Archiv für Kita

Krippen akut in Not

FRANKFURTER RUNDSCHAU

Kleinkind-Betreuung

VON MARTIN MÜLLER-BIALON

Schwierig ist die Lage ist schon jetzt: Besonders wenn Virusinfektionen umgehen, kommt es in den Krippen und Krabbelstuben immer wieder zu

Engpässen. Denn bei dem besonders engen Kontakt zwischen Kleinkindern und Betreuern sind oft auch die Erzieher betroffen. „Es kommt immer

wieder vor, dass ich meinen Sohn beim Abholen mit einer ihm nicht vertrauten Person in nicht vertrauten Räumen vorfinde“, berichtet eine Mutter

der städtischen Krippe „Kunterbunt“ in Bornheim. Sie habe oft „kein gutes Gefühl“, wenn sie ihr Kind zur Krippe bringe. „Das liegt aber nicht an den

Erzieherinnen, es gibt zu wenig Personal.“

Nach den Vorgaben der hessischen Verordnung für die frühkindliche Betreuung ist das Personal ausreichend. „Wenn alle da sind, reicht der

Stellenplan aus“, sagt „Kunterbunt“-Leiterin Christina Spaethen. Immer wieder gebe es aber Ausfälle wegen Fortbildungen oder Erkrankungen der

Kolleginnen.

„Wir versuchen dann, im Sinne der berufstätigen Eltern die Gruppen trotzdem offen zu halten.“ Die Zahl der „Springerinnen“ – zurzeit ist eine für

zwei Krippen zuständig – zu verdoppeln, wie es der Kita-Gesamtelternbeirat fordert, hält die Leiterin für wünschenswert.

Keine gute Ausgangslage für die gigantische Aufgabe, die die Stadt in den kommenden fünf Jahren zu stemmen hat: Der vom Bund beschlossene

Rechtsanspruch für einen Krippenplatz ab 2013 bedeutet eine glatte Verdreifachung der Plätze und des Fachpersonals. Zu den derzeit 3200

Krippenplätzen bei der Stadt sowie freien und kirchlichen Trägern müssen weitere 6000 geschaffen werden.

Bei einem Stellenschlüssel von 1:5 (eine Erzieherin, fünf Kinder) bedeutet das 1200 neue Stellen – derzeit sind es 640. Weitere 400 Erzieher-Stellen

will die Stadt freiwillig schaffen – die Aufstockung des Personalschlüssels von eineinhalb auf zwei Stellen je Kindergartengruppe läuft derzeit.

Wie das gehen soll, weiß zurzeit niemand. „Engpässe gibt es schon jetzt, der Ausbau kommt oben drauf“, sagt etwa Kurt-Helmuth Eimuth,

Abteilungsleiter im für die evangelischen Kitas zuständigen Diakonischen Werk. Eimuth leitete bis 2005 die Erzieherschule im Diakonissenhaus, deren

Betrieb ausläuft.

Fehlende Ausbildungsplätze

Eine Entscheidung, die sich nun rächt. Denn die Berta-Jourdan-Schule kann als Berufsschule für pädagogische Berufe den Bedarf nicht decken. So

wird nun im Schul- wie im Sozialdezernat nach alternativen Lösungen gesucht. Bildungsdezernentin Jutta Ebeling (Grüne) hat bereits eine

Werbekampagne für den Erzieherberuf angekündigt, wobei besonders die in den Kitas stark unterrepräsentierten Männer angesprochen werden

sollen.

Zudem erwäge man, wie Eimuth berichtet, ein Quereinsteigerprogramm. „Dabei könnten Leute qualifiziert werden, die eine ähnliche Ausbildung oder

Qualifikation mitbringen.“ In Einzelfällen sei auch die Einarbeitung von Naturwissenschaftlern denkbar. Gegen solche Überlegungen steht freilich die

Kita-Verordnung, wie Rainer Lossa vom Stadtschulamt betont. „Wir dürfen den Fachkraft-Status nicht aufgeben.“

Das Qualifizierungs-Modell der Werkstatt Frankfurt würde diese Problem lösen. Im Benehmen mit der Berta-Jourdan-Schule erwägt die Werkstatt,

arbeitslose und allein erziehende Frauen für den Erzieher-Beruf zu gewinnen. „Ich gehe davon aus, dass etwa 100 bis 120 von ihnen die nötige

Eignung haben“, sagt Geschäftsführer Conrad Skerutsch. Diesen Frauen soll eine stark praxisorientierte Umschulung angeboten werden

Qualität für Krippen

Evangelisches Frankfurt Juli 2009

Qualität für Krippen
Sozialminister Banzer gegen Akademisierung

Durch den massiven Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren sieht der Hessische Sozialminister Jürgen Banzer die Gefahr, dass die Qualität auf der Strecke bleibt. Bei einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Arnoldshain über die Perspektiven frühkindlicher Erziehung sagte Banzer, zur Zeit habe man für 18 Prozent dieser Altergruppe einen Krippenplatz, angestrebt seien 35 Prozent. Der Hessische Bildungsplan für Kinder von null bis zehn Jahren könne ein Weg sein, die Qualität zu sichern. Da die Kindertagesstätten von zahlreichen freien Trägern unterhalten werden, können Standards nicht von oben verordnet werden. Darum will der Minis­ter bei der Qualitätssicherung „goldene Zügel“ nutzen. „Es geht nur mit viel Kommunikation, Elternarbeit und einem umfangreichen Fortbildungsangebot.“.

