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„Wir brauchen eine Erweiterung des Horizonts“ Interview mit Gebhardt und Jung

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Esther Gebhardt und Dr. Volker Jung. Foto: Rolf Oeser 

In den Gremien der Frankfurter evangelischen Kirche wird derzeit eine neue parlamentarische Struktur erarbeitet. An die Stelle von vier Dekanaten und dem Regionalverband soll ein gemeinsames „Stadtdekanat“ treten. Ein guter Anlass für einige grundsätzliche Überlegungen: Was macht Kirche in der Großstadt heute aus? Die Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“ lud dazu den hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten, Volker Jung, und die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, Esther Gebhardt, zu einem Redaktionsgespräch ein.

Herr Jung, Sie haben kürzlich einige Einrichtungen des Evangelischen Regionalverbandes in Frankfurt besucht. Was war Ihr Eindruck?

Jung: Die Situation in Frankfurt ist natürlich ausgesprochen vielfältig. Mir lag sehr daran, die Sozialarbeit kennen zu lernen. Zum Beispiel das Engagement in der Ausbildung von Jugendlichen, die keinen Schulabschluss haben. Es ist ein Charakteristikum der Kirche hier in Frankfurt, dass so eine Arbeit hier über Jahre hinweg ausgesprochen professionell weiter entwickelt wurde. Das ist ein richtiges Markenzeichen, eine ganz große Stärke.

Eine Besonderheit ist sicher auch, dass in Frankfurt 90 oder 95 Prozent derer, die diese Angebote nutzen, gar nicht der evangelischen Kirche angehören.

Jung: Wir machen das eben nicht in erster Linie um unserer selbst willen, sondern wir haben einen Auftrag, der sich an alle Menschen richtet. Wir wollen helfen, dass das Leben gelingt.

Pfarrerin Esther Gebhardt ist die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt, in dem sich die Frankfurter Gemeinden und Dekanate zusammengeschlossen haben. Foto: Rolf Oeser 

Viele dieser Einrichtungen sind überwiegend aus öffentlichen Geldern finanziert. Bei den Kindertagesstätten ist der Kirchensteueranteil inzwischen von 30 auf 15 Prozent zurückgegangen.

Gebhardt: Bei den neuen Krabbelstuben in Frankfurt liegt er sogar bei null Prozent. Der Kirchensteueranteil am Haushalt des Evangelischen Regionalverbandes insgesamt liegt zwischen 20 und 30 Prozent.

Jung: Bei den Kindertagesstätten steuern wir in Hessen und Nassau im Moment etwa 35 Millionen Euro im Jahr aus Kirchensteuern bei. Ein hoher Betrag angesichts der Tatsache, dass Kinderbetreuung eine kommunale Pflichtaufgabe ist.

Gebhardt: Der Punkt, den ich daran spannend finde, ist: Wie gelingt es, die eigentliche Botschaft von Kirche zu leben in Arbeitsfeldern, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden? Dazu braucht man vor allem die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und es wird immer schwieriger, sie zu finden. Vor allem, wenn wir­ erwarten, dass sie schon christlich sozialisiert sind, wenn sie zu uns kommen. Hier sollten wir uns öffnen und überlegen, wie wir sie fördern oder entwickeln können. Dann kann man aber auch mit fremdem Geld eine richtig gute, kirchliche Arbeit machen.

Haben Sie ein Beispiel?

Gebhardt: Nehmen Sie den Täter-Opfer-Ausgleich, bei dem außergerichtliche Einigungen zwischen Straftätern und Opfern gesucht werden. Es ist von der Grundidee her originär christlich, auf der Grundlage von Buße, Vergebung und Neuanfang Lösungen zu finden. Obwohl wir für diese Einrichtung kaum eigenes Geld in die Hand nehmen.

Jung: Wir sind herausgefordert darüber nachzudenken, wie wir mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern evangelisch arbeiten können, die einer anderen Kirche oder auch gar keiner Kirche angehören. „Kirche mit anderen“ muss dabei nicht bedeuten, evangelische Identität aufzugeben, sondern es kann bewusst Teil des evangelischen Profils sein. Diese Herausforderung stellt sich natürlich insbesondere in so einer Stadt wie Frankfurt.

Zumal hier auch der atheistische Gegenwind stärker weht. Viele Leute fragen, warum die Kirche überhaupt staatliche Gelder bekommt.

Jung: Die bekommt sie, wie andere übrigens auch, weil sie Dienstleistungen für den Staat erbringt. Wir leisten einen Dienst an der Gesellschaft, weil wir sehen, da gibt es Menschen, denen diese Arbeit gut tut.

Reicht das, um die Kritiker zu überzeugen?

Jung: Ich glaube, die bekenntnismäßigen Atheisten sind gar nicht so sehr viele. Viele, die in der Statistik als nichtkonfessionell geführt werden, sind zum Beispiel Christinnen und Christen aus anderen Ländern, die nicht der Landeskirche angehören.

Gebhardt: Hier in Frankfurt treten die Atheisten nicht stark als politisch formierte Organisation in Erscheinung. Sie machen mir viel weniger zu schaffen als die freundlich Desinteressierten, die es leider auch unter unseren Mitgliedern gibt.

