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Veränderte Sektenlandschaft: Der Selbsthilfeverein „SINUS“ hat sich aufgelöst

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. Februar 2018

Der Verein Sekteninformation- und Selbsthilfe Hessen (SINUS) hat sich aufgelöst. „Es bestand die Gefahr, dass wir den Erwartungen von Ratsuchenden nicht mehr gerecht werden konnten“, sagt der Vereinsvorsitzende Conny von Schumann zur Begründung.

Hare Krishna-Gruppe auf der Zeil.  |  Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Hare Krishna-Gruppe auf der Zeil. | Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Vor 25 Jahren war der hessische Selbsthilfeverein „Sinus“ für Menschen, die in problematische weltanschauliche Gruppierungen geraten sind, mit Unterstützung des evangelischen und katholischen Weltanschauungsbeauftragten gegründet worden. Ziel war es, dass Betroffene mit ehemaligen Sektenmitgliedern sprechen konnten. Denn es ist ein Kennzeichen von Sekten, dass sie einen eigenen „Code“ sprechen. Außenstehende verstehen oftmals den Inhalt der Worte nicht, schon gar nicht die Bedeutung im Sekten-Kontext. „Sinus“ war also eine Plattform des Erfahrungsaustauschs unter Betroffenen.

Allerdings hat sich die Szene in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten verändert. Es gibt zwar immer noch die großen Gruppierungen wie Zeugen Jehovas oder Scientology, aber es sind auch zahlreiche kleine Gruppen mit sektenhaftem Charakter entstanden. Der „Sektenmarkt“ ist sehr unübersichtlich: Lebenshilfeangebote, Persönlichkeitsseminare, Jenseitskontakte und Fernheiler kann man etwa jedes Jahr auf der Esoterik-Messe in Frankfurt erleben.

Noch etwas hat sich grundlegend gewandelt: Anders als in den 1970er Jahren, als viele Sekten den Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft propagierten, versprechen sie heute Selbstoptimierung und ein besseres Leben innerhalb der Gesellschaft. Selbst Managementseminare sind da nicht ausgenommen. Hinzu kommt, dass sich abstruse Ideologien aller Art wie etwa die der so genannten „Reichsbürger“ über das Internet wunderbar verbreiten lassen.

Doch im Kern geht es immer um die gleiche Frage: Ab wann werden Menschen so manipuliert, dass ihr Tun und Handeln völlig fremdbestimmt sind? Und in letzter Konsequenz: Ist man bereit, um der angeblich „gerechten Sache“ Wille“ anderen Schaden zuzufügen?

Auch bei den jungen Anhängerinnen und Anhängern eines radikalen Salafismus im Islam wirkt dieser Mechanismus. Die Auseinandersetzung mit totalitären Strömungen unter religiösem Vorzeichen ist aktueller denn je, und die Demokratie braucht sie.

Doch diese Auseinandersetzung kann in der ehrenamtlichen Struktur von „Sinus“ nicht mehr geleistet werden. Die Kirchen stehen weiterhin mit ihren Weltanschauungsbeauftragten als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung.

„Zusammenhalt gibt es nur, wenn für alle dieselben Regeln gelten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. Januar 2018

Reich und Arm driften immer weiter auseinander, der Rechtspopulismus hat Aufwind, und traditionelle Institutionen verlieren das Vertrauen der Menschen: „Was hält die Gesellschaft zusammen? Darüber diskutierten Kirchen und Gewerkschaften in der Evangelischen Akademie am Römerberg.

Großes Interesse: Podiumsdiskussion unter anderem mit Kirchenpräsident Volker Jung und Bischof Georg Bätzing in der Evangelischen Akademie am Römerberg. Foto: Rolf Oeser
Großes Interesse: Podiumsdiskussion unter anderem mit Kirchenpräsident Volker Jung und Bischof Georg Bätzing in der Evangelischen Akademie am Römerberg. Foto: Rolf Oeser

Die Ausgangslage ist klar. Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland in bezahlter Arbeit wie heute. Und doch klafft die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Ein Fünftel aller Arbeitsplätze sind im Niedriglohnsektor. Den Bereich der prekären Beschäftigungsverhältnisse schätzen manche gar auf 40 Prozent. Private Vermögen haben einen Höchststand erreicht, und gleichzeitig wächst die Armut. Dies verstärkt auch in der Mittelschicht Abstiegsängste, nicht nur angesichts steigender Mietpreise. Und dann ist noch die AfD mit ihren Wahlerfolgen und ihrem Populismus, der vor rechtsextremen Parolen nicht halt macht.

Grund genug für die Kirchen und die Gewerkschaften in Hessen zu fragen: „Was hält die Gesellschaft zusammen“? Drei katholische Bistümer (Fulda, Mainz und Limburg), drei evangelische Landeskirchen (Rheinland, Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck) sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund hatten erstmals zu einer gemeinsamen Diskussion geladen.

Ulrike Eifler vom DGB-Südosthessen entwarf ein düsteres Bild der derzeitigen Risse in der Gesellschaft. Das politische Klima sei nach rechts verschoben, die Bundestagswahl eine Zäsur, mit der man näher an die Weimarer Verhältnisse in den 1920er Jahren rücke.

Der Baseler Soziologe Oliver Nachtwey warf einen analytischen Blick auf die heutigen gesellschaftlichen Prozesse. Sicher, die Gesellschaft erodiere und im Arbeitsleben vermissten viele die Solidarität. Doch trotz aller Dramatik komme man in Deutschland noch zusammen. Grundsätzlich gelte, dass eine Gesellschaft dann zusammenhält, wenn die Menschen den Eindruck haben, dass alle sich an die gleichen Regeln halten. Das bedeutet nicht, dass es keine Unterschiede gibt. Nachtwey verglich das mit einem Haus, wo unten Menschen in einfachen Wohnungen leben, im ersten Stock die Wohnungen schon besser seien und oben geradezu luxuriös – aber es richten sich doch alle nach derselben Hausordnung. Es gibt keine Sonderrechte und auch keine Parallelgesellschaften , anders als sie sich derzeit bei den „oberen ein Prozent“ der Superreichen herausbildeten.