Banzer wandte sich gegen die Forderung, die Ausbildung von Erzieherinnen zu akademisieren. Er bescheinigte der derzeitigen Ausbildung eine hohe Qualität. „Die Fachschulen bilden hervorragend aus.“ Vielmehr solle man darüber nachdenken, ob während der Ausbildung nicht ein Lehrlingsgehalt gezahlt werden könne. „Wir müssen den Beruf attraktiver machen.“

Den Wandel des Kindergartens zu einer Bildungseinrichtung mahnte Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, an. Die Kindergärten kämen historisch betrachtet aus der Tradition der familienergänzenden Betreuung. Dies habe durchaus seine eigene Qualität. Jetzt gehe es aber darum, träger­übergreifende Netzwerke in den Stadtteilen zu knüpfen, um die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen „flach zu halten“. Frase begrüßte die Entstehung von Familienzentren, die verschiedene Angebote unter einem Dach bündeln.

Kurt-Helmuth Eimuth

Die Krabbel-Offensive

Evangelisches Frankfurt April 2009

Die Krabbel-Offensive

Krabbelstuben sind nichts Böses – vorausgesetzt, die Qualität stimmt. In den nächsten vier Jahren will die evangelische Kirche in Frankfurt tausend neue Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen und ihr derzeitiges Angebot damit fast verfünffachen. Die Bedürfnisse und Bildungschancen der Kinder selbst stehen dabei im Mittelpunkt.

Es ist ein sonniger Tag, und die Kinder in der evangelischen Krabbelstube in Zeilsheim freuen sich, raus zu kommen – eifrig steigen sie in ihre Stiefel und Anoraks und toben kurz darauf im Außengelände herum. Lena hingegen ist müde und hat sich in ihr Bettchen im Schlafraum gelegt, Samantha knabbert an ihrem Tischchen an einem Brot, während der kleine Stefan, der noch nicht laufen kann, auf eigene Faust den Raum erkundet. „Bei uns machen nie alle Kinder zur gleichen Zeit dasselbe“, sagt Leiterin Tanja Stadtmüller, „wir passen uns ganz dem Rhythmus jedes einzelnen Kindes an.“

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar. | Foto: Ilona Surrey

Neuankömmling Jarne weiß noch nicht genau, ob es ihm in der Krabbelstube gefällt. Aber er hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen – mindestens vier Wochen lang sind Mama oder Papa jederzeit erreichbar.
Foto: Ilona Surrey

Dreh- und Angelpunkt dieses Konzeptes, das sich an den Vorschlägen der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler orientiert, ist die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind. So ist in der Eingewöhnungsphase, die in der Regel vier bis sechs Wochen dauert, eine einzige Erzieherin für das Kind zuständig – wird sie krank, muss der Eingewöhnungsprozess unterbrochen werden. „Nur wenn die Bindung zwischen Kind und einer festen Bezugsperson stark und sicher ist, wird es anfangen, die Umgebung aktiv zu erkunden“, sagt Vanessa Hoch, die im Diakonischen Werk für Frankfurt die fachliche Ausrichtung betreut.

Es ist jedoch nicht immer leicht, konsequent die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Da komme es vor, dass Eltern sich beklagen, wenn ihre Kleinen am Nachmittag zu lange geschlafen haben – weil sie dann am Abend wach sind und beschäftigt werden wollen. Andere fragen schon in der Krabbelstube nach Frühenglisch und sind skeptisch, wenn die Erzieherinnen die Kleinen nicht ständig „bespielen“ und beim Lernen vorantreiben.

Vielleicht ist diese Erwartungshaltung kein Wunder, denn schließlich wurde der massive Ausbau von Krippenplätzen in Deutschland nicht zuerst aus pädagogischen, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Gründen angestoßen: Junge Frauen sollen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und der Nachwuchs „bildungsferner“ Schichten möglichst früh gefördert werden. Auch Tanja Stadtmüller weiß um den Druck, dem viele Eltern heute im Alltag ausgesetzt sind. „Deshalb bemühen wir uns sehr, ihnen möglichst entgegen zu kommen.“ Feste Bring- und Abholzeiten gibt es nicht, Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen.

