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Schenken macht das Leben reicher

Betteln ist eine Herausforderung. Die Bettler und zunehmend auch die Bettlerinnen stören. Unwillkürlich schaut man hin, um doch so zu tun, als sähe man nichts. Die Bettler unterbrechen den Gang, sie brechen die weihnachtliche Einkaufsstimmung, sie verunsichern.

Betteln gehört zum städtischen Leben einfach dazu. Und es gab noch nie so wenige Bettler wie heute. In früheren Jahrhunderten, als es noch keine Sozialversicherungen gab, wuchsen die Bettler in den Städten zu Scharen heran. Im Mittelalter bettelte etwa ein Drittel der städtischen Bevölkerung. Die Ursachen waren damals wie heute gleich: Arbeitslosigkeit, Unfälle, Alter oder auch die Verweigerung der staatlichen Hilfe. Also bleibt nur das Betteln.

Bettlerin auf der Zeil – gerade in der Vorweihnachtszeit kein seltenes Bild. Geben oder nicht geben? Hilft mein Geld - oder wird es in Drogen und Alkohol investiert? Keine leichte Entscheidung. | Foto: Oeser

Bettlerin auf der Zeil – gerade in der Vorweihnachtszeit kein seltenes Bild. Geben oder nicht geben? Hilft mein Geld – oder wird es in Drogen und Alkohol investiert? Keine leichte Entscheidung.
Foto: Oeser

Ob sich die Art des Bettelns heute im Kern von der in der Dreigroschenoper dargestellten unterscheidet, darf bezweifelt werden. Die Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm sind in letzter Zeit verschwunden, dafür sieht man jetzt vermehrt die Menschen in besonders demutsvoller Haltung. Betteln ist eben auch nur Marketing.

Und doch, es gibt sie, die anrührenden Einzelschicksale. Menschen, die nach einem Arbeitsunfall als schwervermittelbar gelten, die aussortiert sind. Menschen, deren Ehe scheiterte und die in ihrer Verzweiflung zum Alkohol greifen. Menschen, die es nicht mehr aushielten, dass sie zu den Millionen gehören, die der Arbeitsmarkt fallengelassen hat wie eine heiße Kartoffel. Im heutigen Soziologendeutsch nennt man es prekäre Lebensverhältnisse.

Also doch lieber den Euro in den Hut werfen? Patentrezepte gibt es nicht. Aber bedenkenswert ist doch, dass alle großen Religionen die Unterstützung der Armen als eine Tugend sehen. Die Verpflegung und Beherbergung von Armen und Kranken ist ein Werk der Barmherzigkeit. Der barmherzige Samariter ist geradezu sprichwörtlich geworden.

Doch die Beziehung zwischen dem Schenkenden und dem Beschenkten ist nicht einseitig. Gerade das Mittelalter ist da lehrreich. So soll es Brauch gewesen sein, dass die Bettler für den Geber beteten. Der Bettler hatte eine Aufgabe, erbrachte quasi im Gegenzug für die Gabe eine Dienstleistung. Die Fürbitte war der Nutzen des Gebers. Einem anderen Menschen in der Zwiesprache mit Gott Gutes wünschen, ihn zu bedenken, ist nicht wenig.

Doch auch in anderer Weise ist der Bettler dem Schenkenden eine Hilfe. Die Freiheit zu haben, etwas abzugeben, ist auch eine Form von Lebenserfüllung. Zur Fülle des Lebens gehört offenbar das Bedürfnis des Gebens und Schenkens. Trotz des zu Recht beklagten Egoismus in der Gesellschaft hat der Mensch so etwas wie ein Grundbedürfnis, anderen etwas zu schenken.

