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Auch evangelische Besonderheiten begünstigen sexualisierte Gewalt

von Kurt-Helmuth Eimuth 18. März 2019

Die Fälle von sexualisierter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen betreffen beide Kirchen. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat. Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Aber es gibt auch evangelische Besonderheiten, die problematisch sind.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Keineswegs segelt die evangelische Kirche bei den Debatten über sexualisierte Gewalt in kirchlichen Einrichtungen im Windschatten der katholischen Kirche. Vielmehr wird ihr vorgeworfen, dass sie selbst im Glashaus sitze, nur eben ihre Verstrickung deutlich leiser bearbeite. Es gibt Schätzungen, wonach sich ein Drittel der Fälle im kirchlichen Kontext in der evangelischen Kirche abgespielt hat.

Wahrscheinlich hat der Missbrauch in der katholischen Kirche strukturelle Gründe. Deutlich stellten Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz in einem offenen Brief einen Zusammenhang her zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten.“

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will in zwei wissenschaftlichen Studien das Ausmaß des Skandals in ihren eigenen Strukturen ergründen. Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche, wo es bereits eine 500 Seiten starke Studie dazu gibt, machte in ihrem Bericht vor der EKD-Synode evangelische Spezifika aus. Problematisch seien zum Beispiel „die unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem, dezentrale Strukturen, die unklar machen, wer für was zuständig ist, fehlende Beschwerdemöglichkeiten.“

Im der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind von 1947 bis heute 50 Fälle bekannt geworden, die denen der Verdacht auf sexualisierte Gewalt bestand. Dabei wurden 16 Mal Pfarrer verdächtigt. In 12 Fällen konnten keine Ermittlungen mehr geführt werden, weil die Beschuldigten bereits verstorben waren. Ein Verdacht hat sich als unbegründet erwiesen. Dreimal wurde ein kirchliches Dienstrechts-Verfahren eingeleitet. In den anderen Fällen richteten sich die Anschuldigungen gegen Erzieher, Ehrenamtliche oder Kirchenmusiker. In der Gesamtzahl sind laut EKHN auch alle bekannten Fälle aus Heimen in evangelischer Trägerschaft enthalten.

Bei der Bearbeitung von sexualisierter Gewalt kann sich die evangelische Kirche also strukturell nicht auf den Klerus fokussieren. Sie muss die Mitarbeiterschaft in ihrer ganzen Breite – ob haupt- oder ehrenamtlich – in den Blick nehmen. Mit Hilfe eines neuen Gesetzes gegen Kindeswohlgefährdung und der Vorschrift von erweiterten Führungszeugnissen für Haupt- und Ehrenamtliche sind erste Schritte unternommen worden. Schulungen ergänzen die formalen Anforderungen. Zudem hat die EKHN Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Beschwerden ausgewiesen.

Überall, wo Macht ausgeübt wird, ob in der Psychotherapie, in der Seelsorge, in der Schule oder im Kindergarten, kann diese missbraucht werden. Deshalb gilt es weiterhin wachsam für Anzeichen eines Missbrauchs zu sein. Die Analyse der Vergangenheit kann da wertvolle Hinweise geben.

Klimaschutz braucht Bildung

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. März 2019

Es ist gut, dass junge Leute sich für den Klimaschutz engagieren. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Nicht nur die Kanzlerin zollt der Jugend ihren Respekt. Die Initiative „Fridays for Future“ löst allseits Anerkennung für eine Genaration aus, der es nicht egal ist, wie sie in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren leben wird. In ihrem Videopodcast sagte Angela Merkel: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Endlich beteiligt sich die Jugend an Politik, formuliert klar ihre Interessen und hält der Generation der Herrschenden und Mächtigen den Spiegel vor.

In das Gefühl der Freude mischt sich doch beim genaueren Nachdenken Skepsis. Muss denn während der Unterrichtszeit demonstriert werden? Klar, was ist denn eine versäumte Mathe-Stunde gegen die Erderwärmung, was ist eine verpasste Bio-Stunde gegen das Artensterben? Aber es geht ja nicht um die einmalige Teilnahme an Demos, sondern um den regelmäßigen Protest am Freitagvormittag.