Die neoliberale Ausrichtung der Politik überlasse alles dem Markt, der so etwas wie ein „anonymer Gott“ geworden sei. Der Markt müsse aber eingebettet sein in andere Bezugsgrößen wie Familie, Freundschaften oder eine Dorfgemeinschaft. Der Limburger katholischen Bischof Georg Bätzing wies darauf hin, dass der Markt nicht an Normen interessiert ist. Gerechtigkeit, Gleichheit und die Würde der Einzelnen müssten daher als gesellschaftliche Norm durchgesetzt werden. Dazu sei, so Kirchenpräsident Volker Jung, auch Empathie notwendig, also dass Menschen sich in die Lage von anderen hineinversetzen. Jung rief dazu auf die Demokratie weiterzuentwickeln, um Partizipation zu ermöglichen.

Neben der neoliberalen Ausrichtung sieht Nachtwey noch eine zweite Ursache für die derzeitigen gesellschaftlichen Spannungen, nämlich die Individualisierung. Frühere Formen der Vergemeinschaftung wie zum Beispiel Vereine verlieren an Bedeutung, die Einzelnen seien  zunehmend auf sich alleine gestellt. Damit werden sie auch immer abhängiger von gesellschaftlichen Institutionen: Wer keine Großeltern in der Nähe hat, ist mehr auf Krippe oder Kindergarten angewiesen, wer keine Kinder oder Verwandte in der Nähe hat, muss bei Pflegebedürftigkeit ins Heim. Und so entstehe das Paradox, dass die modernen Individuen gerade wegen ihres Individualismus immer abhängiger von der Gesellschaft werden.

Und was also nun tun? Nachtwey forderte Kirchen und Gewerkschaften dazu auf, sich einzumischen und auch für konkrete politische Ziele einzutreten, etwa für die Einführung einer Vermögenssteuer oder die Abschaffung von Leiharbeit. Bischof Bätzing war der Ansicht, dass die die meisten Probleme nicht auf der Ebene des Nationalstaates gelöst werden könnten. Angesichts der Globalisierung der Märkte brauche es eine größere Solidarität: „Es gibt keine Alternative zu Europa. Europa muss stärker werden.“

Michael Rudolph vom DGB Hessen-Thüringen sieht die Gewerkschaften durchaus als einen Ort der Solidarität. Hier seien die unterschiedlichsten Berufsgruppen vereint, und es würden nicht nur Einzelinteressen vertreten, wie in den Spartengewerkschaften. Um die „Würde der Arbeit“ wieder herzustellen, müsse die prekäre Beschäftigung abgeschafft werden. Die gemeinsam von Kirchen und Gewerkschaften durchgeführte Kampagne für einen arbeitsfreien Sonntag sei zum Beispiel ein Beitrag gegen die Entgrenzung der Arbeitswelt und gegen die zunehmende Vermischung von Freizeit und Arbeit.

Allerdings wies Nachtwey auch darauf hin, dass das Vertrauen in traditionelle Institutionen wie eben Kirchen und Gewerkschaften ebenfalls bei vielen Menschen verloren gegangen sei. Jedes Jahr gebe es in Deutschland 300.000 Kirchenaustritte, die Mitgliederzahl der Gewerkschaften stagniere.

„Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond‘res bin“ – Robert Gernhardt in der Caricatura

von Kurt-Helmuth Eimuth 15. Dezember 2017

Der Frankfurter Satiriker Robert Gernhardt setzte sich in seinen vielfältigen Werken oft und gerne auch mit Religion auseinander. In diesem Monat wäre er 80 Jahre alt geworden. Das Caricatura-Museum zeigt aus diesem Anlass zahlreiche seiner Cartoons und Illustrationen.

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth
Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Als „genialen Freund“ bezeichnete Pit Knorr in seiner Laudatio zur Ausstellungseröffnung gestern seinen Kollegen Robert Gernhardt. Knorr und Gernhardt gehörten beide zum Gründungsteam der Satirezeitschrift Titanic. Über vier Jahrzehnte lebte Gernhardt in Frankfurt, wo er 2006 auch starb. Er war, so Knorr, „unglaublich fleißig und produktiv“. Gernhardt habe fast immer alleine gezeichnet – außer wenn er beim Signieren seiner Bücher den Verehrerinnen und Verehrern schnell noch ihr Lieblingstier neben seine Unterschrift gemalt hätte.

Als Künstler war Gernhardt außerordentlich vielseitig. 351 Exponate sind in der jetzigen Ausstellung  zu sehen, zusammengetragen aus einigen Leihgaben und dem großen Fundus des Museums selbst. „Das komische Zeichnen ist nur Wenigen gegeben“, stellte Laudator Knorr fest. Dass Gernhardt definitiv zu diesen Wenigen gehörte, davon kann man sich zum Beispiel in der Begegnung mit dem Nilpferd namens „Schnuffi“ überzeugen: Allein gut 50 Schnuffi-Abenteuer zeigt die Ausstellung.

Aber nicht nur der Zeichner von Bildergeschichten, Cartoons und Illustrationen ist in der Ausstellung präsent. Auf großen Postern kommt auch der Dichter Robert Gernhardt zu Wort: „Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond‘res bin. Und gib ruhig einmal zu, dass ich klüger bin als du. Preise künftig meinen Namen, denn sonst setzt es etwas. Amen“ – solche Verse geben einen Eindruck vom Humor des Mannes, der in diesem Monat 80 Jahre alt geworden wäre. Noch besser erfassen lässt sich der Lyriker Gernhardt an den eingerichteten Hörstationen.

