Tag Archiv für Jugend

Distanz von Jugendlichen zur Kirchengemeinde ist normal

von Kurt-Helmuth Eimuth 12. Mai 2013

Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Kirchengemeinde auf. Was läuft da falsch? Nichts!

Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser
Party in der Jugendkulturkirche Sankt Peter – vielleicht ein Ort, wo Jugendliche auch nach der Konfirmation den Kontakt zur Kirche behalten können. Denn in den Gemeinden sind sie dann meist kaum noch anzutreffen. Foto: Rolf Oeser

Drei Pfarrer haben das gleiche Problem: Fledermäuse im Glockenturm! Sagt der erste: „Ich habe es mit Ausräuchern probiert, jetzt stinkt die Kirche und die Fledermäuse sind alle schon wieder zurück.“ Sagt der zweite: „Ich habe es mit Kanonendonner probiert, das Ergebnis war, dass die Fledermäuse wieder da sind, und ich habe einen Hörschaden.“ Sagt der dritte: „Meine Fledermäuse sind weg: Ich habe sie erst getauft und dann konfirmiert!“

Ein alter Witz, ein altes Problem: Nach der Konfirmation tauchen die meisten jungen Leute nur noch selten in der Gemeinde auf. Was läuft da falsch? Die Entwicklungspsychologie sagt: Nichts! Die evangelische Konfirmation, die auf den in Straßburg wirkenden Reformator Martin Bucer zurückgeht und erstmals 1539 in der hessischen „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ formuliert wurde, ist ein Passageritus. Als solcher markiert die Konfirmation zwar heute in Westeuropa nicht mehr den Übergang vom Kind zum Erwachsenen wie noch im 18. Jahrhundert, als sich die Konfirmation in Deutschland flächendeckend durchsetzte. Aber es ist doch ein Lebenseinschnitt. Den Heranwachsenden wird nun mehr Entscheidungsspielraum zugebilligt und zugemutet.

Gerne nehmen die Jugendlichen das an. Sie wollen jetzt ihre eigenen Erfahrungen machen, Unbekanntes ausprobieren – und lehnen sich folgerichtig gegen das Alte auf. Allerdings gibt es durchaus Verbesserungsbedarf. Die Evangelische Kirche in Deutschland stellte kürzlich selbstkritisch fest: „Viele Jugendliche gewinnen nicht den Eindruck, dass die Kirche Antworten auf die Fragen hat, die für ihr eigenes Leben wirklich relevant sind.“

Trotz organisatorischer Schwierigkeiten durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf den Nachmittag sind der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation immer noch zentrale Bestandteile evangelischen Lebens. Mit dem nötigen Grundwissen und der Erfahrung des Konfirmandenunterrichts ausgestattet kann auch eine spirituelle Suchbewegung beginnen.

Doch diese Suche wird meist außerhalb der Heimatgemeinde stattfinden – und das ist auch nicht schlimm. Ob es nun die Mitwirkung in einem Gospelchor ist oder die Lan-Party in der Jugendkulturkirche oder auch eine zeitweilige Distanz zu kirchlichen Angeboten generell, ist egal. Erfolgreicher Konfirmationsunterricht zeigt sich nicht in der Größe gemeindlicher Jugendgruppen, sondern darin, ob die Basis für die spätere Lebensbewältigung an Stabilität gewonnen hat. Und dafür lohnt sich jede Mühe.

Kirchenvorstände zum Mitbestimmen

Von Kurt-Helmuth Eimuth – 22. Oktober 2014

Mitbestimmung muss man einüben. Nur so kann der abstrakte Begriff „Demokratie“ auch mit Leben gefüllt werden. Die evangelische Kirche hat jetzt einen weiteren Schritt getan: In den neuen Kirchenvorständen, die im kommenden Frühjahr gewählt werden, können erstmals auch Jugendliche mitarbeiten.

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Schon immer zeichnet sich der Protestantismus durch ein klares demokratisches Kirchenprinzip aus. Ausgehend von der reformatorischen Überzeugung des „Priestertums aller Gläubigen“ haben nicht Pfarrer und Pfarrerinnen das letzte Sagen, sondern vielfältige Gremien, in denen in der Regel die Ehrenamtlichen in der Mehrheit sind. Im deutschlandweiten Vergleich ist die hessen-nassauische Kirche noch einmal besonders demokratisch geprägt. Ihr erster Kirchenpräsident war der NS-Widerstandskämpfer Martin Niemöller. Aus der Erfahrung mit einem autoritären Staat heraus war es ihm wichtig, die Kirche strikt von unten her aufzubauen.

