Archiv für 22. Oktober 2011

Kirchenvorstände zum Mitbestimmen

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 22. Oktober 2014

Mitbestimmung muss man einüben. Nur so kann der abstrakte Begriff „Demokratie“ auch mit Leben gefüllt werden. Die evangelische Kirche hat jetzt einen weiteren Schritt getan: In den neuen Kirchenvorständen, die im kommenden Frühjahr gewählt werden, können erstmals auch Jugendliche mitarbeiten.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Schon immer zeichnet sich der Protestantismus durch ein klares demokratisches Kirchenprinzip aus. Ausgehend von der reformatorischen Überzeugung des „Priestertums aller Gläubigen“ haben nicht Pfarrer und Pfarrerinnen das letzte Sagen, sondern vielfältige Gremien, in denen in der Regel die Ehrenamtlichen in der Mehrheit sind. Im deutschlandweiten Vergleich ist die hessen-nassauische Kirche noch einmal besonders demokratisch geprägt. Ihr erster Kirchenpräsident war der NS-Widerstandskämpfer Martin Niemöller. Aus der Erfahrung mit einem autoritären Staat heraus war es ihm wichtig, die Kirche strikt von unten her aufzubauen.

Momentan sind viele Gemeinden in Frankfurt auf der Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten für die Kirchenvorstandswahlen am 26. April 2015. Der Kirchenvorstand ist das oberste Leitungsorgan jeder Gemeinde. Je nach Gemeindegröße besteht er aus sechs bis zwanzig Personen plus den Pfarrern und Pfarrerinnen. Er entscheidet über die Finanzen, vertritt die Gemeinde in rechtlichen Dingen, trägt die Mitverantwortung für Seelsorge und Gottesdienstgestaltung und beschließt sämtliche Personalangelegenheiten, auch bei einer Neubesetzung der Pfarrstelle.

Der Kirchenvorstand wählt außerdem Delegierte für die Synode des Frankfurter Stadtdekanats, und diese wiederum entsendet Delegierte in die Synode der Landeskirche, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). In diesen Kirchenparlamenten wird über überregionale Belange entschieden, wobei zahlreiche Ausschüsse und Kommissionen in diese Entscheidungen einbezogen werden. Das ist zwar mühsam und zuweilen auch langwierig, allerdings können so auch keine Alleingänge einzelner „Kirchenfürsten“ passieren. Die Finanzhaushalte von Gemeinde, Dekanat und Landeskirche werden zudem öffentlich ausgelegt.

Wer teilhaben will an den Entscheidungen der evangelischen Kirche, sollte also für den Kirchenvorstand kandidieren. Und genauso braucht Partizipation Wählerinnen und Wähler. Auch bei der Kirchenvorstandswahl gilt darum: Wählen gehen!

Inspirierend und leicht – Neues Geschenkbüchlein für Geburtstage

Inspirierend und leicht

Neues Geschenkbüchlein für Geburtstage

Es gibt viele Geschenkbüchlein. Zu allen möglichen Anlässen. Sie sind als kleines Mitbringsel nützlich und meist schön anzusehen. Großformatige Bilder, allgemeingültige Sinnsprüche und dazwischen der ein oder andere Text eines mehr oder minder bekannten Autors oder Autorin.

Auch das vom Frankfurter Schriftsteller und Theologen Georg Magirius vorgelegte Büchlein „Gute Ausssichten – Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“ kommt ohne schöne Bilder und einige (wenige) Zitate nicht aus. Doch sind sie eine wunderbare Ergänzung für die Erzählungen des Autors selbst. Magirius versteht es, einfühlsam Stimmungen zu beschreiben und stimmige Sprachbilder zu verwenden. So wird etwa der Geburtstag als „Aussichtsplattform“ beschrieben, der „einer Rast, einer Unterbrechung auf der Wanderung des Lebens“ gleicht.

Magirius’ Texte bestechen aber auch durch Sprachwitz und Sprachgewalt. Etwa wenn er von so etwas Banalem wie dem morgendlichen Müsli berichtet: „Die Haferflocken bleiben nicht allein, sondern paaren sich mit Früchten. Banane ist mein Favorit, doch es darf sich auch ein Apfel mit Rosinen zu den Flocken gesellen.“

Das Buch ist weit mehr als ein Mitbringsel zum Geburtstag. Die Texte sind meditativ, inspirierend und haben doch erzählerische Leichtigkeit. Sie eignen sich erprobterweise auch für Andachten. So wird etwa die Stille beim Wandern mit dem Beten verglichen: „Das Beten ist ja nichts anderes als der Gang in die Abgeschiedenheit für Augenblicke. Solche Wege braucht die Seele. Sie wird ruhig und atmet auf.“

Georg Magirius: Gute Aussichten – Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Agentur Des Rauhen Hauses, broschiert 3 Euro, gebunden 4,99 Euro.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Oktober 2011

Kinder brauchen männliches Gegenüber

„Eltern sind wie Gott“

Eltern sind wie Gott“
Urvertrauen ist die Basis für Religiosität

Evangelisches Frankfurt Okt 2011
Frieder Harz bei seinem Vortrag über religiöse Prägungen vor Frankfurter Erzieherinnen. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Dass die ersten Lebensjahre prägend sind, ist keine neue Erkenntnis. Frieder Harz, emeritierter Religionspädagoge der Fachhochschule Nürnberg, hob aber auch die Bedeutung der ersten frühkindlichen Bindungen für die religiöse Prägung hervor. Vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern­ des Beratungsprojektes Kinder­tagesstätten des Diakonischen Werks für Frankfurt erläuterte Harz, dass für kleine Kinder ihre Eltern „Gott“ seien. „Ihr Angewiesen-Sein auf die primären Bezugspersonen ist elementar. Es hat in diesem Sinn religiöse Bedeutung.“