Gernhardt war zu Lebzeiten mit dem Caricatura-Museum eng verbunden. Immer wieder hatte er zur Gründung eines solchen Zentrums für Komische Kunst ermuntert. Und dem Leiter des Museums Achim Frenz schrieb er folgende Widmung: „Ein Volk, das seine Caricatura nicht ernähren und am Leben erhalten kann, ist nicht wert, dass es existiert.“ 

Die Ausstellung im Caricatura-Museum, Weckmarkt 17, ist bis zum 15. April 2018 zu sehen.

Volle Kirchen, überall Luther – was vom Reformationsjubiläum bleibt

von Kurt-Helmuth Eimuth 17. November 2017

Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet das Reformationsjubiläum führte evangelische und katholische Kirche wieder näher zusammen. Das ist wichtig, gerade in Frankfurt.

Reformationsjubiäum ist, wenn der evangelische und der katholische Stadtdekan gemeinsam auf der Kanzel stehen. Foto: Rolf Oeser
Reformationsjubiäum ist, wenn der evangelische und der katholische Stadtdekan gemeinsam auf der Kanzel stehen. Foto: Rolf Oeser

Luther überall. Ein zusätzlicher Feiertag. Große Fernsehproduktionen in ARD und ZDF. Schlangen vor der Katharinenkirche bis auf die Zeil. Ein Frankfurter Bürgermeister, der dafür wirbt, dass der 31. Oktober als Reformationstag dauerhaft zum Feiertag wird. Nach vielen anfänglichen Unkenrufen kann man wohl sagen, dass das 500. Reformationsjubiläum doch noch ein Erfolg wurde.

Manche fanden die Flut an Luthersocken und Lutherbieren vielleicht übertrieben. Aber selbst solche Witzigkeiten waren nachgefragt. Über eine Million verkaufte Playmobil-Lutherfiguren haben den Reformator zur erfolgreichsten Figur des Spielzeugherstellers gemacht.

Und nicht nur die zentralen „Events“ zum Reformationsjubiläum waren erfolgreich, auch die Veranstaltungen in den Gemeinden waren sehr gut nachgefragt, gelegentlich sogar überfüllt. Wirklich bemerkenswert ist aber, dass die Feiern jenes Ereignisses, das vor 500 Jahren zu einer Trennung von evangelischer und katholischer Kirche geführt hat, nun ganz im Zeichen der Versöhnung standen.

Schon der Auftakt zum Reformationsjahr hatte in Frankfurt das Signal gesetzt: Die evangelische Kirche wollte nicht nur im eigenen Kreis feiern. Beim Ökumenischen Pfingstfest kamen zahlreiche Persönlichkeiten aus der Stadtgesellschaft auf den Römerberg, um an einer langen Tafel Tischreden zu halten. Am 31. Oktober dann standen der katholische und der evangelische Stadtdekan, Johannes zu Eltz und Achim Knecht, gemeinsam auf der Kanzel in der Katharinenkirche. Im Dom hatte man bereits einige Tage zuvor bei einer Vesper mit dem evangelischen Kirchenpräsident Volker Jung, seiner Stellvertreterin Ulrike Scherf, dem katholischen Bischof Georg Bätzing und Generalvikar Dietmar Giebelmann in eine gemeinsame Zukunft geblickt.

Aber nicht nur in Frankfurt stand das Reformationsjubiläum im Zeichen der Versöhnung. Bei einem Versöhnungs-Gottesdienst in Hildesheim sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Heinrich Bedford-Strohm, die beiden Konfessionen wollten „nicht vergessen, was sie einander angetan haben, und zugleich Gott für alles danken, was sie aneinander haben“. Er leitete den Gottesdienst gemeinsam mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der sagte: „Dieser Gottesdienst soll nicht folgenlos bleiben.“ Für die Zukunft kündigte Bedford-Strohm konkrete Schritte an, „die unser Gebet, unsere Lehre und unser Handeln im Geist der ökumenischen Geschwisterlichkeit verändern.“ Und das ist nicht auf evangelische und katholische Kirche begrenzt. Auch eine methodistische Bischöfin und ein griechisch-orthodoxer Erzpriester waren am Gottesdienst beteiligt.

Auch der Kirchentag in Berlin und die Weltausstellung in Wittenberg waren sicher kein Flop, auch wenn sie die hochgesteckten Ziele an Publikumszahlen nicht erreichten. Was sich hier zeigte war, dass die Kirche vor allem dort funktioniert, wo sie auf ihre bestehende Strukturen zurückgreift.

In andere Milieus vorzudringen gelingt ihr nur schwer. Nicht nur der Kirchentag ist in Ehren ergraut. Genau hier liegt die Herausforderung für beide Kirchen in den kommenden Jahren – gerade in Frankfurt, wo sie inzwischen in der Situation von Minderheitenkirchen sind, wie Stadtdekan Knecht in der Katharinenkirche betonte.

Dass nach vielen Jahren der Stagnation evangelische und katholische Kirche wieder gemeinsam auftreten, macht Mut. Auch weil die nächste Bewährungsprobe schon bald bevorsteht: 2021 wird der Ökumenische Kirchentag hier in der Mainmetropole sein. 

Großes Publikumsinteresse beim ersten Frankfurter Tag der Religionen in der Römerhalle

von Kurt-Helmuth Eimuth 23. Oktober 2017

Das Interesse war riesengroß: Dicht gedrängt schoben sich die Besucherinnen und Besucher beim ersten Frankfurter „Tag der Religionen“ durch die Römerhalle und informierten sich über die verschiedenen Glaubensgemeinschaften.