Jung: In Studien wurde seit den 70er Jahren prognostiziert, dass die Kirchenmitgliedschaft immer weiter abbröckeln wird. Wenn es so gewesen wäre, dann wären wir als Kirche schon weg. Also muss die Frage eigentlich eher umgekehrt lauten: Warum ist die Kirchenmitgliedschaft so stabil, wie sie ist? Ich denke, es gibt vieles, was nach wie vor an unserer Kirche geschätzt wird, und zwar auch von denen, die nach unserem Urteil eher zu den weniger Verbundenen zählen. Und dazu gehört ganz wesentlich, dass die Kirche sozial-diakonisch engagierte Arbeit leistet.

Gebhardt: Da kommen wir zu einem Punkt, über den ich gerne sprechen würde. Unsere Kirchenstruktur geht von der traditionellen Form der Parochie, der Ortsgemeinde aus. Dafür gibt es einen Rahmen, Mitgliedschaft, Kirchenvorstände, Wahlgesetze. Und dann gibt es dieses große, breite andere Feld der übergemeindlichen Arbeit. Momentan arbeiten wir ja an einer neuen Struktur für Frankfurt, und was mich dabei sehr beschäftigt ist: Woraus speist sich diese Struktur? Wenn weiterhin das Nadelöhr für demokratische Beteiligung an Gremien die „Ochsentour“ durch die Gemeinde ist, dann führt das meines Erachtens in eine Verengung. Weil man dieses große Feld an Engagement in den Fördervereinen, diakonischen Ehrenamtsgruppen, der Hospizarbeit und so weiter nicht einbindet. Diese Menschen bringen uns ganz viele Gedanken und Ideen, die wir aus rein gemeindlicher Perspektive so vielleicht gar nicht sehen.

Jung: Im Moment gehen wir davon aus, dass diejenigen, die in den Gemeinden die Kirchenvorstände wählen, diese Felder im Blick haben. Zurzeit überarbeiten wir unsere Kirchengemeindeordnung. Dies ist eine Gelegenheit, auch andere Gemeindeformen zu ermöglichen, die es ja zum Teil schon gibt, etwa Anstalts- und Personalkirchengemeinden. Doch wenn man Beteiligungsformen zu thematisch und interessenbezogen ausrichtet, besteht die Gefahr einer Zersplitterung. Das ist eine sehr schwere Systemfrage.

Volker Jung ist Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zu der auch Frankfurt gehört. Das Kirchengebiet reicht von Oberhessen bis zum Odenwald, vom Westerwald bis in den Rodgau und umfasst große Teile Hessens, aber auch Gebiete von Rheinland-Pfalz. Foto: Rolf Oeser 

Aber ist nicht der moderne Mensch eher projektbezogen engagiert? Es kann doch zum Beispiel sein, dass eine Frau, die in Bad Homburg wohnt, sich hier in Frankfurt im Hospiz engagiert und dort sehr aktiv ist. Warum sollen nur diejenigen, die in einer klassischen Gemeinde aktiv sind, eine demokratische Stimme haben?

Jung: In der momentanen Struktur gibt es dafür die Berufungsplätze, sowohl in den Kirchenvorständen als auch in den Synoden. Die Gegenfrage wäre aber: Wenn die Menschen sich nur projektbezogen engagieren, brauchen wir nicht zugleich verlässliche Strukturen?

Gebhardt: Ja, das ist genau die entscheidende Frage. Viele engagierte Leute wollen sich bewusst nicht in strukturelle Verbindlichkeiten hineinbegeben, sondern konkret etwas für andere Menschen tun. Aber trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass man zum Beispiel sagt: Alle Ehrenamtlichen aus dem Bereich der Diakonie können eine Anzahl von Delegierten wählen und in das Kirchenparlament entsenden.

Jung: Ich will das überhaupt nicht ausschließen. Es kann aber nicht nur ein spontanes Zusammenkommen sein. Es wird immer viel über Milieuverengung in den Gemeinden geredet, also dass sich dort nur eine bestimmte Gruppe von Menschen trifft. Und das mag hier und da auch der Fall sein. Aber man darf nicht unterschätzen, welche breite Repräsentanz es auch in den Kirchenvorständen gibt. Wo haben Sie sonst ein Gremium, wo eine Managerin neben einem Rentner sitzt, oder die 18-Jährige neben dem 70-Jährigen? Da muss man lange suchen.

Gebhardt: Ich erlebe durchaus Kirchenvorstände, wie Sie sie beschreiben, die wirklich einen weiten Blick haben. Ich erlebe aber leider auch Kirchenvorstände, in denen kleine, sehr auf sich selbst bezogene Gruppen mit viel Kraft versuchen, Prozesse aufzuhalten. Einer der markantesten Sätze, der mir begegnete, als wir in einer Gemeinde darüber sprachen, dass es doch längst Zeit sei, mit der Nachbargemeinde zu kooperieren, war: „Aber warum denn jetzt, das kann man doch auch in zehn Jahren noch machen!“

Jung: Ja, die gibt es, das ist unbestritten. Und ich wünsche mir natürlich, dass wir offener werden und bereit sind, Strukturen zu verändern. Sie haben das ja bei der Einweihung des neuen Kirchenhauses auf dem Riedberg so schön beschrieben: Etwas Neues kann nur entstehen, wenn wir an anderer Stelle bereit sind, auch Dinge aufzugeben.

