Tag Archiv für Sekten

Parolen lassen erschaudern

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Hinterländer Anzeiger
Parolen lassen erschaudern

25.06.2005

Von Irmela Dörries-Müller
Tel.: (0 64 61) 92 81 44
E-Mail: I.Doerries@mail.mittelhessen.de

Es war ein Thema, bei dem es einem eiskalt den Rücken herunter laufen konnte: Die „Apologetischen Studientage“, zu denen der Evangelische Bund Hessen und Nassau regelmäßig einlädt, beschäftigten sich in der Holzhäuser Freizeit-und Bildungsstätte des Dekanates Gladenbach mit der „Religion von rechts“. Die Zuhörer begegneten der „neuheidnischen Szene“ in ihren unterschiedlichen Ausprägungsformen. Und sie hörten dabei Sätze von solch menschenverachtender Härte, dass man kaum glauben mochte, dass sie im Deutschland des 21. Jahrhundert noch so propagiert werden. Referent des aufklärerischen Abends war Kurt-Helmuth Eimuth. Der Diplom Pädagoge war zehn Jahre lang Weltanschauungsbeauftragter der evangelischen Kirche in Frankfurt,

Über Neuheidentum und Rechtsradikalismus informierte das Seminar der evangelischen Kirche. Anlass waren auch die Nazi-Demonstrationen in Gladenbach.(Archivfoto: Tietz)

Dautphetal-Holzhausen. Eimuth stellte die lange Tradition der antichristlichen Bewegung vor, die einen Höhepunkt während des Dritten Reiches erlebte. Die Gruppen, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts existierten, legten mit ihrem völkischen Denken den Grundstein für die nationalsozialistische Rassenideologie. Die NSDAP habe so manchen Kader aus den nordisch-heidnischen Zirkeln rekrutieren können, so Eimuth. Diese neogermanischen Gruppierungen lehnten sowohl das Christentum als auch das Judentum und den Islam als „artfremde orientalische Religionen“ ab. Sie seien nicht nordisch, entsprächen der germanischen Rasse also nicht. Die neogermanische Ideologie, so erklärte Eimuth, fuße auf drei Prinzipien: der nationalen Gesinnung, dem Rassengedanken und dem Blutmythos. Hiermit werde ein „Führungsanspruch“ der „germanischen Rasse“ begründet.

Eimuth machte aber auch deutlich, dass nicht jede neuheidnische Gruppierung automatisch eine rechtsradikale sei. Es gebe unter den Gruppierungen auch solche, die sich ausdrücklich von Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit abgrenzten. Eimuth nannte als Beispiel die Gruppe „Rabenclan“.

Es gebe aber eben auch andere, denen man offenen Rechtsradikalismus nachweisen könne. Wenn dieser heidnisch begründet werde, sei es gefährlich. Eimuth zitierte den Extremismus-Forscher Heitmeyer, der als entscheidende Merkmale benennt: die Theorie der Ungleichheit sowie die Akzeptanz von Gewalt.

Warnend wies der Referent auf die Deckmäntel des neuen Rechtsextremismus hin. Er nannte sie „neogermanische Romantik“ oder auch „Germanenkult“. Auch Wikinger, Kelten oder Walhalla müssten oft genug herhalten, um die extremen Anliegen der Neuheiden zu transportieren. Eimuth sah den Versuch „unter dem Deckmantel der Brauchtumspflege sowie des Heimat- und Naturschutzes Jugendliche an rechtsextremistisches Gedankengut heran zu führen.“

Die „Einflugschneise“ für radikale Theorien in der Esoterik sei breit, meinte der Referent. Er nannte als Umschlagplätze für das Gedankengut esoterische Kleingruppen, satanistisch-sozialdarwinistische Gruppen, jugendsubkulturelle „Dark Wave“ Musik- und Kulturprojekte und verschwörungstheoretische Literatur.

Allerdings stelle der Rechtsextremismus anders als die meisten linksextremen Strömungen keine theoretisch durchgearbeitete Ideologie dar, sondern weise „unterschiedliche Begründungen und Ziele auf“, wie der Extremismusforscher Rainer Fromm festgestellt hat.

Eimuth skizzierte in seinem Vortrag verschiedene Gruppierungen, die in der rechten neuheidnischen Szene besonders aktiv sind. Er nannte die 1981 gegründete „Universale Kirche“ und zitierte deren radikale Aussagen zum Judentum. Weiter stellte er den „Armanenorden“ vor, der eine neue „Urreligion“ verkünden will. Die heutige Kirche enthalte den Germanen ihre ureigene Religion in einer permanenten Inquisition vor, kritisiert die Gruppe. Sie setzt dem christianisierten Europa ein neuheidnisches Glaubensmodell entgegen und beansprucht für sich die „wahre Erkenntnis der göttlichen Weltordnung“ aufgrund germanischen und keltischen „Weistums“.