Vor 100 Jahren wurde die Schulpflicht in der heutigen Form mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung eingeführt. Zuvor konnte man sich dem Schulbesuch durch angeblichen oder tatsächlichen Unterricht in privaten Schulen oder gar Zuhause entziehen, denn es gab nur eine „Bildungspflicht“. Das Bundesverfassungsgericht hat die Schulpflicht in zwei Beschlüssen 2003 und 2006 inhaltlich unterstrichen: „Die Pflicht zum Besuch der staatlichen Grundschule dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich“ Es gehe dabei, so das Gericht, nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um „die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können.“

Die Bedeutung der Schulpflicht auch in der Abwägung zu ehrenwerten übergeordneten Zielen gesamtgesellschaftlicher Art betont ausdrücklich das Hessische Schulgesetz. Es sei ein nicht ausreichender Entschuldigungsgrund, wenn Schülerinnen und Schüler an einer Demonstration teilnähmen. Dies sei auch keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wird in dem Gesetz betont.

Ganz unabhängig von Gesetzen und Gefühlen muss doch bilanziert werden, dass die Schulpflicht der Garant für die Bildung der Bevölkerung ist. Und Bildung ist die entscheidende Ressource Deutschlands. Bildung ist aber auch die Grundlage zur Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.

Vatikankonferenz zu sexualisierter Gewalt: Chance leider vertan

von Kurt-Helmuth Eimuth 25. Februar 2019

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution, sondern auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe. Leider wurde die Chance, an die Wurzeln des Übels zu gehen, wieder vertan.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Die Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche fand jetzt auf allerhöchster Ebene statt. Papst Franziskus hatte zur Anti-Missbrauchskonferenz nach Rom geladen. Herausgekommen ist eine Sensibilisierung für die Leiden der Betroffenen. In der etwas blumigen Sprache der Kirche klingt das so: „Das Echo des stillen Schreis der Kleinen, die in ihnen statt Vätern und geistlichen Führern Menschenschinder gefunden haben, wird die durch Scheinheiligkeit und Macht betäubten Herzen erzittern lassen. Wir haben die Pflicht, diesem erstickten stillen Schrei aufmerksam zuzuhören.“

Priester und Bischöfe seien zu „Menschenschindern“ geworden. Scharfe Worte des Papstes. Doch was folgt daraus? Die Kirche werde alle Delikte des sexuellen Missbrauchs an die Justiz weitergeben. Alle Bischofskonferenzen weltweit würden künftig sexuellen Missbrauch unnachsichtig verfolgen. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit.

An die strukturellen und theologischen Wurzeln des Übels wollte man nicht gehen. Dabei liegen sie auf der Hand. Es ist ein Amtsverständnis, das den Priester erhöht, ja überhöht. Und auch wenn es theologisch nicht so gemeint ist, verführt es doch zur Herrschaft über Menschen. Deutlich sprachen Katholiken und Katholikinnen um den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz von einem Zusammenhang zwischen vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden. „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an“, war in dem offenen Brief zu lesen.

Heribert Prantl nennt die Krise der katholischen Kirche in der Süddeutschen Zeitung eine Jahrtausendkrise, die nur durch Jahrtausendreformen bewältigt werden kann. Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche kann nur wiedergewonnen werden, wenn sie ihre „vormoderne Ordnung“, so der offene Brief aus Frankfurt, überwindet. Dazu bedarf es vor allem eines anderen Amtsverständnisses der Priester. Die freie Wahl der Lebensform sowie die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gehört da ebenso dazu wie eine andere Bewertung der Homosexualität.

Die Krise der katholischen Kirche kann evangelischen Christinnen und Christen nicht gleichgültig sein. Es geht hier nämlich nicht nur um die Glaubwürdigkeit einer Institution. Zum einen ist es eine schwere Hypothek für den Annährungsprozess der beiden großen Kirchen. Zum anderen geht es aber auch um die Glaubwürdigkeit christlicher Lebensentwürfe, gleich welcher Prägung. Mit einer zunehmend den christlichen Kirchen gegenüber kritisch eingestellten Gesellschaft erleichtern die Vorgänge in Rom nicht die Diskussion.

Im Fußball würde man sagen: Der Papst hat eine Torchance kreiert aber dann doch nicht konsequent abgeschlossen. Die Chance wurde vertan.

Zwischen Glauben und Gymnastik: Wie viel Religion steckt im Yoga?

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Yoga gehört zum Programm jeder Volkshochschule und wird inzwischen sogar auch von Kirchengemeinden angeboten. Der Markt boomt also. Dabei ist Yoga nicht einfach nur Gymnastik. Ursprünglich ist es eine religiöse Praxis.

Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox
Yoga hilft gegen Schmerzen und zur Vorbeugung. Wie viel Spiritualität man damit verbindet, ist Glaubenssache. | Foto: Colourbox

Die Werbung verspricht viel: „Finden Sie Harmonie und Ausgeglichenheit! Körperliche und emotionale Anspannungen lösen sich, der Geist kann zur Ruhe kommen!“ So oder so ähnlich werben viele Veranstalter, darunter auch christliche, für ihre Yoga-Angebote. Mal sind es ein paar Tage im Erholungsheim, mal der wöchentliche Kurs im Gemeindehaus, die „Vertrauen, Ruhe und Zuversicht“ in Aussicht stellen.

In Deutschland praktizieren mehrere Millionen Menschen regelmäßig Yoga. Am beliebtesten sind die Übungen bei Frauen mit höherer Bildung. Yogakurse werden unter bestimmten Voraussetzungen sogar von den Krankenkassen bezahlt. Doch es geht beim Yoga nicht nur um Entspannung und Fitness. Seine Ursprünge liegen im Hinduismus und Buddhismus.

Der indische Begriff „Yoga“ (Sanskrit: yuj) und das deutsche Wort „Joch“ (Lateinisch: iugum) sind sprachlich verwandt. „Das Bild des Anschirrens von Zugtieren vermittelt anschaulich Aspekte des Yoga: Kräfte werden vereinigt, gebündelt und zugleich beherrscht“, schreibt die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Es geht darum, die Fähigkeiten des Menschen zu fördern, wobei eine Reihe verschiedener Methoden und Techniken helfen soll.

Yoga wird bereits in jahrtausendealten philosophisch-religiösen Texten Indiens, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, erwähnt. Die Grundlage der meisten Yoga-Systeme findet sich jedoch in den Yoga-Sutren des Gelehrten Patañjali. Diese 195 aphoristischen Merkverse begründen den hierzulande besonders beliebten achtgliedrigen Yogaweg zur Beherrschung der inneren Welt. Dies bedeutet, dass man einen Zustand erreichen kann, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen. Die acht „Stufen“ werden dabei nicht nacheinander abgearbeitet, sondern etwa als „Blütenblätter“ einer sich entfaltenden Knospe betrachtet – daher auch das oft verwendete Bild der Lotusblüte.

Die Stufen beginnen bei der äußeren Disziplin, dann kommen die innere Disziplin, die Körperhaltung, die Atemlenkung, das Ausschalten der äußeren Wahrnehmung, die Konzentration auf einen Punkt, die Meditation als vertiefte Konzentration und schließlich das Einswerden des menschlichen mit dem göttlichen Bewusstsein. Neben diesem klassischen Yogaweg haben sich später weitere herausgebildet, und es kommt auch zu zahlreichen Mischformen.

Nach klassischer Lehre benötigt man für diesen spirituellen Weg einen Wissenden, einen Meister, einen Guru. Ähnlich wie in der Psychotherapie ist dieses Verhältnis zwischen Schüler und Meister ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt einen Initiationsritus, bei dem der Schüler vom Guru ein individuelles „Mantra“ zur Meditation bekommt, es ist oftmals der Name einer hinduistischen Gottheit. Unter den Yogalehrenden findet schon seit längerem eine Diskussion zum Verhältnis von Yoga und Guru statt. Die Frage ist: Kann Yoga auch ohne das Guru-Jünger-Verhältnis in säkularisierter Form authentisch vermittelt werden?

Weltanschaulich betrachtet passen Yoga und Christentum nicht gut zusammen. So muss im Hinduismus und Buddhismus der Mensch daran arbeiten, den Kreislauf von Geburt und Tod zu durchbrechen, um selbst göttlich zu werden. Im Christentum hingegen sind die Menschen von Gott ohne jede Vorbedingung angenommen. Das Heil ist nach christlicher Überzeugung eine Sache des Glaubens, man muss dafür keine spirituelle Technik erlernen.

Die meisten Menschen, die hierzulande Yoga machen, tun das allerdings auch nicht, um die Einheit mit dem Göttlichen zu finden, sondern um ihre Rückenschmerzen loszuwerden. Sie wollen fit bleiben, aber nicht die Religion wechseln. Der Yoga-Markt folgt diesem Bedarf und hält vielfältige Yoga-light-Angebote vor, bei denen die spirituellen Aspekte gar nicht oder kaum erkennbar sind.