Harz greift damit eine Erkenntnis der Psychologie auf, wonach die Basis für ein positives Verhältnis zur Religion die Erfahrung eines unerschütterlichen Vertrauens zu den Eltern ist. Dieses Urvertrauen trägt Menschen ein Leben lang. Deshalb sei der behutsamen Eingewöhnung – vor allem in den Krabbelstuben – besonderes Augenmerk zu schenken. Religiöse Erziehung achte darauf, dass seine frühen Bindungen dem Kind einen guten Weg ins Leben eröffneten. Darauf aufbauend könne sich später das „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ (Schleiermacher) auch auf ein umfassenderes Gegenüber beziehen.

Mit zunehmender Aneignung der Welt, mit dem (auch im wörtlichen Sinne) Begreifen der Welt, sei es die Aufgabe der religiösen Erziehung, diesen Prozess mit Deutungen zu begleiten, die dem Kind das Gefühl und später die Überzeugung geben, in der Welt aufgehoben und behütet zu sein. Das geschehe über Rituale und Symbole, in Erzählungen und Gebeten, in Raumerfahrungen, Bildern und Musik. Harz forderte Erzieherinnen und Kirchenvorstände auf, darauf zu achten, dass sich diese „frühe religiöse Sprache reich entfalten kann, von den Erwachsenen bewusst praktiziert wird, dass sie als ein Schatz gepflegt wird, der uns allen mitgegeben wird.“

An dem Beratungsprojekt des Diakonischen Werkes nehmen elf evangelische Kindertagesstätten und vier Krabbelstuben teil. Ziel ist es, ein Qualitätsmanagement nach Deutscher Industrienorm einzuführen. 65 Kitas in Frankfurt sind diesen Weg bereits gegangen.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisation von Pro Christ

Luther & Co
Oktober 2011

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Evangelisation von Pro Christ

Roter Teppich, Stehtische mit Salzgebäck und Mineralwasser. Scheinwerfer bringen buntes Licht auf die Bühne. Der Altar ist zur Seite geräumt. Ein großes Holzkreuz rechts neben der Bühne signalisiert: Diese Kirche ist weiterhin Kirche, aber eben anders. Der Bühnenaufbau signalisiert Modernität. Mit Musik, Interviews und Gesprächen rief die Aktion „Pro Christ“ Ende September in der Heiliggeistkirche zur Evangelisation. Zum Bündnis gehören so unterschiedliche Gemeinden wie die Nord-Ost- und die Michaelisgemeinde, die Heilsarmee und die Freie Christengemeinde. Ziel der Aktionstage war es, „das Evangelium von Jesus Christus als Gesprächsthema in unsere Stadt zu bringen“, wie es in der Ankündigung hieß.

Auf dem Sessel in der Talk-Ecke nahm als Gast Helmut Hosch Platz. Eine Filmeinspielung brachte es in Erinnerung: Am 2. Februar 1990 stießen bei Rüsselsheim zwei vollbesetzte S-Bahnen frontal zusammen. 17 Menschen starben, 147 wurden teils schwer verletzt. Am Steuer saß Helmut Hosch. Er hatte ein Haltesignal übersehen. „Es hat geknallt und das Leben geht weiter“ ist der Titel des Interviews. Ja, er habe Schuld. Für ihn gebe es nur ein Leben vor und eines nach Rüsselsheim. Aber er habe überlebt. Gott habe zu ihm gesagt: „Helmut, ich trage Dich.“ Gott gebe ihm trotz seiner Schuld Halt.

Chor und Band unterbrechen die Wortbeiträge mit flotter Musik. „Klatscht in die Hände und lasst uns singen: Jesus ist der Herr!“ Doch nicht alle wollen in der mit 500 Menschen gut besetzen Kirche aufstehen und mitklatschen. In Teilen ist das Publikum bereits ergraut.

Höhepunkt ist der Auftritt von Ulrich Parzany. Der 70-Jährige hat lediglich eine Bibel in der Hand. Ohne Manuskript spricht er eine gute Stunde über das Gewissen. Der Mensch sei keineswegs von Grund auf gut. „Er kann eine Bestie sein.“ Es komme deshalb darauf an, Gottes Stimme zu vernehmen und nicht auf all die anderen zu hören. Viele würden ihren eigenen Gefühlen folgen und nicht Gott. Deshalb gingen auch viele Ehen auseinander. Parzany schloss mit der Aufforderung, sich auf einen neuen Lebensweg mit Jesus zu begeben und zu beten „Mein ganzes Leben soll jetzt Dir gehören. Du bist mein Herr.“ Dem folgten aber bloß eine Handvoll Menschen.

1993 startete Pro Christ mit dem US-amerikanischen Prediger Billy Graham als Hauptredner, geprägt von Elementen der klassischen Zeltmission: Ansprache und beispielhafte Bekehrungen sollen zu einer Lebenswende ermutigen. Die Aktion wird auch von Teilen der Landeskirchen unterstützt. Ob dadurch aber wirklich ein neues Milieu erschlossen wird, ist fraglich.

Kurt-Helmuth Eimuth