Bund der Goden

Der „Bund der Goden“ mit Sitz in Herborn gelte als aktivste Organisation im völkisch-religiösen Spektrum, berichtete Eimuth. Die Gruppe sehe das Praktizieren von Christentum als „schizophrenen Akt“.

Größte heidnisch-germanische Gruppe in Deutschland sei die „Artgemeinschaft e.V. Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“. Die Gruppe habe 120 Mitglieder, sei aber im Stande, zu ihren Veranstaltungen sehr viel mehr Menschen zu mobilisieren.

In der abschließenden Diskussion, an der sich auch Schüler eines Religionskurses der Gladenbacher Freiherr-vom-Steinschule lebhaft beteiligten, unterstrich Eimuth, die neuheidnische Bewegung sei zwar keine Massenbewegung, dennoch dürfe man sie nicht verharmlosen. Ihr Gedankengut falle bei manchem auf fruchtbaren Boden. Das rechtsextreme Potenzial in Deutschland sei nicht zu unterschätzen.

Position beziehen

„Christen müssen heute deutlich Position beziehen.“ Dazu ermutigte Dekan Matthias Ullrich in seinen abschließenden Worten. Ullrich erinnerte an die erfolgreiche Mobilisierung aller demokratischen Kräfte gegen die Nazi-Demonstrationen in Gladenbach. Die Erfahrungen dort seien auch Anlass dafür gewesen, das Thema Rechtsradikalismus während eines apologetischen Seminares aufzugreifen.

Religion muss humanistisch sein

Evangelisches Frankfurt: März/April 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 2

Religion muss humanistisch sein“

Sein bekanntestes Werk „Die Kunst des Liebens“ verirrt sich schon mal ins Sonderangebot beim Discounter. Erich Fromms Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von 50 Millionen. Auch sein Spätwerk „Haben oder Sein“von 1976 erreichte Kultstatus. Der Frankfurter Sozialpsychologe starb vor 25 Jahren, am 18. März 1980.

(Bild: Wikimedia/Erich-Fromm.de)

Obgleich sich Erich Fromm von jeglicher Religion losgesagt hat, ist er der seinen treu geblieben. Am 23. März 1900 in Frankfurt als Sohn des jüdischen Weinhändlers Naphtali geboren, beschäftigt er sich schon als Jugendlicher intensiv mit dem Talmud. Zusammen mit Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Herbert Marcuse gehört er zum Kreis um Max Horkheimer am „Frankfurter Institut für Sozialforschung“, das seine Tätigkeit nach der Emigration wegen des Nationalsozialismus in New York fortsetzt.
Fromm wollte nicht an „irgendeiner Spaltung der Menschheit – ob religiös oder politisch – beteiligt sein.“ Deshalb, stellen die Biografen fest, habe er sich vom orthodoxen Juden zum dogmatischen Freudianer, zum überzeugten Marxisten und schließlich zum radikalen Moralisten entwickelt. Wie konsequent Fromms Denken ist, zeigen seine Ausführungen über die Religion allgemein.
Erich Fromm unterscheidet zwischen autoritärer und humanistischer Religion. Die autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung, aber auch auf Gehorsam habe. Die Macht über Menschen begründe sich eben nicht mit einer besonderen sittlichen Eigenschaft der Gottheit, sondern alleine dadurch, dass die Herrschaft und damit die Macht ihr zustehe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine Macht jenseits des Menschen. Allerdings könne diese Macht auch von einem Führer direkt ausgeübt werden.
Die humanistische Religion hingegen beschreibt Fromm so: „Das religiöse Erlebnis innerhalb dieser Art der Religion besteht in der Empfindung des Einsseins mit dem All, gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen. „Glaube ist Sicherheit der Überzeugung, erworben durch eigene Erfahrung mittels Denkens und Fühlens, nicht Annahme einer Satzung auf Grund des Ansehens dessen, der sie gesetzt hat.“ Und Fromm fügt dieser Beschreibung noch hinzu: „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“ Für die derzeitige Diskussion um die Ursachen des religiösen Extremismus, um religiös motivierten Terrorismus ist die weitere Analyse Fromms aktueller denn je: Die Unterscheidung zwischen autoritärer und humanistischer Religion, so Fromm, ziehe sich quer durch alle Religionen. Demnach sind autoritäre oder gar totalitäre Züge von Religionen nicht einer bestimmten Religion zuzuordnen. Leider wird das in überhitzten Diskussionen oft vergessen.
Kurt-Helmuth Eimuth
Evangelisches Frankfurt: März/April 2005 · 29. Jahrgang · Nr. 2