Es entstehen eigene spirituelle Profile, die Yoga mit einem mehr oder weniger kommerzialisiertem Esoterikmarkt verbinden. „Yoga“ ist zum Sammelbegriff für alle möglichen patchworkreligiösen Inhalte geworden. Es gibt Kundalini-Yoga, Kriya-Yoga, Sahaja-Yoga, Tanz-Yoga oder Lach-Yoga. Auf den ersten Blick lässt sich kaum entscheiden, was dahintersteckt.

Die dogmatischen und religiösen Hintergründe des Yoga sind bei diesen Angeboten in aller Regel nicht oder kaum erkennbar. In der westlichen Praxis geht es einfach um Gesundheitsübungen und Entspannung, weshalb es auch für viele Christinnen und Christen kein Problem ist, Yoga zu praktizieren.

Auch in den Light-Varianten versteht sich Yoga jedoch als ganzheitliche Praxis und sieht Körper und Seele als Einheit. Dagegen ist auch aus christlicher Perspektive nichts einzuwenden. Und die gesundheitsfördernde Wirkung der Übungen, auch als Prophylaxe, ist unstrittig. Wenn Yoga lediglich als Körperübung zur Steigerung des Wohlbefindens praktiziert wird, ist damit sicher keine Grenzüberschreitung zum Hinduismus oder zum Buddhismus verbunden. Genau genommen ist es dann aber auch kein Yoga mehr, sondern eher eine Art „Gesundheitsübungen im Stil des Yoga“.

Manche versuchen, diese Übungen auch mit christlichem Inhalt aufzuladen. Aber Yoga ist mehr als ein bloßes Behältnis, das mit jedem x-beliebigen Inhalt gefüllt werden kann. Es hat zum Beispiel auch in den Übungen den Anspruch, auf Energiezentren zu wirken. Diese Energiezentren, Chakren genannt, sind wissenschaftlich nicht zu belegen – sondern schlicht Glaubenssache.

Organspende: Man kann aus guten ethischen Gründen dafür sein – aber auch dagegen

von Kurt-Helmuth Eimuth 11. Februar 2019

Gibt es eine moralische Verpflichtung, in die Verwendung der eigenen Organe nach dem Tod einzuwilligen, um anderen zu helfen? Nein, meint Kurt-Helmuth Eimuth. Obwohl er selbst einen Organspendeausweis hat. Über eventuelle Fragen zum Thema informiert eine Expertin in einem Seminar, das die evangelische Kirche Frankfurt in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Meinen Organspende-Ausweis trage ich schon seit Jahrzehnten im Portemonnaie bei mir. Wenn schon der Tod anklopft, sollen doch wenigstens andere profitieren, das ist doch auch Christenpflicht. Meine Frau als Theologin sieht es anders. Nach langer Beschäftigung mit dem Thema hat sie für sich entschieden, keine Organspende zu leisten.

Unsere beiden Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind beide ethisch begründbar. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Arbeitskreis Medizinethik in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Christen können grundsätzlich einer Organspende zustimmen oder diese ablehnen“, schreibt er in einer Stellungnahme, „eine christliche Verpflichtung zur Organspende besteht nicht“.

Wenn Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm nicht mehr arbeiten, gilt der Mensch laut Transplantationsgesetz als gestorben, auch wenn der Körper mit Hilfe von Apparaten noch funktioniert: Das Herz schlägt, die Organe werden versorgt. Von außen sieht es aus, als ob man schläft. Ob man einen Menschen in diesem Fall als lebend ohne Hirnfunktion betrachtet oder als tot, ist Ansichtssache. Auch der Deutsche Ethikrat hat darüber kontrovers abgestimmt: 7 von 25 Mitgliedern sprachen sich dagegen aus, den Hirntod als sicheres Zeichen für den Tod des Menschen zu verstehen.

Unstrittig ist, dass Sterben ein Prozess ist, der erst dann ganz beendet ist, wenn sowohl Hirn als auch Organe nicht mehr arbeiten. Eine Widerspruchslösung, wie sie die Regierung derzeit plant, ist deshalb fragwürdig. Denn dann könnten Organe von allen entnommen werden, bei denen der Hirntod festgestellt wurde, außer sie hätten ausdrücklich widersprochen. Pragmatisch ist das zwar nachvollziehbar, ethisch aber bedenklich.