Der andere muss aber ein sichtbares Gegenüber sein. Dem anonymen Staat gibt man nichts, den Opfern der Flutkatastrophe schon. Einfach etwas zu schenken, ohne Vorbedingung und ohne die Erwartung, etwas zurückzubekommen – das kann das Leben bereichern.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Dezember 2006

Ein größerer Kindergarten für Sindlingen

Freuen sich über viel Platz zum Spielen: Die Kinder in der neuen Kita der Gemeinde Sindlingen in der Gustavsallee. | Foto: Oeser

Freuen sich über viel Platz zum Spielen: Die Kinder in der neuen Kita der Gemeinde Sindlingen in der Gustavsallee.
Foto: Oeser

Über einen vergrößerten und völlig renovierten Kindergarten freut sich die Gemeinde in Sindlingen. In zwölf Monaten wurde der zweigruppige Kindergarten komplett umgebaut und Platz für nun drei Gruppen in hellen Räumen geschaffen. In die renovierten Kellerräume in der Gustavsallee ist die gemeindliche Kinder- und Jugendarbeit eingezogen. Notwendig geworden war der Ausbau, nachdem das Gemeinde­zentrum „Arche“ in Sindlingen-Nord aufgegeben worden war. Die Baukosten betrugen rund 900000 Euro.

Kurt-Helmuth Eimuth

Diakonissenschule: Ausbildung wird beendet

Die sozialpädagogische Schule am Diakonissenhaus wird – wie berichtet – abgewickelt. Und doch gibt es für die jetzigen Absolventinnen des Ausbildungsgangs der Sozialassistenz eine Perspektive. In zwei Klassen können sie die sich anschließende Ausbildung zur Erzieherin weiter in Frankfurt abschließen. Das Darmstädter Elisabethenstift hat für zwei Jahre in der Frankfurter Julius-Leber Schule eine Dependance errichtet. Auf Dauer will man aber den Darmstädter Standort als Modelleinrichtung ausbauen.

Das Frankfurter Diakonissenhaus lässt die Schule, die einst über 240 Studierenden eine Ausbildung ermöglichte, auslaufen. Eine Entscheidung, die auch innerhalb der Kirche kritisiert wurde. Allein in Frankfurter evangelischen Kitas und Krabbelstuben sind über 700 Erzieherinnen beschäftigt.

Kurt-Helmuth Eimuth

Kunst im Kinderbuch

Evangelischer Illustrationspreis für Innocenti

Von Roberto Innocenti illustrierte Szene aus Pinocchio. | Abbildung: Patmos

Von Roberto Innocenti illustrierte Szene aus Pinocchio.
Abbildung: Patmos

Roberto Innocenti wurde im Römer der Illustrationspreis für Kinder- und Jugendbücher des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik verliehen. Die in Frankfurt ansässige Institution der Evangelischen Kirche in Deutschland vergibt diesen Preis alle zwei Jahre für Publikationen mit künstlerisch und inhaltlich hervorragenden Illustrationen. Sie sollen die Fantasie anregen, innere Bilder wachrufen, der sichtbaren oder unsichtbaren Wirklichkeit Gestalt verleihen und ein christliches Weltverständnis unterstützen.

Die unabhängige Jury merkte kritisch an, dass auch in diesem Jahr keine eigentlich religiösen Bücher in die engere Wahl gekommen seien. Sie erfüllten einfach nicht die künstlerischen Krite­ rien. In der religiösen Bilderbuchlandschaft herrscht offenbar der Kitsch vor.

Geehrt wurde mit Roberto Innocenti ein italienischer Illustrator, der die bekannte Geschichte des Pinocchio aus seiner Heimatstadt Florenz kunstvoll zeichnerisch umsetzte. „Die Sorgfalt, die er auf die Ausarbeitung der Details und auf die Gesamtwirkung verwendet, zeigt seinen respektvollen Umgang mit den Betrachtern seiner Bilder wie mit der literarischen Vorgabe“, so die Jury. Bekannt wurde der 1940 geborene Innocenti durch das Buch „Rosa Weiss“, das kompromisslos vom Krieg und von Nazigräueln im KZ erzählt.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt November 2007

Mit ihm muss man rechnen

Volker Stein ist als provokanter Mahner auch kirchenpolitisch aktiv

Man kennt ihn in Frankfurt aus der Politik: Volker Stein, Fraktionsvorsitzender der FDP im Römer. Weniger bekannt ist sein jahrzehntelanges Engagement für die evangelische Kirche. Dabei hat der 56-Jährige die klassische Sozialisation durchlaufen: Jungschar, Kindergottesdienst, Heiland-Pfadfinder und dann seit 1973 Mitglied im Kirchenvorstand der Festeburggemeinde in Preungesheim. Er folgte in diesem Amt seinem Vater Paul Stein.