Herr Jung, sie haben vorhin auf die Gefahr der Zersplitterung hingewiesen. Es gibt ja tatsächlich inhaltliche Konflikte zwischen den verschiedenen Milieus. Etwa die Haltung zur Homosexualität.

Jung: Die Kirche ist immer auch Spiegelbild der Gesellschaft, und dass wir darin die unterschiedlichsten Positionen vertreten haben, gehört dazu. Ein Thema wie Homosexualität ist wahrscheinlich nie ausdiskutiert. Ich bin aber sehr froh, dass die evangelische Kirche in dieser Sache eine sehr offene Haltung hat, die meiner Ansicht nach auch eine Mehrheitsauffassung ist.

Diese Haltung ist innerhalb des interreligiösen Dialogs ja auch ein echtes evangelisches Alleinstellungsmerkmal.

Gebhardt: Und es ist die Frage, die uns von den anderen Kirchen am meisten trennt. Auch das muss man sehen. Eine andere innerkirchlich umstrittene Frage ist, wie viel Offenheit im Dialog mit dem Islam wir brauchen und uns aus evangelischem Verständnis leisten.

Bei solchen Themen gibt es auch deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. Der frühere Limburger Bischof Kamphaus hat bei der Einweihung des katholischen Hauses am Dom gesagt, dass das Wort Gottes immer auch über die Städte weiter getragen wurde. Welche Bedeutung hat für die EKHN eine Stadt wie Frankfurt?

Jung: Wenn ich die EKHN vorstelle, stelle ich sie gern immer genau mit diesen zwei Seiten vor: Sie ist ganz stark geprägt durch das Rhein-Main-Gebiet, wo sich Entwicklungen viel schneller zeigen als anderswo, hat auf der anderen Seite aber auch diese starke ländliche Prägung. Schwierig wird es, wenn das zu einem Gegensatz wird, der dann in Verteilungskämpfen gegeneinander ausgespielt wird.

Gebhardt: Ich hätte mir in der Vergangenheit manchmal schon gewünscht, dass die EKHN mehr Verständnis dafür aufbringt, dass Frankfurt einen eigenen Raum braucht, um Dinge auszuprobieren. Wir verstehen ja, dass wir sparen müssen wie alle anderen auch, aber wie wir sparen, das würden wir doch gerne vor Ort nach unseren eigenen Maßstäben und Bedingungen entscheiden, die sich aus der besonderen Situation ergeben. Da muss man auch mal etwas ausprobieren dürfen und nicht immer hören, dass endlich alle Frankfurter Sonderwege beendet werden müssen.

Jung: Ich habe ja schon signalisiert, dass ich das gerne unterstütze. Ich wünsche mir, dass es gelingt, dafür eine gute Struktur zu finden. Da muss es dann unter Umständen so etwas wie ein „Frankfurt-Gesetz“ geben. Es gibt ja auch in anderen großen Städten den Versuch, die Dinge etwas anders zu regeln. Mein Wunsch ist, dass das von ländlicher Seite gesehen und mitgetragen wird.

Kurt-Helmuth Eimuth, Antje Schrupp

Die Freiheit des Verbots – Tanzverbot am Feiertag

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Frankfurts Ordnungsdezernent Volker Stein hat mit seiner Anordnung, die gesetzlich vorgeschriebene Achtung christlicher Feiertage in Clubs und Diskotheken zu kontrollieren, eine bundesweite Diskussion ausgelöst.

Die Online-Umfrage der Frankfurter Rundschau zeichnet ein eindeutiges Meinungsbild: Annähernd zwei Drittel stimmen der Aussage zu: „Die Kirche verliert immer mehr an Bedeutung. Konsequenter Weise sollte sie auch nicht länger in die Freizeitgestaltung der Menschen hinein regieren.“ Nur neun Prozent hingegen finden das Tanzverbot gut und meinen: „Christliche Traditionen müssen auch in der heutigen Zeit aufrecht erhalten werden.“ Zwanzig Prozent sprechen sich für ein moderates Tanzverbot aus: „Am Karfreitag sollte es ein Tanzverbot geben. Aber das ganze Wochenende nicht feiern zu dürfen, ist übertrieben.“

Die öffentliche Meinung ist also eindeutig – die Gesetzeslage allerdings auch. Gemäß dem hessischen Sonn- und Feiertagsgesetz herrscht von Gründonnerstag ab vier Uhr morgens bis Samstagnacht um 24 Uhr ein absolutes Verbot von Tanzveranstaltungen. Erst danach sind die Tanzflächen wieder freigegeben – allerdings nur für wenige Stunden. Denn auch von Ostersonntag ab vier Uhr bis Ostermontag um 12 Uhr verbietet das Gesetz aus dem Jahre 1952 jedwede Tanzveranstaltung. Diese Regelung gilt genauso für Neujahr, Himmelfahrt, Pfingstmontag und die Weihnachtstage, Einschränkungen gibt es auch am Gründonnerstag, Karsamstag, Volkstrauertag und Totensonntag.