Kinder und Sekten

Kurt-Helmuth Eimuth

Kinder in Sekten


in: Deutsches Kinderhilfswerk, Kinderreport Deutschland, S 279 ff.
München 2002
ISBN 3-935686-50-1

Terror – um Gottes Willen

Kurt-Helmuth Eimuth/Lutz Lemhöfer (Hrsg.)

Terror – um Gottes Willen

Weltreligionen und Gewalt

Frankfurt 2002 GEP, 112 S. mit Abb., kart.
6,90 €, ISBN 3-932194-63-2

Der Schock der Attentate vom 11. September 2001 in New York und Washington hat die Diskussion über das Verhältnis von Religion zur Gewalt neu entfacht. Schließlich begriffen sich die Attentäter als muslimische „Gotteskrieger“. Die Diskussion greift aber zu kurz, wenn nur das Verhältnis des Islam zur Gewalt thematisiert wird. Alle Religionen kennen sowohl latente Gewaltbereitschaft als auch eine Friedensbotschaft.

Was davon zum Tragen kommt, hängt nicht nur, aber auch von den jeweiligen historischen Rahmenbedingungen ab. Um so mehr gilt es, die Motivationskraft der Religionen zu nutzen, damit wirklich „Friede und Gerechtigkeit sich küssen“ (Psalm 85,11).

Das GEP-Taschenbuch, soeben unter dem Titel „Terror um Gottes Willen?“ erschienen, greift das Thema auf und zeigt, dass die angesprochene Problematik auch eine sehr direkte Bedeutung für das alltägliche Leben von Menschen besitzt, ähnlich wie auch für das Selbstverständnis christlicher Gemeinden.

Seit dem 11. September 2001 wird die Frage religiös begründeter Gewalt mit zunehmender Schärfe diskutiert: Ist Religion schlechthin oder sind einzelne Religionen ihrem Wesen nach gewalttätig? Oder wird die ursprüngliche Friedensethik der Religionen pervertiert?

Der vorliegende Band untersucht die Haltung der Weltreligionen zur Anwendung oder Rechtfertigung von Gewalt. Ein besonderer Augenmerk gilt der offenen oder latenten Gewaltsamkeit in sektenhaften oder fundamentalistischen Verengungen von Religion.

Mit Beiträgen von Pablo Díaz Díaz, Kurt-Helmuth Eimuth, Josef Estermann, Günther Bernd Ginzel, Lutz Lemhöfer, Katja Sindemann, Luise Thuß sowie zwei Texten der Bischöfe Wolfgang Huber (evangelisch) und Franz Kamphaus (katholisch).

Esoterik im Kinderzimmer

Kurt-Helmuth Eimuth /Evangelisches Frankfurt Mai 2002

Esoterik erreicht die Kinderzimmer

Die Esoterik ist ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden. In Deutschland bieten über tausend Hellseherinnen und Geistheiler ihre Dienste an, 15 bis 25 Millionen Euro werden jährlich für Charakter- und Schicksalsanalysen, Tierkreisbücher, astrologische Unternehmensberatungen und ähnliches ausgegeben. Und was sich die Erwachsenen gönnen, dass erreicht inzwischen auch die Kinder. Kurt-Helmuth Eimuth beschreibt einige Beispiele.

Dass ein vierblättriges Kleeblatt Glück verspricht, das glauben 43 Prozent der Deutschen. Die Zahl 13 hingegen bereitet Kummer, deswegen wurde sie aus Flugzeugen und Hotels verbannt. Fast achtzig Prozent der Deutschen lesen regelmäßig ihr Horoskop, 18 Millionen Bundesbürger deuten ihr persönliches Schicksal nach dem Lauf der Sterne. Immer mehr Menschen sind abergläubisch, das geht aus einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor.
Wo Bedarf ist, entsteht auch ein Markt, man hält Ausschau nach immer neuen – und immer jüngeren – Kundinnen und Kunden. Längst hat der Esoterik-Boom auch die Kinderzimmer erobert. Ob Konzentrationsprobleme,Bettnässen oder Fehler im Diktat: Der Esoterik-Laden an der Ecke hält