Am buddhistischen Stand beim Tag der Religionen im Römer. Foto: Ilona Surrey
Am buddhistischen Stand beim Tag der Religionen im Römer. Foto: Ilona Surrey

„Wir sind von dem Andrang überwältigt“ sagte Joachim Valentin. Der Katholik ist Vorsitzender des Frankfurter Rats der Religionen, der den Tag veranstaltet hat. Trotz des Trubels gebe es an den Ständen gute Gespräche: „Hier gibt es Religion zum Anfassen: Menschen, Essen, Gebete und Gesänge.“

Die neun im Rat der Religionen vertretenen Glaubensgemeinschaten – Hinduismus, Buddhismus, Christentum, Islam, Judentum, die Sikh-Religion, die Baha’i, die Ahmadiyya-Muslime, die Mormonen – präsentierten sich und ihren Glauben an Info-Ständen. Besonders wichtig war dabei die persönliche Präsenz: Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Gemeinschaften standen dem Publikum für alle Fragen zur Verfügung. Ergänzt wurde das messeähnliche Geschehen durch ein reichhaltiges Bühnenprogramm, bei dem auch Gebete und Gesänge erklangen.

Muslimisch-christliche Gespräche am Stand der Kirchen beim Tag der Religionen. Foto: Ilona Surrey
Muslimisch-christliche Gespräche am Stand der Kirchen beim Tag der Religionen. Foto: Ilona Surrey

Der Hindu Sunny Narulla zeigte sich ebenfalls überwältigt von der Resonanz: „Unsere Erwartung wurde übertroffen.“ Daniel Kempin von der jüdischen Gemeinde ist nicht nur vom Zuspruch begeistert, sondern auch vom gewählten Veranstaltungsort: „Aus politischen Gründen ist es ganz wichtig, dass wir hier im Römer versammelt sind.“

Kempin bedauert, dass der deutsche Staat die hohen Feiertage der religiösen Gemeinschaften nicht würdigte. Er vermisse etwa ein Grußwort der Bundeskanzlerin zum Neujahrsfest oder zum Ramadan. Die Religionsgemeinschaften, auch die kleineren, wollten stärker wahrgenommen werden: „Die Gesellschaft ist längst multireligiös, und nicht nur der Islam gehört zu Deutschland.“ In Frankfurt hat die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund. Zwar gehören viele von ihnen christlichen Gemeinschaften an, es kommen aber auf diese Weise eben auch zahlreiche andere Religionen aus aller Welt hierher. „Und die meisten dieser Menschen sind hoch religiös“, betont Joachim Valentin.

Am muslimischen Stand beim Tag der Religionen im Römer. Foto: Ilona Surrey
Am muslimischen Stand beim Tag der Religionen im Römer. Foto: Ilona Surrey

Vielleicht auch deshalb veröffentlicht der Frankfurter Kirchendezernent Uwe Becker zu den unterschiedlichsten religiösen Feiertagen Grußworte. Und seine Kollegin Sylvia Weber, Bildungs- und Integrationsdezernentin in Frankfurt, betonte, dass trotz aller Vielfalt die Religionen in Frankfurt gemeinsame Werte vertreten.

Dieses Jahr ist der 31. Oktober gesetzlicher Feiertag. Warum eigentlich nicht immer?

Luther hat in Deutschland vieles verändert. Ohne ihn würde es so schöne Worte wie „Lästermaul“ oder „Geizhals“ nicht geben. Nun beschert er uns noch einen Feiertag.

Der Reformationstag am 31. Oktober ist aus Anlass des 500. Jubiläums der Reformation in ganz Deutschland arbeitsfrei. Und zudem ein wunderbarer Brückentag. Er soll allerdings eine einmalige Sache bleiben.

Warum nicht den Reformationstag dauerhaft zum gesetzlichen Feiertag machen? Ökonomen schätzen, dass ein arbeitsfreier Tag die Jahres-Wirtschaftsleistung um ungefähr 0,1 Prozent verringert. Es geht also um mehr als zehn Milliarden Euro. Ist es uns das wert?

In einer Gesellschaft, die geprägt ist von ständiger Veränderung, ist eine Feiertags- und Erinnerungskultur unbezahlbar. Allerdings, wenn ich zu entscheiden hätte, würden wir erst einmal den Buß- und Bettag wieder einführen, der 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft wurde.

Weltausstellung Reformation: Schöne Ideen, aber etwas unübersichtlich

Die Weltausstellung Reformation in Wittenberg zieht zwar weniger Publikum an als erwartet. Eine Reise wert ist sie aber trotzdem.

Der Besuch der Welterbestadt Wittenberg lohnt nicht nur zu Zeiten des Reformationjubiläums. Auf dem Marktplatz die Reformatoren Melanchthon und Luther. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth


Beim medialen Konsum des Kirchentags wuchs die Lust auf das Abenteuer Wittenberg. Wenn schon nicht Kirchentag, dann doch wenigstens „Weltausstellung Reformation“. Gesagt, getan. Mitstreiterinnen und Mitstreiter waren schnell gefunden. Jetzt musste nur noch eine Unterkunft gebucht werden. Im Luther-Hotel, die zum Verband Christlicher Hotels gehörende Herberge, war es kein Problem, gleich mehrere Doppelzimmer zu buchen. Die Zeitspanne konnten wir uns sogar aussuchen.

Erst später lasen wir von den weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Besucherzahlen. Uns sollte es recht sein, wenn das Gedränge nicht allzu dicht ist. Also auf zur Lutherstadt Wittenberg.

Anreisetag Sonntag, da ist womöglich der Verkehr geringer, dachten wir und noch viele mit uns. Die Staus waren unvermeidlich, die Ankunft erst am späten Nachmittag. Der erste Rundgang durch Wittenberg erst zur Teatime. Gerade noch rechtzeitig, um einige Buden auf dem Marktplatz zu sehen, deren Betreiber sich schon mit dem Abbau beschäftigten. „Um 18 Uhr schließt hier alles, auch die Weltausstellung.“ Wir waren erstaunt.