Foto: Oeser

Foto: Oeser

Doch was nach glattem Übergang aussieht, war eher kämpferisch. Die Jugend setzte Volker Stein damals nachträglich in der Gemeindeversammlung auf die Kandidatenliste. Volker Stein ist eben einer, mit dem man rechnen muss. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Die kleine Gemeinde in Preungesheim hat sich unter seiner Führung für die Zukunft fit gemacht. Pfarr- und Gemeindehaus wurden der schwedischen Gemeinde verkauft, um mit dem Erlös einen Anbau für den eigenen Bedarf zu finanzieren. Die Kirche wird man gemeinsam nutzen. „Eine Kirche, die rund um die Uhr genutzt wird, ist mir lieber als eine, die tageweise genutzt wird“, sagt Stein. Auch werde die Kooperation mit der schwedischen Gemeinde nach Steins Einschätzung „unproblematisch sein, da sie aus unserem Kulturkreis kommt“.

Seit nunmehr 15 Jahren gehört Volker Stein – mit Unterbrechung – dem Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes an und ist seit 1998 dessen stell­ vertretender Vorsitzender. Als gelernter Lehrer mit den Fächern Sport und evangelische Religion unterrichtete er fast zehn Jahre an der Paul-Hindemith-Schule, bevor er beruflich in die Politik wechselte. Seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen will er auch in der Kirche umgesetzt wissen: „Man kann nur das verteilen, was man einnimmt.“

Steins Positionen klingen oft provokativ. Zum Beispiel wenn er sagt: „Die Kirche kann nicht nur für soziale Randgruppen da sein. Als Volkskirche hat sie in allen Generationen und Schichtungen ihren Stellenwert und ihre Aufgabe.“ Es mache keinen Sinn, die einkommensstarken Schichten aus der Kirche herauszudrängen und dann den fehlenden Kirchensteuermitteln nachzuweinen: „Man muss die Bedürftigen vor den Faulen schützen.“ Nicht alle, die sich für bedürftig hielten, seien es auch, meint Stein. Er prangert aber auch die fragwürdigen Praktiken von Unternehmen an. Wenn etwa die Vorstandsgehälter bei Fraport erhöht werden und gleichzeitig den Pensionären das Weihnachtsgeld gestrichen wird, dann ist das für ihn einfach „un­ anständig“. Es sei unabdingbar für den sozialen Frieden, dass Führungspersönlichkeiten mit gutem Beispiel vorangingen.

Bei aller Kritik und Auseinandersetzung sagt Stein: „Ich bin stolz auf meine Kirche.“ Und ist schon beim nächsten Thema: „Als Kirche haben wir uns immer mehr zurückgenommen. Wir haben gefragt, ob Mission im eigenen Land denn sein dürfe. Ich sage Ja. Und die katholische Kirche, die islamischen Glaubensgemeinschaften und auch Sekten praktizieren dieses seit Jahren.“ Stein formuliert schnell, markant und provokant. Aber es gibt auch die andere, die fürsorgliche Seite. Wenn seine siebenjährigen Zwillinge auf dem Fußballplatz Beistand benötigen, ist er da. „Dann sage ich auch schon mal offizielle Termine ab.“

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Nov 2006

Die Kirche braucht Streit

Kommentar

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Da rieben sich manche verwundert die Augen: Ungeschminkt und völlig undiplomatisch benannte die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt, Pfarrerin Esther Gebhardt, Kritik an der Vorgehensweise der Kirchenleitung bei der Kürzung der Gemeindepädagogenstellen. Wohlgemerkt: Es ging nicht darum, dass gespart werden muss, es ging um das Wie: Hier eine Stadtkirche, die in demokratisch gewählten Gremien Prozesse zur Umsetzung notwendiger Sparbeschlüsse einleitet, und dort eine Kirchenverwaltung, die quasi per Dekret im Amtsblatt verlauten lässt, in welchem Dekanat wie viele Stellen übrig bleiben.