Vor der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wies Kirchenpräsident Volker Jung auf das Grundproblem hin: „Ist der Feiertag überhaupt als gesetzlich geschützter Tag in unserer Gesellschaft konsensfähig?“ Die Kirche trete weiter dafür ein, den Karfreitag als gesetzlich geschützten Feiertag zu erhalten „und ihn mit dem Tanzverbot als besonderen Tag zu kennzeichnen“, sagte Jung. Das Tanzverbot an Ostern hingegen sei nicht zu begründen: „Ich halte es für un-nötig“, so der Kirchenpräsident.

Für Jung geht es dabei nicht um die Einschränkung individueller Freiheit. „Die Leitfrage ist für mich: Hat eine Gesellschaft die Freiheit, sich einen solchen Tag wie den Karfreitag zu gönnen? Gibt es damit eine innere gesellschaftliche Freiheit, diesen Tag in besonderer Weise zu gestalten?“ Er sieht einen Zusammenhang mit Tendenzen, das Gebot der Sonntagsruhe auszuhöhlen: „Sind nicht alle Argumente für die Liberalisierung des Sonntages Zeichen für eine ökonomische Fremdbestimmung und damit von Knechtschaft und nicht von Freiheit?“

Kurt-Helmuth Eimuth

Kinderschutz wird verstärkt

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Wer mit Kindern arbeitet, braucht erweitertes Führungszeugnis

Die evangelische Kirche in Frankfurt verstärkt ihre Bemühungen um den Kinderschutz. Nicht nur die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit sollen künftig ein „Erweitertes Führungszeugnis“ vorlegen, sondern auch Ehrenamtliche, die sich in der übergemeindlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen engagieren. Das hat der Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes beschlossen. Man hofft, dass sich auch viele Kirchengemeinden dieser Regelung anschließen.

Im erweiterten Führungszeugnis werden – anders als im einfachen Führungszeugnis – auch Straftaten festgehalten, die mit einem geringen Strafmaß belegt wurden, also mit weniger als drei Monaten Freiheitsstrafe oder 90 Tagessätzen. Auch sind Straftaten oder Vergehen in kinder- und jugendschutzrelevanten Bereichen verzeichnet, wie Sexualdelikte oder Misshandlungen, ebenso die Verletzung der Fürsorgepflicht. Es muss alle fünf Jahre erneuert werden.

Klar und eindeutig und sofort nachvollziehbar ist diese Regelung für hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa in Kindertagesstätten. Hier ist das Führungszeugnis ein Baustein von vielen, um Kinder zu schützen. Der Regionalverband hat schon seit längerem ein umfangreiches Konzept, um gefährdeten Kindern und deren Familien zu helfen. So werden die Mitarbeiterinnen darin geschult, wie man Anzeichen von Gefährdungen erkennt. Dabei geht es nicht nur um sexuellen Missbrauch und Gewalt in Familien, sondern auch um die Vernachlässigung von Kindern. Gemeinsam mit speziell dafür ausgebildeten Fachkräften greift bei Bedarf ein Beratungssystem, das sich in erster Linie dem Kindeswohl verpflichtet fühlt. Der Evangelische Regionalverband hat hierfür einige Mitarbeiterinnen ausbilden lassen, die auch Schulungen in den Kindereinrichtungen vor Ort durchführen.

An einem Punkt, der besonderes Gefährdungspotential aufweist, bindet man im Interesse der Kinder auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diese Regelung ein: bei Teamerinnen und Teamern von Kinder- und Jugendfreizeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten. Man hofft, dass diejenigen, denen das Wohl der Kinder am Herzen liegt, die Notwendigkeit dieser Formalie einsehen und kooperieren. Kosten entstehen ihnen dadurch nicht.

Gleichwohl kann eine solche Bescheinigung immer nur einer von vielen Bausteinen sein, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten. Alle, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind, sind aufgerufen, sensibel auf Alarmzeichen zu achten.

An der Otto-Hahn-Schule wird der Evangelische Verein für Jugend- und Sozialarbeit gemeinsam mit der Schule zur Sicherung des Kindeswohls aktiv. Kooperativ tauschen Schule und Jugendhilfe sich aus, „um eine bessere Förderung und einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verwirklichen“, so Geschäftsführerin Miriam Schmidt-Walter.

Kurt-Helmuth Eimuth

Noch gibt es keine Alternative zur Zeitung

Evangelisches Frankfurt Juni 2011

Auch die kirchliche Medienarbeit muss in Zeiten, in denen Sparen angesagt ist, auf den Prüfstand. Die Mitgliederzeitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, „Echt“, hatte nicht mehr so recht überzeugt: Sie wird eingestellt. Doch die Synode wollte nicht einfach Geld sparen, sondern ein zukunftsweisendes Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit erarbeiten. In Zukunft werden Kirchenmitglieder dreimal im Jahr einen Impuls-Brief im Briefkasten finden, dazu gibt es Materialien für die Gemeinden.

Auch in Frankfurt hat man sich mit der medialen Zukunft beschäftigt. Die Mitgliederzeitung des Evangelischen Regionalverbandes, „Evangelisches Frankfurt“, erscheint in einer Auflage von 115 000 und informiert seit 35 Jahren über die Aktivitäten der Kirchengemeinden und anderer evangelischen Einrichtungen. In ganz Deutschland gibt es kein vergleichbares konfessionelles Blatt. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach bestätigte in zwei Untersuchungen, dass es auf diesem Weg gelingt, auch eher kirchendistanzierte Mitglieder zu erreichen. Doch selbstverständlich muss auch dieser Finanzaufwand, immerhin 300 000 Euro im Jahr, geprüft werden. Der Vorstand des Regionalverbandes diskutierte ausführlich Alternativen – etwa die Beilage in einer Tageszeitung oder auch das völlige Umschwenken auf das Internet. Aber schließlich setzte sich die Meinung durch, dass eine Printausgabe derzeit noch immer der beste Weg ist, um Kirchenmitglieder zu erreichen. Dafür pro Kopf im Jahr 2,40 Euro auszugeben, ist sicher angemessen.