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt's etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen. | Foto: Ilona Surrey

Wann immer die Kleinen Hunger haben, gibt’s etwas zu essen. Die Wünsche der Kinder werden von den Erzieherinnen sehr ernst genommen.
Foto: Ilona Surrey

Viel zu lange sind in Deutschland Familien und öffentliche Einrichtungen beim Thema Kleinkinderbetreuung gegeneinander ausgespielt worden. Es wird höchste Zeit, dass sie an einem Strang ziehen. „Der Weg zu einer Institutionalisierung der Kinderbetreuung auch unter drei Jahren ist richtig und notwendig“, bekräftigt Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt. Auch in der Kirche – lange Zeit ein Hort überkommener Familienmodelle – hat sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt.

Beim Ausbau der Krabbelstuben dürfe es aber nicht einfach um „Betreuungsplätze“ gehen, sondern vielmehr um Bildung, ist der zuständige Arbeitsbereichsleiter Kurt-Helmuth Eimuth überzeugt. Wobei sich der Bildungsbegriff nicht länger an dem klassischen Schulmodell orientiert, wo die Lehrer vorgeben, was wann gelernt wird. Eher steht das Verhalten einer Mutter Modell, die verlässlich da ist, dem Kind erklärt, was es wissen will, und ihm im ganz normalen Lebensalltag Anregungen bietet.

„Der Mensch lernt durch Nachahmung, Ausprobieren und Kommunikation“, erläutert Eimuth diesen Prozess. Material dazu gibt es in den Krabbelstuben zur Genüge: Holzrampen und Treppen, Sachen zum Rütteln, Betasten, Auf- und Zuschrauben. „Wir nehmen gerne Alltagsgegenstände“, sagt Tanja Stadtmüller und deutet auf leere Plastikflaschen, Cremedosen, bemalte Würfel und vieles mehr, das auf den Entdeckungsdrang der Kleinsten wartet. Die Erzieherinnen fragen regelmäßig nach den Wünschen der Kinder und erklären ihnen alles, was sie selbst tun. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Windelwechseln, das nicht etwa als lästige Notwendigkeit, sondern als wichtiger Teil des Bildungsprozesses verstanden wird. „Diese intime Interaktion trägt ganz entscheidend zur Vertrauensbildung bei“, sagt Vanessa Hoch. Wobei das Kind selbst entscheidet, wann die Windel gewechselt werden soll.

Auch für viele Erzieherinnen ist so ein Konzept eine Herausforderung. „Sie müssen lernen, sich selbst zurückzunehmen und die Kinder machen zu lassen.“

In den meisten Ausbildungsgängen gibt es in punkto Frühpädagogik jedoch noch einen gewissen Nachholbedarf. Forderungen nach einer Akademisierung der Erzieherinnenausbildung sieht Kurt-Helmuth Eimuth zwiespältig. Er setzt eher auf differenzierte Ausbildungsgänge und „multiprofessionelle“ Teams: akademisch ausgebildete „Bildungsorganisatorinnen“ in der Einrichtungsleitung, dazu Spezialistinnen für interkulturelle oder religiöse Bildung, die mit ihren Fachkenntnissen diejenigen unterstützen, die als erste Bezugspersonen für die Kinder da sind.

Antje Schrupp

Frankfurt braucht 4500 zusätzliche Erzieherinnen

Ab dem Jahr 2013 haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krabbelstuben-Platz für ihre Kinder. Zuständig sind die Kommunen. Für die Stadt Frankfurt heißt das: In nur vier Jahren müssen rund 5500 neue Plätze geschaffen werden. Die evangelische Kirche will sich mit 1000 neuen Plätzen an diesem gewaltigen Ausbau beteiligen. Dafür ist ein Bauvolumen von rund 20 Millionen Euro vorgesehen, finanziert ganz überwiegend von der Kommune sowie aus Landes- und Bundeszuschüssen.

Dabei stellen sich vor allem zwei Probleme. Erstens gilt es, geeignete Liegenschaften zu finden. Sie müssen aus Sicherheitsgründen im Erdgeschoss liegen und über ein Außengelände verfügen – keine leichte Sache, vor allem im Innenstadtbereich. Noch schwieriger wird es jedoch sein, genügend Erzieherinnen zu finden. Die Stadt Frankfurt schätzt den Bedarf in den kommenden vier Jahren auf 4500 zusätzliche Kräfte. Dem stehen aber in diesem Zeitraum nur rund 1500 Absolventinnen und Absolventen der Berta-Jourdan-Schule gegenüber.

Antje Schrupp

Erzieherinnen braucht das Land

Erzieherinnen und Erzieher braucht das Land

Während derzeit viele Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen, gibt es eine Berufsgruppe, die sich diesbezüglich überhaupt keine Sorgen machen muss: Erzieherinnen. Allein in Frankfurter Kindertagesstätten und Krabbelstuben werden in den nächsten vier Jahren schätzungsweise 4500 neue Kräfte gebraucht. Wo die herkommen sollen, weiß derzeit noch niemand. In derselben Zeit werden nämlich in der Berta-Jourdan-Schule, der einzigen Ausbildungsstätte für Erzieherinnen in der Stadt, nur rund 1500 Absolventinnen – und wenige Absolventen – ihren Abschluss machen.

