von Kurt-Helmuth Eimuth 5. März 2019
Es ist gut, dass junge Leute sich für den Klimaschutz engagieren. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.
Nicht nur die Kanzlerin zollt der Jugend ihren Respekt. Die Initiative „Fridays for Future“ löst allseits Anerkennung für eine Genaration aus, der es nicht egal ist, wie sie in dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren leben wird. In ihrem Videopodcast sagte Angela Merkel: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Endlich beteiligt sich die Jugend an Politik, formuliert klar ihre Interessen und hält der Generation der Herrschenden und Mächtigen den Spiegel vor.
In das Gefühl der Freude mischt sich doch beim genaueren Nachdenken Skepsis. Muss denn während der Unterrichtszeit demonstriert werden? Klar, was ist denn eine versäumte Mathe-Stunde gegen die Erderwärmung, was ist eine verpasste Bio-Stunde gegen das Artensterben? Aber es geht ja nicht um die einmalige Teilnahme an Demos, sondern um den regelmäßigen Protest am Freitagvormittag.
Vor 100 Jahren wurde die Schulpflicht in der heutigen Form mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung eingeführt. Zuvor konnte man sich dem Schulbesuch durch angeblichen oder tatsächlichen Unterricht in privaten Schulen oder gar Zuhause entziehen, denn es gab nur eine „Bildungspflicht“. Das Bundesverfassungsgericht hat die Schulpflicht in zwei Beschlüssen 2003 und 2006 inhaltlich unterstrichen: „Die Pflicht zum Besuch der staatlichen Grundschule dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich“ Es gehe dabei, so das Gericht, nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um „die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können.“
Die Bedeutung der Schulpflicht auch in der Abwägung zu ehrenwerten übergeordneten Zielen gesamtgesellschaftlicher Art betont ausdrücklich das Hessische Schulgesetz. Es sei ein nicht ausreichender Entschuldigungsgrund, wenn Schülerinnen und Schüler an einer Demonstration teilnähmen. Dies sei auch keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wird in dem Gesetz betont.
Ganz unabhängig von Gesetzen und Gefühlen muss doch bilanziert werden, dass die Schulpflicht der Garant für die Bildung der Bevölkerung ist. Und Bildung ist die entscheidende Ressource Deutschlands. Bildung ist aber auch die Grundlage zur Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels. Ja, mag man der Jugend zurufen, bleibt dran, es geht um eure Lebensgrundlage. Engagiert euch weiter, aber vernachlässigt nicht eure Bildung, denn der bedrohte Planet braucht mehr denn je kluge Menschen mit Weitblick.