Womöglich ist das nur eine „Brückenlösung“, denn Facebook und Co. werden immer wichtiger. Der Auflagenrückgang der Tageszeitungen belegt das. Gerade darin sehen jedoch manche Experten auch eine Chance für kostenlose Zeitungen. Sie bekommen mehr Aufmerksamkeit und werden gerne als Informationsquelle genutzt. Viele Menschen erwarten heute eben auch von Printinformationen, dass sie – wie das Internet – kostenlos sind.

„Evangelisches Frankfurt“ soll nun, wenn auch das Kirchenparlament im Dezember zustimmt, zumindest bis 2014 weiter erscheinen. Dann wird man die Bedürfnisse und Notwendigkeiten neu einschätzen. Für die Redaktion ist das Anerkennung und Ansporn zugleich, ein interessantes Blatt zu machen, das die Meinungsvielfalt des Protestantismus in dieser Stadt widerspiegelt. Über www.facebook.com/evangelischesfrankfurt ist dieses Angebot inzwischen ebenfalls zu beziehen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Finanzkrise gefährdet die Demokratie

Finanzkrise gefährdet die Demokratie

Foto: Rolf Oeser

Geahnt haben wir es schon immer. Es gibt genügend Lebensmittel für alle. Nur die Verteilung ist zutiefst ungerecht. Der Film „Taste the waste“ hält es uns drastisch vor Augen. Doch wir sorgen uns um Aktienmärkte und Staatsverschuldung, retten eben mal mit dreistelligen Milliardenbeträgen Banken oder stützen die eigene Währung. Die Welt scheint aus den Fugen.

Hier zu Lande bereiten die hohen Staatsschulden den Bundesbürgern enormes Kopfzerbrechen. Laut dem „Sorgenbarometer“ des „Stern“ rangiert die Furcht, die Verschuldung könnte ins Immense steigen, auf Platz eins. Auf die Frage, was sie im Augenblick am meisten beunruhigt, nannten danach 63 Prozent die Angst davor, dass die Staatsschulden weiter steigen.

Die Furcht ist durchaus berechtigt. Um die Staatsverschuldung einordnen zu können, wird sie ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, also zu allen Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr geschaffen und geleistet werden, gesetzt. In der Eurozone soll diese Quote 60 Prozent nicht übertreffen. Tatsächlich liegt Deutschland bei 83, Belgien und Irland bei 96 Italien bei 119 und Griechenland bei 142 Prozent. Getrieben von der Krise steigt die Verschuldung Deutschlands in diesem Jahr deutlich. Eine Schuldenbremse soll die Neuverschuldung deckeln. Ein erster Schritt. Denn ein Staat, der sein Budget nur durch immer mehr Schulden ausgleichen kann, treibt auf den Konkurs zu. Ratingagenturen haben die schlechte Botschaft überbracht. Doch es hilft nicht, den Überbringer der Botschaft zu köpfen.

Volkswirtschaftlich wird diese Situation zu einer steigenden Inflation führen. Die Flucht der Anleger in Gold und Immobilien sind ein Symptom für die Angst vor der Geldentwertung. Doch Inflation ist die Geißel des viel zitierten kleinen Mannes (und der weniger oft zitierten kleinen Frau). Denn ihr Erspartes, zum Beispiel die Lebensversicherung, leidet. Und alle die Transferleistungen erhalten, etwa die Rentner, werden überproportional betroffen sein.

Die politischen Folgen eines sparsamen Staates sind unkalkulierbar. Die Unruhen in Griechenland und in Großbritannien zeigen, welche Gefahren für die Demokratie in der Finanzkrise stecken. Aber auch Überbevölkerung und Unterernährung lassen viele den Glauben an ein gerechtes Wirtschaftssystem verlieren. So gesehen ist nicht nur die Währung in Gefahr. Die globalen Turbulenzen gefährden den gesellschaftlichen Konsens.

Kurt-Helmuth Eimuth

EF August 2011

 

Emotionale Wärme im Netz

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Facebook und Twitter sind auch für Religionen ein Forum

Auch für den Kirchenpräsidenten ist es selbstverständlich, zuerst zu „googeln“ und danach erst zum Buch zu greifen, wenn er einen Sachverhalt klären will. Und Volker Jung berichtete weiter, dass es auch im Haushalt des ersten Mannes in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau nicht anders zugeht als in anderen Familien mit halbwüchsigen Kindern: Da sitzt die Tochter bei den Eltern im Wohnzimmer, der Fernseher läuft, sie ist gleichzeitig in Facebook unterwegs und macht zudem Mathe-Hausaufgaben.