Der Grund für diesen großen Bedarf ist die Tatsache, dass ab 2013 Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für ihre Kinder haben. Auch in der evangelischen Kirche, lange ein Hort überkommener Familienmodelle, hat sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt: „Der Weg zu einer Institutionalisierung der Kinderbetreuung auch unter drei Jahren ist richtig und notwendig“, betont Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werkes im Evangelischen Regionalverband Frankfurt.

Von den rund 5500 neuen Krippenplätzen, die nach Schätzungen der Stadt in den nächsten vier Jahren geschaffen werden müssen, sollen 1000 in evangelischer Trägerschaft sein. Das bedeutet, dass die Kirche ihr derzeitiges Angebot fast verfünffachen will. Dabei kommt es vor allem auf die Qualität an, betont Kurt-Helmuth Eimuth, der im Diakonischen Werk für Kitas und Krabbelstuben zuständig ist. „Es geht um Bildung“, so Eimuth. Allerdings kann Bildung bei Ein- oder Zweijährigen nicht so ablaufen wie in der Schule, wo die Lehrer vorgeben, was wann gelernt wird. Die evangelischen Krabbelstuben arbeiten vielmehr nach einem Konzept, das die Bedürfnisse der Kinder selbst konsequent in den Mittelpunkt stellt. „Der Mensch lernt durch Nachahmung, Ausprobieren und Kommunikation“, so Eimuth.

Was das praktisch bedeutet, erläutert Tanja Stadtmüller, die Leiterin der evangelischen Krabbelstube in Zeilsheim: „Bei uns machen nie alle Kinder zur gleichen Zeit dasselbe.“ Die Kinder selbst entscheiden, wann sie schlafen, essen, spielen oder die Windeln gewechselt haben möchten. Die Erzieherinnen bieten ihnen kein „Programm“, sondern begleiten die Kleinen bei ihrem Entdeckungsdrang. Überall gibt es etwas zu erkunden, zum Beispiel Alltagsgegenstände wie leere Cremedosen oder Plastikflaschen. Rampen und Stufen animieren zum Klettern, die Kinder dürfen auch im Waschbecken plantschen oder sich in die Kuschelecke verziehen – je nachdem, was gerade ihr Interesse weckt. Das pädagogische Konzept dazu stammt von der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler.

Auch das Windelwechseln wird dabei nicht etwa als lästige Notwendigkeit angesehen, sondern als wichtiger Teil des Bildungsprozesses, erklärt Vanessa Hoch, die für die fachliche Ausrichtung der evangelischen Krabbelstuben zuständig ist: „Diese intime Interaktion trägt ganz entscheidend zur Vertrauensbildung bei.“ Und weil das Vertrauen zwischen Kind und Erzieherin so wichtig ist, ist in der Eingewöhnungsphase, die vier bis sechs Wochen dauert, eine einzige Kollegin für ein Kind zuständig. Wird sie zum Beispiel krank, muss die Eingewöhnungsphase unterbrochen werden. „Nur wenn die Bindung zwischen Kind und einer festen Bezugsperson stark und sicher ist, wird es anfangen, die Umgebung aktiv zu erkunden“, erklärt Hoch.

Auch für viele Erzieherinnen ist so ein Konzept eine Herausforderung, denn sie müssen sich selbst zurücknehmen und großen Respekt vor den Kleinen mitbringen. In der Ausbildung haben sie das nicht unbedingt gelernt – hier gibt es selten einen speziellen Schwerpunkt auf Frühpädagogik. Kurt-Helmuth Eimuth kritisiert die „Allround“-Pädagogik, die heute oft noch das Berufsbild Erzieherin prägt – sie müssen alles können, von der Krabbelstube bis zum Heim für Jugendliche.

Forderungen nach einer Akademisierung des Berufs sieht Eimuth allerdings zwiespältig. Er setzt eher auf differenzierte Ausbildungsgänge und „multiprofessionelle“ Teams aus „Bildungsorganisatorinnen“ in der Einrichtungsleitung und Spezialistinnen, etwa für interkulturelle oder religiöse Bildung, die mit ihren inhaltlichen Kenntnissen dann diejenigen unterstützen, die als erste Bezugspersonen für die Kinder verlässlich da sind und Vertrauen aufbauen.

Krabbelstuben: Eine Aufgabe, die alle angeht

Nachdem in Punkto Kinderbetreuung für unter Dreijährige lange Zeit Familien und öffentliche Einrichtungen gegeneinander ausgespielt wurden, hat jetzt endlich ein Umdenken eingesetzt. Mit ungefähr vierzig Jahren Verspätung vollzieht die deutsche Gesellschaft das, was Feministinnen schon lange vorschlagen: Sie begreift, dass die Versorgung und Erziehung kleiner Kinder eine Aufgabe ist, die alle angeht und für die es ordentliche Konzepte braucht – und zwar ökonomische ebenso wie pädagogische.