Denn es kommt eben auf das Menschenbild an. Beim Sterben gibt es nicht die eine Wahrheit. Sowohl die Bereitschaft, Organe zu spenden, als auch die Ablehnung von Organspenden müssen als ethisch vertretbar anerkannt werden. Wir werden das in der Familie jedenfalls so halten und die jeweilige Position im Fall des Falles respektieren.

Noch Fragen?

Wird man schneller für tot erklärt, wenn man einen Organspendeausweis hat? Kann man sich wünschen, dass bestimmte Personen die Organe bekommen, zum Beispiel die eigenen Kinder? Solche und andere Fragen rund um das Thema Organspende werden in einem Intensivseminar geklärt, das die evangelische Kirche in Frankfurt in den kommenden Monaten in verschiedenen Stadtteilen anbietet.

Das katholische Frankfurt setzt ein notwendiges Zeichen

von Kurt-Helmuth Eimuth 5. Februar 2019

In einem offenen Brief haben sich der Frankfurter katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Deutliche Worte ist man vom katholischen Stadtdekan gewöhnt. Nicht zuletzt im Interview mit dem efo-Magazin wies er auf den Zusammenhang von Zölibat und sexuellem Missbrauch hin.

In einem offenen Brief haben sich jetzt Johannes zu Eltz und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewandt. In Rom solle Kardinal Reinhard Marx die Zusammenhänge von vorgeschriebenen Lebensformen, sexuellen Tabus und Männerbünden freimütig zur Sprache bringen: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe. Die Versuchung des Klerikalismus folgt dem Klerus wie ein Schatten. Die Aussicht auf Macht in Männerbünden zieht Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungs- und Reifungsprozesse.“

Viele aktive Katholiken könnten die „vormoderne Ordnung“ nicht mehr mittragen, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser, unter Ihnen Ansgar Wucherpfennig, Direktor der Hochschule Sankt Georgen, und die Direktorin des Frankfurter Caritas, Gaby Hagmans. Es wird die freie Wahl der Lebensform für Priester und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gefordert, inklusive einer „verständigen und gerechten Bewertung von Homosexualität“.

Der Frankfurter Brandbrief zeigt auf der einen Seite die Nöte der katholischen Kirche, auf der anderen Seite den Mut der lokalen Spitze Neuerungen voranzutreiben. Ein notwendiges Signal für einen gelebten Glauben in einer modernen Welt.

„Wenn von Chakren die Rede ist, sollte man genauer hinschauen“

von Kurt-Helmuth Eimuth 14. Januar 2019

Pfarrerin Irene Derwein hat sich in einer dreimonatigen Studienzeit mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Wir fragten sie, inwiefern Yoga und Christentum miteinander vereinbar sind und worauf man achten sollte, wenn man nicht religiöse Botschaften untergeschoben haben will.

Foto: Colourbox.
Foto: Colourbox.

EFO-Magazin: Frau Derwein, Sie sind Pfarrerin und betreiben Yoga. Passt das zusammen? Yoga ist ja nicht nur Gymnastik, sondern dahinter steht auch eine Philosophie, eine Weltanschauung.

Irene Derwein: Ja, auf jeden Fall, das passt zusammen. Ich habe mir aber explizit eine Yoga-Lehrerin ausgesucht, die nicht noch etwas anderes mittransportiert. Ich mache das jetzt sieben Jahre bei ihr, und habe am Anfang auch etwas kritisch beäugt, ob da unterschwellig etwas vermittelt wird. Aber dem ist nicht so. Weder ideologisch, noch religiös, noch spirituell.

Also betreiben Sie Yoga einfach als Sport?

Es ist mehr als Sport. Zum einen bleibt man beweglicher, und es hilft mir in der Konzentration und in der Entspannung. Es gibt Übungen, da versucht man in die Körperanspannung zu entspannen. Das finde ich, lässt sich auf alles andere übertragen.

Ist Yoga für Sie dann Sport, Entspannungsübung und Meditation?

Also Meditation weniger. Meditation ist ein anderes Thema. Aber Yoga hilft, um zur Meditation zu kommen.

Sie haben sich mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Was kann denn in Yoga-Kursen weltanschaulich vermittelt werden?

Wenn zum Beispiel im Yoga-Unterricht ein Buddha aufgestellt wird, wenn auf die Silbe „Om“ meditiert wird – das ist ein Gebetsanruf – dann sind das zwar subtile Sachen, die aber doch eine religiöse Überzeugung vermitteln. Oder wenn gesagt wird, dass Shakren aktiviert werden. Dann denke ich, man sollte genauer hinschauen.