Unser Erstaunen wechselte in Unverständnis, als die Dame am Ticketschalter freundlich darauf hinwies, dass die Weltausstellung am Dienstag geschlossen sei: Alle Buden, alle Veranstaltungen zu. Nur die öffentlichen Museen, die Kirchen und das 360-Grad-Panorama seien geöffnet. Das stehe auch überall.

Zugegeben, einen Ruhetag hatten wir höchstens der Eckkneipe von nebenan zugetraut, aber nicht einer Weltausstellung. Nachgeschaut auf der Homepage findet sich auf der Startseite auch kein diesbezüglicher Hinweis. Die Suche findet unter „Öffnungszeiten“ nichts. Erst unter dem Stichwort Tickets findet sich dann der gesuchte Hinweis, dass „mittwochs bis montags“ geöffnet ist. Von Ruhetag steht da nix. Eine wahrhafte Leistung der Verschleierung der Kommunikationsabteilung. Nun gut. Werden eben die Attraktionen in der Wallanlage am Montag abgegangen und der Besuch im Lutherhaus, Melanchthonhaus und in den Kirchen auf Dienstag verschoben.

Steg und Spiegel verändern die Perspektive. Ein Geschenk der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Stadt Wittenberg. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth


Ideen, aber etwas unübersichtlich

Die Weltausstellung Reformation in Wittenberg zieht zwar weniger Publikum an als erwartet. Eine Reise wert ist sie aber trotzdem, meint unser Redakteur Kurt-Helmuth Eimuth.

Der Besuch der Welterbestadt Wittenberg lohnt nicht nur zu Zeiten des Reformationjubiläums. Auf dem Marktplatz die Reformatoren Melanchthon und Luther. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Beim medialen Konsum des Kirchentags wuchs die Lust auf das Abenteuer Wittenberg. Wenn schon nicht Kirchentag, dann doch wenigstens „Weltausstellung Reformation“. Gesagt, getan. Mitstreiterinnen und Mitstreiter waren schnell gefunden. Jetzt musste nur noch eine Unterkunft gebucht werden. Im Luther-Hotel, die zum Verband Christlicher Hotels gehörende Herberge, war es kein Problem, gleich mehrere Doppelzimmer zu buchen. Die Zeitspanne konnten wir uns sogar aussuchen.

Erst später lasen wir von den weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Besucherzahlen. Uns sollte es recht sein, wenn das Gedränge nicht allzu dicht ist. Also auf zur Lutherstadt Wittenberg.

Anreisetag Sonntag, da ist womöglich der Verkehr geringer, dachten wir und noch viele mit uns. Die Staus waren unvermeidlich, die Ankunft erst am späten Nachmittag. Der erste Rundgang durch Wittenberg erst zur Teatime. Gerade noch rechtzeitig, um einige Buden auf dem Marktplatz zu sehen, deren Betreiber sich schon mit dem Abbau beschäftigten. „Um 18 Uhr schließt hier alles, auch die Weltausstellung.“ Wir waren erstaunt.

Unser Erstaunen wechselte in Unverständnis, als die Dame am Ticketschalter freundlich darauf hinwies, dass die Weltausstellung am Dienstag geschlossen sei: Alle Buden, alle Veranstaltungen zu. Nur die öffentlichen Museen, die Kirchen und das 360-Grad-Panorama seien geöffnet. Das stehe auch überall.

Zugegeben, einen Ruhetag hatten wir höchstens der Eckkneipe von nebenan zugetraut, aber nicht einer Weltausstellung. Nachgeschaut auf der Homepage findet sich auf der Startseite auch kein diesbezüglicher Hinweis. Die Suche findet unter „Öffnungszeiten“ nichts. Erst unter dem Stichwort Tickets findet sich dann der gesuchte Hinweis, dass „mittwochs bis montags“ geöffnet ist. Von Ruhetag steht da nix. Eine wahrhafte Leistung der Verschleierung der Kommunikationsabteilung. Nun gut. Werden eben die Attraktionen in der Wallanlage am Montag abgegangen und der Besuch im Lutherhaus, Melanchthonhaus und in den Kirchen auf Dienstag verschoben.

Steg und Spiegel verändern die Perspektive. Ein Geschenk der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Stadt Wittenberg. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Der Torraum Spiritualität beeindruckt mit der Installation von Spiegeln und Stegen. In der Tat wechseln die Perspektiven. Ob die von den Veranstaltern beschriebene Erwartung sich erfüllt, ist sicher individuell verschieden: „In dieser Stadtoase ist Spiritualität unmittelbar erlebbar: Spiritualität als eine Erfahrung mit Gott, die auch eine eigene, innere und individuelle Erkenntnis und ein gemeinschaftliches Erlebnis ist.“

Der Installation des Torraums Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist sicher einer der Höhepunkte. Die Boote auf dem Teich sollen an die Flüchtlingsboote erinnern. Die Texttafeln rund um den See thematisieren Fragen zur weltweiten Gerechtigkeit.

Die gläsernen Anhänger mit ihren Installationen erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Sind aber Teil des Torraums Globalisierung und weisen auf mögliche Lösungen vor allem im Umweltbereich hin. Gleich nebenan ist die Lichtkirche als Beitrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) aufgebaut. In der Werbung als „sakrales Kleinod“ gepriesen.

Der Segensroboter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sorgt für kontroverse Diskussion. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth


Rund um die Lichtkirche der Segensparkour mit dem Segensroboter. Das mediale Interesse an diesem Automat war groß. Selbst ein chinesisches Fernsehteam interessierte sich für diese Kuriosität. Und auch bei unserem Besuch ertönt lautes Gelächter. Spuckt doch das Gerät auf Wunsch den Segen auch in Hessisch aus. Ist es ein spielerischer Umgang mit christlichen Riten oder eher die Banalisierung eines gottesdienstlichen Geschehens, das Gefühle von Gläubigen verletzen kann? Theologisch gefragt: Kann der Segen Gottes auch durch Automaten zugesprochen werden? Oder ist alles so nicht gemeint?