Kommentatoren, die selbst in der Versammlung gar nicht anwesend waren, wussten daraufhin von einer „Brandrede“ und von „schriller Tonlage“ zu berichten. Sollte denn nicht wenigstens in der Kirche Friede und Harmonie herrschen? Jetzt streiten sogar die Pfarrersleut’, lautete der Vorwurf. Und so mancher sehnt sich nach einer katholischen Struktur: Da kann der Bischof mit wenigen Sachverständigen übers Wochenende die Struktur einer ganzen Stadtkirche verändern. Oder es löst sich eine Gemeinde „auf Bitten des Bischofs“ ohne Widerspruch auf. Diskussionen halten sich in Grenzen, gewünschte Effekte können zeitnah ihre Wirkung erzielen. Zugegeben: In Zeiten großer Veränderungserfordernisse ist das eine verführerische Vorstellung.

Doch die evangelische Kirche hat eine andere Philosophie. Sie geht von der Gleichrangigkeit aller Gläubigen aus. Das „Priestertum aller Gläubigen“ meint, dass keiner einfach das Sagen hat. Auf diese Errungenschaft der Reformation waren die Protestantinnen und Protestanten lange stolz. Und so gehört eine offene und ehrliche Streitkultur zum Leitbild evangelischer Kirche.

Natürlich geht es zunächst ganz weltlich ums liebe Geld. Doch im Hintergrund geht es auch um die missionarische Strategie. Soll eine Frankfurter Gemeinde genauso behandelt werden wie eine Gemeinde in einem Dorf im Odenwald? Ist es sinnvoll, eine Stelle zu streichen, obgleich sie überwiegend von der Kommune bezahlt wird? Es wird von der gewählten Vertretung aller Gemeinden, von der Synode, zu entscheiden sein, ob dies wirklich das richtige Konzept ist. Bis dahin darf nicht nur, sondern muss in guter protestantischer Tradition die Vertretung der sechzig Frankfurter Gemeinden ihren Unmut über die Art und Weise des Umgangs und über die Bevormundung von Seiten der Zentrale lautstark artikulieren. Demokratie ist nun mal ohne Streit nicht zu haben – auch in der Kirche nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt November 2006

Kunst und Kult

Ausstellung mit Altarbildern im Städel

Kein Bild ist dem religiösen Kult näher als das Altarbild. Die Ausstellung „Kult Bild – das Altar- und Andachtsbild von Duccio bis Perugino“, die noch bis 22. Oktober im Städel zu sehen ist, verfolgt die Entwicklung des italienischen Altarbildes zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Die häufig fragmentierten Werke sind meist aus ihrem ursprünglichen Funktionskontext gerissen und für Menschen heute vielfach unverständlich, ja fremd geworden. Die Ausstellung will daher sowohl eine Vorstellung von der zeitgenössischen Auffassung der Bilder vermitteln als auch über das sich wandelnde Verständnis von Kunst informieren. So hat der lebhafte Austausch zwischen Altar- und Andachtsbild zur Entstehung all jener Gattungen beigetragen, die uns heute so selbstverständlich scheinen: des erzählenden Bildes, des Bildnisses, des Stilllebens und der Landschaft.