Was kann da vermittelt werden?

Yoga kommt ja aus dem Hinduismus und Buddhismus. Es wird gesagt, wenn man die Shakren aktiviert, aktiviert man eine bestimmte Gottheit. Ob das jetzt so ist, mag ich nicht zu beurteilen, aber es wird unterschwellig mit vermittelt. Wenn man Yoga nur macht, um sich fit zu halten, dann wird einen das vermutlich nicht beeindrucken. Aber wenn man auf Sinnsuche ist, dann ist man vielleicht empfänglich für so etwas. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, wenn Weltanschauung vermittelt wird. Nur wenn es so subtil, unterschwellig, unter einem anderen Titel läuft, finde ich es problematisch.

Ist es für Sie also in Ordnung, wenn offen gesagt wird: Hier machen wir buddhistisches Yoga?

Ja, klar. Dann kann man sich entscheiden, ob man sich darauf einlassen will oder nicht. Mich stört nur das Subtile.

Yoga wird inzwischen auch in Kirchengemeinden angeboten, oft werden dafür die Räume von außen angemietet. Wie können denn Kirchengemeinden die Angebote unterscheiden?

Ich kann nur raten, sich die Yoga-Lehrerin, den Yoga-Lehrer genau anzugucken. Gut ist es, wenn jemand vom Kirchenvorstand mit in die Übungsstunden geht. Man sollte sich auch vorher mit der Anbieterin unterhalten und sie nach ihren weltanschaulichen Hintergründen befragen. Das findet aber häufig gar nicht statt. Vielleicht wird in manchen Gemeinden auch Yoga angeboten, um für Gemeindemitglieder attraktiv zu sein. Das ist auch in Ordnung, aber man muss eben schauen, wen man sich ins Haus holt.

Wie erklären Sie sich, dass Yoga so attraktiv ist, während die eigene spirituelle Tradition eher am Rande noch vorkommt?

Entsprechungen im christlichen Rahmen haben wir nicht sonderlich viel. Wir haben die Meditation und das Gebärdengebet, aber das ist nicht dasselbe. Ich denke, es ist ein Wunsch der Menschen da, Religion nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen zu erleben. Dieses Bedürfnis sollte auch ernst genommen werden. Aber es bleibt die Frage, wie man das bedient.

Es gibt auch Pfarrerinnen und Pfarrer, die schütten sozusagen Taufwasser über das Yoga und vereinnahmen es in die christliche Praxis, als Weg zu Christus. Wie finden Sie das?

Ich finde es schwierig, Yoga mit Inhalten zu verbinden. Wenn ich Yoga betreibe, dann bin ich jedenfalls damit beschäftigt meine Übung anständig zu machen. Meine Fußhaltung, meine Beinhaltung, das Atmen, all das erfordert ja Aufmerksamkeit. Wenn ich da jetzt noch theologische Inhalte mitreflektieren sollte, hätte ich zumindest große Schwierigkeiten. Vielleicht geht das, wenn es jemand täglich macht.

„Wir haben einen breiten Konsens, dem Rechtspopulismus entgegenzutreten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Januar 2019

In vielen Ländern sind konservative christliche Gruppen einer der Pfeiler rechtspopulistischer Bewegungen. Wie sieht das in Hessen aus? Ganz anders, sagt Volker Rahn, Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Gespräch mit dem EFO-Magazin. Eine solche Stimmungslage sei hier „absolut nicht spürbar “ .

Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart
Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart

EFO-Magazin: Herr Rahn, nimmt die Akzeptanz von rechtspopulistischen Gedankengut in christlichen Freikirchen, konservativen evangelischen Kreisen oder Gemeinden zu?

Volker Rahn: Die evangelische Kirche liegt ja nicht auf dem Mars und ist mit ihren Mitgliedern ein Spiegelbild der Gesellschaft. Insofern sind in Kirchengemeinden eben auch alle politischen Spielarten vertreten. Zu spüren waren kritische Stimmen etwa zur Flüchtlingshilfe der hessen-nassauischen Kirche eher 2016 auf dem Höhepunkt der Zuwanderung und im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs 2017 mit seinen starken populistischen Tendenzen. Inzwischen ist es hier wieder sehr ruhig. Im Gegenteil: Es ist derzeit ein breiter Konsens zu spüren, rechtspopulistischen Tendenzen oder fremdenfeindlichen Äußerungen entschieden entgegenzutreten. Was die Freikirchen angeht, denen eine besondere, teilweise auch personelle Nähe zu rechtspopulistischen Parteiungen nachgesagt wird: Da müsste man die betreffenden Kirchen direkt fragen.