Die Lichtkirche der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beeindruckt auch in Wittenberg. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth


Am Stand ist man nicht unzufrieden. Fabian Voigt, Pfarrer und Reformationsbeauftragter der EKHN, bedauert im Gespräch auf der einen Seite, dass die Resonanz nicht größer ist, betont aber auf der anderen Seite die Qualität der Gespräche und Begegnungen. Im Massenbetrieb seien solche intensiven Begegnungen nicht möglich.

Voigt schnappt sich die Gitarre und schmettert einen Gospel. Einige stimmen ein in „Swing Low, sweet Chariot…,“ Da ist so etwas wie Kirchentagsstimmung spürbar. Doch nach wenigen Strophen ist es vorbei. War nur Soundcheck. Wenig später haben sich die Reihen gefüllt. Fünfzig Personen beim Abendsegen um 18 Uhr. Immerhin. Und zudem noch Nachdenkenswertes über Nächstenliebe.

Auch eine schöne Idee sind die knapp 300 Bäume, die Kirchen aus aller Welt als „Zeichen der Verbundenheit“ gepflanzt haben.

Der Besuch von Lutherhaus, Melanchthonhaus, Schlosskirche sind ein Muss. Das Asisi-Panorama zeigt Wittenberg zu Luthers Zeiten. Die Lichtshow taucht das Gemälde in unterschiedliche Tageszeiten. Es gibt Einzelheiten zu entdecken. Der Alltag im ausgehenden Mittelalter war sicher keine gute alte Zeit.

Die neu renovierte Schlosskirche mit der wieder angebrachten Wandbemalung ist natürlich ein Zuschauermagnet. Das neu angebaute Besucherzentrum mit der Ausstellung von Exponaten von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz ergänzt diesen historischen protestantischen Ort. Beim Orgel-Kurz-Konzert zur Mittagszeit war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Es sind die Andachten, die Gottesdienste, die Führungen, die Menschen anziehen. Die Exponate mit langen textlichen Erläuterungen sind dagegen sperrig.

Die „Weltausstellung Reformation“ ist eher ein nationales Zwischending aus ausgedünntem „Markt der Möglichkeiten“ und Freiluft-Museumspädagogik, leider etwas textlastig. Die Begleitveranstaltungen und Konzerte sind fast fast so unübersichtlich (oder sagen wir protestantisch korrekt: vielfältig) wie der Kirchentag. Es fehlt ein klares Konzept und eine klare Kommunikationsstruktur.

Auch wenn Lutherbotschafterin Margot Käßmann im MDR eine positive Entwicklung sieht. „Am Anfang ist es etwas schleppend angelaufen, aber jetzt sind wir zufrieden.“

Die Welterbestadt Wittenberg ist immer eine Reise wert. Da braucht es nicht einmal ein Jubiläum.

Weltausstellung Reformation: Schöne Ideen, aber etwas unübersichtlich

Die Weltausstellung Reformation in Wittenberg zieht zwar weniger Publikum an als erwartet. Eine Reise wert ist sie aber trotzdem, meint unser Redakteur Kurt-Helmuth Eimuth.

Der Besuch der Welterbestadt Wittenberg lohnt nicht nur zu Zeiten des Reformationjubiläums. Auf dem Marktplatz die Reformatoren Melanchthon und Luther. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Beim medialen Konsum des Kirchentags wuchs die Lust auf das Abenteuer Wittenberg. Wenn schon nicht Kirchentag, dann doch wenigstens „Weltausstellung Reformation“. Gesagt, getan. Mitstreiterinnen und Mitstreiter waren schnell gefunden. Jetzt musste nur noch eine Unterkunft gebucht werden. Im Luther-Hotel, die zum Verband Christlicher Hotels gehörende Herberge, war es kein Problem, gleich mehrere Doppelzimmer zu buchen. Die Zeitspanne konnten wir uns sogar aussuchen.

Erst später lasen wir von den weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Besucherzahlen. Uns sollte es recht sein, wenn das Gedränge nicht allzu dicht ist. Also auf zur Lutherstadt Wittenberg.

Anreisetag Sonntag, da ist womöglich der Verkehr geringer, dachten wir und noch viele mit uns. Die Staus waren unvermeidlich, die Ankunft erst am späten Nachmittag. Der erste Rundgang durch Wittenberg erst zur Teatime. Gerade noch rechtzeitig, um einige Buden auf dem Marktplatz zu sehen, deren Betreiber sich schon mit dem Abbau beschäftigten. „Um 18 Uhr schließt hier alles, auch die Weltausstellung.“ Wir waren erstaunt.

Unser Erstaunen wechselte in Unverständnis, als die Dame am Ticketschalter freundlich darauf hinwies, dass die Weltausstellung am Dienstag geschlossen sei: Alle Buden, alle Veranstaltungen zu. Nur die öffentlichen Museen, die Kirchen und das 360-Grad-Panorama seien geöffnet. Das stehe auch überall.

Zugegeben, einen Ruhetag hatten wir höchstens der Eckkneipe von nebenan zugetraut, aber nicht einer Weltausstellung. Nachgeschaut auf der Homepage findet sich auf der Startseite auch kein diesbezüglicher Hinweis. Die Suche findet unter „Öffnungszeiten“ nichts. Erst unter dem Stichwort Tickets findet sich dann der gesuchte Hinweis, dass „mittwochs bis montags“ geöffnet ist. Von Ruhetag steht da nix. Eine wahrhafte Leistung der Verschleierung der Kommunikationsabteilung. Nun gut. Werden eben die Attraktionen in der Wallanlage am Montag abgegangen und der Besuch im Lutherhaus, Melanchthonhaus und in den Kirchen auf Dienstag verschoben.