Momentan sind viele Gemeinden in Frankfurt auf der Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten für die Kirchenvorstandswahlen am 26. April 2015. Der Kirchenvorstand ist das oberste Leitungsorgan jeder Gemeinde. Je nach Gemeindegröße besteht er aus sechs bis zwanzig Personen plus den Pfarrern und Pfarrerinnen. Er entscheidet über die Finanzen, vertritt die Gemeinde in rechtlichen Dingen, trägt die Mitverantwortung für Seelsorge und Gottesdienstgestaltung und beschließt sämtliche Personalangelegenheiten, auch bei einer Neubesetzung der Pfarrstelle.

Der Kirchenvorstand wählt außerdem Delegierte für die Synode des Frankfurter Stadtdekanats, und diese wiederum entsendet Delegierte in die Synode der Landeskirche, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). In diesen Kirchenparlamenten wird über überregionale Belange entschieden, wobei zahlreiche Ausschüsse und Kommissionen in diese Entscheidungen einbezogen werden. Das ist zwar mühsam und zuweilen auch langwierig, allerdings können so auch keine Alleingänge einzelner „Kirchenfürsten“ passieren. Die Finanzhaushalte von Gemeinde, Dekanat und Landeskirche werden zudem öffentlich ausgelegt.

Wer teilhaben will an den Entscheidungen der evangelischen Kirche, sollte also für den Kirchenvorstand kandidieren. Und genauso braucht Partizipation Wählerinnen und Wähler. Auch bei der Kirchenvorstandswahl gilt darum: Wählen gehen!

Der Übergang zu etwas Neuem

Konfirmation und was dann? Oft wünschen sich Pfarrer und Pfarrerinnen oder auch die Eltern, dass die Jugendlichen nach der Konfirmandenzeit weiter in der Kirche aktiv bleiben. Doch dies klappt, trotz vieler attrak tiver Angebote, in den wenigsten Fällen.
Früher erfüllte die Konfirmation einen klaren gesellschaftlichen Zweck: Jungen und Mädchen wurden zunächst im Katechismus unterwiesen und dann in die Gemeinde aufgenommen. Die Konfirmation stand also für den Übergang vom Kindes- in das Erwachsenenalter. Sie ist ein so genannter „Passageritus“, bei dem die feierlich gekleideten Kinder mit einem Rosmarinsträußchen am Kragen aus der Schule „ins Leben hinaus konfirmiert“ wurden. Das zeigte sich zum Beispiel in einer neuen Kleiderordnung: Von nun an trugen die Jungen lange Hosen, die Mädchen die ersten Schuhe mit höheren Absätzen, in ländlichen Gebieten durften sie zum ersten Mal die ortsübliche Tracht der Ledigen anziehen. Und: Seit der Konfirmation wurde man mit „Sie“ angesprochen.
Für die Paten war der Übergang vom Kind zur Frau oder zum Mann oft teuer: mit Goldschnitt verzierte Bibeln, fein gestickte Hemden oder auch lebende Tiere, die den Grundstock für das spätere Auskommen bilden sollten, gab es als Geschenk. Noch immer gehören Geschenke zur Konfirmation – auch wenn es heute nicht mehr die Ziege ist. Und es gibt ein großes Fest: In manchen Gemeinden konfirmiert man inzwischen sogar samstags. Das entfernt zwar die Konfirmation von der Gemeinde, ist aber enorm praktisch für die große Familienfeier.
Doch die Konfirmandinnen und Konfirmanden werden immer jünger und die Ausbildung junger Menschen dauert immer länger. Deshalb markiert dieser Passageritus heute in den allermeisten Fällen nicht mehr den Eintritt in das Berufsleben, sondern fällt mit einer anderen Lebensphase zusammen: der Pubertät. Die Konfirmation ist also zwar immer noch ein öffentliches Signal dafür, dass die Kindheit nun vorbei ist. Aber das heißt nicht mehr, dass man dann erwachsen ist. Gerade zu dieser Entwicklungsphase der Pubertät gehört nämlich die Absetzbewegung von allem, was etabliert ist. Jugendliche mit 13, 14 Jahren wollen anders sein als die Erwachsenen, sie kleiden sich anders, haben „null Bock“, wollen eigene, neue Wege finden. In dieser Lebensphase hat es die Kirche als etablierte Institution extrem schwer.
Es kommt deshalb gar nicht so sehr darauf an, die jungen Leute nach der Konfirmation irgendwie in der Kirche zu halten. Wichtiger ist, ihnen Raum zu geben für ihre Suche nach einem eigenen Lebensstil. Evangelische Jugendhäuser sind zum Beispiel solche Orte. Wenn junge Menschen nach der Konfirmation erst einmal auf Distanz gehen, heißt das nicht, dass sie aus der Kirche „hinauskonfirmiert“ werden. Denn viele junge Erwachsene engagieren sich nach einer Zeit der Distanz später doch wieder.
Kurt-Helmuth Eimuth

Evangelisches Frankfurt: Juni 2003 · 27. Jahrgang · Nr. 4