Was die pädagogische Seite betrifft, so hat sich bereits vieles verändert. Das Konzept der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler, nach dem die evangelischen Krabbelstuben in Frankfurt arbeiten, ist durchaus überzeugend. Zentral ist der Respekt vor den Kindern, auch bereits den Kleinsten, die als eigenwilliges Gegenüber ernst genommen werden. Modell für dieses Verständnis von Bildung ist nicht mehr der autoritäre Lehrer, der Wissen einpaukt, sondern eher die Mutter, die verlässlich da ist, dem Kind erklärt, was es interessiert, und ihm im ganz normalen Alltag Anregungen bietet. Im Zentrum steht die Vertrauensbeziehung zwischen einem Kind und einer erwachsenen Person – ob es nun die Mutter, der Vater oder eben die Erzieherin ist.

Nicht richtig durchdacht ist aber nach wie vor die ökonomische Seite. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es zum Lachen: Der massive Ausbau an Krippenplätzen, der jetzt holterdipolter aus dem Boden gestampft werden muss, droht nämlich daran zu scheitern, dass es schlicht und ergreifend nicht genügend Erzieherinnen gibt. Was ja auch kein Wunder ist, wenn gleichzeitig jungen Mädchen bei „Girls Days“ beigebracht wird, dass sie doch besser Kfz-Mechanikerin oder Ingenieurin werden sollen anstatt etwas „typisch Weibliches“.

Hier liegt also durchaus ein Fehler im System. Zwar ist es inzwischen Konsens, dass junge Mütter berufstätig sein sollen. Doch die Frage bleibt, wer dann eigentlich die Arbeit der ehemaligen „Hausfrauen“, die ja auch nicht den ganzen Tag nur Däumchen gedreht haben, übernehmen soll – und vor allem unter welchen Bedingungen. Denn Tätigkeiten, die auf Beziehungen, Vertrauen, Fürsorge gründen, lassen sich nun mal nicht in unser derzeitiges Verständnis von „Wirtschaft“ integrieren. Sie „rechnen“ sich nicht, bringen keinen Profit, versprechen nicht Macht und allgemeine Anerkennung. Sie entziehen sich der betriebswirtschaftlichen Logik, und trotzdem muss irgendjemand sie erledigen.

Wer die eigene Berufstätigkeit nach streng „kapitalistischer“ Logik plant, also vor allem auf Einkommen und Status achtet, ist dazu kaum motiviert. Deshalb ist der Anteil von Männern an der Kindererziehung im institutionellen Bereich genauso winzig wie früher in der Familie. Vielleicht bietet ja die Finanzkrise, die eine Wirtschaftsexpertin kürzlich sehr treffend „Testosteronkrise“ genannt hat, einen Anlass zum Umdenken. Es wäre jedenfalls nicht das Schlechteste, wenn demnächst arbeitslose Ingenieure und Kfz-Mechaniker auf Erzieher umschulen müssten. Denn Autos haben wir längst genug, Zeit für Kinder aber nicht.

In: Kirche Intern, April 2009

"Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Evangelisches Frankfurt Februar 2009

„Man hat mir gesagt, da musst du unbedingt hin“

Mit Politikerbesuchen hat man inzwischen schon Erfahrung im Gallusviertel. Nachdem Bundeskanzlerin und Ministerpräsident schon da waren, kündigte sich im Januar der Hessische Innenminister Volker Bouffier an und besuchte die evangelische Versöhnungs-Kindertagesstätte.

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor. | Foto: Rolf Oeser

Innenminister im Kindergarten: Volker Bouffier informierte sich in der Frankfurter Versöhnungs-Kita über das Projekt „Frühstart“. Er und eine Elternbegleiterin lasen den Kindern zweisprachig Geschichten vor.
Foto: Rolf Oeser

„Man hat mir im Ministerium gesagt, da musst du unbedingt hin.“ Regelmäßig besuche er Kindertagesstätten, denn als Innenminister sei er ja auch für Integration zuständig, so Bouffier. Und so informierte er sich über das Projekt „Frühstart“, eine besondere Form der frühkindlichen Sprachförderung. Kita-Leiterin Birgit Liebow hob hervor, dass insbesondere die „Elternbegleiter“ eine besondere Qualität darstellen. Sie sind selbst mehrsprachig und ebnen Kindern den Weg in das deutsche Bildungssystem.

Kurt-Helmuth Eimuth

Interreligiöses Lernen in Kita beeindruckt Merkel

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Interreligiöses Lernen in Kita beeindruckt Merkel

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Großer Andrang herrschte beim Besuch der Bundeskanzlerin im Gallusviertel. Zum Auftakt ihrer „Bildungsreise“ durch Deutschland kam Angela Merkel in die Kindertagesstätte der Friedensgemeinde, um selbst zu lernen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Roland Koch, Sozialministerin Silke Lautenschläger und Oberbürgermeisterin Petra Roth informierte sie sich insbesondere über das hier praktizierte Sprachförderungsprogramm. Besonders beeindruckt war sie von der Möglichkeit der interreligiösen Begeleitung in einer Kindertagesstätte.