Steg und Spiegel verändern die Perspektive. Ein Geschenk der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Stadt Wittenberg. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Der Torraum Spiritualität beeindruckt mit der Installation von Spiegeln und Stegen. In der Tat wechseln die Perspektiven. Ob die von den Veranstaltern beschriebene Erwartung sich erfüllt, ist sicher individuell verschieden: „In dieser Stadtoase ist Spiritualität unmittelbar erlebbar: Spiritualität als eine Erfahrung mit Gott, die auch eine eigene, innere und individuelle Erkenntnis und ein gemeinschaftliches Erlebnis ist.“

Der Installation des Torraums Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist sicher einer der Höhepunkte. Die Boote auf dem Teich sollen an die Flüchtlingsboote erinnern. Die Texttafeln rund um den See thematisieren Fragen zur weltweiten Gerechtigkeit.

Die gläsernen Anhänger mit ihren Installationen erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Sind aber Teil des Torraums Globalisierung und weisen auf mögliche Lösungen vor allem im Umweltbereich hin. Gleich nebenan ist die Lichtkirche als Beitrag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) aufgebaut. In der Werbung als „sakrales Kleinod“ gepriesen.

Der Segensroboter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sorgt für kontroverse Diskussion. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Rund um die Lichtkirche der Segensparkour mit dem Segensroboter. Das mediale Interesse an diesem Automat war groß. Selbst ein chinesisches Fernsehteam interessierte sich für diese Kuriosität. Und auch bei unserem Besuch ertönt lautes Gelächter. Spuckt doch das Gerät auf Wunsch den Segen auch in Hessisch aus. Ist es ein spielerischer Umgang mit christlichen Riten oder eher die Banalisierung eines gottesdienstlichen Geschehens, das Gefühle von Gläubigen verletzen kann? Theologisch gefragt: Kann der Segen Gottes auch durch Automaten zugesprochen werden? Oder ist alles so nicht gemeint?

Die Lichtkirche der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beeindruckt auch in Wittenberg. Foto: Anne-Elisabeth Eimuth

Am Stand ist man nicht unzufrieden. Fabian Voigt, Pfarrer und Reformationsbeauftragter der EKHN, bedauert im Gespräch auf der einen Seite, dass die Resonanz nicht größer ist, betont aber auf der anderen Seite die Qualität der Gespräche und Begegnungen. Im Massenbetrieb seien solche intensiven Begegnungen nicht möglich.

Voigt schnappt sich die Gitarre und schmettert einen Gospel. Einige stimmen ein in „Swing Low, sweet Chariot…,“ Da ist so etwas wie Kirchentagsstimmung spürbar. Doch nach wenigen Strophen ist es vorbei. War nur Soundcheck. Wenig später haben sich die Reihen gefüllt. Fünfzig Personen beim Abendsegen um 18 Uhr. Immerhin. Und zudem noch Nachdenkenswertes über Nächstenliebe.

Auch eine schöne Idee sind die knapp 300 Bäume, die Kirchen aus aller Welt als „Zeichen der Verbundenheit“ gepflanzt haben.

Der Besuch von Lutherhaus, Melanchthonhaus, Schlosskirche sind ein Muss. Das  Asisi-Panorama zeigt Wittenberg zu Luthers Zeiten. Die Lichtshow taucht das Gemälde in unterschiedliche Tageszeiten. Es gibt Einzelheiten zu entdecken. Der Alltag im ausgehenden Mittelalter war sicher keine gute alte Zeit.

Die neu renovierte Schlosskirche mit der wieder angebrachten Wandbemalung ist natürlich ein Zuschauermagnet. Das neu angebaute Besucherzentrum mit der Ausstellung von Exponaten von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz ergänzt diesen historischen protestantischen Ort. Beim Orgel-Kurz-Konzert zur Mittagszeit war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Es sind die Andachten, die Gottesdienste, die Führungen, die Menschen anziehen. Die Exponate mit langen textlichen Erläuterungen sind dagegen sperrig.

Die „Weltausstellung Reformation“ ist eher ein nationales Zwischending aus ausgedünntem „Markt der Möglichkeiten“ und Freiluft-Museumspädagogik, leider etwas textlastig. Die Begleitveranstaltungen und Konzerte sind fast fast so unübersichtlich (oder sagen wir protestantisch korrekt: vielfältig) wie der Kirchentag. Es fehlt ein klares Konzept und eine klare Kommunikationsstruktur.

Auch wenn Lutherbotschafterin Margot Käßmann im MDR eine positive Entwicklung sieht. „Am Anfang ist es etwas schleppend angelaufen, aber jetzt sind wir zufrieden.“

Die Welterbestadt Wittenberg ist immer eine Reise wert. Da braucht es nicht einmal ein Jubiläum.

Wer richtig Ostern feiern will, muss vorher erstmal trauern

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. April 2017

Osterhase, Ostereier – das alles wird heutzutage viel zu früh ausgepackt. Denn Ostern beginnt erst am Sonntag. Vorher kommt noch die Karwoche.

Schwarze Paramente am Altar gibt es nur an Karfreitag und Totensonntag. Hier fotografiert in der Melanchthonkirche in Fechenheim. Foto: Rolf Oeser
Schwarze Paramente am Altar gibt es nur an Karfreitag und Totensonntag. Hier fotografiert in der Melanchthonkirche in Fechenheim. Foto: Rolf Oeser

Das Wort „Karwoche“ kommt von dem Althochdeutschen „Kara“ für Klage, Kummer – denn die Christenheit erinnert sich an die Hinrichtung Jesu durch die römischen Besatzer. Deshalb ist es traditionell eine stille Woche: Man macht nichts Lustiges oder Lautes. Bis vor fünfzig Jahren war das im Alltag noch zu spüren, im Radio kam nur gedämpfte Musik. Übrig geblieben ist das Tanzverbot – und dass in Frankfurt an Karfreitag die Dippemess geschlossen bleibt.

