Archiv für 11. Januar 2019

„Wenn von Chakren die Rede ist, sollte man genauer hinschauen“

von Kurt-Helmuth Eimuth 14. Januar 2019

Pfarrerin Irene Derwein hat sich in einer dreimonatigen Studienzeit mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Wir fragten sie, inwiefern Yoga und Christentum miteinander vereinbar sind und worauf man achten sollte, wenn man nicht religiöse Botschaften untergeschoben haben will.

Foto: Colourbox.
Foto: Colourbox.

EFO-Magazin: Frau Derwein, Sie sind Pfarrerin und betreiben Yoga. Passt das zusammen? Yoga ist ja nicht nur Gymnastik, sondern dahinter steht auch eine Philosophie, eine Weltanschauung.

Irene Derwein: Ja, auf jeden Fall, das passt zusammen. Ich habe mir aber explizit eine Yoga-Lehrerin ausgesucht, die nicht noch etwas anderes mittransportiert. Ich mache das jetzt sieben Jahre bei ihr, und habe am Anfang auch etwas kritisch beäugt, ob da unterschwellig etwas vermittelt wird. Aber dem ist nicht so. Weder ideologisch, noch religiös, noch spirituell.

Also betreiben Sie Yoga einfach als Sport?

Es ist mehr als Sport. Zum einen bleibt man beweglicher, und es hilft mir in der Konzentration und in der Entspannung. Es gibt Übungen, da versucht man in die Körperanspannung zu entspannen. Das finde ich, lässt sich auf alles andere übertragen.

Ist Yoga für Sie dann Sport, Entspannungsübung und Meditation?

Also Meditation weniger. Meditation ist ein anderes Thema. Aber Yoga hilft, um zur Meditation zu kommen.

Sie haben sich mit den weltanschaulichen Hintergründen des Yoga beschäftigt. Was kann denn in Yoga-Kursen weltanschaulich vermittelt werden?

Wenn zum Beispiel im Yoga-Unterricht ein Buddha aufgestellt wird, wenn auf die Silbe „Om“ meditiert wird – das ist ein Gebetsanruf – dann sind das zwar subtile Sachen, die aber doch eine religiöse Überzeugung vermitteln. Oder wenn gesagt wird, dass Shakren aktiviert werden. Dann denke ich, man sollte genauer hinschauen.

Was kann da vermittelt werden?

Yoga kommt ja aus dem Hinduismus und Buddhismus. Es wird gesagt, wenn man die Shakren aktiviert, aktiviert man eine bestimmte Gottheit. Ob das jetzt so ist, mag ich nicht zu beurteilen, aber es wird unterschwellig mit vermittelt. Wenn man Yoga nur macht, um sich fit zu halten, dann wird einen das vermutlich nicht beeindrucken. Aber wenn man auf Sinnsuche ist, dann ist man vielleicht empfänglich für so etwas. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, wenn Weltanschauung vermittelt wird. Nur wenn es so subtil, unterschwellig, unter einem anderen Titel läuft, finde ich es problematisch.

Ist es für Sie also in Ordnung, wenn offen gesagt wird: Hier machen wir buddhistisches Yoga?

Ja, klar. Dann kann man sich entscheiden, ob man sich darauf einlassen will oder nicht. Mich stört nur das Subtile.

Yoga wird inzwischen auch in Kirchengemeinden angeboten, oft werden dafür die Räume von außen angemietet. Wie können denn Kirchengemeinden die Angebote unterscheiden?

Ich kann nur raten, sich die Yoga-Lehrerin, den Yoga-Lehrer genau anzugucken. Gut ist es, wenn jemand vom Kirchenvorstand mit in die Übungsstunden geht. Man sollte sich auch vorher mit der Anbieterin unterhalten und sie nach ihren weltanschaulichen Hintergründen befragen. Das findet aber häufig gar nicht statt. Vielleicht wird in manchen Gemeinden auch Yoga angeboten, um für Gemeindemitglieder attraktiv zu sein. Das ist auch in Ordnung, aber man muss eben schauen, wen man sich ins Haus holt.

Wie erklären Sie sich, dass Yoga so attraktiv ist, während die eigene spirituelle Tradition eher am Rande noch vorkommt?

Entsprechungen im christlichen Rahmen haben wir nicht sonderlich viel. Wir haben die Meditation und das Gebärdengebet, aber das ist nicht dasselbe. Ich denke, es ist ein Wunsch der Menschen da, Religion nicht nur mit dem Kopf, sondern mit allen Sinnen zu erleben. Dieses Bedürfnis sollte auch ernst genommen werden. Aber es bleibt die Frage, wie man das bedient.