Kitas vermitteln Wissen kreativ

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Kitas vermitteln Wissen kreativ
Fortbildung für Erzieherinnen zu projektbezogenem Lernen

„Unsere Aufgabe als Erzieherinnen war es, den Kindern, die auf ein Forschungsgebiet gestoßen waren, immer wieder Material zur Verfügung zu stellen und sie dann machen zu lassen“, erzählt Petra Lauer, Leiterin der Kindertagesstätte Sternenreich in der Martinusgemeinde in Schwanheim. Soviel Vertrauen in kindliche Entdeckerfreude und Forschergeist löste eine Welle der Begeisterung und Schaffensfreude aus, die auch 19 andere evangelische Kindertagesstätten erreichte: Zwei Jahre lang hatten sie an der Fortbildungsreihe „Der Zeit auf der Spur – Bildung von Anfang an – Lernwerkstätten zum Bildungsplan“ teilgenommen, die von ihrer Fachberatung initiiert worden war. Angeregt und begleitet wurden die Erzieherinnen dabei von zwei Referenten der Fortbildungsstätten für pädagogische Praxis in Hessen, die„intelligent, kreativ und einrichtungsspezifisch“ arbeiteten, wie Fachberaterin Magdalena Lagemann in der abschließenden Präsentation hervorhob.

„Die Fortbildung war glücklicherweise zunächst ganz praktisch und auf Materialien bezogen“, lobte Christine Funk-Geissler, die die Villa Kunterbunt in der Regenbogengemeinde in Sossenheim leitet. „Das hat bei uns eine Lawine ausgelöst. Wir haben vier Räume in unserer Kita neu gestaltet, in denen wir den Kindern jetzt verschiedene Materialen zur Verfügung stellen.“ In der eigentlichen Projektarbeit beschäftigten die Kinder sich dann zunächst mit Steinen, bevor sie auf das Thema Dinosaurier stießen. Die Erzieherinnen stellten Materialien zum Basteln, Begreifen und Formen, Sachbücher und Internetseiten zur Verfügung, die Kinder fragten immer weiter und bastelten ganze Dinosaurierlandschaften.

Die Kita der Wicherngemeinde in Praunheim präsentierte große Höhlen, in die die Kinder Bären und Fledermäuse aus Pappmaschee gesetzt hatten. Die Thomas-Kita aus Heddernheim dokumentierte, wie die Kinder zunächst an einem Haus in der Nachbarschaft mitbauten und sich mit Architektur beschäftigten, bevor sie auf die Römerstadt aufmerksam wurden: Das führte zu archäologischen Grabungen, Geschichtsfragen, Töpferwerkstatt, Besuchen im Denkmalsamt und auf der Saalburg sowie einer ersten Berührung mit Latein.

„Wie man an diesem Projekt sieht, kann Bildung Spaß machen“, unterstrich Kurt-Helmuth Eimuth, der Leiter des Arbeitsbereiches Kindertagesstätten im Diakonischen Werk für Frankfurt.
Bildung nach evangelischem Verständnis meine dabei ein ganzheitliches Geschehen der Persönlichkeitsbildung, die sich an der Einsicht ausrichtet, dass der Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen ist, und das Seele, Verstand und Körper gleichermaßen umfasst.

Stephanie von Selchow

Religion in der Kita

Evangelisches Frankfurt Oktober 2008

Religion in der Kita
Defizite bei frühkindlicher Bildung

Jedes vierte Kindergartenkind gehört der islamischen Religion an. Diese Tatsache werde nicht zur Kenntnis genommen, kritisiert der Tübinger Hochschullehrer Friedrich Schweitzer. Gemeinsam mit seinem Kollegen Albert Biesinger hat er eine bundesweite Pilotstudie zur religiösen Begleitung von Kleinkindern erstellt. Beim Kita-Kongress zum Thema „Mein Gott, dein Gott, kein Gott?“ im Frankfurter Dominikanerkloster führte Schweitzer vor über 400 Pädagoginnen und Pädagogen aus, dass eine religiöse Begleitung nur in christlichen Kindertagesstätten gewährleistet sei.