Besonders beliebt waren aus der venezianischen Werkstatt des Giovanni Bellini Madonnendarstellungen mit verschiedenen Heiligen. Hier ist die Madonna eingerahmt von Johannes dem Täufer und, so wird vermutet, dessen Mutter Elisabeth. | Foto: Katalog

Besonders beliebt waren aus der venezianischen Werkstatt des Giovanni Bellini Madonnendarstellungen mit verschiedenen Heiligen. Hier ist die Madonna eingerahmt von Johannes dem Täufer und, so wird vermutet, dessen Mutter Elisabeth.
Foto: Katalog

„Kult Bild“ betrachtet die Malerei eines Zeitalters, in der es „Kunst“ im neuzeitlichen Sinn noch nicht gegeben hat. Für die damaligen Maler stand der spirituelle Gebrauch im Vordergrund. Zwei herausragende Altarbild-Ensembles stehen im Mittelpunkt der Ausstellung: die nur teilweise überlieferten Hauptaltäre aus der Kathedrale von Siena sowie das erste erhaltene Hochaltarbild aus der Benediktinerabtei S. Pietro bei Perugia.

Neben dem umfangreichen Hauptkatalog gibt es auch eine Einführung für Schülerinnen und Schüler. Das 40-seitige Heft ist nicht nur für Jugendliche interessant.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Okt 2006

Von Fechenheim in die Welt

Martin Meißner wurde Präsident des CVJM-Weltbundes

Die blaue Clubjacke mit den Goldknöpfen ist so eine Art Dienstkleidung. Seriosität ist für einen Rechtsanwalt nun mal ein absolutes Muss. Doch Martin Meißner macht um seine Person nicht viel Aufhebens. Gelassen und souverän sitzt der Fachanwalt für Familienrecht hinter seinem Schreibtisch. Diese Ausstrahlung war sicherlich ein Grund, warum ihn die 700 Delegierten des „Christlichen Vereins Junger Menschen“ (CVJM) im Juli zum Präsidenten ihres Weltverbandes wählten.

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Der CVJM ist weltweit die größte überkonfessionelle christliche Jugendorganisation mit insgesamt 45 Millionen Mitgliedern aus 124 Ländern. Und an der Spitze steht jetzt der Fechenheimer Rechtsanwalt Martin Meißner. Sicher wäre es falsch zu sagen, der 53-Jährige wäre in diese Aufgabe so „hineingerutscht“. Denn schon lange hat er sich weltweit Ver-trauen erarbeitet. Der Spanisch sprechende Meißner arbeitete schwerpunktmäßig mit latein-amerikanischen CVJM-Gruppen zusammen. Mindestens einmal im Jahr besucht er Länder in Süd- und Mittelamerika. Zudem, der Beruf legt es nahe, war er bisher schon federführend in den recht-lichen Belangen des weltweiten CVJM. „Sicher war ich keiner, den man bei seiner Wahl erst vorstellen musste“, sagt Meißner lächelnd.

Meißner ist wohl eher ein Mann des Ausgleichs, einer, der Brücken bauen will. „Wir haben kompetente Partner in der Dritten Welt. Wir sind längst davon entfernt, zu glauben, dass nur wir wissen, wie es geht.“ Meißner freut sich auf die kulturellen Begegnungen. „Wir müssen aus dem Reichtum unterschiedlicher Kulturen etwas machen.“

Was ihn immer wieder fasziniert, ist die Art, wie man in anderen Ländern an Probleme herangeht. Man schaue zunächst genau hin, was gebraucht werde, und versuche dann, dieses zu realisieren. Hier in Deutschland habe man hingegen lange aus der Tradition heraus gelebt. Dies sei zwar gut und wichtig, doch es reiche nicht. So habe der CVJM auch in Frankfurt hingeschaut und sich dann in der Schulsozialarbeit enga­ giert. Die Ganztagsschule verändere eben auch die Jugendarbeit.

Wer sich vorstellt, der CVJM sei ein Club frömmeliger junger Menschen mit engem Horizont, muss sein Vorurteil revidieren, wenn er Meißner begegnet. Der CVJM ist die größte ökumenische Vereinigung, betont er. Evangelische, ob nun pfingstlerisch oder lutherisch geprägt, arbeiten hier selbstverständlich mit katholischen Christen zusammen. Und wie steht es mit den doch schon recht fundamentalistischen Strömungen in Nordamerika? „Der US-CVJM hat kein einheitliches Profil“, erklärt Meißner. „Die einen machen Sozialarbeit und die anderen Sport. Seinen Glauben lebt man in der jeweiligen Freikirche.“ Ja, da komme schon die Frage danach, was das „C“ bedeutet, und das werde auch derzeit diskutiert.