Ob Bettnässen oder Fehler im Diktat …

die richtige Lösung bereit. Dem Zeitgeist entsprechend helfen schnell und sanft Bachblüte, Bio-Saft oder Hirngymnastik.
Da stellt eine Mutter nach – stundenlangem Üben für’s nächste Diktat die Bachschen Notfalltropfen neben das Bett – ihre „feinstoffliche“ Wirkung soll das bevorstehende Rechtschreib-Desaster abwenden. Die Mutter einer sechsjährigen Bettnässerin bestellt einen Fachmann zum Lokalisieren von gefürchteten Wasseradern. Das Bett steht jetzt im Flur.
Der Kinderpsychologe Heinz Zangerle hält solche Beispiele nicht für schrullige Einzelfälle: „Schulfitness-Angebote aus dem Repertoire der Esoterik liegen im Trend, die schnelle Lösung hat Konjunktur: Verbesserung der kindlichen Konzentration durch Bewegung aus der Edu-Kinestik, Legasthenikertherapie durch Bachblüten, Behandlung von Aggressionen mit Qui-Gong und Reduzierung diffuser Ängste mit Aromatherapie. Nebenbei – damit Prüfungsstress erst gar nicht aufkommt: Es liegt am Lehrer, für den Rosenquarz am Schülerpult zu sorgen und die individuell günstigste Mondphase für den Prüfungstermin zu beachten.“
Besonders im Trend ist Reiki, eine japanische Heilslehre von einer universalen Lebensenergie, die den Menschen zur „Harmonie mit sich selbst und den grundlegenden Kräften des Universums“ führen soll. „Liebe Eltern, sind auch eure Kinder total Reiki-begeistert?“ fragt etwa die Reiki-Dienstleisterin Michaela Weidner in einem Werbebrief an ihre Kundschaft und fährt fort: „Viele meiner Reiki-Schüler erzählen mir, dass ihre Kinder ohne Reiki überhaupt nicht mehr ins Bett wollen.“ Durch die Hände der geweihten Heilbehandlerin ströme Lebensenergie. Medizinische Behandlungen würden dadurch bereichert, Reiki sei zudem ein praktischer Weg zur Erleuchtung. Sozialwissenschaftler vermuten, dass die steigende Zahl von Reiki-Anhängerinnen und Anhänger sich nicht nur in der Sehnsucht nach Irrealem begründet, sondern darin, dass man hier ganz praktische Zuwendung erfährt: Etwa dreißig Minuten lang wendet sich die Reiki-Meisterin dem Ratsuchenden intensiv zu, legt die Hände über den Körper und lässt „Energie fließen“. Häufig spüren die Menschen, dass es ihnen dabei unmittelbar warm wird. Das ist nachvollziehbar und ungefährlich – aber ist es das Geld wert?
Beliebt ist auch die Verwendung von Bachblüten. „Sie eignen sich besonders gut zur Behandlung von Kindern, denn sie reagieren auf die Blüten-Essenzen noch viel unmittelbarer als Erwachsene,“ ist auf den Verpackungen zu lesen. Der englische Arzt Edward Bach entwickelte diese Methode, einzelne Blütenessenzen ordnete er bestimmten Erkrankungen zu, sie sollen bei psychosomatischen Störungen ebenso wie bei Neurodermitis oder Asthma helfen.
Gefährlich ist die Behandlung mit Bachblüten nur dann, wenn ihretwegen auf die Anwendung herkömmlicher Medizin verzichtet wird. Gerade beim Umgang mit Kindern sollte man aber auch auf die Ursachen der Krankheiten achten – psychosomatische Störungen etwa, deren Ursache ein überzogener Leistungsdruck von Eltern oder Schule ist, können Bachblüten nicht kurieren.
Der neueste Hit in der esoterischen Szene ist das so genannte