Keine Frage: Die inzwischen gar nicht mehr so neuen Internetmedien verändern das gesamte Leben. Und sie haben eben nicht nur Auswirkungen auf das Berufs- und Familienleben, sondern auch auf Religionsgemeinschaften. Deshalb lud die Evangelische Stadtakademie unter der Überschrift „Getrennt und vernetzt – Religion und Migration online“ zu einer Diskussion über Chancen und Herausforderungen dieser Kommunikationsformen ein.

Beeindruckt waren die rund fünfzig Besucherinnen und Besucher von der ZDF-Sendung „Forum am Freitag“, die bisher nur im Internet und auf ZDF Neo zu sehen ist. Sie zeichnet mit Magazinbeiträgen ein differenziertes Bild des Islam in seiner ganzen Breite. „Auch Muslime schauen die Sendung gerne“, so Redakteur Abdul-Ahmad Rashid, „denn auch sie kennen ihre Religion oft nicht gut.“

Zur Nutzung von Internet und sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook führte Ilona Nord, Professorin für Praktische Theologin an der Universität Hamburg, aus, dass die Menschen, die mit der Kirche „hoch verbunden“ sind, nach wie vor stark dem Buch zugeneigt seien. Allerdings hätten Menschen unter dreißig Jahren eine völlig andere Mediennutzung. Sie sind mit PC und Internet aufgewachsen. In den sozialen Netzwerken suchten Menschen emotionale Sicherheit, es werde dort eine „angenehme Wärme in der Gruppe Gleichgesinnter“ erzeugt. „Man teilt miteinander die Höhen und Tiefen des Lebens“, erläuterte Ilona Nord. Somit hätten diese Netzwerke durchaus auch eine religiöse Konnotation.

Die in der Diskussionsrunde aufkommende Kritik am Kommerz und den „Verführungen“ des Netzes wollte Ilona Nord so allgemeingültig nicht stehen lassen: „Die Menschen haben ein feines Gespür für Skurriles und durchaus eine gewisse Medienkompetenz“. Schließlich eröffne das Internet auch ganz neue Handlungsspielräume. „Das ist eine neue Freiheit“, sagte Nord, und erinnerte daran, dass Freiheit auch ein zentrales Motiv der Religionspädagogik sei.

Der Kirchenpräsident kann diese Freiheit noch nicht in vollem Umfang genießen: Sein Datenschutzbeauftragter hat untersagt, dass Mails auf das Handy weitergeleitet werden.

Die Frankfurter Kirche im Internet

Das Informationsportal der evangelischen Kirche in Frankfurt ist über www.frankfurt-evangelisch.de zu erreichen. Hier gibt es aktuelle Nachrichten, einen kompletten Veranstaltungskalender sowie Links zu den Homepages der Gemeinden und Einrichtungen und einen Newsletter.

Sämtliche Artikel von „Evangelisches Frankfurt“ sind unter www.evangelischesfrankfurt.de abgelegt, wo man auch das Archiv per Stichwort durchsuchen kann. Neue Artikel gibt es hier schon zu lesen, bevor die Printzeitung im Briefkasten liegt. Bei Facebook hält die Redaktion unter www.facebook.com/evangelischesfrankfurt mit Neuigkeiten und Veranstaltungstipps auf dem Laufenden.

Kurt-Helmuth Eimuth

Unterschiede verstehen – Interreligiöse Kompetenz für die Kleinsten

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Unterschiede verstehen

Interreligiöse Kompetenz für die Kleinsten

Seit bald einem Jahrzehnt untersucht ein Forschungsteam um die Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger (katholisch) und Friedrich Schweitzer (evangelisch) die religiöse Wirklichkeit von Kindern unter sechs Jahren. Unter dem Titel „Wie viele Götter sind im Himmel? – Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter“ dokumentieren sie nun in einem gemeinsam mit Anke Edelbrock herausgegebenen Band vertiefende Forschungsergebnisse und den Stand der Diskussion. Durch die Beiträge von Rachel Herweg und Rabeya Müller werden die jüdische und die muslimische Perspektive eingearbeitet.

Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass die Auseinandersetzung mit Religion immer wichtiger wird und schon Kinder Kompetenzen für die interreligiöse Verständigung benötigen. Bereits in einer Pilotstudie waren sie jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vielfalt der Religionen in den Kindertagesstätten ausgeklammert werde, „sodass eine lebensgeschichtlich frühe Anbahnung dialogischer Fähigkeiten, von Respekt, Toleranz und Anerkennung anderer Religionen nicht gefördert wird.“

Wenn Kinder aber keine Begleitung erhalten, schaffen sie sich eigene Erklärungen für das, was sie im Umgang mit anderen Religionen beobachten. So berichtete eine Interviewpartnerin, wie christliche Kinder über ein muslimisches Kind mit Down-Syndrom redeten: „Sultan ist ganz doll behindert, weil Sultan keine Würstchen essen darf.“ Und wie ist damit umzugehen, wenn die Mutter das Tragen des Kopftuches als unerlässlich ansieht, die dem Kind so wichtige Erzieherin ihr Haar aber offen trägt?

Erfreulicherweise entwickeln nur sehr wenige Kinder eine regelrechte Fremdenangst, aber die soziale Kategorisierung setzt offenbar schon sehr früh ein. Die meisten Kinder gehen von einem klaren ‚Wir und Ihr‘ aus. Die Autorinnen und Autoren kommen denn auch zu dem Schluss, dass die religiöse Differenzwahrnehmung schon im Kindesalter gegeben ist, und untermauern die bereits 2007 von Biesinger aufgestellte Forderung: Man darf Kinder nicht „um Gott betrügen“.