Dabei ist die religiöse Bildung für Kindergartenkinder in zahlreichen Bildungsplänen der Bundesländer, auch in Hessen, verankert. Sie ist somit eigentlich nicht nur Aufgabe der konfessionellen Kindertagesstätten, sondern auch etwa der städtischen. Die Studie zeigt jedoch, dass in den nicht-konfessionellen Kitas kaum religiöse oder gar interreligiöse Bildung stattfindet. Nur in etwa zehn Prozent der Einrichtungen sei diese auch für die ­ mu­ slimischen Kinder gegeben. Schweitzer: „Wie soll man ohne interreligilöse Bildung Toleranz einüben können?“

Kinder fragen Dinge wie: „Kommt Alexander in die Hölle, wenn er Wurst aus Schweinefleisch ist?“ oder „Warum faltet Ayse beim Gebet die Hände nicht?“ Um solche Fragen kompetent aufgreifen zu können, brauchen Erzieherinnen ein Basiswissen über die Religionen. Während des Kongresses wurde festgestellt, dass auch Kinder ohne Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft – immerhin bald jedes fünfte Kind – ein Recht auf religiöse und interreligiöse Begleitung haben.

Das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Forschungsprojekt wurde mit dem Innovationspreis „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Kurt-Helmuth Eimuth

Krippen akut in Not

Frankfurter Rundschau 23.2.08
VON MARTIN MÜLLER-BIALON
Schwierig ist die Lage ist schon jetzt: Besonders wenn Virusinfektionen umgehen, kommt es in den Krippen und Krabbelstuben immer wieder zu Engpässen. Denn bei dem besonders engen Kontakt zwischen Kleinkindern und Betreuern sind oft auch die Erzieher betroffen. „Es kommt immer wieder vor, dass ich meinen Sohn beim Abholen mit einer ihm nicht vertrauten Person in nicht vertrauten Räumen vorfinde“, berichtet eine Mutter der städtischen Krippe „Kunterbunt“ in Bornheim. Sie habe oft „kein gutes Gefühl“, wenn sie ihr Kind zur Krippe bringe. „Das liegt aber nicht an den Erzieherinnen, es gibt zu wenig Personal.“

Nach den Vorgaben der hessischen Verordnung für die frühkindliche Betreuung ist das Personal ausreichend. „Wenn alle da sind, reicht der Stellenplan aus“, sagt „Kunterbunt“-Leiterin Christina Spaethen. Immer wieder gebe es aber Ausfälle wegen Fortbildungen oder Erkrankungen der Kolleginnen.

„Wir versuchen dann, im Sinne der berufstätigen Eltern die Gruppen trotzdem offen zu halten.“ Die Zahl der „Springerinnen“ – zurzeit ist eine für zwei Krippen zuständig – zu verdoppeln, wie es der Kita-Gesamtelternbeirat fordert, hält die Leiterin für wünschenswert.
Erzieher in Frankfurt
3200 Erzieher-Stellen gibt es nach der jüngsten Erhebung (Stand 2005) in den Krippen, Kindergärten und Horten städtischer sowie freier und kirchlicher Träger. Seitdem sind mehr als 2200 neue Betreuungsplätzen – das macht etwa 150 weitere Stellen – geschaffen worden.Das Ausbauprogramm (6000 zusätzliche Krippenplätze, Personalaufstockung in den Kitas) macht die Schaffung weiterer 1600 Jobs bis 2013 erforderlich. Ab dann gilt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz.

Keine gute Ausgangslage für die gigantische Aufgabe, die die Stadt in den kommenden fünf Jahren zu stemmen hat: Der vom Bund beschlossene Rechtsanspruch für einen Krippenplatz ab 2013 bedeutet eine glatte Verdreifachung der Plätze und des Fachpersonals. Zu den derzeit 3200 Krippenplätzen bei der Stadt sowie freien und kirchlichen Trägern müssen weitere 6000 geschaffen werden.

Bei einem Stellenschlüssel von 1:5 (eine Erzieherin, fünf Kinder) bedeutet das 1200 neue Stellen – derzeit sind es 640. Weitere 400 Erzieher-Stellen will die Stadt freiwillig schaffen – die Aufstockung des Personalschlüssels von eineinhalb auf zwei Stellen je Kindergartengruppe läuft derzeit.

Wie das gehen soll, weiß zurzeit niemand. „Engpässe gibt es schon jetzt, der Ausbau kommt oben drauf“, sagt etwa Kurt-Helmuth Eimuth, Abteilungsleiter im für die evangelischen Kitas zuständigen Diakonischen Werk. Eimuth leitete bis 2005 die Erzieherschule im Diakonissenhaus, deren Betrieb ausläuft.

Fehlende Ausbildungsplätze

Eine Entscheidung, die sich nun rächt. Denn die Berta-Jourdan-Schule kann als Berufsschule für pädagogische Berufe den Bedarf nicht decken. So wird nun im Schul- wie im Sozialdezernat nach alternativen Lösungen gesucht. Bildungsdezernentin Jutta Ebeling (Grüne) hat bereits eine Werbekampagne für den Erzieherberuf angekündigt, wobei besonders die in den Kitas stark unterrepräsentierten Männer angesprochen werden sollen.