… Reiki & Co versprechen Abhile

„Indigo Kind“. Gemeint sind die sprichwörtlichen „Zappelphilippe“,also Kinder, die nicht stillsitzen können, die am „Hyperaktivitätssyndrom“ leiden, wie das Phänomen heute medizinisch genannt wird. Immer öfter werden solche Kinder mit Ritalin, einer Art Beruhigungsmittel, behandelt. Besorgte Eltern lassen sich von Ärzten das Medikament offenbar allzu leichtfertig verschreiben. Das berechtigte Misstrauen gegen den hohen Medikamentenkonsum, der hyperaktive Kinder „ruhig“ stellen soll, wird in esoterischen Kreisen neuerdings in eine abenteuerliche paranormale Legende umgedeutet: In Wahrheit handele es sich bei solchen Kindern um Wesen mit übernatürlichen Eigenschaften. Diese „neuen Kinder“ sind „Indigokinder der neuen Zeit“, da in ihrer Aura verstärkt die Farbe Indigoblau vorkommt.
Die besondere Begabung der Indigo-Kinder werde von der Außenwelt nicht erkannt, deshalb seien sie frustriert über festge- fahrene Systeme, die keine kreativen Gedanken zulassen. In der Schule hätten sie oft Schwierig- kei- ten im sozialen Miteinander. Beispielhaft werden die Fähigkeiten dieser Kinder auf dem Buchdeckel eines esoterischen Bestsellers so beschrieben: „Der 13jährige Lorenz sieht seinen verstorbenen Großvater, spricht mit ihm und gibt dessen Hinweise aus dem Jenseits an andere weiter. Kevin kommt ins Bett der Eltern gekrochen – und erzählt, dass der große Engel – wieder am Bett stand. Peter ist neun und kann nicht nur die Aura um Lebewesen sehen, sondern auch Gedanken anderer Menschen lesen. Ina liest aus – verschlossenen Büchern, und Matthias verbiegt Löffel durch – Gedankenkraft.“
Ungeklärt bleibt die Frage, welchen psychischen Schaden Kinder nehmen können, denen solche Fähigkeiten zugesprochen werden. Denn wer kann solche, mit vermeintlich göttlichen Fähigkeiten ausgestattete Kinder denn noch erziehen, wer setzt ihnen Grenzen? Die „neuen Kinder“ sind vermutlich einfach Kinder, die um ihre ungezwungene Kindheit betrogen werden. Denn elterliche Zuwendung und Erziehung lassen sich nicht ersetzen: Durch Medikamente nicht, und auch nicht durch esoterische Heilswege.

Kurt-Helmuth Eimuth /Evangelisches Frankfurt Mai 2002

Braune Flecken in der Esoterik

Kurt-Helmuth Eimuth / Lutz Lemhöfer (Hrsg.)

Braune Flecken in der Esoterik

Der Antisemitismus der Alternativen

Reihe FORUM – Band 18
Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt am Main
64 Seiten, 9,80 DM

Rechtsradikalismus zeigt sich heute in vielfacher Gestalt. Er kommt nicht nur mit Bomberjacken und Springerstiefeln bei dröhnender Marschmusik daher, sondern auch im bunten Flattergewand der Alternativen. Die „sanfte Verschwörung“ des New Age (so die Kult-Autorin Marylin Ferguson) entpuppt sich bisweilen als alter bräunlicher Wein in neuen Schläuchen. Da wird der nationalsozialistische Judenmord als selbst verschuldetes Schicksal verharmlost; da feiern alte Verschwörungsmythen von den finsteren Machenschaften (meist jüdischer) „Illuminaten“ fröhliche Urstände; da wird in Teilen der Jugendkultur die Nazi-Ästhetik spielerisch vereinahmt und genutzt. Jenseits konkreter politischer Macht- und Parteistrukturen zeigt sich hier eine höchst bedenkliche kulturelle Entwicklung. Rechtes Gedankengut wird wieder schick und in Kreisen diskursfähig, die angesichts von kahl geschorenen Schlägertrupps die Nase rümpfen würden. Ihre Lektüre finden sie nicht in der „Deutschen National- und Soldatenzeitung“, sondern auf der Esoterikmesse. Das Geraune über den tieferen Sinn trübt den Blick für das, was offen zu Tage liegt.
Diesen „Antisemitismus der leisen Töne“ stellt dieses Heft in einigen Vertretern und Strömungen exemplarisch vor. Es will damit einen Beitrag leisten zur Aufklärung über menschenfeindliche Ideen an Orten, wo man sie nicht vermutet.

Zum Beispiel Jugendweihe- Riten in einer nachchristlichen Gesellschaft

Kurt-Helmuth Eimuth / Lutz Lemhöfer (Hrsg.)

Zum Beispiel Jugendweihe

Riten in einer nachchristlichen Gesellschaft

Mit Beiträgen von Andreas Fincke, EZW, Axel Noack, Bischof, Ulrich Nanko, Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Matthias Pilger-Strohl, Freireligiöse Landesgemeinschaft Hessen
Frankfurt 2000

ISBN 3-932194-35-7
In den neuen Bundesländern nehmen jährlich 100.000 jugendliche an der Jugendweihe teil, weitaus mehr als an Firmung oder Konfirmation. Die Autoren beleuchten vor diesem Hintergrund und Praxis dieser nichtkirchlichen Feier. Und sie denken über das Bedürfnis nach Ritualen in einer gesellschaft nach, deren christliche Tradition bröckelt, die aber sinnstiftende Elemente sucht.