Schon früh war Meißner mit der christlichen Jugendarbeit und der Kirche verbunden. Er war Mitglied des „Rates der evangelischen Jugend“ in Frankfurt. Fast selbstverständlich ist, dass er dem Kirchenvorstand der Glaubenskirchengemeinde in Fechenheim angehört und dort seit über zwanzig Jahren den stellvertretenden Vorsitz hat.

Wer sich so viel ehrenamtlich engagiert, dem bleibt nicht mehr viel Freizeit. Bei der Frage nach den Hobbys überlegt Meißner lange. „Vielleicht das eine oder andere klassische Konzert.“ Doch wo und wann sich eine solche Gelegenheit in den nächsten vier Jahren – so lange dauert die Amtszeit des Weltbund-Präsidenten – ergibt, bleibt fraglich.

Text und Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Okt 2006

Über uns

„Evangelisches Frankfurt wird nicht einseitig sein und sich nicht allein um den kirchlichen Nabel drehen“ – das versprach die Redaktion, als Ende 1976 die erste Ausgabe der neuen Mitgliederzeitung der Frankfurter Kirche erschien.

Antje Schrupp, Ralf Bräuer, Stephanie von Selchow, Kurt-Helmuth Eimuth, Gunda Höppner, Wilfried Steller - v.l.n.r. | Foto: Oeser

Antje Schrupp, Ralf Bräuer, Stephanie von Selchow, Kurt-Helmuth Eimuth, Gunda Höppner, Wilfried Steller – v.l.n.r.
Foto: Oeser

Und so war es dann auch: Sachkenntnis, Meinungsvielfalt, der Kontakt zur Stadt und ein Gespür für aktuelle religiöse Themen kennzeichnen „Evangelisches Frankfurt“ bis heute. Die Redaktion nimmt sich bei ihren wöchentlichen Treffen viel Zeit für engagierte Diskussionen. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage: Was interessiert unsere Leserinnen und Leser?

  • Information: Wer Kirchensteuern bezahlt, hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit diesem Geld geschieht. Daher gibt es immer wieder Berichte über neue Einrichtungen, Projekte und Initiativen der Frankfurter Kirche.
  • Sachkenntnis: Journalistinnen, Pfarrer und kirchliche Medienexperten arbeiten in der Redaktion zusammen. Professionalität beim Zeitungsmachen ist daher genauso garantiert wie eine genaue Kenntnis kirchlicher Strukturen und theologischer Hintergründe.
  • Meinungsvielfalt: Heiße Eisen sind kein Tabu. „Evangelisches Frankfurt“ diskutiert aktuelle Themen kontrovers – hier kommen die verschiedenen Argumente zu ihrem Recht. Zum Beispiel auf der regelmäßigen Seite „Pro und Contra“.
  • Regionalbezug: Kirchliches Leben wird dort konkret, wo die Menschen leben, in der Stadt, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde. Kommunalpolitik, Stadtteilinitiativen und aktuelle Frankfurter Ereignisse sind daher wichtige Bezugspunkte für „Evangelisches Frankfurt“.

    Zahlen und Fakten

  • „Evangelisches Frankfurt“ erscheint sieben Mal im Jahr in einer Auflage von 120.000 Exemplaren.
  • „Evangelisches Frankfurt“ wird per Post an alle Haushalte verschickt, in denen mindestens ein Mitglied evangelisch ist, sowie an alle anderen Interessierten, die die Zeitung beziehen möchten. Außerdem liegt es an verschiedenen Stellen aus, zum Beispiel im Foyer des Dominikanerklosters oder in der Katharinenkirche.
  • „Evangelisches Frankfurt“ kostet, inklusive Druck, Porto und Redaktionskosten, nur rund 1,60 Euro pro Jahr und Kirchenmitglied – eine Investition, die sich lohnt.

vangelisches Frankfurt Okt 2006

„Kirchlicher Beitrag unverzichtbar“

Horst Hemzal übernimmt im neuen Magistrat das Amt des Kirchendezernenten – wie auch schon in der vergangenen Legislaturperiode. Das Amt hat in Frankfurt historische Wurzeln. „Evangelisches Frankfurt“ befragte den CDU-Politiker zu seinen Aufgaben.