Es gingen aber auch schon Fälle von EKHN-Verantwortlichen mit einer Nähe zur AfD durch die Presse.

Sicher: Es mag vereinzelt Fälle geben. Schlagzeilen machte zum Beispiel eine Kirchenvorsteherin, die unter großem öffentlichem Getöse in die verantwortliche Position einer populistischen Partei wechselte. Das bleibt aber ein absoluter Ausnahmefall. Ein Kippen der Stimmungslage ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) absolut nicht spürbar, wie gesagt, ganz im Gegenteil.

Wie äußert sich das?

Wir haben zum Beispiel in den Gemeinden und Dekanaten ein anhaltend starkes Interesse nach Hilfen im Umgang mit Rechtspopulismus vor Ort. Oft stehen Dekanate im Verbund mit anderen Gruppierungen an der Spitze von Bewegungen, die die Demokratie stärken wollen und dagegen kämpfen, dass Dörfer oder Regionen braun werden.

Welche Unterstützung bekommen sie dabei von der Landeskirche?

Die EKHN hat eine eigene Stelle zur Stärkung der Demokratie im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung eingerichtet. Unser Experte Matthias Blöser berät Gemeinden, die besonders betroffen sind, zum Beispiel, weil sie unter parteipolitischen Schmähungen leiden oder von rechten Kampagnen wegen ihres Eintretens für Flüchtlinge mit Hass überzogen werden. Mitte Januar will die Kirchenleitung zudem eine brandneue Handreichung für Kirchengemeinden herausgeben, wie man vor Ort mit rechtspopulistischen Positionen umgeht.

Die Kirche will aber auch Forum für den Dialog sein. Gelingt das? Oder haben diejenigen Recht, die sagen, dass Menschen mit einem eher traditionelleren Verständnis von Gesellschaft inzwischen an den Rand der Volkskirche gedrängt werden?

Einer der Kernpunkte der neuen Handreichung ist genau diese Frage: Wie gelingt es, klar Position für eine offene, menschliche Gesellschaft zu beziehen, ohne andere Meinungen an den Rand zu drängen oder Menschen auszugrenzen? Ein Schlüssel dazu ist eine doppelte Grundhaltung. Es geht darum, antidemokratische Positionen oder menschenverachtende Äußerungen klar zu benennen und aufzudecken. Gleichzeitig ist es eine christliche Herausforderung, die betreffende Person trotz ihrer Aussagen zu achten. Und schließlich ist es nicht so, dass in der liberalen EKHN alles geht. Unsere Grundordnung etwa beschreibt ganz klar die Leitplanken. Darin heißt es zum Beispiel, frei formuliert, dass die Kirche aus den niederschmetternden Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus heute für eine offene Gesellschaft eintritt, die sich an Vielfalt, Verschiedenheit und Toleranz orientiert. Was das konkret heißt, darüber ist zu diskutieren. Das ist eine Herausforderung für alle Seiten, der man sich stellen muss.

Eine Moschee-Steuer braucht es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Januar 2019

Um die Abhängigkeit deutscher Moscheegemeinden von ausländischen Geldgebern zu verringern, steht der Vorschlag einer „Moschee-Steuer“ im Raum. Keine gute Idee. Die Rahmenbedingungen in Deutschland geben schon alles her, was nötig ist. Jede Gemeinde, die finanziell unabhängig sein will, kann das.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Da brandete eine Diskussion über die Finanzierung islamischer Gemeinden mit einem löblichen Ziel auf. Die Finanzierung deutscher Moscheen durch das Ausland müsse aufhören, damit sich ein deutscher Islam entfalten könne. Zum Beispiel müsse die Abhängigkeit vieler Gemeinden von der Türkei aufhören – so würden von dort entsendete und bezahlte Imame in den Gemeinden des Verbandes Ditib arbeiten, dem etwa 900 Moscheen angehören.