Stichwort: Neuapostolische Kirche

Mit ca. 450.000 Mitgliedern ist die Neuapostolische Kirche (NAK) die größte Sekte in Deutschland. Insgesamt hat sie mehr Mitglieder als die Freikirchen zusammen, obgleich eine öffentliche Mission kaum stattfindet. Vielmehr werden Freunde und Bekannte zu den dreimal wöchentlich stattfindenden Gottesdiensten eingeladen.

„Ich glaube, dass der Herr Jesu seine Kirche durch lebende Apostel regiert bis zu seinem Wiederkommen, dass er seine Apostel gesandt hat und noch sendet mit dem Auftrag zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und mit dem Heiligen Geist zu taufen.“ Dieser Glaubenssatz – entnommen dem Bekenntnis der NAK -dokumentiert den Anspruch dieser Religionsgemeinschaft. Sie wird geleitet von einem Stammapostel, dem etwa 260 Apostel zur Seite stehen. Allein diese können den eigentlichen Gehalt der Bibel erfassen und weitergeben. Dabei lassen sie sich allein von Gottes Geist leiten. Ein Bibel- oder Theologiestudium sind nicht vonnöten. Sie sind die wahren Bibelinterpreten. Dieser Anspruch bewirkt eine Ablehnung christlicher Kirchen. Auch verfügen die Apostel über die Fähigkeit, den Heiligen Geist zu spenden. Das Apostelamt wird so gefährlich nahe an Jesus Christus herangerückt.

Um 1860 entstand die NAK durch Abspaltung von einer christlichen Reformbewegung. Der Berliner Prophet Heinrich Geyer gründete die „Allgemeine Christliche Mission“. Daraus wurde später die „Neuapostolische Kirche International“. Die NAK lebt – genau wie die Zeugen Jehovas – in der Naherwartung der Wiederkehr Christi in enger Anlehnung an die Johannesapokalypse. Die Neuapostolischen sollen sich möglichst von allem Weltlichen fernhalten. Nur ihrer Arbeit dürfen sie nachgehen.

Dies bewirkt ein enges Gemeinschaftsgefühl, aber auch die Kontrolle des einzelnen. So berichten ehemalige Mitglieder immer wieder von einer Enge und Starrheit des Systems, die sie als beklemmend empfanden. Fast alle Bereiche des Lebens unterliegen den strengen Vorschriften der NAK. Selbst Kino und Tanzen sind verpönt. Über den Besuch der NAK Veranstaltungen wird Buch geführt. Wer nicht regelmäßig kommt, wird zuhause von den Verantwortlichen zur Rede gestellt. Völlig undenkbar ist Kritik an Aposteln oder Stammaposteln. Solch ein Verhalten wird mit der Kritik an Gott gleichgesetzt. Obgleich als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und damit den großen Kirchen gleichgestellt, werfen ehemalige Mitglieder ihr autoritäres Verhalten und Kontrolle vor.

© Kurt-Helmuth Eimuth

Zur Rolle der Apostel
Auszüge aus dem Glaubensbekenntnis der Neuapostolischen Kirche

4. Glaubensartikel: Ich glaube, dass der Herr Jesus seine Kirche durch lebende Apostel regiert bis zu seinem Wiederkommen, dass er seine Apostel gesandt hat und noch sendet mit dem Auftrag, zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und dem Heiligen Geist zu taufen.

5. Glaubensartikel: Ich glaube, dass sämtliche Ämter in der Kirche Christi von Aposteln erwählt und in ihr Amt eingesetzt werden und dass aus dem Apostelamt Christi sämtliche Gaben und Kräfte hervorgehen müssen, auf dass, mit ihnen ausgerüstet, die Gemeinde Christi ein lesbarer Brief Christi werde.

8. Glaubensartikel: Ich glaube, dass die mit Wasser Getauften durch einen Apostel zur Erlangung der Erstlingschaft den heiligen Geist empfangen müssen, wodurch sie als Glieder dem Leibe Christi eingefügt werden. …Anmerkung: Insgesamt hat das Glaubensbekenntnis der Neuapostolischen Kirche zehn Artikel. Neben sieben eigenen Artikeln ist darin das Apostolische Glaubensbekenntnis der christlichen Kirchen enthalten, allerdings in einer abgeänderten Form.

