Dessen Raumprogramm richtet sich nach der Formel 40 plus 20: ein Gruppenraum von 40 Quadratmetern und dazu ein 20 Quadratmeter großer sogenannter Intensivraum.

Der Intensivraum kann bei kleineren Kindern ein Schlafraum sein, bei größeren zum Beispiel auch ein Atelier. Hinzu kommt in jedem Fall ein kleines Bad mit Toilette und Waschbecken.

Diese Mindestgröße der Räume bezieht sich auf jeweils eine Gruppe. Bei Kindern unter drei Jahren dürfen maximal elf Kinder in einer Gruppe sein, bei älteren Kindern sind es 20 bis 21. Die Raumgröße bleibt immer gleich.

Der Evangelische Regionalverband orientiert sich mit seinem Raumprogramm an der oberen Marge der Richtlinien des hessischen Landesjugendamts von 1992. Daran hält er sich aber nicht sklavisch, sondern orientiert sich an den Gegebenheiten.

So hat nicht jeder Gruppenraum tatsächlich 40 Quadratmeter. Der Raum der Gruppe 1 in der Krabbelstube Moses etwa liegt mit 38 knapp darunter.

Die Stadt Frankfurt sieht mit ihrem seit 2009 gültigen Raumprogramm für Kindertagesstätten insgesamt 75 Quadratmeter pro Gruppe vor – das ist auch im deutschlandweiten Städtevergleich viel.

Nach Kritik des Revisionsamtes an teuren Kita-Bauten soll das Raumprogramm nun aber überprüft werden. Nach den Ferien wollen Planungs- und Bildungsdezernat eine entsprechende Vorlage präsentieren.

Schulpfarrämter zu streichen ist falsch

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) will massiv Pfarrstellen an Schulen streichen. Hundert von derzeit 172 Schulpfarrstellen sollen wegfallen.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von “Evangelisches Frankfurt”. Foto: Rolf Oeser

Grund für die Kürzungen ist nicht, dass die Kirche sparen muss: Finanziert werden diese Stellen weitestgehend vom Staat, denn Religion ist in Deutschland ordentliches Lehrfach.

Hintergrund ist vielmehr der absehbare Fachkräftemangel. Denn es fehlt in Deutschland nicht nur an Ingenieuren, Krankenpflegern und Erzieherinnen, sondern auch an geistlichem Personal: Über 900 Pfarrerinnen und Pfarrern gehen in den kommenden zwölf Jahren in Hessen und Nassau in Ruhestand. Davon sollen 550 ersetzt werden – ohnehin ein massiver Stellenabbau. Und trotzdem wird es schwer sein, diese Stellen zu besetzen. Kaum noch junge Menschen studieren Theologie mit dem Berufsziel Pfarramt.

Um dem Engpass abzuhelfen und möglichst viele Stellen in den Kirchengemeinden zu erhalten, will man überproportional in der Schule kürzen. Aber das verkennt die wichtige Bedeutung der Schulpfarrämter. Viele junge Menschen begegnen hier der Kirche zum ersten Mal. Schulpfarrerinnen und Schulpfarrer sind zusätzlich zum Unterricht auch Seelsorgerinnen und Seelsorger, sie organisieren Gottesdienste, sie vertreten die Kirche in der Schulgemeinde.

Es ist für die Kirche eine große Chance, in der Schule Menschen aller Weltanschauungen zu begegnen. In einer Zeit der Säkularisierung, Pluralisierung und des immer wieder beklagten Mitgliederschwundes hat sie hier die einmalige Möglichkeit, ihre Botschaft auch außerhalb der eigenen Kreise zu verbreiten, Menschen zu überzeugen, mit ihrem Personal präsent zu sein. Und das auch noch fast kostenneutral.

Der Reflex, angesichts der Personalknappheit die Bedürfnisse der Gemeinden erst einmal höher zu werten als die der Schulen (und wahrscheinlich auch noch anderer übergemeindlicher Arbeitsfelder), ist zwar nachzuvollziehen, aber dennoch falsch. Denn bei allem Verständnis für die Bedarfe von Kirchengemeinden führt das nur zu immer weiterer „Milieuverengung“.

Die Kirche hat den Auftrag, hinaus in die Welt zu gehen, Menschen zu überzeugen. Sie muss auch der inzwischen weit verbreiteten antikirchlichen Stimmung etwas entgegen halten. Gerade in der Schule hat sie dazu eine großartige Möglichkeit. Es wäre unklug, sie leichtfertig verspielen.

Beitrag von , veröffentlicht am 24. Juni 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

Rechtsanspruch auf Kita für Krabbelkinder ist nicht erfüllbar

Rechtsanspruch auf Kita für Krabbelkinder ist nicht erfüllbar

Ab Sommer 2013 soll es einen Rechtsanspruch auf deinen Kita-Platz auch für Unter-Dreijährige geben. Doch der geschätzte Bedarf für 60 Prozent aller Kinder wird in Frankfurt bis dahin nicht einzulösen sein.

Hort-, Kita- oder Krabbelstubenplätze sind noch immer Mangelware, vor allem in den innenstadtnahen Stadtteilen wie Bornheim und Sachsenhausen und in den Neubaugebieten. Frankfurt hat entgegen dem Trend seit elf Jahren steigende Kinderzahlen. Allein dafür musste die Stadt in den vergangenen acht Jahren 3000 zusätzliche Betreuungsplätze schaffen.

Bei den ganz Kleinen ist der Nachholbedarf noch größer. Mit der Ankündigung eines Rechtsanspruchs für Unter-Dreijährige hat die Politik einen Verhaltenswandel in den Familien noch beschleunigt: Deutlich mehr Eltern als vermutet wollen ihr Kind in eine Krippe geben. Im Magistrat geht man davon aus, dass ein Versorgungsgrad von 35 Prozent, wie von der Bundesregierung vorgesehen, in Frankfurt nicht ausreicht. Laut Martin Müller-Bialon, dem persönlichen Referenten der Bildungsdezernentin, steht bis Ende 2013 voraussichtlich für 42 Prozent, bis 2015 für 48 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung. Den tatsächlichen Bedarf schätzen Fachleute auf 60 Prozent.

Es ist schwer, Fachkräfte in die Stadt zu locken

Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab einem Jahr wird in Frankfurt also nicht zu erfüllen sein. Da helfen auch keine von Berlin in Aussicht gestellten Kredite. Es sind enorme Summen, um die es hier geht: 2008 sah der städtische Etat für Kita-Betriebskosten noch 248 Millionen Euro vor, kommendes Jahr sind es schon 364 Millionen. Und dies, obgleich die Stadt in allen anderen Bereichen spart.

Auch die evangelische Kirche beteiligt sich am Ausbauprogramm. Über 1000 zusätzliche Plätze schafft sie bis 2013. Gemeindekitas werden erweitert oder neu gebaut, Ladenlokale angemietet, um dort Krabbelstuben einzurichten. Über 40 Millionen Euro werden derzeit verbaut. Aber es bleibt das Fachkräfteproblem. Trotz einer Vervielfachung der Ausbildungskapazitäten und anderer Maßnahmen wird es äußerst schwer sein, genügend Fachkräfte in die Städte zu locken.

Familienministerin Kristina Schröder beteuert zurzeit noch, dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auf alle Fälle am 1. August 2013 kommen wird. Doch wenn Eltern diesen Anspruch gerichtlich einklagen, kommen auf die Kommunen Regresszahlungen zu. Es sei denn, es gäbe dann doch noch schnell eine Übergangsregelung.

Beitrag von , veröffentlicht am 24. Juni 2012 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .