Archiv für 22. November 2014

Von Bockenheim in den Dschihad

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 22. November 2014

Warum werden Jugendliche aus Frankfurt fanatische Islamkämpfer und ziehen in den Krieg? Diskussion beim „Salon am Kirchplatz“ in der Gemeinde Bockenheim.

Ilyas Mec hat für die ARD die Dokumentation „Sterben für Allah?“ gedreht. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Von Bockenheim in den Dschihad“ – dieser Titel fasst die Geschichte des 16-jährigen Enes zusammen. Ein Jugendlicher aus dem Stadtteil, dessen Schicksal Ilyas Mec in einem halbstündigen Film dokumentiert hat. „Das Thema hat hier große Betroffenheit ausgelöst, weshalb wir heute aufklären wollen“, sagte Pfarrer Rüdiger Kohl zu Beginn des Abends. Das geschehe aber nicht in einer überheblichen Haltung: „Jede Religion kann missbraucht werden.“

Christamaria Weber vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten führte aus, dass inzwischen zehn Frankfurter als Kämpfer gestorben sind. Vierzig Personen seien derzeit ausgereist, 18 davon seien durch die salafistische Koranverteilungs-Kampagne „Lies!“ angeworben worden. So erschreckend das sei, ist es doch nur ein winziger Teil der insgesamt 84?000 Muslime und Musliminnen, die in Frankfurt leben.

Radikalisierung geht extrem schnell

In der Diskussion wurde vor allem über die möglichen Motive der jungen Menschen diskutiert. „Was bewegt Menschen, sich einer Ideologie des Todes anzuschließen?“ fragte Ilona Klemens, Pfarrerin für interreligiösen Dialog. „Der Prozess der Radikalisierung geht so schnell, dass selbst Angehörige überrascht sind“, erläuterte der Filmemacher Mec. Es gebe in den Biografien fast immer Bereiche, wo diese jungen Menschen Orientierung brauchen. So habe Enes nach der Scheidung seiner Eltern „so eine Art Ersatzfamilie gesucht“. Es gebe aber auch den Salafismus als eine Art jugendlicher Protestkultur.

Christamaria Weber vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten konnte auf die Präventionsmaßnahmen der Stadt und des Landes hinweisen. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

Der in Frankfurt vor fünf Jahren gegründete Rat der Religionen, dem neun Religionsgemeinschaften angehören, hat in einem Positionspapier den „religiös begründeten Extremismus“ bereits verurteilt. Trotzdem forderte Mec, die Moscheegemeinden mehr in die Pflicht zu nehmen.

Deutlich wurde, dass eine Ursache für die Attraktivität extremistischer Gruppen unter Jugendlichen die Erfahrung der Ausgrenzung ist. Gerade Jugendliche, die bereits in zweiter und dritter Generation in Deutschland leben, seien auch aufgrund ihrer Bildung hier hoch sensibel, sagte Christamaria Weber. So wurde eine deutsche Willkommenskultur gefordert. Weber verwies auf die Anstrengungen der Stadt: Sie bietet Schulungen für Lehrkräfte an, hat eine Beratungsstelle eröffnet und plant Maßnahmen zur Stärkung der Jugendarbeit in Moscheegemeinden.

Der Film „Sterben für Allah?“ von Ilyas Mec ist noch in der ARD-Mediathek zu finden.

„Gott nicht für Gewalt missbrauchen“

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 1. November 2014

Beim zentralen Reformationsgottesdienst in der Katharinenkirche an der Hauptwache kritisierte der evangelische Frankfurter Stadtdekan Achim Knecht den Missbrauch von Religion.

Erstmals stand Stadtdekan Achim Knecht auf der Kanzel der Frankfurter Katharinenkirche. Foto: Kurt-Helmuth Eimuth

„Wir erleben im Nahen Osten, wie im Namen der Religion Gewalt verübt wird“, sagte Knecht in seiner Predigt. Die Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) nehme Gott in Anspruch, um seine brutale Gewalt zu legitimieren.

Der Stadtdekan mahnte: „Menschen sollten sich nicht anmaßen den Willen Gottes auf ihrer Seite zu haben. Wir brauchen Gott nicht nachzuhelfen.“ Knecht forderte ein solidarisches Miteinander. Allerdings gäbe es keine Patentrezepte für das Zusammenleben in einer Gesellschaft.

Der neue evangelische Stadtdekan, der im September sein Amt angetreten hat, predigte erstmals in der Katharinenkirche. Wie Pröpstin Gabriele Scherle ankündigte, wird er künftig das zentrale Reformationsgedenken in Frankfurt verantworten.