Es gibt auch Pfarrerinnen und Pfarrer, die schütten sozusagen Taufwasser über das Yoga und vereinnahmen es in die christliche Praxis, als Weg zu Christus. Wie finden Sie das?

Ich finde es schwierig, Yoga mit Inhalten zu verbinden. Wenn ich Yoga betreibe, dann bin ich jedenfalls damit beschäftigt meine Übung anständig zu machen. Meine Fußhaltung, meine Beinhaltung, das Atmen, all das erfordert ja Aufmerksamkeit. Wenn ich da jetzt noch theologische Inhalte mitreflektieren sollte, hätte ich zumindest große Schwierigkeiten. Vielleicht geht das, wenn es jemand täglich macht.

„Wir haben einen breiten Konsens, dem Rechtspopulismus entgegenzutreten“

von Kurt-Helmuth Eimuth 10. Januar 2019

In vielen Ländern sind konservative christliche Gruppen einer der Pfeiler rechtspopulistischer Bewegungen. Wie sieht das in Hessen aus? Ganz anders, sagt Volker Rahn, Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, im Gespräch mit dem EFO-Magazin. Eine solche Stimmungslage sei hier „absolut nicht spürbar “ .

Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart
Volker Rahn ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. | Foto: EKHN/Bongart

EFO-Magazin: Herr Rahn, nimmt die Akzeptanz von rechtspopulistischen Gedankengut in christlichen Freikirchen, konservativen evangelischen Kreisen oder Gemeinden zu?

Volker Rahn: Die evangelische Kirche liegt ja nicht auf dem Mars und ist mit ihren Mitgliedern ein Spiegelbild der Gesellschaft. Insofern sind in Kirchengemeinden eben auch alle politischen Spielarten vertreten. Zu spüren waren kritische Stimmen etwa zur Flüchtlingshilfe der hessen-nassauischen Kirche eher 2016 auf dem Höhepunkt der Zuwanderung und im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs 2017 mit seinen starken populistischen Tendenzen. Inzwischen ist es hier wieder sehr ruhig. Im Gegenteil: Es ist derzeit ein breiter Konsens zu spüren, rechtspopulistischen Tendenzen oder fremdenfeindlichen Äußerungen entschieden entgegenzutreten. Was die Freikirchen angeht, denen eine besondere, teilweise auch personelle Nähe zu rechtspopulistischen Parteiungen nachgesagt wird: Da müsste man die betreffenden Kirchen direkt fragen.

Es gingen aber auch schon Fälle von EKHN-Verantwortlichen mit einer Nähe zur AfD durch die Presse.

Sicher: Es mag vereinzelt Fälle geben. Schlagzeilen machte zum Beispiel eine Kirchenvorsteherin, die unter großem öffentlichem Getöse in die verantwortliche Position einer populistischen Partei wechselte. Das bleibt aber ein absoluter Ausnahmefall. Ein Kippen der Stimmungslage ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) absolut nicht spürbar, wie gesagt, ganz im Gegenteil.

Wie äußert sich das?

Wir haben zum Beispiel in den Gemeinden und Dekanaten ein anhaltend starkes Interesse nach Hilfen im Umgang mit Rechtspopulismus vor Ort. Oft stehen Dekanate im Verbund mit anderen Gruppierungen an der Spitze von Bewegungen, die die Demokratie stärken wollen und dagegen kämpfen, dass Dörfer oder Regionen braun werden.

Welche Unterstützung bekommen sie dabei von der Landeskirche?

Die EKHN hat eine eigene Stelle zur Stärkung der Demokratie im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung eingerichtet. Unser Experte Matthias Blöser berät Gemeinden, die besonders betroffen sind, zum Beispiel, weil sie unter parteipolitischen Schmähungen leiden oder von rechten Kampagnen wegen ihres Eintretens für Flüchtlinge mit Hass überzogen werden. Mitte Januar will die Kirchenleitung zudem eine brandneue Handreichung für Kirchengemeinden herausgeben, wie man vor Ort mit rechtspopulistischen Positionen umgeht.

Die Kirche will aber auch Forum für den Dialog sein. Gelingt das? Oder haben diejenigen Recht, die sagen, dass Menschen mit einem eher traditionelleren Verständnis von Gesellschaft inzwischen an den Rand der Volkskirche gedrängt werden?

Einer der Kernpunkte der neuen Handreichung ist genau diese Frage: Wie gelingt es, klar Position für eine offene, menschliche Gesellschaft zu beziehen, ohne andere Meinungen an den Rand zu drängen oder Menschen auszugrenzen? Ein Schlüssel dazu ist eine doppelte Grundhaltung. Es geht darum, antidemokratische Positionen oder menschenverachtende Äußerungen klar zu benennen und aufzudecken. Gleichzeitig ist es eine christliche Herausforderung, die betreffende Person trotz ihrer Aussagen zu achten. Und schließlich ist es nicht so, dass in der liberalen EKHN alles geht. Unsere Grundordnung etwa beschreibt ganz klar die Leitplanken. Darin heißt es zum Beispiel, frei formuliert, dass die Kirche aus den niederschmetternden Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus heute für eine offene Gesellschaft eintritt, die sich an Vielfalt, Verschiedenheit und Toleranz orientiert. Was das konkret heißt, darüber ist zu diskutieren. Das ist eine Herausforderung für alle Seiten, der man sich stellen muss.

Eine Moschee-Steuer braucht es nicht

von Kurt-Helmuth Eimuth 2. Januar 2019

Um die Abhängigkeit deutscher Moscheegemeinden von ausländischen Geldgebern zu verringern, steht der Vorschlag einer „Moschee-Steuer“ im Raum. Keine gute Idee. Die Rahmenbedingungen in Deutschland geben schon alles her, was nötig ist. Jede Gemeinde, die finanziell unabhängig sein will, kann das.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.  |  Foto: Tamara Jung
Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung

Da brandete eine Diskussion über die Finanzierung islamischer Gemeinden mit einem löblichen Ziel auf. Die Finanzierung deutscher Moscheen durch das Ausland müsse aufhören, damit sich ein deutscher Islam entfalten könne. Zum Beispiel müsse die Abhängigkeit vieler Gemeinden von der Türkei aufhören – so würden von dort entsendete und bezahlte Imame in den Gemeinden des Verbandes Ditib arbeiten, dem etwa 900 Moscheen angehören.

Um solche Abhängigkeiten zu durchbrechen braucht es aber keine Sonderregelung für eine Moschee-Steuer. Auch jetzt stehen den islamischen Gemeinden die rechtlichen Wege für eine selbstständige Finanzierung offen, so wie allen Religionsgemeinschaften. Es sind ja nicht nur die evangelischen und katholischen Kirchen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, was Voraussetzung ist für eine Erhebung von „Kirchensteuer“ ist. Nach jahrelangem Rechtsstreit sind etwa auch die Zeugen Jehovas als eine solche Körperschaft anerkannt worden. Viele Glaubensgemeinschaften, etwa die Jüdische Gemeinde, die Freireligiöse Gemeinde, einige Pfingstkirchen, die Unitarier, die Heilsarmee, die Bahai, die Mormonen oder auch die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde (um nur einige zu nennen) haben diesen Status in Hessen. Drei Bedingungen muss eine Religionsgemeinschaft dafür erfüllen: eine große Anzahl von Mitgliedern, die Dauerhaftigkeit der Organisation und die Treue zum Grundgesetz.

Nun wird dem entgegengehalten, dass der Islam sich nun mal anders organisiere. Er kenne keine Mitgliedschaft und keine Organisationsformen wie sie hier in Deutschland üblich sind. Aber die klassische „Kirchensteuer“ ist ja auch nicht der einzige Weg, der Moscheegemeinden offen steht. Tatsächlich finanzieren sich auch die meisten Religionsgemeinschaften, die als Körpersschaften anerkannt sind (bis auf die Jüdische Gemeinde), nicht über vom Staat eingesammelte Mitgliedsbeiträge. Eine andere Finanzierungsmöglichkeit sind freiwillige Spenden, so finanziert sich etwa die von Seyran Ates gegründete Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Auch dafür gibt es in Detuschland rechtliche Formate, etwa die einer gemeinnützige GmbH, sodass Spenden steuerlich absetzbar sind.

Wenn die deutschen Moscheegemeinden von ausländischen Finanzgebern unabhängig sein wollen, braucht es daher weniger eine Moschee-Steuer als vielmehr den Willen, unabhängig zu werden.

Übrigens ist die Kirchensteuer mit neun Prozent der zu zahlenden Lohn- und Einkommenssteuer ein gerechtes Mitgliedsbeitragssystem. Wer viel hat, zahlt viel, wer nichts hat, zahlt nichts. Und zudem ist es der Verwaltungsaufwand gering. Die Religionsgemeinschaft braucht dafür keine eigene Abteilung, der Staat bucht sich für seine Dienste drei Prozent des Beitragsaufkommens ab. Das ist für beide Seiten vorteilhaft.