Hintergrundinformation:
Name: Neuapostolische Kirche International
Gründung: etwa 1863
Sitz; Zürich, Schweiz
Druckerei und Verlag: Frankfurt/Main
Mitglieder in Deutschland: etwa 450.000
Mitglieder weltweit: über 7,5 Millionen in über 150 Ländern
Stammapostel: Richard Fehr
Ämter:Apostel, Bischöfe, Älteste, Hirten, Evangelisten und Priester

1999 Kurt-Helmuth Eimuth

Stichwort: Zeugen Jehovas

Ein zehn Tage alter Säugling stirbt, obwohl die Ärzte es hätten verhindern können. Ein Blutaustausch nach der Geburt wäre lebensrettend gewesen. Doch die Eltern, aktive Zeugen Jehovas, lehnen die rettende Transfusion ab. Sie berufen sich auf die Lehre ihrer Sekte, wonach es Gottes Wille sei, von keinem Geschöpf das Blut zu genießen (3. Mose 17,14). Dabei ist dieses alttestamentliche Gebot aus Ehrfurcht vor dem Leben entstanden. „Wenn dieses Gebot eingesetzt wird, um lebenserhaltende Maßnahmen zu verhindern, wird das Gebot Gottes in unerhörter Weise pervertiert“, stellt der österreichische Theologe Johannes Dantine fest.

Zeugen Jehovas bleiben in der Regel unter sich. Ihr ganzes Tun ist auf die Verkündigung ihrer Lehre ausgerichtet. Im so genannten Predigtdienst stehen sie an Plätzen und in Fußgängerzonen, um ihre Zeitschrift, den Wachtturm, abzugeben, oder sie gehen von Tür zu Tür, um zu missionieren. Fünfmal die Woche treffen sie sich zur Unterweisung. Das Verhalten, ob in Kindergarten, Schule, Beruf oder Freizeit, wird von klein auf von der Organisation bestimmt. Selbst Kindergartenkinder dürfen ihren Geburtstag nicht feiern, da Gott nicht gewollt habe, dass man sich selbst in den Mittelpunkt stelle. Eine Mitgliedschaft in Parteien, Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen ist verpönt.

Die leitende Körperschaft gilt als „Kanal oder als Sprachrohr Gottes“, durch das Jehova zu seinem Volk spricht. Zwar lesen die Zeugen Jehovas auch die Bibel, doch sie lernen in ihrem Studium die Textteile anzuführen, die ihre Ansicht belegen. Mit so völlig aus dem Zusammenhang herausgelösten Texten, zudem in eigener Übersetzung, argumentieren sie an den Haustüren.

Die Zeugen Jehovas sind davon überzeugt, dass die Endzeit bereits angebrochen ist. Christus habe 1914 den himmlischen Thron bestiegen und seine Herrschaft über die Erde angetreten. Dieses müsse jetzt allen Menschen verkündet werden, denn die Menschheitsgeschichte gehe zu Ende.

Schon bald müssten sich die Menschen verantworten: Wer nicht auf der Seite Jehovas steht, wird im Endgericht vernichtet werden. Nur die treuen Zeugen Jehovas überdauern und werden bald in einem „tausendjährigen Paradies“ leben. Schon mehrmals berechneten die Zeugen Jehovas den Zeitpunkt dieses letzten Gerichtes. Schon 1874 wurde das Endgericht erwartet, doch nach eigenen Aussagen führten neuere Berechnungen zu anderen Ergebnissen. Ab 1968 wurde verkündet, dass 1975 das Ende von 6000 Jahren Menschheitsgeschichte erreicht sei. Später war zu lesen, dass 1975 ein „helleres Licht von Jehova Gott“ gekommen sei. Derzeit wird kein konkretes Datum prophezeit.

1999 Kurt-Helmuth Eimuth

© Kurt-Helmuth Eimuth

Hintergrundinformation:
Gründer: Charles Taze Russel (1852-1916), Gründung der Wachtturmgesellschaft 1881, 1931 neuer Name „Zeugen Jehovas“
Präsident: seit 1992 Milton Henschel, geboren 1920
Zentrale: New York, Stadtteil Brooklyn
Deutsches Zentrum, Selters/ Taunus, dort leben und arbeiten über 1 000 Menschen
Mitglieder in Deutschland ca. 167.000, weltweit ca. 4,9 Millionen

Stichwort: Mormonen

Der Raum gleicht eher einer modernen Behörde: Dutzende Computerarbeitsplätze, in der Mitte ein Informationsschalter. Wir sind in Salt Lake City, USA, im größten genealogischen Archiv der Welt. Jeder und jede kann hier, wie übrigens auch in zahlreichen deutschen Niederlassungen, Ahnenforschung betreiben. Im „Joseph Smith Building“, benannt nach dem Gründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, bei uns eher unter dem Namen Mormonen bekannt, wird zahlreich von diesem Angebot Gebrauch gemacht.