Das Gedenken beginnt schon mit Gründonnerstag. In Frankfurt ist man überzeugt, dass der wegen der „Grünen Soße“ so heißt, die an diesem Tag traditionellerweise verzehrt wird. In Wahrheit stand aber wohl eher das alte Wort „greinen“ (für „weinen“) Pate. Es werden in der Theologie auch noch andere Herleitungen diskutiert, die Grüne Soße findet sich aber nicht darunter. Auch in anderen Landstrichen kommt an diesem Tag nur Grünes auf den Tisch, etwa Grünkohl oder Spinat.

Am Gründonnerstag wird an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngerinnen und Jüngern erinnert. Viele Gemeinden feiern deshalb Abendmahlsgottesdienste, zum Zeichen der Trauer wird mancherorts das Kreuz verhängt oder der Altar symbolisch abgeräumt.

Der Karfreitag galt volkstümlich als der höchste evangelische Feiertag. Hier wird dem Martyrium Jesu emotional nachgespürt. Gottesdienste finden nachmittags zur Todesstunde Jesu statt. Oft wird das Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Paul Gerhardt gesungen, das auch bei Beerdigungen oft zu hören ist. Der Karfreitag ist zudem ein Fastentag, was aber meist nur bedeutet, dass Fisch statt Fleisch gegessen wird. Im Gottesdienst erklingt, wie in der Passionszeit generell, kein Halleluja, die Orgel schweigt weitgehend, und die Glocken läuten gedämpfter.

Dann kommt der Karsamstag – und nicht, wie oft zu hören, der Ostersamstag! Ein Tag, an dem man sich auf das Fest vorbereitet, etwa mit Ostereierfärben. Mit Einbruch der Dunkelheit wird manchmal ein Osterfeuer angezündet.

Erst am Sonntag ist tatsächlich Ostern. Seit einigen Jahren hat sich der Brauch verbreitet, dass Gemeinden sich bereits am frühen Morgen in der noch dunklen Kirche versammeln und dann mit der der aufgehenden Sonne die Erinnerung an die Auferstehung erleben. Alle rufen sich gegenseitig zu: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Und anschließend darf dann gefeiert werden: mit einem Osterfrühstück zum Beispiel, bei einem Familienbesuch oder einem Frühlingsspaziergang in der Sonne – wenn es nicht, schließlich ist April, plötzlich schneit.

Algorithmen sind Chance und Gefahr zugleich

Algorithmen, also automatisierte Handlungsabfolgen, gewinnen immer mehr Einfluss auf unser Leben. Das ist aber kein Grund für Panik und unverhältnismäßige Regulierungen.

Ich gehöre nicht zu denen, die schon im Bett ihre Mails checken. Aber spätestens beim Frühstück lese ich auf dem Smartphone die Nachrichten. Dann geht es mit digitaler Musik ins Büro, die Tür zu selbigem öffnet sich mit Magnetkarte. Wie schön: Nie wieder muss ich einen Weg mittels kompliziert zusammengefalteter Stadtpläne suchen oder mich beim Aufnehmen eines Liedes über das Dazwischengequatsche des Moderators ärgern. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte aller Deutschen ein Smartphone besitzt.

Doch was praktisch ist, hat oft auch eine Kehrseite. Unser Leben wird zunehmend von Algorithmen bestimmt. Sie automatisieren Handlungsmuster: „Wer dieses Buch gekauft hat, hat auch jenes Buch gekauft.“ In den USA werden solche vorgeschlagenen Bücher bereits unverbindlich auf gut Glück den Betreffenden zugeschickt. Offenbar rentiert sich das.

Algorithmen wissen mehr über uns, als wir oft eingestehen wollen. Täglich füttern wir das Netz mit noch mehr Daten, damit sie noch genauer werden. 70 „Likes“ auf Facebook reichen aus, damit der Algorithmus mehr über mich weiß als ein echter Freund. Bei 150 Likes übertrifft er die Eltern, ab 300 sogar Partner oder Partnerin.

Viele Menschen sorgen sich daher um den Datenschutz. Das EU-Parlament hat nun eine „Europäische Datenschutzverordnung“ verfasst, die kommendes Jahr in Kraft tritt. Nach Auffassung von Christoph Kucklick bedeutet das aber eine „digitale Konterrevolution“. Was zum Schutz vor Google, Facebook und Co. gedacht war, wende sich gegen die Einzelnen, warnte der Chefredakteur des Magazins GEO beim Algorithmen-Symposium der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

So solle die Benutzung eines fremden Namens in einer Nachricht, zum Beispiel einem Tweet, an die Einwilligung der Betroffenen gebunden sein. Wer eine kritische Bemerkung zu einem Konzert von Helene Fischer machen möchte, soll also vorher die Künstlerin fragen? Das ist absurd. Viele der vorgesehenen Datenschutzpflichten könnten Privatpersonen gar nicht erfüllen, so Kucklick.

Er warnte auch vor der Macht der Datenschutzbehörde: Sie dürfe ohne richterliche Genehmigung in Privatwohnungen eindringen und sie durchsuchen. Man stelle sich dieses Werkzeug in der Hand von Rechtspopulisten vor! „Die berechtigte Sorge um die Macht der Algorithmen wird genutzt, um unsere bürgerlichen Freiheiten einzuschränken“, kritisierte Kucklick.

Die Informatikerin Katharina Zweig schlug einen „Algorithmus-TÜV“ vor. Selbstlernende Systeme können bei Kreditvergaben herangezogen werden oder computerbasierte Prognosen über die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern bei der Findung des Strafmaßes. Wichtige Fragen des Lebens dürften aber nicht Algorithmen überlassen werden, so die Hochschullehrerin der TU Kaiserslautern.

Beitrag von Kurt-Helmuth Eimuth, veröffentlicht am 8. April 2017 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe 2017/2 – April.