Anke Edelbrock, Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger (Hg.): Wie viele Götter sind im Himmel? – Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter, 202 Seiten, Waxmann-Verlag, 29,90 Euro.

Kurt-Helmuth Eimuth

Tagesbetreuung – mehr als eine Notlösung

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Die kleine Bella wird demnächst ein Jahr alt, und ihre Eltern möchten dann gerne beide wieder in ihren Beruf zurückkehren. Doch bisher haben sie keine Zusage für einen Krippenplatz erhalten, obwohl sie sich fast überall angemeldet haben. Ein Plan B muss her. Die mögliche Alternative: eine Tagesmutter.

„Tatsächlich ist die Kindertagespflege zunächst häufig mehr eine Not- oder Übergangslösung für die Eltern“, bestätigt Ulrike Tarnow als Geschäftsführerin der Babysitter- und Tagespflegevermittlung e.V. in Frankfurt, die dem Diakonischen Werk nahe steht. Sie habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass sie in der Praxis oft viel mehr sei als das: „Nach einem ersten Beratungsgespräch mit einer unserer Mitarbeiterinnen sind die Eltern nicht selten mit dem Tagesmutter-Modell glücklicher, als sie es mit einem Krippenplatz gewesen wären.“

In der Kindertagespflege werden ein bis fünf Kinder von einer Tagesmutter in deren eigenen Räumlichkeiten betreut. „Die Zuwendung zum Kind kann in dieser familiären Atmosphäre häufig intensiver stattfinden, als es möglicherweise in einer Kindertagesstätte der Fall wäre“, erklärt Tarnow. „Die Tagespflege ist darum nicht nur eine Ergänzung zu den Kindertagesstätten, sondern eine eigenständige Form der familiennahen Kinderbetreuung”, fasst es der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Kurt-Helmuth Eimuth, zusammen.

Familien, die Bedarf an einer Tagesbetreuung für ihr Kind haben, können in die offene Sprechstunde des Vereins auf der Zeil 29-31 kommen und erhalten dort eine eingehende Beratung sowie eine Auswahl der in Frage kommenden Tagespflegepersonen. Die jeweiligen Betreuungspersonen sind den Mitarbeiterinnen persönlich bekannt, denn der Verein ist gleichzeitig zuständig für deren mittlerweile gesetzlich vorgeschriebenen Qualifizierung mit dem Bundesverbandszertifikat sowie die laufende Fortbildung. Der Qualifizierungsprozess stelle sicher, dass die Tagesmutter die notwendigen Rahmenbedingungen und die persönliche Eignung zur Kinderbetreuung mitbringt. Außerdem werden ihr hier spezifisches Wissen und Fertigkeiten vermittelt, die sie im Alltag als Pflegeperson benötigt, erklärt Tarnow den Ablauf.

Manchmal geht es Familien jedoch auch gar nicht darum, eine Ganztagsbetreuung für ihre vielleicht auch schon älteren Kinder zu finden, sondern lediglich um ein paar Stunden Überbrückung oder Zweisamkeit. Dafür vermittelt der Verein ebenfalls Babysitter. Kontakt über Telefon 069 559405 oder unter www.btv-frankfurt.de.

Sara Wagner

Niemand will Hunger tanken

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Der neue Treibstoff E 10 soll die Umwelt schonen und die Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Doch die Angst vor möglichen Schäden am Auto lässt viele weiterhin zum teureren Super greifen. Dabei gibt es auch moralische Bedenken.

Ganz abgesehen von möglichen Motorschäden muss die Frage gestellt werden, ob es ethisch verantwortbar ist, dass nun das Benzin sozusagen auf den Äckern wächst. Derzeit werden in Deutschland etwa eine Million Kubikmeter Ethanol aus Weizen, Mais und Zuckerrüben hergestellt. Die Tendenz ist stark steigend. So ist nach Angaben von Greenpeace geplant, die Kapazitäten um weitere 800 000 Kubikmeter zu erhöhen. Für die Erzeugung dieser Menge an Ethanol würden dann 4,5 Millionen Tonnen Getreide benötigt. Damit könnte man acht Prozent des Benzinkraftstoffs durch Ethanol ersetzen – oder viele Millionen Menschen ernähren.

Überall, wo sich ein rentabler Absatzmarkt erschließt, wird möglichst viel produziert. Man braucht kein Agrarökonom zu sein, um zu prophezeien, dass die notwendigen Pflanzen künftig mit hohem Dünge- und Pestizideinsatz in Monokulturen angebaut werden. Auch wird eine Verknappung der Lebensmittel befürchtet, die dann zur Verteuerung der Grundnahrungsmittel führen wird. Das trifft vor allem die Ärmsten der Armen. Nicht nur in Deutschland. Denn die Möglichkeit des Gewinns durch den Anbau von Mais und Getreide wird den Prozess der Abholzung der Regenwälder beschleunigen. Kommt es dazu, ist der Biokraftstoff E 10 auch ökologisch schlecht, da die Abholzung der letzten Urwälder den Klimakreislauf negativ beeinflusst.