Bereits 1823 hatte Joseph Smith (1805 bis 1844) eine Vision. Ihm erschien, nach eigenen Angaben, ein Engel namens „Moroni“, Sohn eines gewissen „Mormon“, der angeblich im 5. Jahrhundert als Prophet in Amerika gewirkt haben soll. Der Engel zeigte Smith vergrabene Goldplatten, die altertümliche Schriftzeichen enthalten haben sollen. Mit Hilfe einer „Prophetenbrille“ entschlüsselte Smith die Schriftzeichen. Das Buch Mormon war, so die Legende, entstanden. Noch im gleichen Jahr gründete Smith die „Kirche Jesu Christi“ in Fayette/New York und wurde zum „Seher, Propheten und Offenbarer“ bestimmt. Aufgrund von Reibereien mit der alteingesessenen Bevölkerung wurden die Mormonen immer wieder vertrieben. Smith selbst wehrte sich durchaus handgreiflich und zerstörte die Redaktionsräume eines Kritikers. Er wurde daraufhin in das Bezirksgefängnis gebracht. Doch die aufgebrachte Menschenmenge stürmte das Gefängnis und erschoss den Religionsgründer.

Brigham Young, Vorsitzender des Apostelkollegiums, übernahm daraufhin die Führung als neuer „Prophet“. Er organisierte einen Treck westwärts. Rund 15 000 Menschen erreichten 1847 das Salzseetal der Rocky Mountains.“This is the place“, das ist der Ort, soll Young ausgerufen haben, als er das Tal erblickte. In einer beachtlichen Aufbauleistung haben die Mormonen Salt Lake City, ja den gesamten Bundesstaat Utah, aufgebaut. Dieser wurde aber erst als Teil der USA anerkannt, als die Religionsgemeinschaft von der Praxis der Vielehe (1890) Abstand nahm.

Die Tatkraft der Mormonen ist auch heute noch unübersehbar. Der Bildungsstand ist hoch, in Provo/Utah wird eine eigene Universität unterhalten. Vermutlich auch wegen des völligen Verzichtes auf Kaffee, Tee, Alkohol und Tabak ist die Gesundheit der Mormonen überdurchschnittlich. Auch bekämpft die Gemeinschaft soziale Not und unterhält eigene Supermärkte für Bedürftige mit eigens dafür produzierten Waren.

1999 Kurt-Helmuth Eimuth

© Kurt-Helmuth Eimuth

Mormonismus und Christentum
Der Mormonismus gehört aufgrund seiner auf „neuen Offenbarungen“ beruhenden unbiblischen Lehren und der geheimen Tempelrituale nicht zum weiten Spektrum des ökumenischen Christentums. Er ist vielmehr als eine amerikanische, synkretistische Neureligion zu bewerten. Fast alle aus dem biblisch-christlichen Kontext übernommenen Begriffe (z.B. Sünde, Gott, Christus, Schöpfung, Apostel, Auferstehung, Taufe, Heil usw.) sind in ihren Inhalten völlig verändert und „mormonisiert“ worden. Daneben propagiert der Mormonismus Amerika als „Kontinent des Heils“, als Mittelpunkt der göttlichen Heilsgeschichte: Das Paradies Adams und Evas liegt im Bundesstaat Missouri, Christus erschien nach seiner Auferstehung auf dem amerikanischen Kontinent und wird dort auch nach seiner Wiederkunft im Endzeit-Tempel von Independence/Mo. residieren, usw. Deshalb bedeutet ein Übertritt zum Mormonentum nicht nur einen Glaubenswechsel, sondern eine völlige Abkehr von der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft. Der Mormonismus repräsentiert eine ganz andere, fremdartige Welt. Die Folge ist eine starke Belastung der bisherigen gesellschaftlichen, vor allem aber familiären Bezüge. Die extremen Glaubensvorstellungen der Mormonen und die starke zeitliche Beanspruchung des einzelnen Mitglieds in der Mormonengemeinschaft stellen in konfessionsgemischten Familien in der Regel eine Zerreißprobe dar. Author: Rüdiger Hauth (aus: Bernd Dürholt (Hg.), Streifzug durch den religiösen Supermarkt, Evangelischer Presseverband für Bayern, München 1994)