Herr Hemzal, Sie sind Stadtkämmerer und Kirchendezernent. Sind die beiden Ämter in einer Person vereinigt, weil die Kirchen Geld brauchen?

Horst Hemzal

Horst Hemzal

Oberbürgermeisterin Petra Roth übertrug mir die Aufgaben des Kirchendezernenten 1999 zeitgleich mit den Aufgaben des Sozialdezernenten. Die Koppelung der Funktionen Stadtkämmerer und Kirchendezernent ist also nicht zwangsläufig. Aufgabe des Kirchendezernenten ist die Erfüllung der Pflichten der Stadt aus den Dotationsurkunden von 1829/ 1830. Mit den Zugeständnissen in diesen Urkunden sicherte die damalige Freie Reichsstadt Frankfurt die Überlebensfähigkeit von evangelischer und katholischer Kirche, die nach der Säkularisation den größten Teil ihres Vermögens verloren hatten. Den heutigen Geldbedarf der Kirchen deckt das bei weitem nicht.

Nur etwa jeder zweite Frankfurter gehört einer christlichen Kirche an. Braucht die Stadt da einen Kirchendezernenten?

Dass nur noch wenig mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung einer christlichen Kirche angehören, hat keine Auswirkung auf die Aufgaben des Kirchendezernenten. Der Kirchendezernent ist in erster Linie verantwortlich für die Bauunterhaltung der im städtischen Eigentum befind­ lichen Dotationskirchen. Diese sind – ich nenne die evangelischen Kirchen zuerst – die Alte Nikolaikirche, Dominikanerkloster mit Heiliggeistkirche, Dreikönigskirche, St. Katharinenkirche und St. Peters­ kirche. Die katholischen Dotationskirchen sind St. Bartholomäusdom, St. Leonhardskirche und Liebfrauenkirche. In den schon erwähnten Urkunden hat sich die Stadt unter anderem verpflichtet, diese Kirchengebäude – einschließlich Glocken und Orgeln – dauerhaft in gutem Zustand zu er­ halten und den jeweiligen Gemeinden zum kostenlosen Gebrauch zu überlassen. Für die Kirchen ist es nach meinem Eindruck sehr angenehm, einenfesten Gesprächspartner im Magistrat zu haben.

Worin sehen Sie den Beitrag der Kirchen zu einer bürgerlichen Gesellschaft?

Die bürgerliche Gesellschaft hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts sehr verändert. Vorbei ist die Zeit, in der bürgerliche Gemeinde und kirchliche Gemeinde praktisch identisch waren. Die heutige Gesellschaft ist geprägt durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft. In Frankfurt leben derzeit Menschen, die etwa 170 Nationalitäten und mehr als 140 verschiedenen Religionsgesellschaften angehören. Den kirchlichen Beitrag zum friedlichen Miteinander und zur Integration dieser Menschen halte ich für unverzichtbar und für eine großartige Leistung.

Was bedeutet Ihnen persönlich dieses Amt?

Ich bin ein religiöser Mensch. Die Übernahme der Funktion des Kirchendezernenten war mir Freude und nicht Belastung. Ich nehme immer wieder an großartigen kirchlichen Veranstaltungen teil und kann so Eindrücke von der Qualität der Arbeit in einzelnen Gemeinden erlangen. Außerdem treffe ich häufig interessante Menschen aus dem kirchlichen Umfeld, was mir stets eine willkommene Bereicherung ist.

Fragen: Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Sept 2006