Geschenk des Himmels

Von Sabine Fröhlich – 6. Juni 2014

„Was Pfingsten bedeutet? – Weiß ich nicht!“ sagt eine Freundin. Kurze Denkpause. „Es gibt keine Geschenke.“ Vermutlich sehen das viele Menschen ähnlich. Pfingsten lässt sich schlecht für den Konsum vermarkten. Dabei ist die Pfingstgeschichte spannend und vielsagend.

Die biblische Pfingstgeschichte beginnt in Angst und Isolation und endet mit Freiheit, Inspiration und Begegnungsfreude. Nach der Hinrichtung Jesu am Kreuz stehen seine Jüngerinnen und Jünger noch unter Schock. Sie trauern, auch um ihre zerschlagenen Hoffnungen. Und sie haben Angst – Angst, als vermeintliche Unruhestifter ebenfalls von den Römern verhaftet und unter Anklage gestellt zu werden.

Im Obergeschoss eines Hauses in Jerusalem halten sie sich deshalb versteckt. Sie brauchen ein Wunder, damit es weitergehen kann. Und das Wunder kommt: Der heilige Geist fährt als brausender Wind vom Himmel herab und bringt Luft und Licht in die dunkle Kammer und in die schweren Herzen.

Als Feuerzunge über jedem ihrer Häupter nimmt ihr neu entfachter Lebensmut Gestalt an. Sie lösen sich aus der Starre, öffnen Fenster und Türen und rufen ihre Freude laut heraus, so dass es jeder hören kann.

Und verstehen! Jerusalem hat sich zum jüdischen Wochenfest wieder mit Pilgern und Pilgerinnen aus vielen Ländern gefüllt. Und sie alle verstehen die Predigerinnen und Prediger Jesu in ihren jeweils eigenen Sprachen. Die Begeisterung derer, die kurz vorher noch ängstlich im Verborgenen geblieben waren, ist so groß, dass manche sie für betrunken halten. Aber das sind sie nicht. Sie sind beflügelt von dem Gespür neuer Möglichkeiten und beseelt von der Freude gelungener Mitteilung.

Die Pfingstgeschichte ist also eine Mut-Mach-Geschichte, sie erzählt von der ungeheuren Wandlungskraft des Geistes. Vielleicht ist sie auch deshalb so wenig bekannt, weil der heilige Geist als Gottesvorstellung eher abstrakt und schlecht zu fassen scheint. Oft wird er mit „frischem Wind“ in Verbindung gebracht, es ist eine Kraft und Energie, die die gesamte Welt bewegt und belebt. Sie türmt Meere auf, verändert Landschaften und wohnt zugleich in jedem Lebewesen, in jedem Menschen.

Der Pfingstmontag wird in Frankfurt jedes Jahr international gefeiert, mit einem Open-Air-Gottesdienst um 11 Uhr auf dem Römerberg und anschließendem Fest im Dominikanerkloster am Börneplatz. Am Pfingstsonntag, 8. Juni, ist in fast allen Kirchen Gottesdienst. Wer auch da im Freien feiern will, geht um 9.30 Uhr auf den Pfingstberg, wer hochkarätige Musik von Bach liebt, ist um 10 Uhr in der Katharinenkirche an der Hauptwache richtig. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Der Atem, ohne den wir nach kurzer Zeit sterben müssten, verbindet uns unmittelbar mit dieser göttlichen Kraft. Wie bei den ersten Jüngerinnen und Jüngern, so kann es auch heute geschehen, dass Menschen Gottes Geist in ihrem Inneren wahrnehmen, dass ihre geistigen und seelischen Kräfte belebt werden. Der heilige Geist steht dafür, wie Gott den Menschen in ihrem Alltag begegnet. Das kann im Blick eines anderen Menschen sein, in einem Regenschauer, in einem Lied oder einem Buch. Der heilige Geist ist keineswegs abstrakt, sondern konkret, in den vielen kleinen Dingen des Lebens.

Außerdem macht dieses Bild für das Göttliche auch Platz für weibliche Vorstellungen von Gott. Im Hebräischen heißt „Geist“ nämlich „Ruach“, ein weibliches Wort, das auch als „die Geistkraft“ übersetzt wird. Sie nimmt in der Bibel als weibliche Gestalt der Weisheit einen Platz an Gottes Seite ein. Die heilige Geistkraft durchbricht mit Schwung und Farbigkeit die ansonsten oft eher von männlichen Bildern geprägten Gottesvorstellungen. Auch in einer Taube mit ihren flirrenden Bewegungen der Flügel wird die göttliche Geistkraft häufig dargestellt: ein Bild dafür, dass das Geistliche „unfassbar“ ist – im doppelten Sinn des Wortes.

Sie ist unfassbar, aber machtvoll, diese Geistkraft. Wer von ihr beflügelt ist, öffnet Türen, geht auf andere zu, versteht Dinge, die vorher völlig unverständlich waren, bringt Luft und Licht in die Erstarrungen der Welt und des Lebens. Es stimmt also: An Pfingsten gibt es keine Geschenke aus dem Kaufhaus. Dafür gibt es aber ein Geschenk des Himmels, eines, das uns Menschen jederzeit geschenkt werden kann. Wir müssen nur dafür offen sein.

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