Stichwort: Scientology


Der 65jährige Rentner Gustav R. plagt sich seit Jahren mit Kopfschmerzen herum. Die Ärzte konnten ihm nicht helfen. Die „moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit“ scheint eine Alternative. Das „Beratungsgespräch“ an einer Art Lügendetektor scheint zunächst zu helfen. Gerne zahlt Gustav R. 450 Mark für die Stunde.

Der 16jährige Schüler Frank ist von der Anzeige fasziniert: „Gemäß Albert Einstein nützen wir Alltagsmenschen nur zehn Prozent unseres wahren geistigen Potentials“ heißt es da. Lässt sich etwa das Gehirn so optimieren wie die Festplatte eines Computers? Die Anzeige jedenfalls lässt diesen Schluss zu.

Die 25jährige Studentin der Betriebswirtschaft Claudia T. wird auf der Straße für ein Seminar der Akademie für Management und Kommunikation angesprochen. Das Angebot hört sich Erfolg versprechend an.

Ob Schüler, Studentin oder Rentner, sie alle kommen mit einer „Technik“ in Berührung, die auf den ehemaligen Science-fiction Autor L. Ron Hubbard zurückgeht. Danach kann jeder Mensch klar/frei werden, wenn er die „Brücke zur völligen Freiheit“ überschreitet. Diese Brücke ist ein abgestuftes Kurssystem. Am Ende soll eine Art „Übermensch“ stehen. Und so ist schon der Name für den allumfassenden Anspruch kennzeichnend: Scientology soll soviel bedeuten wie das Wissen vom Wissen. Nach Meinung vieler Kritiker ist Scientology keine Religionsgemeinschaft, eher ein multinationaler Psychokonzern. Allerdings wird dem Unternehmen nicht nur das Streben nach Gewinn unterstellt, sondern es heißt, Scientology wolle Herrschaft ausüben. Der Ex-Scientologe Norbert Potthoff ist davon überzeugt, dass Scientology Deutschland vollständig unter ihre Kontrolle bringen wolle. Die unzähligen Firmen und scheinbar sozialen Einrichtungen dienten diesem Zweck.

Für den Politikwissenschaftler Hans Gerd Jaschke handelt es sich bei Scientology um „eine neuartige Form des politischen Extremismus“. Bei einem griechischen Ableger des Psychokonzerns entdeckte man im Herbst 1996 Aktenbände mit einer Liste von 2.500 Personen. Über sie wurden – gesetzwidrig – Dossiers angelegt. Da Scientology als internationaler Konzern keine nationalen Eigenwege kennt, werden solche „schwarzen Listen“ auch in Deutschland vermutet.

Thema: Scientology in der Wirtschaft

Mitten in der Hektik einer Fußgängerzone wirbt ein charmant-dynamisches Trio. Man vermutet auf den ersten Blick Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Umfrageinstituten. Doch die Umfrage entpuppt sich als Einladung zu einem Managementseminar. Warum sollte man nicht unverbindlich und kostenlos einen Tag in der „Akademie für Management und Kommunikation“ verbringen?

Trotz großer Aufklärung finden diese Werber immer wieder Menschen, die nichts ahnend zu dieser so genannten Akademie kommen. In Wahrheit ist dieses Schulungsunternehmen ein Zulieferbetrieb für Scientology. „Der Kurs ‚Erfolg durch Kommunikation‘ bringt Ihnen 18 wesentliche Fertigkeiten bei, die die Kommunikation in Ihrem Geschäft und in Ihrer Gesellschaft unter Ihre Kontrolle bringt“. Mit solchen Versprechen wird gelockt und geködert. Am Ende steht dann der bekannte, zweihundert Fragen umfassende Persönlichkeitstest. Scientology hat eigens eine Organisation gegründet, um Einfluss auf die Wirtschaft auszuüben. Das „World Institut of Scientology Enterprises“ (WISE) dient der Verbreitung der Technologie des Sektengründers L. Ron Hubbard. Scientologische „Ethik und Vernunft“ soll in die Wirtschaft hineingetragen werden. Zur Zeit zählt WISE dem Vernehmen nach etwa 3.000 Mitglieder weltweit. Firmen oder Einzelunternehmen können Mitglied werden. In den meisten Fällen ist der Scientology-Hintergrund nicht zu erkennen. Häufig wechseln die Namen der Firmen.

WISE-Unternehmer verpflichten sich, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen scientologischen Prinzipien zuzuführen. Hinzu kommt, dass zwischen fünf und achtzehn Prozent des Bruttoumsatzes an WISE gezahlt werden sollen. Die Scientology-Kenner Angelika Christ und Steven Goldner warnen: „Das Ziel ist, die Verwaltungstechnologie von L.Ron Hubbard im entsprechenden Betrieb einzuführen und Empfehlungen für weitere Scientology-Angebote auszusprechen. Über diese Schiene können zum Beispiel WISE-Managementschulungen, WISE-Fortbildungen, WISE-Firmen als externe Berater zu Umstrukturierungen, Expansion und Steuerberatung etc. eingeschleust werden.“ Tatsächlich will man, wie es in einer anderen Anordnung heißt, die „Schlüsselpositionen“ erobern. Von besonderem Interesse sind dabei alle Positionen im Personalbereich. Viele WISE-Mitglieder betätigen sich in der Personal- und Managementschulung, denn hier können sie das Menschenbild von Scientology weitergeben. Ebenfalls finden sich überdurchschnittlich viele Scientologen in den Geschäftsbereichen, in denen es, wie beispielsweise im Immobiliengeschäft, um hohe Umsätze und große Verdienstspannen geht.

1999 Kurt-Helmuth Eimuth

„Erobern Sie, egal wie, die Schlüsselposition, die Position als Vorsitzende des Frauenverbandes, als Personalchef einer Firma, als Leiter eines guten Orchesters, als Sekretärin des Direktors, als Berater der Gewerkschaft – irgendeine Schlüsselposition. Verdienen Sie sich einen ordentlichen Lebensunterhalt damit, fahren Sie einen guten Wagen, aber bringen Sie Ihre Aufgabe über die Bühne, handhaben und verbessern Sie die Leute, denen Sie begegnen, und schaffen Sie eine bessere Welt.“ (Scientology-Anweisung)

Hintergrundinformation:
Gründer: L. Ron Hubbard (1911-1986) Gliederungen: Church (Kirche), ABLE (Schule, Ausbildung, soziale Bereiche), WISE (Wirtschaft, Managementtraining, Geldverkehr)
Mitglieder: weltweit angeblich mehrere Millionen, in Deutschland ca. 7.000
Große Zentren: Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, München

© Kurt-Helmuth Eimuth

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