Zudem erwäge man, wie Eimuth berichtet, ein Quereinsteigerprogramm. „Dabei könnten Leute qualifiziert werden, die eine ähnliche Ausbildung oder Qualifikation mitbringen.“ In Einzelfällen sei auch die Einarbeitung von Naturwissenschaftlern denkbar. Gegen solche Überlegungen steht freilich die Kita-Verordnung, wie Rainer Lossa vom Stadtschulamt betont. „Wir dürfen den Fachkraft-Status nicht aufgeben.“

Das Qualifizierungs-Modell der Werkstatt Frankfurt würde diese Problem lösen. Im Benehmen mit der Berta-Jourdan-Schule erwägt die Werkstatt, arbeitslose und allein erziehende Frauen für den Erzieher-Beruf zu gewinnen. „Ich gehe davon aus, dass etwa 100 bis 120 von ihnen die nötige Eignung haben“, sagt Geschäftsführer Conrad Skerutsch. Diesen Frauen soll eine stark praxisorientierte Umschulung angeboten werden.

Gute Betreuung braucht Vertrauen

Die Bundesregierung hat einen Rechtsanspruch auf die Betreuung von unter Dreijährigen eingeführt. In gut fünf Jahren müssen alle Kommunen ausreichend Plätze für Kleinkinder bereithalten. Das bedeutet allein für Frankfurt, dass bis zum Jahr 2013 etwa 6000 neue Krabbelstubenplätze geschaffen werden müssen.

Schon in den vergangenen Jahren hat die Stadt Frankfurt in diesem Bereich enorme Anstrengungen unternommen und jedes Jahr 300 neue Plätze im Krippenbereich geschaffen. Doch nun wird ein ganz anderes Tempo vorgelegt werden müssen. Frankfurt kann nämlich nicht, wie andere Regionen Deutschlands, darauf hoffen, dass die Kinderzahl rückläufig ist. Im Gegenteil: Seit Jahren steigt die Zahl der Geburten. Frankfurt ist nicht nur eine kinderfreundliche Stadt, sondern verfügt auch über eine vergleichsweise hohe Zahl von Arbeitsplätzen, weshalb gerade junge Menschen hierher ziehen. Vor allem in den innenstadtnahen Quartieren sind Kinderbetreuungsplätze ebenso rar wie begehrt.

Die notwendige planerische Herausforderung beim Neubau von Einrichtungen darf dabei aber nicht darüber hinweg täuschen, dass der Ausbau von Krippenplätzen vor allem eine pädagogische Herausforderung ist. Aus gutem Grund nämlich beginnt der Kindergarten normalerweise erst mit drei Jahren. In diesem Alter können Kinder die Trennung von zuhause und den Wechsel der Bezugsperson meist leicht verkraften, ohne dass große pädagogische Anstrengungen notwendig sind. Jüngere Kinder hingegen bedürfen einer viel stärkeren emotionalen Bindung. Das heißt, die Betreuerinnen in Krabbelstuben müssen viel intensiver auf die Kinder eingehen als in Kindertagesstätten.

Sprache, soziales Verhalten, Bewegungsabläufe – das alles wird in dieser Lebensphase durch Nach­ ­ ahmung gelernt. Dieser Prozess bedarf des Vertrauens zwischen zwei Menschen, zwischen Kind und Betreuungsperson. Nur wer sich intensiv auf das Kind einlässt, fördert es.

Dies hat schon in den 1930er Jahren die ungarische Ärztin Emmi Pikler erkannt. Sie entwickelte, ursprünglich für die Kinder von TBC-kranken Müttern, ein Programm der „achtsamen Pflege“ und der „freien Bewegungsentwicklung“, das auf solche emotionalen Aspekte Rücksicht nimmt und noch heute wertvolle Anregungen für die Betreuung der Kleinsten gibt. Die Krabbelstuben des Diakonischen Werkes für Frankfurt arbeiten zum Beispiel nach dem Ansatz von Emmi Pikler.

So sollte etwa das Wickeln weder für das Kind noch für die Erwachsenen eine lästige Prozedur sein, sondern eine Zeit des intensiven und vergnügten Beisammenseins. Das klingt einfach, ist aber schon im familiären Alltag nicht immer zu verwirklichen. Umso schwieriger in der Krippe. Vor allem Zeit ist gefragt: Behutsam das Händchen waschen oder die Jacke achtsam anziehen, das erfordert mehr als die schnelle Versorgung des Kindes.

Um die Betreuung und Bildung der Kleinsten zu ermöglichen, sind deshalb sowohl eine spezielle pädagogische Kompetenz nötig als auch entsprechende Ressourcen. Vor allem müssen die Erzieherinnen über die notwendige Zeit – und das heißt auch, Arbeitszeit – verfügen, um eine echte Bindung zu den Kindern her­ stellen zu können. Wer Ja zum Rechtsanspruch sagt, muss Qualität garantieren. Denn nur gute Betreuungseinrichtungen sind ein Gewinn für Kinder, Eltern und Gesellschaft.

Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt Sept 2007