In der Bibel steht, die Menschen sollen sich „die Erde untertan machen“. Das meint nach heutiger theologischer Interpretation, sie nicht auszubeuten, sondern so zu nutzen, dass die gute Schöpfung Gottes bewahrt wird. Die Einführung des neuen Kraftstoffs gibt vor, dieses Ziel zu verfolgen, trägt aber in Wahrheit dazu bei, die Erde für die nachfolgenden Generationen unbewohnbar zu machen.Seit einigen Monaten werden in Kirchengemeinden Postkarten an die Bundesregierung unterschrieben. „Niemand will Hunger tanken“, lautet die Forderung der von „Brot für die Welt“ angestoßenen Aktion. „Statt weiter über Maßnahmen zur Erfüllung politisch festgesetzter Beimischungsquoten zu diskutieren, sollte darüber nachgedacht werden, wie der immense und wachsende Energiehunger im Norden reduziert werden kann“, lautet die Forderung der evangelischen Hilfsorganisation.

Umsteuern sei dringend notwendig, sonst werde die Menge an fossilen Treibstoffen nicht absolut gesenkt. Bei diesem „Business as usual“-Ansatz dienten Agrotreibstoffe nur dazu, wachsenden Verbrauch abzufedern. Damit sei weder dem Klima gedient, noch würde man drängenden Problemen unserer Zeit gerecht, wie der Welternährung, der Beseitigung der Energiearmut in Entwicklungsländern, dem Klimaschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt.

Um den wertvollen Rohstoff Erdöl zu schonen, verbrennt man Nahrungsmittel. Dabei könnte man quasi ad hoc den Spritverbrauch in Deutschland reduzieren. Das von Industrie und Autofahrern gleichermaßen bekämpfte Tempolimit auf Autobahnen wäre eine Möglichkeit. Oder eine Gesetzesvorgabe zur Begrenzung des Verbrauchs. Neue Techniken und Materialien werden für die Produktion von Fahrzeugen gebraucht. Ein „Weiter so“, nur mit etwas Ethanol im Tank, ist nicht zukunftsfähig und ethisch – zurückhaltend formuliert – eine Herausforderung.

Kurt-Helmuth Eimuth

40 Millionen für die Kleinsten

Evangelisches Frankfurt Mai 2011

Gewaltiges Ausbauprogramm für neue Krabbelstuben bis 2013

In Bonames haben die Bagger schon ganze Arbeit geleistet. Der alte Kindergarten am evangelischen Gemeindehaus ist abgebrochen, das Gelände für das Fundament der neuen sechsgruppigen Kindertagesstätte vorbereitet. Schick soll es werden und ökologisch korrekt im Passivhausstandard. Unter einem charakteristischen Faltdach werden künftig achtzig Kinder im Alter von null bis sechs Jahren spielen. Den Fortschritt der Bauarbeiten dokumentiert Parrer Thomas Volz auf seiner Facebook-Seite.

Das Bauprojekt ist nur eines von insgesamt 38 Neu- und Anbauten für evangelische Kindertagesstätten in Frankfurt. Wie der Leiter des Diakonischen Werks im Evangelischen Regionalverband, Pfarrer Michael Frase, vor dem Frankfurter Kirchenparlament ausführte, unternimmt die Kirche diese gewaltige Anstrengung, um ihren Teil zum Pogramm der Stadt für die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen für die Unter-Dreijährigen beizutragen. Immerhin sei die evangelische Kirche nach der Stadt Frankfurt selbst der zweitgrößte Träger von Kindertagesstätten.

„In diesem Bereich ist die evangelische Kirche noch echte Volkskirche“, führte Frase aus und verwies auf die flächendeckende, fast gleichmäßige Verteilung der Kindertagesstätten im Stadtgebiet. Man habe über die Kitas und Krabbelstuben die Chance, Familien in Kontakt mit dem christlichen Leben zu bringen. Auch sei der Kindergarten für den Gemeindeaufbau bedeutsam.

Das Ausbauprogramm sei nicht nur notwendig, weil es ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz geben wird, sondern auch, weil die Zahl der Kinder in der „Familienstadt“ Frankfurt ständig steige. So sei die Zahl der Unter-Dreijährigen in den letzten zehn Jahren von 18?000 auf 20?000 gestiegen. Für das Jahr 2013 prognostiziere die Stadt in dieser Altersgruppe 21?800 Kinder. Bis dahin plant die evangelische Kirche in Frankfurt insgesamt 38 Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von annähernd vierzig Millionen Euro, wobei das meiste Geld von Bund und Kommune aufgebracht wird. Der Eigenanteil, den der Evangelische Regionalverband aus Kirchensteuermitteln einbringt, beträgt 5,2 Millionen Euro. Insgesamt werden so 930 neue Plätze für die ganz Kleinen entstehen, aber auch 84 neue Kindergartenplätze im Rahmen von Sanierungen bestehender Einrichtungen.

Große Neubauten sind außer in Bonames noch in Heddernheim, in der Nordweststadt, in Fechenheim und in Bornheim geplant. Die Regenbogengemeinde in Sossenheim hat sich dazu entschlossen, das Gemeindezentrum in der Dunantsiedlung aufzugeben, damit die Kita dort erweitert werden kann.

Kurt-Helmuth Eimuth