Um solche Abhängigkeiten zu durchbrechen braucht es aber keine Sonderregelung für eine Moschee-Steuer. Auch jetzt stehen den islamischen Gemeinden die rechtlichen Wege für eine selbstständige Finanzierung offen, so wie allen Religionsgemeinschaften. Es sind ja nicht nur die evangelischen und katholischen Kirchen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, was Voraussetzung ist für eine Erhebung von „Kirchensteuer“ ist. Nach jahrelangem Rechtsstreit sind etwa auch die Zeugen Jehovas als eine solche Körperschaft anerkannt worden. Viele Glaubensgemeinschaften, etwa die Jüdische Gemeinde, die Freireligiöse Gemeinde, einige Pfingstkirchen, die Unitarier, die Heilsarmee, die Bahai, die Mormonen oder auch die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde (um nur einige zu nennen) haben diesen Status in Hessen. Drei Bedingungen muss eine Religionsgemeinschaft dafür erfüllen: eine große Anzahl von Mitgliedern, die Dauerhaftigkeit der Organisation und die Treue zum Grundgesetz.

Nun wird dem entgegengehalten, dass der Islam sich nun mal anders organisiere. Er kenne keine Mitgliedschaft und keine Organisationsformen wie sie hier in Deutschland üblich sind. Aber die klassische „Kirchensteuer“ ist ja auch nicht der einzige Weg, der Moscheegemeinden offen steht. Tatsächlich finanzieren sich auch die meisten Religionsgemeinschaften, die als Körpersschaften anerkannt sind (bis auf die Jüdische Gemeinde), nicht über vom Staat eingesammelte Mitgliedsbeiträge. Eine andere Finanzierungsmöglichkeit sind freiwillige Spenden, so finanziert sich etwa die von Seyran Ates gegründete Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Auch dafür gibt es in Detuschland rechtliche Formate, etwa die einer gemeinnützige GmbH, sodass Spenden steuerlich absetzbar sind.

Wenn die deutschen Moscheegemeinden von ausländischen Finanzgebern unabhängig sein wollen, braucht es daher weniger eine Moschee-Steuer als vielmehr den Willen, unabhängig zu werden.

Übrigens ist die Kirchensteuer mit neun Prozent der zu zahlenden Lohn- und Einkommenssteuer ein gerechtes Mitgliedsbeitragssystem. Wer viel hat, zahlt viel, wer nichts hat, zahlt nichts. Und zudem ist es der Verwaltungsaufwand gering. Die Religionsgemeinschaft braucht dafür keine eigene Abteilung, der Staat bucht sich für seine Dienste drei Prozent des Beitragsaufkommens ab. Das ist für beide Seiten vorteilhaft.

Nächstes Jahr wollen wir auch in einem Frankfurter Stadion Weihnachtslieder singen!

von Kurt-Helmuth Eimuth 20. Dezember 2018

War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.
War Ruckzuck ausverkauft: Das Weihnachtssingen von hr3.

Das größte Weihnachtssingen Hessens findet dieses Jahr nicht in einer Kirche statt, sondern in einer Fußballarena. Dort wo normalerweise die Fußballprofis des Drittligisten SV Wehen Wiesbaden spielen, stehen am 23. Dezember Tobi Kämmerer, das Elektropop-Duo Glasperlenspiel, die Sängerin FEE. und die Frankfurter Urban Club Band auf einer großen Bühne und singen gemeinsam mit dem Publikum die schönsten Weihnachtslieder. Besinnlichkeit und Wärme sollen auf ein friedvolles Weihnachtsfest einstimmen, so die Ankündigung von hr3.

Tatsächlich ist es ein mutiges Unterfangen, doch es gibt Vorbilder. In Dresden und Leipzig haben solche weihnachtlichen Stadionevents bereits Tradition – ausgerechnet im säkularen Osten! Federführend in Dresden ist der berühmte evangelische Kreuzchor. Und die Stadien sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Selbst in der Fernsehübertragung ist etwas von der ganz besonderen Stimmung zu spüren.

Der Hessische Rundfunk war überrascht über die Resonanz. Nur eine gute Woche hat es gedauert, da waren sämtliche Tickets für das hr3-Weihnachtssingen vergriffen. Der Erfolg gibt dem Projekt also recht.

Da bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr ein solches Event mit Unterstützung der Kirchen auch in der größten hessischen Stadt, nämlich in Frankfurt, geplant wird. Man kann ja mit dem Bornheimer Hang klein anfangen. Und im übernächsten Jahr geht es dann ins Waldstation, wie wir die Arena immer noch nennen. Träumen darf man ja, gerade an Weihnachten